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reif für die insel www.das-parlament.deberlin, montag 22. april 2013 63. jahrgang | nr. 17 | preis 1 € | a 5544 a m ende war die zustimmung groß. der bundestag gab am vergangenen donnerstag grünes licht für die von der bundesregierung beantragte finanzhilfe für zypern (17/13060). in namentlich abstimmung votierten bei 13 enthaltungen 487 abge- ordnete für und 101 gegen das hilfspro- gramm, das unter auflagen ein darlehen von insgesamt zehn milliarden euro für zy- pern vorsieht (siehe artikel unten). die zustimmung des bundestages war not- wendig, damit der gouverneursrat an die- sem mittwoch, 25. april, das hilfspro- gramm auf den weg bringen kann. wenn das zyprische parlament dem programm mit seinen bedingungen ebenfalls noch zu- stimmt, könnte die erste tranche des darle- hens im mai überwiesen werden. andern- falls droht zypern der staatsbankrott. regierungserklärung finanzminister wolfgang schäuble (cdu) bezeichnete in seiner regierungserklärung die geplante fi- nanzhilfe als einen weiteren schritt auf dem weg zur sicherung der stabilität der euro- zone. zwar handele es sich bei zypern um ein relativ kleines land mit weniger als ei- ner million einwohner, das zudem eine ge- ringe wirtschaftskraft habe. trotzdem sei ei- ne „ansteckungsgefahr“ für andere länder möglich. der stellvertretende fraktionsvorsitzende der union, michael meister (cdu), und der haushaltspolitische sprecher der fdp-frak- tion, otto fricke, unterstützten den weg der regierung. „um weiter das vertrauen in die eurozone zu stärken, muss zypern gestützt werden“, sagte meister. wichtig sei auch, dass die gläubiger der banken in haftung genommen werden. fricke wies darauf hin, dass in der eurozo- ne nur hilfe zur selbsthilfe gewährt werde. es wäre für zypern leichter gewesen, wenn die reformen schon vorher eingeleitet wor- den wären. es zeige sich immer mehr, dass länder, die rechtzeitig reformieren würden, später besser dastünden als die anderen staaten. auch der vorsitzende der spd-fraktion, frank-walter steinmeier, hielt das paket für richtig. seine fraktion habe sich schon im- mer dafür eingesetzt, dass die „einfachen steuerzahler am ende nicht die dummen“ sein dürften und sich die eigner und gläu- biger der banken an der restrukturierung beteiligen müssten. dies habe jetzt endlich auch die regierung erkannt. „eine europäi- sche union, die gegen elementare begriffe der gerechtigkeit verstößt, wird uns um die ohren fliegen“, sagte steinmeier voraus. die zustimmung der spd für das hilfspro- gamm sei allerdings keine zustimmung für das krisenmanagement der europäischen finanzminister, bei dem schäuble eine ent- scheidende rolle gespielt habe. es sei dilet- tantisch gewesen, auch die kleinanleger ein- beziehen zu wollen, wie dies bei der ersten entscheidung vorgesehen worden war, be- tonte er. auch die vorsitzende der fraktion bündnis 90/die grünen, renate künast, hielt es für richtig, dass das rettungspaket nach langen „irrungen und wirrungen“ doch noch auf den weg gebracht werden könne. allerdings habe das „agieren“ der finanzminister zu viel misstrauen gerade bei den kleinen spa- rern geführt. eine europaweite vertrauens- krise könne die folge sein. außerdem kriti- sierte sie, dass schäuble die antwort schul- dig geblieben sei, wie es weitergehen soll in der eu zum beispiel bei der regulierung des bankensektors. „wo sind die jugendpro- gramme für die länder mit hoher jugendar- beitslosigkeit?“, fragte sie weiter. linke dagegen eindeutig gegen das hilfs- programm sprach sich der vorsitzende der linksfraktion, gregor gysi, aus. „es geht hier nicht um ein hilfspaket für die men- schen auf zypern, sondern erneut um die rettung von banken“, betonte er. insgesamt seien in europa schon mehr als 350 milli- arden euro in die rettung von banken in- vestiert worden. es sei nicht davon auszuge- hen, dass dieses geld jemals zurückgezahlt werden könne. auch zypern werde wohl kaum in der la- ge sein, das darlehen zu- rückzuzahlen, da das land zusätzlich noch 13 milliar- den euro aufbringen müss- te. deshalb sollten jetzt auch noch die unterneh- men privatisiert werden, die erfolgreich seien und dem staat geld bringen würden. gysi betonte, dass die hauptbetroffenen die anle- ger bei den beiden zypris- chen banken seien. dazu gehörten die zy- prischen pensionsfonds und auch kleinere handwerker, die nun ihre löhne nicht mehr bezahlen könnten. „die reichen ha- ben sich schon längst aus dem staub ge- macht“, sagte er. der bundestag lehnte ent- schließungsanträge der linksfraktion (17/13108) für eine lösung der zyprischen probleme außerhalb des troika-regimes und der fraktion bündnis 90/die grünen (17/13108) für einer vervollständigung der bankenunion ab. dagegen stimmte er haf- tungsanpassungen für zypern nach dem rahmenvertrag zur europäi- schen finanzstabilisie- rungsfazilität (efsf) zu. da- nach erhöht sich wegen des ausfalls nikosias die deut- sche haftung nach dem efsf-rahmenvertrag von 29,07 auf 29,13 prozent. der bundestag stimmte in namentlichen abstimmun- gen ebenfalls der von der bundesregierung beantrag- ten verlängerung der durch- schnittlichen laufzeiten für die darlehen des euro-rettungsschirms an irland und portugal um weitere sieben jah- re zu. michael klein ❚ v iel papier mit viel inhalt. der an- trag (17/13060) der bundesre- gierung für eine zustimmung des bundestages zum hilfspaket für zypern ist 216 seiten dick. da der antrag erst am vorvergangenen sonntag zugestellt wurde, blieben den abgeordneten nur vier tage, um sich mit dem inhalt vertraut zu machen. dennoch stimmte am vergange- nen donnerstag eine große mehrheit zu. danach erhält zypern ein darlehen über insgesamt zehn milliarden euro. davon soll der beitrag des europäischen stabilitätsme- chanismus (esm) neun milliarden euro be- tragen. der internationale währungsfonds (iwf) soll eine milliarde euro zahlen. mit einer beschlussfassung des iwf wird im mai gerechnet. verringerung des bankensektors die fi- nanzhilfe ist so ausgelegt, dass 7,5 milliar- den euro zur abdeckung des finanzbedar- fes des zyprischen staatshaushaltes und rund 2,5 milliarden euro für die rekapita- lisierung und umstrukturierung des ban- kensektors verwendet werden. zur abwick- lung beziehungsweise restrukturierung der bank of cyprus und der laiki bank werden jedoch keine mittel zur verfügung gestellt. bei der umsetzung des hilfsprogramms soll sichergestellt werden, dass der zyprische bankensektor weiter verringert wird. dies soll durch die weitgehende reduzierung des verbleibenden internationalen geschäfts zyprischer banken und die rückführung des einheimischen geschäfts auf den zur finan- zierung der zyprischen realwirtschaft not- wendigen umfang geschehen. weiter muss sich zypern verpflichten, den staatshaus- halt zu konsolidieren. dazu soll unter an- derem die zinsertragssteuer angehoben und der körperschaftssteuersatz von derzeit zehn auf 12,5 prozent erhöht werden. zu- dem sollen staatsbetriebe privatisiert und goldreserven verkauft werden. weiter muss zypern strukturreformen um- setzen. dazu gehört unter anderem ein ab- schlag für frühverrentung und die begren- zung der monatlichen renten auf maximal 50 prozent des höchsten einkommens. al- le rentenmaßnahmen sollen auch auf pen- sionen angewendet werden. das hilfsprogramm sieht auch ein bündel von auflagen zur besseren bekämpfung der geldwäsche vor. dazu soll zypern bei der geldwäscheprävention besser mit ausländi- schen behörden kooperieren und die zypri- sche zentralbank soll ihre überwachung der institute verstärken. die schuldentragfähigkeitsanalyse der troi- ka (ezb, iwf, europäische kommission) zeigt laut antrag, dass der schuldenstand zyperns bei umsetzung des programms zu- nächst auf rund 126 prozent des bruttoin- landsprodukts (bip) im jahr 2015 ansteigen wird. danach könnte er bis zum jahr 2020 auf rund 105 prozent sinken. die troika be- wertet diese schuldenentwicklung als trag- fähig und verweist gleichzeitig auf die ge- fahr von abwärtsrisiken bei der wirtschaft- schaftsentwicklung. mik ❚ reif für die inselzypern der bundestag billigt mit großer mehrheit das europäische finanz-rettungsprogrammyiannakis omirou alles ist nur dem europäi- schen reglement geschuldet und hat nichts mit dem streit um hilfen zu tun:bis dienstag ist zy- pernsparlamentsprä- sident yiannakis omirou (61) gastge- ber der dreitägigen parlamentspräsiden- tenkonferenz der eu unddeseuropaparla- ments.auch bundes- tagspräsident nor- bert lammert (cdu) ist dabei. das hoch- rangigetreffen findet stets im folgenden frühjahr im land der vorher- gehenden eu-ratspräsidentschaft statt, die zy- pern in der zweiten hälfte 2012 innehatte.auf der konferenz in nikosia, die über aspekte des fiskalvertragesdebattiert,wirdsichderstreitba- re omirou als guter gastgeber zurücknehmen müssen: der chef der oppositionellen edek-so- zialisten hatte zuletzt mit markigenworten den euro-austritt seines landes gefordert,das keine „kolonie“ der eu werden dürfe. kru ❚ milliarden euro beträgt der deutsche haf- tungsanteil für die zypern-hilfe. beim perma- nenten euro-rettungsschirm esm, der nikosia mit neun milliarden euro unterstützt, beträgt berlins anteil 2,44 milliarden euro. das ent- spricht 27,15 prozent. hinzu kommt der anteil deutschlands von 61,2 millionen euro (6,12 prozent) für die eine milliarde euro große ga- rantie des internationalen währungsfonds. kopf der woche guter gastgeber in nikosia zahl der woche 2,5 zitat der woche »das war eine erbärmliche vorstellung.« frank-walter steinmeier, spd-fraktions- chef,im bundestag über die eu-finanzminister, die zunächst die einbeziehung von kleinanle- gern zur bankenrettung in zypern beschlossen das parlament frankfurter societäts-druckerei gmbh 60268 frankfurt am main der inselstaat zypern soll in der eurozone bleiben. dazu dient das milliarden-rettungspaket der eu und des internationalen währungsfonds. hilfspaket auf 216 seiten bundeskanzlerin angela merkel (mitte) stimmt im bundestag über die zypernhilfe ab. ©picture-alliance/dpa ©picture-alliance/dpa »um weiter das vertrauen in die eurozone zu stärken, muss zypern gestützt werden.« wolfgang schäuble (cdu) mehr zum thema der woche auf den seiten 2, 3 und 14 weiterführende links zu den themen dieser seite finden sie in unserem e-paper beschluss antrag der bundesregierung regelt neben der euro-summe auch die zahlungsbedingungen ©picture-alliance/dpa in dieser woche innenpolitik gesundheit koalition will prävention ge- setzlich verbessern seite 6 europa und die welt auslandsschulen deutsche einrichtungen sollen förderanspruch erhalten seite 7 wirtschaft und finanzen wachstum enquete-kommission legt ab- schlussbericht vor seite 11 kultur und medien internet bundestag debattiert über schluss- bericht der kommission seite 13 mit der beilage apuzaus politik und zeitgeschichte 63. jahrgang · 17/2013 · 22. april 2013 kroatien im schneesturm kroatiens weg in die eu ludwig steindorff ein kurzer gang durch die geschichte marie-janine calic kroatien und seine nachbarn ljiljana radonic erinnerungskultur und -politik christian braun der schwierige umgang mit der geschichtehomophobie im zeitgenössischen kroatien zunächst steht die abmachung im konjunktiv. denn selbst wenn sich die euro-gruppe einig ist, ein neues rettungspaket für ein angeschla- genes mitgliedsland auf den weg zu bringen, muss das deutsche parlament zustimmen. erst anschließend kann die bundesregierung end- gültig ja sagen und damit den milliardentrans- fer frei geben. einen solchen beschluss hat der bundestag in der vergangenen woche getroffen. die ent- scheidung, dem staatshaushalt in zypern unter die arme zu greifen, haben sich die abgeordne- ten nicht leicht gemacht. immerhin ging es um zehn milliarden euro, die rettungsschirm (esm) und internationaler währungsfonds (iwf) drei jahre lang in raten auf die mittelmeer-insel überweisen. ähnlich schwer wie die ohnehin drückende ver- antwortung, einem partnerstaat mit einer gro- ßen summe deutschen steuergeldes auszuhel- fen, wog in der parlamentarischen debatte die sorge um die öffentliche wahrnehmung dieses vorgangs. besonders, weil vor dem hintergrund des staatlichen zugriffs auf sparguthaben in zy- pern grundsätzlich über die sicherheit privater rücklagen in krisenzeiten diskutiert wird. das ist verständlich. allerdings hat zypern damit ebenfalls signalisiert, nach kräften bei der kon- solidierung des maroden haushaltes mithelfen zu wollen. auch um den preis, dass finanzstar- ke investoren dauerhaft verprellt werden. ganz offensichtlich hat zypern viele fehler in der finanzpolitik gemacht. und wahrscheinlich sind tatsächlich beträchtlichevermögen gerade noch rechtzeitig vor einer zwangsabgabe außer landes gebracht worden, einerseits. anderer- seits soll jetzt ein umfangreiches sparpro- gramm als beweis ernsthafter konsolidierungs- absichten dienen: mehr steuereinnahmen, we- niger stellen im öffentlichen dienst; höhere zu- zahlungen für krankenversicherte, niedrigere abschläge bei der frührente. belasten wird all das vor allem „dimitris nor- mal-zyprer“. die hässlichen bilder der proteste gegen die sparpolitik, die sich in mitunter inak- zeptabler weise auch gegen deutschland rich- teten, müssen vor diesem hintergrund milder bewertet werden. der bundestag jedenfalls ist abermals mit großer mehrheit seiner linie treu geblieben. das parlament hat sich solidarisch mit einem schwächelnden euro-partner gezeigt – und damit letztlich zum wohle aller ganz europa gestärkt. editorial klare linie im bundestag von jörg biallas thema: milliarden für zypern bundestag entscheidet über hilfe seite 1-3 frauen-rechte parlament streitet über quoten für weibliche führungskräfte in firmen seite 5 abgeordneten-rechte interview mit ex-minister schmidt-jortzig zu einer neuen diätenregelung seite 9 www.das-parlament.deberlin, montag 22. april 201363. jahrgang | nr. 17 | preis 1 € | a 5544