debattendokumentation 6 debattendokumentation das parlament – nr. 49 bis 51 – 2. dezember 2013 fortsetzung von seite 5: karl schiewerling (cdu/csu) deswegen rate ich ihnen sehr dringend, sich bei all den forderun- gen, die sie hier äußern, zu fragen, ob sie wirklich die menschen errei- chen und ihre gefühlslage getroffen haben. in der tat, meine damen und herren: wir haben in deutschland in zwölf branchen mindestlöhne nach dem entsendegesetz – übri- gens alle unter cdu-kanzlerschaft eingeführt – sowie im bereich der zeitarbeit, und wir wollen nach dem koalitionsvertrag noch weiteren branchen den weg über das entsen- degesetz öffnen, damit sie auf die- sem weg konform mit den tarifpart- nern zu entsprechenden lösungen kommen. wir haben gemeinsam mit der spd im vorliegenden koalitionsver- trag in der tat vereinbart – jeder weiß, dass wir keine freunde dieser lösung sind; aber koalitionsvertrag ist koalitionsvertrag –, dass es ab dem jahre 2015 einen mindestlohn gibt. ab dem jahre 2015 deswegen, weil sich beispielsweise regionen und branchen darauf einstellen müssen. ich will ihnen einmal ganz deutlich vor augen führen, warum wir das so machen. heute hat spie- gel online die nachricht verbreitet – ich bitte um genehmigung, das kurz zu zitieren –: ausgerechnet die „taz“ hat gerade er- klärt, dass sie weder mindestlohn für vo- lontäre noch tarifge- halt für ihre redak- teure zahlen kann. wie verträgt sich das mit dem koalitions- vertrag? so fragt man sich dort: wie sollen wir das hinbekom- men, wenn die volontäre bei uns zukünftig 8,50 euro statt 5,50 euro bekommen sollen? sehen sie, auch wir sind für ge- rechte löhne. deswegen haben wir mit unserem zukünftigen koaliti- onspartner vereinbart, den mindest- lohn in stufen einzuführen, sodass sich branchen wie die oben genann- te darauf einstellen können. ich hal- te das für weitsichtig, für klug und für ein gutes ergebnis der koaliti- onsgespräche, in denen mühsam darum gerungen wurde – das geste- he ich ein –, wir aber am schluss zu einem fairen ergeb- nis gekommen sind, mit dem man leben kann. das legt ganz nach müller-armack die grundlage, dass die menschen nicht hinten herunterfal- len, die letztlich da- von leben müssen. lassen sie mich auf einen weiteren irrtum hinwei- sen, den sie, herr ernst, hier vorge- tragen haben. sie haben behauptet, man könne mit einem mindestlohn die aufstocker tatsächlich davor be- wahren, in zukunft auf sozialhilfe angewiesen zu sein. das ist purer unfug. wenn ein aufstocker als al- leinverdiener 8,50 euro mindest- lohn bekommt und drei kinder zu versorgen hat, wird er weiterhin auf aufstockende leistungen angewie- sen sein. sie glauben doch nicht im ernst, allein über den mindestlohn diese probleme zu lösen. die rege- lung betreffend die grundsicherung für arbeitsuchende sieht vor, dass die regelsätze und die bedarfssätze so angepasst werden, dass beispiels- weise die inflation ausgeglichen wird und die lebenshaltungskosten berücksichtigt werden. wenn je- mand wenig verdient und viele kin- der hat, wird er auch in zukunft auf aufstockende leistungen angewie- sen sein. ich sage ihnen: es ist nicht ehrenrührig, wenn der staat den fa- milien hilft, in denen vollzeit gear- beitet, mindestlohn bezogen wird beziehungsweise eine entsprechen- de tarifliche absicherung vorliegt, das geld aber trotzdem nicht reicht, im rahmen ihrer möglichkeiten ih- re finanziellen ausgaben zu bestrei- ten. ich glaube, dass wir im hinblick auf die zukunft insgesamt gut auf- gestellt sind und dass wir mit dem vorliegenden koalitionsvertrag in diesem punkt eine gute entschei- dung getroffen haben, und zwar hinsichtlich der gesamtheit der entsprechenden regelungen. dazu gehört, dass wir den abschluss von allgemeinverbindlicherklärungen erleichtern wollen. das heißt, das 50-prozent-quorum wird wegfal- len. stattdessen muss die allge- meinverbindlicherklärung im öf- fentlichen interesse geboten er- scheinen. all das ist vernünftig ausgehandelt und passt zueinan- der. die eigentliche botschaft lautet: wir wollen den menschen helfen und dafür sorgen, dass es fair zu- geht, als auch die tarifpartnerschaft stärken. das ist die eigentliche überschrift. dafür stehen wir ein. ich halte das für den richtigen weg. (beifall bei der cdu/csu und der spd) die einführung des mindestlohns in stufen halte ich für weitsichtig und klug. a b 1. januar 2015 gilt in deutschland ein gesetzlicher mindestlohn von 8,50 euro. damit verbessern wir sofort und auf einen schlag das leben von mil- lionen menschen. zurzeit haben 6,9 millionen menschen einen stun- denlohn von weniger als 8,50 euro. wir haben als spd zusammen mit den gewerkschaften und vielen an- deren jahrelang für die einführung eines mindestlohns gestritten. ich bin sehr glücklich, dass wir das jetzt durchgekämpft haben und dass nun der mindestlohn kommt. wenn wir von einem mindest- lohn reden, dann meinen wir damit einen gesetzlich festgelegten min- destlohn, der dynamisiert wird. wir haben dafür eine mindestlohnkom- mission geschaffen. dann reden wir davon, dass er flächendeckend gilt, für alle arbeitnehmerinnen und ar- beitnehmer. damit sind junge men- schen in ausbildung nicht gemeint, um auch das zu sagen. die sind nämlich in einem ausbildungsver- hältnis. dann reden wir davon, dass es keinen unterschied zwischen west und ost gibt, was uns sehr wichtig gewesen ist. und dann re- den wir davon, dass wir tatsächlich keine ausnahmen zulassen; das heißt, er gilt auch für minijobber und andere. das ist ein ganz ent- scheidender punkt. wir haben aber – das hat kollege schiewerling richtig dargestellt – keine veranlassung gesehen, in be- stehende tarifverträge einzugreifen. es gibt zurzeit noch 41 tarifverträge in deutschland, die tariflöhne un- ter 8,50 euro vorse- hen. wir wollten jetzt nicht in das, was die tarifpartner miteinander ausge- handelt haben, hi- neingrätschen. in vielen dieser tarif- verträge wurden ja übrigens auch stufen verabredet, sodass die löhne irgendwann, manche erst ab 2016, bei 8,50 euro landen wer- den. diese tarifverträge sollen also die chance haben, fortzubestehen. wohlgemerkt, es gilt aber auch hier: ab 31. dezember 2016 gilt überall, auch da, ein mindestlohn von 8,50 euro. darüber hinaus lassen wir auch zu, dass noch neue tarifverträge ge- schlossen werden. warum auch nicht? wir reden hier über branchen und regionen, in denen wir tarif- vertragswüsten haben, in denen die tarifvertragliche abdeckung weniger als 40 prozent beträgt. warum soll- ten wir den gewerkschaften jetzt nicht die möglichkeit geben, neue tarifverträge auszuhandeln, die zu- nächst weniger als 8,50 euro vorse- hen? es ist doch geradezu verrückt, da- raus ein problem zu machen. das hat auch michael sommer, der das gestern kommentiert hat, klar gesagt – ich zitiere –: wir sind bereit, in diese verhandlungen hereinzuge- hen, um manchen branchen zu er- möglichen, in den mindestlohn hi- neinzuwachsen. – herr ernst, sie haben das eben als großes problem für die gewerkschaf- ten dargestellt. die aber wollen das und haben genau diese tarifliche ausgestal- tung gewünscht. deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass das eine rege- lung gegen die ge- werkschaften ist. nein, im gegenteil, es ist eine rege- lung mit den gewerkschaften, die wir uns vorgenommen haben. wir müssen aber auch wirksame kontrollen durchsetzen. es darf uns nicht passieren, dass durch die ein- führung von mindestlöhnen wett- bewerbsverzerrungen entstehen, weil der eine unternehmer sie zahlt, der andere aber nicht. da haben wir eine ordnungspolitische aufgabe vor uns. das heißt auch, dass wir den zoll, der dafür zuständig ist, entsprechend personell ausstatten müssen. wir müssen vor allem auch si- cherstellen – das ist eine wichtige sache –, dass wir die branchen, die sich das momentan noch nicht vor- stellen können und probleme se- hen, in den dialog integrieren. wir haben nur gesagt: wir wollen mit den branchen, in denen es anpas- sungsschwierigkeiten gibt, für die wir übergangsregelungen brauchen, ins gespräch kommen und lösun- gen suchen; denn das ziel muss doch sein, dass es nachher funktio- niert, und zwar so, dass alle gut damit leben können und es den menschen nutzt. das ist der anspruch, den wir in diesem koaliti- onsvertrag niederge- legt haben. das wer- den wir auch hinbe- kommen. da bin ich sehr sicher. es ist ja schön, herr ernst, dass sie ihre spielchen spielen und gesetz- entwürfe einbringen. damit sind sie von ihrer forderung nach einem mindestlohn von 10 euro ja sogar ohne verhandlungen abgerückt. sie schlagen ja in ihrem gesetzentwurf heute 8,50 euro vor. das finden wir klasse. wir waren schon immer der meinung, dass das eine vernünftige lösung ist. wir vor allem haben kein pro- blem damit, dass das ein kompro- miss ist. das ist nämlich etwas, was dazugehört, wenn man in einer de- mokratie mehrheiten bildet. das ist nichts, was mich belastet; das ist etwas, was ganz normal ist. kompromiss bedeutet, dass man aufeinander zugeht. aber das ent- scheidende ist: es ist ein guter kom- promiss geworden, vor allem für die menschen in deutschland. das ist der entscheidende punkt. ich möchte ihnen sagen – das ist mir vor allem wichtig –, dass wir nicht nur den mindestlohn regeln, sondern dass wir ein gesamtpaket schnüren. eine so deutliche erleich- terung der allgemeinverbindlicher- klärung, wie wir es uns hier vorge- nommen haben, bedeutet, dass in zukunft viele ganz normale arbeit- nehmer in deutschland vielleicht wieder weihnachtsgeld bekommen, 30 statt 24 urlaubstage haben. bis- her ist es so, dass arbeitnehmer da, wo es keine tarifverträge gibt, das nicht haben. wenn wir die möglich- keit der allgemein- verbindlicherklä- rung verbessern, dann tun wir auch für ganz viele arbeit- nehmer etwas, die mehr als den min- destlohn verdienen. wir wollen aber, dass es auch denen am ende besser geht. es kann nicht in unserem interes- se sein, dass die tarifpartnerschaft in deutschland immer mehr unter- höhlt und zum flickenteppich wird. warum? gerade in der krise, die wir vor einigen jahren erlebt ha- ben, hat sich die tarifpartnerschaft als stabilitätsfaktor und stärke un- seres landes erwiesen. die vor- schläge, die wir hier erarbeitet ha- ben, werden einen riesigen beitrag zur fortsetzung dieser entwicklung leisten. es wird ja öffentlich kritisiert, die große koalition stehe für viel klein- klein. mit der einführung eines gesetzli- chen mindestlohns von 8,50 euro haben wir aber einen durchbruch geschafft. wenn das kein meilen- stein ist, dann frage ich mich: was ist sonst ein meilenstein? (beifall bei der spd sowie bei abgeordneten der cdu/csu) andrea nahles (*1970) landesliste rheinland-pfalz andrea nahles, spd: wir haben einen durchbruch geschafft ab dem 1. januar 2015 gilt in deutschland ein gesetzlicher mindestlohn von 8,50 euro. es ist ein guter kompromiss geworden, vor allem für die menschen in deutschland. © dbt/achim melde