debattendokumentation 3debattendokumentationdas parlament – nr. 15 – 7. april 2014 wir senken den rentenversiche- rungsbeitrag nicht. er bleibt bei 18,9 prozent. das hat zur konsequenz, dass auch der staat seinen zuschuss an der rentenversicherung nicht re- duziert und auf diesem weg auch seinen beitrag zur mütterrente zahlt. deswegen ist diese regelung verant- wortungsvoll. in der tat geht es um zukunftsge- rechtigkeit, um gerechtigkeit gegen- über den zukünftigen generationen. wir haben doch nie einen hehl da- raus gemacht, dass diese mütterren- te von denjenigen finanziert werden muss, die jetzt steuern und beiträge zahlen. wir tun das, weil diejenigen, die kinder erzogen haben, erst dafür gesorgt haben, dass es unserem land heute gut geht. deswegen unterneh- men wir diesen schritt. das ist ein beitrag zur sozialen gerechtigkeit in unserem land. für die union ist es zentral, dass wir mit mut und augenmaß unter leitung von angela merkel an den unter federführung von franz mün- tefering getroffenen beschlüssen zur rente mit 67 festhalten, und zwar einschließlich der abschlagsfreien rente für diejenigen, die lange gear- beitet haben. nach 45 beitragsjah- ren soll man im alter von 65 jahren in rente gehen können. die begründungen für diese ren- tenreform, die wir 2007 durchge- führt haben, haben sich nicht geän- dert. die menschen werden immer älter. sie leben immer länger, übri- gens leben sie auch immer länger ge- sünder. die menschen liegen nicht mit 65 jahren schlagartig darnieder. es ist eine tatsache, dass immer weniger menschen geboren werden. die grundlagen der rentenversiche- rung – das ist eine demografische frage – haben sich nicht geändert. nun haben wir in der koalition ver- einbart, dass wir von diesem gesetz, das wir 2007 verab- schiedet haben, vorü- bergehend abwei- chen und denjenigen, die besonders lange gearbeitet haben, die möglichkeit geben wollen, mit 63 jahren vorzeitig abschlags- freiinrentezugehen. ich glaube, dass die begründungen, die die bundesar- beitsministerin in ihrem begleit- schreiben zu diesem gesetzentwurf geliefert hat, argumente beinhalten, die nicht von der hand zu weisen sind. es geht – so steht es in der be- gründung – insbesondere um die menschen, die während der deut- schen wiedervereinigung besondere nachteile und schwierigkeiten in kauf nehmen mussten, die oft unver- schuldet arbeitslos wurden, und es geht um die umbruchsituation in in- dustriellen kernzonen, zum beispiel imruhrgebiet.denjenigen,diedavon besonders betroffen sind, soll nun in besonderer weise geholfen werden. wir legen großen wert darauf, dass wir, wenn wir diesen schritt jetzt gehen, bis 2029, wenn die ren- te mit 67 erstmals voll greift, auch die rente mit 65 nach 45 beitrags- jahren wieder erreicht haben und wir sie so erreicht haben, wie es ur- sprünglich gedacht war. die bundesarbeitsministerin hat zu recht darauf hingewiesen, dass es im parlamentarischen beratungsver- fahren noch veränderungen geben wird. hier gilt das stuck'sche gesetz: kein gesetzentwurf verlässt den bundes- tag so, wie er einge- bracht wurde. wir werden das in guter, fairer und vernünfti- ger art miteinander diskutieren und bis zur endgültigen ab- stimmung klären. damit die menschen bis 67 arbei- ten können, damit die menschen auch dann, wenn sie gesundheitli- che schwierigkeiten haben, die mög- lichkeit haben, ihrem erwerb nach- zugehen und für ihre altersvorsorge selbst zu sorgen, wollen wir die fi- nanziellen möglichkeiten der reha- bilitation, der medizinischen wie der beruflichen, verbessern. der re- hadeckel ist notwendig; denn es muss hier auch grenzen geben. ich kann ihnen einige fälle nennen, die zeigen, dass zum teil rehabilitatio- nen gemacht werden, die in dieser dimension nicht nötig gewesen wä- ren. deswegen brauchen wir den de- ckel. aber es muss ein atmender, ein flexibler deckel sein, der dann an- steigt, wenn viele menschen davon betroffen sind, und wieder sinkt, wenn weniger menschen in der ent- sprechenden alterskohorte sind. das halten wir für den richtigen weg. deswegen ist der weg, den wir im gesetzgebungsverfahren beschrei- ten, richtig. wir haben auch die besondere si- tuation der menschen im blick, die krank geworden sind, ohne dass sie etwas dafür können, und eine er- werbsminderungsrente beziehen. ja, wir als union und übrigens auch un- ser koalitionspartner, die spd, hät- ten wirklich gerne noch mehr im be- reich der erwerbsminderungsrente gemacht. aber wir haben auch ande- re ziele im blick zu behalten, näm- lich die ziele, die der bundesfinanz- minister hat. es geht dabei darum, die steuern nicht zu erhöhen und die staatsausgaben in den griff zu bekommen, damit wir über diesen weg eine nachhaltige grundlage für unser land schaffen. diese ziele setzen uns gewisse grenzen. auch wir wollen in der tat flexib- lere übergänge in die rente. norbert blüm hat jüngst in einem interview dargelegt, dass die zeit des gleich- marsches im industriezeitalter längst vorbei ist. in unserer gesell- schaft gibt es unterschiedliche le- benssituationen. es gibt menschen, die weit länger als bis 67 arbeiten können und das auch gerne möch- ten. dann gibt es menschen, die et- was früher in rente gehen möchten, und es gibt menschen, die vor dem erreichen des renteneintrittsalters gerne etwas kürzertreten möchten. wir müssen uns der verbesserung dieser flexiblen übergänge anneh- men. die möglichkeiten, die es heu- te schon gibt, wollen wir nutzen und gegebenenfalls etwas gängiger ma- chen. wir werden auch vorschläge machen, wie wir diese übergänge für spätere zeiten gestalten können. ich sehe einen zentralen punkt bei der rentenreform, über die wir jetzt diskutieren, der auch für die zukunft wichtig sein wird. ja. ich nenne auch keinen weite- ren gesichtspunkt mehr, sondern mache nur noch eine abschließende bemerkung, herr präsident. - für uns ist zentral, dass die rentenversi- cherung das bleibt, was sie ist: eine rentenversicherung und keine sozi- alleistung. die rente ist keine für- sorgeleistung des staates, sondern selbst erarbeitet. wir müssen bei al- lem, was wir tun, darauf achten, dass die menschen wissen, dass sie das, was sie im alter bekommen, selbst verdient haben. rente hat etwas da- mit zu tun, dass man stolz auf seine lebensleistung sein kann. wir wol- len die rahmenbedingungen so set- zen, dass diese systeme nicht ver- mischt werden und dass die men- schen stolz sein können auf das, was sie geleistet haben. der staat wird dies honorieren. (beifall bei der cdu/csu und der spd) h err schiewerling, sie haben es gerade noch einmal sehr deutlich gesagt: bei der ren- te geht es um leistung. frau nahles hat gesagt, dass es um die anerken- nung von lebensleistung geht. wenn man sich ihr paket anschaut und es ausgepackt hat, dann sieht man, dass es in ganz vielen punkten eine mo- gelpackung ist; denn es geht nicht um die lebensleistung aller, sondern nur um die lebensleistung mancher. das kritisieren wir. wir sagen ihnen: schauen sie bitte genauer hin, wenn es gerecht zugehen soll. schauen sie sich bitte an, wie die situation derer ist, die im alter in armut leben. die- se menschen haben sie bei ihrem rentenpaket vergessen. was ist mit den frauen, insbeson- dere im westen der republik, die gar keine chance hatten, tatsächlich so lange zu arbeiten, weil sie keine kin- derbetreuung hatten, und die dann trotz guter ausbildung nur teilzeit- jobs oder niedrig bezahlte jobs hat- ten? diese frauen vergessen sie bei ihrem rentenpaket. das ist unge- recht. was ist mit denen, deren renten- niveau so weit sinkt, dass von fair- ness, von anerkennung in der rente überhaupt nicht mehr die rede sein kann? nein, meine damen und herren, der eigentliche reformbedarf in der rentenversicherung ist riesig. aber sie legen ein paket vor, das gerade nicht reformiert. sie machen das ge- genteil. ich sage ihnen: sie bauen vor allen dingen das vertrauen ab, das es in dieses system einmal gegeben hat; man muss sich nur einmal anschau- en, was man als junger mensch über- haupt noch von der rentenversiche- rung erwarten kann. das sage ich ih- nen, obwohl ich es gut und richtig finde und obwohl auch ich den äl- teren gönne, was sie jetzt bekommen. aber fragen sie ein- mal die 20-jährigen, was die für sich selbst von der rentenversi- cherung erwarten. die erwarten nicht mehr, dass das eine umlage ist. die er- warten noch nicht einmal mehr, dass es ein nullsum- menspiel ist. das sind leute, bei de- nen wir davon ausgehen, dass sie in einer nicht einfachen situation hart arbeiten werden, viele von ihnen wahrscheinlich 45 jahre oder nach ihren vorstellungen sogar länger. ich finde, wenn man über gerechtigkeit redet, dann muss es um gerechtig- keit für alle gehen, die hart gearbei- tet haben, und um gerechtigkeit für alle, die gar keine chance hatten, die vorgaben zu erreichen, die sie hier vorlegen. das rentenniveau sinkt, die alters- armut steigt, und die verbesserung bei den erwerbsminderungsrenten macht in ihrem paket noch nicht einmal 10 prozent aus. ich will ihnen sagen, wie die situation heute ist: wer heute ar- beitsunfähig ist, der kriegt im durch- schnitt600euroimmonat.600euro! das liegt unterhalb des existenzmini- mums. wer so wenig geld hat, der muss im alter zum sozialamt gehen. wer ist überhaupt von erwerbsminde- rung betroffen? das sind nicht leute, die faul auf der haut gelegen haben. das sind nicht leute, die in der hängematte gelegen haben. das sind leute, die hart gearbeitet haben, und zwar so hart, dass sie krank geworden sind. profitieren werden überhaupt nur die, die nach dem 1. juli dieses jahres in rentegehen.diekriegendannamen- de 40 euro mehr im monat, also 600 euro plus 40 euro. dann haben die aber immer noch keine auskömmliche rente, meine damen und herren. da sage ich ih- nen klar und deutlich: das hat mit gerechtigkeit, so wie wir sie verste- hen, nichts zu tun. ich verstehe nicht, warum ihr ge- rechtigkeitsempfinden gerade bei denen aufhört, die besonders auf die unterstützung der gemeinschaft an- gewiesen wären. herr schiewerling, ich finde, ihre einlassungen zu den rehaleistungen haben gezeigt, mit welchem zynis- mus sie da herangehen. wenn sie sich hier hinstellen und sagen: „es gibt leute, die rehaleistun- gen in anspruch nehmen, die sie ei- gentlich nicht brauchen“ – das haben sie hier gesagt –, dann sage ich ihnen ganz klar und deutlich: das ist nicht meine und nicht unsere haltung ge- genüber denen, die vom arbeiten krank geworden sind und unterstüt- zung brauchen. das rehapaket ist schon klein genug, und die leistun- gen nehmen diejenigen in anspruch, die sie tatsächlich brauchen. nun zur lebensleistung derer, die so lange gearbeitet haben; beispiele sind genannt worden. all diese men- schen gehören einer bestimmten ge- neration an. jetzt kann man sagen: ja, denen gönnen wir das. – das ist klar. diejenigen, die zwischen 1951 und 1964 geboren sind, haben die chance auf eine verbesserung. eine wirkliche verbesserung gibt es aber nur für eine ganz kleine gruppe. nicht erreichen werden sie die jün- geren. nicht erreichen werden sie katrin göring-eckardt (*1966) landesliste thüringen katrin göring-eckardt, bündnis 90/die grünen: ihr paket ist nicht gerecht, und es ist zukunftsvergessen diejenigen, die zwischen 1951 und 1964 geboren sind, haben die chance auf eine verbesserung. ©dbt/achimmelde in der tat geht es um gerechtigkeit gegenüber den zukünftigen generationen. fortsetzung auf seite 4