jahrzehntelanger stein des anstoßes 10 wirtschaft und finanzen das parlament – nr. 24 – 10. juni 2013 v or der hacke ist es duster“. dieser alte bergmanns- spruch besagt, dass, wo mit hacke und schaufel erz und gestein weggeräumt wird, immer gefahr lauert. statt erz und gestein haben die mitglieder des ersten untersuchungsausschusses zum the- ma gorleben jede menge akten abgeräumt. ob sie dabei aber ergebnislos gebohrt oder doch licht ins dunkel über die letzten 30 jahre des umstrittenen atommülllagers bringen konnten, bleibt auch nach ende der arbeit des untersuchungsausschusses am vergangenen donnerstag eine glaubensfra- ge. denn sowohl die im ausschuss zusam- mengetragenen fakten als auch die ergeb- nisse werden von regierung und oppositi- on vollkommen unterschiedlich bewertet. zeugnis darüber legt der ausschussbericht (17/13700) ab, der auf 1.728 seiten die ar- beit des ausschusses dokumentiert. die re- gierung kommt danach, in der sprache der bergleute, zu dem schluss, „dass die ergeb- nisse von 30 jahren gorleben-erkundung nie anlass gegeben haben, an der eignungs- höffigkeit des salzstocks gorleben für ein endlager für alle arten von radioaktiven ab- fällen zu zweifeln“. der berichterstatter der cdu/csu, michael paul, übersetzt die bergmannssprache so, „dass es keine grün- de gibt, die daran zweifeln lassen, dass gor- leben geeignet sein könnte“. ohne gemeinsames ergebnis keine zwei- fel hat auch die opposition – und zwar da- ran, dass durch den untersuchungsaus- schuss nunmehr eindeutig belegt werden kann, „dass politische beeinflussung, täu- schung und verschleierung bei gorleben über jahrzehnte hinweg eine konstante wa- ren“, schreiben sie im abschlussbericht. auch wenn es kein gemeinsames ergebnis gab, zeigten sich alle mitglieder des aus- schusses in der vergangenen woche sicht- lich erleichtert, den ausschuss abschließen zu können. „das ist eine last, die dieser aus- schuss bewältigt hat, die uns manchmal auf dem herzen und den seelen lag“, sagte die vorsitzende des ausschusses, maria flachs- barth (cdu), als sie die zwei dicken bände an bundestagspräsident norbert lammert (cdu) übergab. trotz der unterschiedli- chen voten bezeichnete der den bericht als „vorzeigbares ergebnis“ eines ebenso „kom- plexen wie brisanten themas“ und als be- weis für die „leistungsfähigkeit des parla- ments“. auch wenn sich der bericht vor al- lem mit der vergangenheit des umstrittenen atommülllagers beschäftigt, sagte lammert in die zukunft gerichtet, dass der gemeinsa- me anlauf der fraktionen für ein endlager- suchgesetz „sicherlich nicht völlig unabhän- gig von den ergebnissen dieses untersu- chungsausschusses gesehen werden kann“. die linke hatte als geschenk für den bun- destagspräsidenten den „stein des ansto- ßes“ mitgebracht: ein salzkristall aus gorle- ben. drei jahre lang hatten sich die 15 abgeord- neten des ausschusses – zum teil äußerst kontrovers – vor allem um zwei fragen ge- stritten: warum hatte die regierung unter dem damaligen bundeskanzler helmut kohl (cdu) im jahr 1983 entschieden, nur den salzstock gorleben auf eine eignung für die endlagerung von atommüll zu un- tersuchen? und: ist es dabei zu politischen einschränkungen oder manipulationen ge- kommen? um diesen fragen auf den grund zu gehen, hatten die abgeordneten eine wahre herkulesaufgabe vollbracht: in mehr als 90 sitzungen wurden mehr als 50 zeu- gen und sachverständige befragt, darunter auch bundeskanzlerin angela merkel (cdu). außerdem wurden 5.600 akten ge- sichtet und daraus 2.800 ordner mit ver- merken, briefen und sachständen zusam- mengestellt, die von den mitgliedern des ausschusses durchgearbeitet wurden. kein nachrichtenwert für reinard grin- del (cdu) eine vergebliche mühe, denn, so sein fazit bei der debatte über den bericht am vergangenen donnerstag: „bei diesem untersuchungsausschuss ist nichts neues herausgekommen, weil es die skandale und unzulänglichkeiten, von denen sie spre- chen, gar nicht gegeben hat.“ denn ansons- ten, sagte grindel, selbst früher journalist, „hätten sich die zeitungen bei der bericht- erstattung über unseren ausschuss doch überschlagen müssen“. er warf der opposi- tion vor, sie habe mit der einsetzung des untersuchungsausschusses „aus rein partei- taktischen gesichtspunkten das thema am kochen“ halten wollen und fügte hinzu: „sie haben das untersuchungsausschuss- recht missbraucht, nichts anderes.“ für die spd konterte kirsten lühmann, dass grin- del in einem punkt recht habe: „dieser un- tersuchungsausschuss hat keine neuen er- kenntnisse gebracht.“ die erkenntnisse sei- en alle schon vorhanden gewesen. „nur wurden sie von ihnen immer wieder bestrit- ten“, sagte sie. es sei daher gut, dass durch den ausschuss alle dokumente öffentlich und für die öffentlichkeit einsehbar seien. beschränkter aufklärungswille ute vogt, berichterstatterin der spd, erhob den vor- wurf, ein „teil des ausschusses hätte bis zum schluss nur sehr beschränkten aufklä- rungswillen erwiesen“. vogt bekräftigte, dass die standortauswahl für gorleben 1977 „aufgrund politischer vorgaben“ erfolgt sei. 1983 habe es zudem eine einflussnahme auf den bericht von wissenschaftlern gege- ben, die erklärt hatten, „es reicht nicht aus, nur einen standort zu untersuchen“. nach 1997 sei gorleben nicht „mehr entlang der erfordernisse der wissenschaft erkundet worden, sondern nur noch entlang der vor- handenen salzrechte“, betonte sie. angelika brunkhorst (fdp) warf ihr daraufhin vor: „die opposition hält unbeirrbar an ihren verschwörungstheorien fest, ohne die er- kenntnisse aus dem ausschuss überhaupt wahrzunehmen. die argumentation der opposition sei nicht schlüssig und „die ru- dimentären versuche der beweisführung völlig misslungen“. gleichzeitig betonte sie, es sei nicht aufgabe des ausschusses gewe- sen, zu prüfen, ob der salzstock gorleben geeignet sei, sondern, ob die damalige re- gierung unter helmut kohl 1983 druck auf die physikalisch-technische bundesanstalt (ptb) ausgeübt habe. „dieser vorwurf konnte klar wiederlegt werden. es gab keine politische manipulation“, sagte die fdp-po- litikerin. anderer meinung war dorothée menzner (die linke). sie warf der regierung vor, sie habe das regierungshandeln der vergangen- heit „reinwaschen“ wollen. der standort gorleben hätte gegen alle bedenken „durch- geboxt“ werden sollen. aus den unterlagen der opposition könne man ablesen, dass über jahrzehnte ein echtes konzept für die lagerung dieser gefährlichen stoffe, „die die menschheit je hervorgebracht hat“, gefehlt habe. im gegensatz zum gesetzentwurf für die suche nach einem radioaktiven endla- ger, der vorsieht, gorleben in die standort- suche mit einzubeziehen, forderte menzner daher: „gorleben muss raus aus dem ver- fahren.“ der standort sei geologisch unge- eignet. wichtiges puzzleteil sylvia kotting-uhl (bündnis 90/die grünen) verteidigte die entscheidung, gorleben in die suche einzu- beziehen und erklärte: „wir brauchen den vergleich, weil wir das im vergleich sichers- te suchen müssen.“ gleichzeitig räumte sie zwar ein, dass der untersuchungsausschuss „vielleicht der teuerste und der längste, aber nicht der überflüssigste ausschuss“ gewesen sei. es sei kein zufall, dass es gerade jetzt ge- lungen sei, in einem breiten konsens ein endlagersuchgesetz auf den weg zu brin- gen. neben der regierungsübernahme in baden-württemberg habe es dazu noch das „puzzlesteinchen untersuchungsausschuss gorleben“ geben müssen. annette sach ❚ gorleben der untersuchungsausschuss legt seinen abschlussbericht vor. die abgeordneten können sich weder auf gemeinsame fakten noch ein ergebnis einigen jahrzehntelanger stein des anstoßes >kompakt > 1. untersuchungsausschuss auf ver- langen der opposition war der 1. untersu- chungsausschuss zu gorleben im märz 2010 eingesetzt worden. > gegenstand das gremium sollte die um- stände klären, warum die regierung kohl 1983 beschlossen hatte, nur den salzstock gorleben auf seine eignung alsatommüll- endlager zu prüfen und klären, ob es da- bei zu manipulationen gekommen war. > ergebnis die 15 ausschussmitglieder konnten sich in ihrem abschlussbericht (17/13.700 weder auf einen gemeinsamen feststellungsteil über die fakten noch auf eine gemeinsame bewertung einigen. für michael kauch (fdp) sind sie ein gutes beispiel zur erläuterung der „naturkapital- initiative“: die fleißigen bienchen. bei die- sem konzept, der von parlamentariern ge- tragenen umweltorganisation globe geht es darum, der natur und deren leistung für wirtschaft und gesellschaft einen finanziel- len wert, einen preis zuzumessen. bei einer globe-tagung vergangenen freitag im bun- destag rechnete der abgeordnete vor: ster- ben die bienen, seien massi- ve ernteausfälle mit enormen wirtschaftlichen schäden zu beklagen. und würden diese kosten beziffert, hoffte der fdp-politiker, dann wachse die neigung, bienenkrank- heiten zu bekämpfen, was billiger sei als den bienentod samt folgen hinzunehmen. kauch ist chef der deutschen und europäischen sektion von globe, zu deren kon- gress delegierte aus 20 län- dern angereist waren. das treffen, zu dessen mitveran- staltern das entwicklungshil- fe-ministerium und der um- weltausschuss gehörten, soll- te werbung für das modell des naturkapitals machen. anlass für die tagung war die präsentation einer naturka- pital-studie für deutschland und sieben weiterer staaten. hierzulande sieht die ex- pertise verbesserungen bei der luft- und wasserqualität, während die artenvielfalt schrumpfe. schwer zu berechnen der indische wis- senschaftler pavan sukhdev plädierte für ei- ne integration des naturkapitals in die volkswirtschaftliche gesamtrechnung und in die messung des wohlstands. sukhdev erläuterte indes, dass preise für leistungen, die von der natur erbracht werden, schwer zu berechnen seien. so hätten intakte öko- systeme für arme bauern in der dritten welt einen höheren wert als für banker. und wenn man für die leistung der amazonas- wälder einen preis ermittele, dann sei offen, welche anrainerstaaten wie viel zu zahlen hätten. als fürsprecher der naturkapital- initiative trat dirk niebel (fdp) auf. ziel sei nicht die „ökonomisierung der natur“, so der entwicklungshilfeminister. doch die umwelt erbringe viele leistung bislang gra- tis, und würde deren wert berechnet, dann werde die natur zum bestandteil des alltäg- lichen wirtschaftslebens. der fdp-politiker unterstrich, nutzungs- und schutzkonzepte für die umwelt müssten stärker mit der be- kämpfung von armut verbunden werden. als beispiel nannte er einen unter natur- schutz stehenden südafrikanischen natio- nalpark, in dem die örtliche bevölkerung mit umweltschonendem tourismus geld verdiene. auch eva bulling-schröter (die linke) be- grüßte die initiative: erhalte die umwelt ei- nen preis, so könne dies beim klimawandel oder bei hochwasserkatastrophen helfen, die bereitschaft zur finanzierung von ge- genmaßnahmen zu fördern. indes warnte sie aber auch vor problemen. so könne man auf die idee kommen, deichbau sei billiger als klimaschutz. möglicherweise bilde sich gemäß den ermittelten werten eine rang- folge bei schutzwürdigen naturgütern he- raus, kritisierte die chefin des umweltaus- schusses: „man darf den umweltschutz nicht einfach einer kosten-nutzen-rech- nung unterwerfen.“ karl-otto sattler ❚ vom wert der bienen umwelt parlamentarier präsentieren naturkapital-initiative das gesetz über die rückholung des radio- aktiven abfalls aus der asse (wolfenbüttel) ist zwar erst seit sechs wochen im kraft. dennoch wollte der umweltausschuss mit seinem expertengespräch in der vergange- nen woche noch vor ende der legislaturpe- riode eines deutlich machen: das thema bleibt weiter im blickfeld des parlaments. dabei be- kräftigte die bundesregie- rung ihr ziel, die fässer mit radioaktiven abfällen aus der schachtanlage asse zu- rückzuholen und die anlage stillzulegen. die rückho- lung ist nach den bisherigen planungen für das jahr 2033 vorgesehen. „wir setzen al- les daran, es so schnell wie möglich und so sicher wie möglich zu machen“, be- tonte die parlamentarische staatssekretärin im bundesumweltministe- rium (bmu), ursula heinen-esser (cdu). gleichzeitig machte sie deutlich, dass die rückholung der fässer und die stilllegung der anlage eine neue dimension hätten: „es ist eine herausforderung, vor der wir ste- hen, die wir mit nichts vergleichen kön- nen“, sagte heinen-esser. die vizepräsidentin des bundesamtes für strahlenschutz (bfs), stefanie nöthel, hob hervor, dass das asse-gesetz eine neue rechts- und planungssicherheit bringe. durch das gesetz habe die „rückholung ei- ne neue priorität erhalten“, betonte sie. sie wies zudem darauf hin, dass die zeit drän- ge. „wir sind in einer situa- tion, in der wir schnell vo- rankommen müssen“, sagte sie und fügte hinzu: „wir können uns nicht viele feh- ler leisten.“ auf die frage, wie die bürger vor ort die umsetzung des gesetzes empfinden, sagte die bürgermeisterin der samtgemeinde asse, regina bollmeier, dass das gesetz vor ort „nicht zu spüren sei“. allerdings stoße bei den bürgern die lange planungszeit auf un- verständnis. es sei nicht nachvollziehbar, warum für den bau des geplanten schachts fünf insgesamt 15 jahre veranschlagt wür- den. außerdem fragte sie, warum noch kei- ne planungen für die notwendigen kondi- tionierungs- und pufferanlagen bekannt seien. „das asse-gesetz muss mit leben er- füllt werden“, betonte bollmeier. andere probleme im zusammenhang mit der schachtanlage machte sie auf zwei wei- tere probleme aufmerksam: zum einen müsse der kleine rest des naherholungsge- bietes asse für die bewohner der stadt er- halten bleiben. zum anderen habe die re- gion durch die schlagzeilen um die schachtanlage einen „hohen imagescha- den“ erlitten, so dass „niemand mehr her- zieht“. auch udo dettmann vom asse-ii-koordinierungs- kreis, einem zusammen- schluss von bürgerinitiati- ven, äußerte sich positiv über die bemühungen von bundestag und bundesre- gierung. das gesetz sei ein „klares zeichen, dass sie un- ser problem zu ihrem ge- macht haben“, erklärte er. er wies darauf hin, dass der zeitplan für die rückholung der fässer um drei jahre auf 2033 überarbeitet worden sei. „wir sind vom zwischensprint zurück- gefallen in den dauerlauf“, sagte er. außer- dem kritisierte beckmann, dass es unklar- heit über die sogenannten „module“, die einzelnen planungsschritte, auf diesem weg gebe. kurzer zeitraum maria flachsbarth (cdu) sagte, dass sechs wochen kein ausreichen- der „zeitraum sei, um ergebnisse vorweisen zu können“. man habe aber die gelegenheit vor ende der legislaturperiode nutzen wol- len, sich über den stand der dinge infor- mieren zu lassen. ute vogt (spd) erkundig- te sich nach dem sachstand bei der entsor- gung der lauge, die in das bergwerk eindringt. bfs-vi- zepräsidentin nöthel sagte dazu, es gebe vorbereitun- gen, die lauge einzubeto- nieren. für die fdp erkundigte sich auch angelika brunkhorst, warum für den schacht eine so lange bauzeit geplant sei. dazu sagte nöthel, dass man im gegensatz zum bau von industrieschächten, nicht vielemöglichkeitenhabe,das bergwerk an den schacht anzuschließen. die sicherheit müsse im vordergrund stehen. dorothée menzner (die linke) kritisierte, dass bislang die internetpräsenz zur infor- mation der bevölkerung noch nicht ausrei- chend sei und fragte, warum die asse wei- terhin als endlager bezeichnet werde. sylvia kotting-uhl sagte dazu, sie glaube, dass die- se frage durch das gesetz ausreichend gere- gelt sei. sie wies jedoch eindringlich darauf hin, dass es notwendig sei, dass sich die le- gislative auch weiterhin „in sehr engem ab- stand“ über das projekt informiere. as ❚ klares zeichen für die asse atom expertengespräch über stand der arbeiten vor ort dirk niebel (links), eva bulling-schröter und michael kauch (rechts) wollen der natur einen anderen wert geben. ©picture-alliance/dpa zum atommülllager gorleben gehört neben dem lager für castor-behälter auch das bergwerk im salzstock. die ausschussvorsitzende maria flachsbarth (links) bei der übergabe des berichts an bundestagspräsident norbert lammert (rechts, beide cdu)). ©deutscherbundestag,lichtblick,achimmelde ©picture-alliance/dpa »asse-gesetz muss schnell mit leben erfüllt werden.« regina bollmeier bürgermeisterin der samtgemeinde asse »wir sind in einer lage, in der wir schnell vorankommen müssen.« stefanie nöthel, bundesamt für strahlenschutz weiterführende links zu den themen dieser seite finden sie in unserem e-paper mehr unter: www.bundestag.de/bundestag/ ausschuesse17/ua/1untersuchungsausschuss