debattendokumentation 5 debattendokumentation das parlament – nr. 48/49 – 25. november 2013 j a, wir reden heute über die östli- che partnerschaft. die bundes- kanzlerin hat dazu, so wie es auch vorgesehen und gewünscht ist, dem deutschen bundestag vor einem sol- chen gipfel einen bericht gegeben, da- mitwirdarüberdiskutieren.natürlich, herr kollege bartsch, kann man es auch so machen wie sie und noch ei- nige andere punkte mit in die debat- te hineinnehmen. das will ich jetzt gar nicht einmal kritisieren. aber ich finde schon: wenn man das macht, sollte man nicht an meh- reren stellen falsches sagen. sonst er- wecktmandeneindruck,wiesieesge- macht haben, dass man nicht auf der höhe der zeit ist. jetzt will ich ihnen einmal folgendes sagen: sie haben gesagt, seit juli habe es keine sitzung des deutschen bundes- tages mehr gegeben. ich möchte doch einmal wissen, wo sie am 2. und 3. september waren. da hatten wir näm- lich sitzungen des deutschen bundes- tages. waren sie vielleicht nicht da? oder haben sie das nicht zur kenntnis ge- nommen? damals haben wir bei- spielsweise über den haushalt disku- tiert und auch über europa. dann haben sie kroatien angespro- chen und gesagt, dass es in kroatien ei- ne jugendarbeitslosigkeit von 52 pro- zent gibt. das stimmt, aber sie haben damit den eindruck erweckt, dass die- se jugendarbeitslosigkeit entstanden sei, weil kroatien in die eu eingetreten ist. kroatien ist aber gerade einmal ein paar monate in der eu. sie sind mit den 52 prozent jugendarbeitslosigkeit in die eu gekommen, herr bartsch, und wollen jetzt eine bessere situation erreichen. es ist nicht so, wie sie es er- zählt haben. also, in zwei punkten lie- gen sie völlig daneben. das legt den verdacht nahe, dass auch ihre anderen punkte nicht stim- men. angesichts dessen, dass sie für die führende oppositionsfraktion gespro- chen haben, müssen sie schon noch ein bisschen üben. das war noch nicht so, wie es normalerweise sein soll. ich will einen weiteren punkt an- sprechen. ja, völlig richtig: man kann jetzt das thema „was passiert in europa?“ behandeln. wir haben, wie es vorgesehen ist, den deutschen bun- destag über die situation in portugal und über die auszahlungen, die dort stattfinden, informiert. die troika hat, wie es das gesetz vorsieht, ihren be- richt vorgelegt. sie hat empfohlen, die tranchen auszubezahlen. der deut- sche bundestag kann dazu eine erklä- rung abgeben. die tranchen werden nun ausbezahlt. eines, herr kollege bartsch, dürfen sienichtmachen:siedürfenhiernicht den eindruck erwecken, dass die men- schen in den europäischen ländern, die es schwer haben, sich nicht so an- gestrengt hätten, um dort zu erfolgen zu kommen. ich will ihnen noch et- was sagen: es zeigt sich doch, dass wir auf einem guten weg sind. ich sage: glückwunsch nach irland und nach spanien dafür, dass sie mit ihren an- strengungen so weit gekommen sind, dass sie den rettungsschirm verlassen können. sie sollten sich nicht hierhinstellen und so tun, als ob da nichts geschehen sei. wenn man sich die zinsen an- schaut, muss man sagen: die situati- on hat sich auch in den ländern, die unter dem rettungsschirm sind, er- heblich verbessert. der jetzige stand unserer koalitionsverhandlungen ist so, dass wir uns einig sind, diesen weg fortzusetzen. liebe kolleginnen und kollegen, wir reden auch über die östliche part- nerschaft. das ist ein thema, das eine große bedeutung hat. es ist völlig rich- tig, dass sich europa nicht allein da- rauf konzentriert, neue staaten aufzu- nehmen, sondern dass es auch einen weg sucht, mit solchen nachbarn po- litisch zu kooperieren, die keine per- spektive haben, in den nächsten jah- ren in die europäische union aufge- nommen zu werden. herr kollege er- ler, ich gebe ihnen ausdrücklich recht: ja,esmussnuneinweggefundenwer- den, diese partnerschaft so auszuge- stalten,dasssieinersterlinienichtun- ter geopolitischen gesichtspunkten ausgerichtet wird. diebundeskanzlerinhatdeshalbzu recht gesagt: wir müssen im rahmen der östlichen partnerschaft endlich wege finden, die politik des kalten krieges vollständig zu überwinden. dabei kommt es darauf an, russland klarzumachen, dass eine vertiefte, eine nähere beziehung zu unseren östli- chen partnern nicht gegen russland gerichtet ist. das kann vielleicht da- durch gelingen, dass wir auch klarma- chen, dass es auf der welt eine ganze reihe von herausforderungen und gefahren gibt, die auch uns hier in europa und in deutschland bedro- hen, und dass es daher notwendig ist, dass russland und wir zusammenar- beiten, um an diesen punkten voran- zukommen; ich nenne als beispiel nur das stichwort „iran“. es gibt also auf- gaben, die eine solche dimension ha- ben, dass ich finde, es wirkt geradezu politisch kleinkariert, wenn russland meint, es sei eine geopolitische frage, wie wir in zukunft unsere probleme in der welt lösen. es gibt beispielsweise das problem des terrorismus; dagegen müssen wir miteinander etwas unternehmen. es gibt das problem der sicherheit der weltmeere und vieles andere. ich wä- re dankbar, frau bundeskanzlerin, wenn es ihnen in ihren gesprächen mit putin gelingen könnte, auch ein- mal darauf hinzuweisen, dass er der welt einen dienst leisten kann, wenn er einmal ein bisschen weiter als über unsere östliche partnerschaft hinaus- blickt. meine sehr verehrten damen und herren, natürlich hat diese zusam- menarbeit, die östliche partnerschaft, eine ganz zentrale bedeutung. es ist angesprochen worden, dass es natür- lich um wirtschaftliche fragen geht. zur gleichen zeit hat die bundeskanz- lerin aber auch darauf hingewiesen, dass es ebenfalls – gerade in der dis- kussion jetzt mit der ukraine – um werte geht, um menschenrechte, de- mokratie, eine unbestechliche justiz beispielsweise. da wird schon etwas deutlich, was wir gerade in der heuti- gen zeit immer wieder formulieren müssen, damit die menschen in unse- rem land auch orientierung haben: dieses europa ist nicht nur eine veran- staltung von euro und cent, liebe kol- leginnen und kollegen; dieses europa ist vor euro und cent zunächst einmal eine wertegemeinschaft. das müssen wir auch in der zusam- menarbeit mit anderen deutlich ma- chen. da, finde ich schon, muss klar sein, dass wir uns bei der östlichen partnerschaft nicht ausschließlich um wirtschaftliche dinge kümmern soll- ten,sonderndasswirauchunserewer- te entsprechend einfordern müssen. ich sage – ich weiß, dass es da auch andere auffassungen gibt; aber in die- semsaalkannmanjaaucheinmalun- terschiedliche positionen darstellen –: wir sind umso glaubwürdiger darin, dass wir eine wertegemeinschaft sind, wenn wir diese werte in europa auch dann ernst nehmen, wenn wir wirt- schaftliche interessen haben und frei- handelsabkommen abschließen, und wenn wir diese werte in verhandlun- gen mit ländern einfordern, die in die europäische union kommen wollen. das gilt gerade auch in unseren ge- sprächen mit der türkei. die men- schenrechte, die religionsfreiheit et- wa, sind ein teil unserer wertegemein- schaft, der umgesetzt werden muss, bevor wir in europa ganz zueinander gehören können, meine sehr verehr- ten damen und herren. da hilft es relativ wenig, zu sagen: ja, wenn es dann mal so weit ist, wenn dann alle dabei sind, wird das auch so kommen. – wenn man diese auffas- sung hat, dann kann man auch vertre- ten, dass es vorher geklärt werden muss; denn wir sehen ja in dem einen oder anderen fall, wie schwer wir uns tun, unsere positionen in ländern, die zur eu gekommen sind, durchzuset- zen. deswegen halte ich es für richtig, notwendig und zentral, frau bundes- kanzlerin, dass sie nicht nur das the- ma der wirtschaftlichen entwicklung, sondern auch diesen wertetransfer be- rücksichtigen. dann habe ich noch einen punkt, den wir uns in diesem parlament im- mer wieder vor augen führen müssen: sowohl in der östlichen partnerschaft als auch in anderen bereichen haben wir ein instrument – neben denen, die die bundeskanzlerin angesprochen hat –, das wir nicht zu klein darstellen dürfen, und das ist unser instrument der auswärtigen kulturpolitik. deswe- gen rate ich dringend, dass wir in den haushaltsberatungen darauf wert le- gen.nichtsistimaugenblickerfolgrei- cher als deutsch-sprachkurse, die un- ter anderem von unseren goethe-in- stituten in der ganzen welt angeboten werden. deswegen glaube ich schon, dass das thema „kultur, werte, präsenz in einem land“ von einer zentralen be- deutung ist. vor diesem hintergrund wünsche ich ihren gesprächen und verhand- lungen viel erfolg. wir brauchen part- ner in unserer region, in europa. wir brauchenpartnerauchinderwelt.ge- rade im hinblick auf das, was wir nachher noch diskutieren, kann ich nur sagen: was da von amerika ausge- hend passiert ist, ist nicht schön. – aber ich muss auch sagen: die zusam- menarbeit mit amerika, die freund- schaft mit amerika wird zwingend notwendig sein, gerade wenn wir die östliche partnerschaft weiter ausbau- en wollen. (beifall bei der cdu/csu) volker kauder (*1949) wahlkreis rottweil – tuttlingen volker kauder, cdu/csu: europa ist zunächst einmal eine wertegemeinschaft © dbt/achim melde d ie heutige debatte gibt uns gelegenheit, eines deutlich zu machen: europa ist mehr als diese krise. lieber kollege toni hofreiter, ich will all denjenigen hier in diesem saal, die den koalitionsverhandlun- gen skeptisch gegenüberstehen, sa- gen: eines ist für uns als sozialdemo- kratie zentral: wir wollen, dass der kampf gegen die massenarbeitslo- sigkeit junger menschen in europa ganz oben auf die tagesordnung ge- setzt wird, dass europa wieder zu so- zialer stabilität zurückfindet und dass wir die spaltung in europa überwinden. darum geht es uns. sie können sich darauf verlassen: dafür kämpfen wir, nicht nur in den nächs- ten wochen, sondern über vier jahre hinweg! aber es ist auch wichtig, dass wir deutlich machen: europa ist eben nicht nur die krise. europa ist ein faszinierendes projekt für frieden, freiheit, demokratie und rechts- staatlichkeit. wenn wir manchmal in zweifel geraten, ist es gut, den blick nach außen zu richten und zu sehen, wie neidisch und fasziniert die men- schen außerhalb der europäischen union, gerade in unseren nachbar- und anrainerstaaten, auf uns bli- cken und sagen: toll! was denen ge- lungen ist, das wollen auch wir errei- chen. diese werte wollen auch wir für unsere bürgerinnen und bürger erstreiten und erkämpfen. das sollten wir uns gerade in die- sen wochen und monaten, in denen wir uns wegen der krise in europa schwertun, immer wieder in erinne- rung rufen; denn diese werte sind das eigentliche fundament europas. ich kann dem kollegen kauder nur zustimmen: es geht nicht in erster li- nie um euro und um cent. es geht michael roth (*1970) wahlkreis werra-meißner – hersfeld- rotenburg michael roth, spd: europa ist mehr als diese krise fortsetzung auf seite 6