europawahlen 4 5europawahlen das parlament – nr. 18/19 – 28. april 2014 europawahlen 2014 das europäische parlament (ep) mit sitz in straßburg ist die einzige direkt gewählte institution der europäischen union. seit 1979 können alle wahlberechtigten in den eu-mitgliedstaaten für die dau- er von fünf jahren frei und unmittelbar über die zusammensetzung des ep entscheiden.nächsterwahl- termin ist vom 22. bis 25. mai 2014. in deutschland wird traditionell sonntags gewählt. das ep repräsentiert mehr als 500 millionen eu-bürger. die europäischen verträge verpflichten es, in straßburg mindestens zwölf sitzungen jährlich abzuhalten. sie dauern von montag bis donnerstag. sechs so genannte mini-plenarsitzungen, die nur zwei tage dauern, finden jährlich in brüssel statt. auch ausschuss- und fraktionssitzungen werden meist in der belgischen hauptstadt abgehalten. durch den 2009 in kraft getretenen vertrag von lissabon kann das europäische parlament heute in fast allen politikbereichen mitbestimmen,das gilt für landwirtschaft,energie und einwanderung eben- so wie für justiz und inneres, gesundheit und strukturfonds. es kann gleichberechtigt mit dem minis- terrat über den eu-haushalt entscheiden und selbst änderungen in den eu-verträgen vorschlagen.al- le internationalen abkommen, die die eu abschließt – einschließlich der handelsabkommen – bedür- fen der zustimmung der europaabgeordneten. kaum mitspracherechte haben sie in der gemeinsa- men außen- und sicherherheitspolitik. allerdings muss der „hohe vertreter für außen- und sicher- heitspolitik“ – seit 2009 hat dieses amt die britin catherine ashton inne – das parlament regelmäßig informieren. die stellungnahmen und empfehlungen des europäischen parlaments müssen „gebüh- rend berücksichtigt“ werden. der lissabonner vertrag regelt, dass das ergebnis der europawahlen im mai erstmals auch bei der wahl des kommissionspräsidenten berücksichtigt werden muss. deshalb stellen die europäischen par- teien bei dieser europawahl eu-weite spitzenkandidaten auf, die automatisch als bewerber für den posten des eu-kommissionspräsidenten gelten. das europäische parlament aktuelle sitzverteilung im europäischen parlament die fraktionen im europäischen parlament die spitzenkandidaten wahlprogramme und spitzenkandidaten der deutschen parteien evp evp fraktionsvorsitz: joseph daul ump/frankreich www.eppgroup.eu/de/home die evp-fraktion, in der sich viele pro-europäische und konservative parteien, da- runter auch die deutschen parteien cdu und csu, zusammengeschlossen haben, ist seit 1999 stärkste kraft im europäischen parlament. ganz oben auf ihrer agenda steht im wahljahr 2014 die bekämpfung der arbeitslosigkeit, eine stärkere koordi- nierung der wirtschaftspolitik in der euro-zone, die regulierung des europäischen finanzsektors sowie der bürokratieabbau. die evp setzt sich für eine nachhaltige so- ziale marktwirtschaft und den gemeinsamen binnenmarkt ein und will die eu schrittweise zu einer echten politischen union ausbauen. unter anderem will sie die bisher schwache gemeinsame außen- und sicherheitspolitik der eu stärken. sie for- dert zudem eine einheitliche europäische datenschutzverordnung, den abschluss des umstrittenen freihandelsabkommens mit den usa und ein gemeinsames euro- päisches konzept für immigration und asylpolitik. das europawahlprogramm der cdu trägt den titel „ge- meinsam erfolgreich in europa“. ziel der partei ist es, die wirtschaftspolitische abstimmung der euroländer zu ver- bessern, auf die einhaltung der schuldenbremse zu achten und die bankenunion umzusetzen. ausdrücklich wendet sich die cdu gegen eine „schuldenvergemeinschaftung“, also gegen eurobonds und schuldentilgungsfonds. sie will außerdem den internationalen freihandel stärken, über- regulierung in der eu bekämpfen und die energiewende zu einem europäischen projekt machen. die partnerschaft zwischen deutschland und frankreich sieht sie als beson- ders bedeutsam an. darüber hinaus will sie aber auch die trilaterale zusammenarbeit zwischen deutschland, frank- reich und polen intensivieren (weimarer dreieck). das eu- ropäische parlament soll gestärkt werden, indem es lang- fristig ein eigenes initiativrecht erhalten soll. der ehemalige luxemburger premier- minister und langjährige vorsitzende der euro-gruppe zählt zu den erfah- rensten politikern der europäischen union. der 59-jährige, der auch den spitznamen „mr. euro“ trägt, setzt sich für ein sozialeres europa und we- niger regulierung ein. brüssel solle sich in zukunft nur noch um die wirk- lich wichtigen dinge kümmern: „zu viel europa im kleinen tötet europa im großen“, meint juncker. s&d s&d fraktionsvorsitz: hannes swoboda (spö/österreich) www.socialistsanddemocrats.eu/de die sozialdemokraten im europäischen parlament, darunter auch die deutsche spd, setzen sich für ein sozial gerechteres und nachhaltiges europa ein. die wirtschaftli- chen freiheiten des binnenmarktes dürfen nach ansicht der zweitgrößten ep-frak- tion nicht wichtiger sein als grundlegende soziale rechte. sie fordern unter anderem ein menschenwürdiges mindesteinkommen – mindestens 60 prozent des nationa- len durchschnitts – in jedem land, einen besseren verbraucherschutz und eine ko- ordinierte europäische beschäftigungspolitik, um die hohe arbeitslosigkeit in europa effektiv zu bekämpfen. außerdem will die s&d-fraktion eine finanztrans- aktionssteuer einführen, steueroasen schließen und banken regulieren. die integra- tion legaler einwanderer will sie fördern und ein gemeinsames europäisches asyl- system schaffen. außenpolitisch fordert sie eine „starke eu“, die mit einer stimme spricht. der 58-jährige ist spitzenkandidat der europäischen sozialdemokraten wie auch der spd. er sitzt seit 1998 im ep, war dort lange fraktionsvorsit- zender und ist seit januar 2012 des- sen präsident. schulz ist bekannt da- für, auch mal anzuecken. er hält die eu für zu bürokratisch, zu undemo- kratisch und zu unsozial. sein motto im wahlkampf: reform statt renatio- nalisierung. sein ziel: „europa vom kopf auf die füße stellen.“ alde alde fraktionsvorsitz: guy verhofstadt (open-vld/belgien) www.alde.eu die drittgrößte fraktion im ep, der auch die fdp angehört, setzt sich für einen star- ken europäischen binnenmarkt und den schutz der bürgerrechte und bürgerfreihei- ten ein. der kampf gegen den terrorismus darf ihrer meinung nach nicht zur ein- schränkung fundamentaler rechte führen. die fraktion fordert weniger staatliche einmischung, dafür mehr freiraum für individuelle entscheidungen der bürger. den europäischen binnenmarkt will sie vollenden und erweitern, verbraucher sowie klei- ne und mittlere unternehmen besser schützen. die fraktion meint, dass die eu noch mehr tun muss, um die personen- und arbeitnehmerfreizügigkeit in europa zu ge- währleisten. außerdem setzt sie sich für eine stärkung des datenschutzes, den ab- schluss von freihandelsabkommen mit wichtigen wirtschaftsregionen wie den usa und eine reform des eu-finanzsystems ein. auch soziale rechte für illegale einwan- derer und die bekämpfung des klimawandels stehen auf ihrer agenda. die liberalen treten mit einer doppel- spitze an. der 60-jährige verhofstadt, ehemals premierminister von belgien und heute fraktionschef der liberalen im ep, sieht die zukunft der eu in ei- nem föderalen bundesstaat.er meint: die staaten müssten ihr nationales denken überwinden und auf die eu- ropäische ebene verschieben. unter anderem brauche die eu schnellst- möglich eine bankenunion, eine fis- kalunion und eine politische union. grüne/efa alde fraktionsvorsitz: rebecca harms und daniel cohn-bendit (beide bündnis 90/die grünen/deutschland) www.greens-efa.eu/de.html in dieser fraktion haben sich die europäischen grünen mit kleineren europäischen regionalparteien zusammengeschlossen, um mehr einfluss im europäischen parla- ment zu gewinnen. ganz oben auf ihrer agenda steht die „grüne energierevoluti- on“: mehr energieeffizienz, weniger energieverbrauch, umstieg auf erneuerbare energien. außerdem tritt sie ein für soziale gerechtigkeit und den schutz der men- schenrechte. ihrer ansicht nach müssen handel, sicherheitspolitik, wirtschafts- und sozialpolitik an ökologische, kulturelle und demokratische rechte gebunden sein. die fraktion will zudem wege legaler zuwanderung und effizientere prozeduren in der asylpolitik schaffen und eine wirksame regulierung des globalen finanzsektors sowie transparentere märkte durchsetzen. wichtige themen für die grünen-frakti- on sind auch der verbraucherschutz, nachhaltige entwicklung und die gleichstel- lung der geschlechter. der 51-jährige finne gehört seit 2004 der eu-kommission an, derzeit ist er kommissar für wirtschafts- und wäh- rungsfragen und damit maßgeblich an der euro-rettung beteiligt. rehn steht für einen klassischen liberalen kurs, sein europa-konzept ist mode- rater als das von verhofstadt. er meint: europas probleme lassen sich nicht durch mehr zentralisierung lö- sen, notwendig seien auch starke re- gierungen in den mitgliedstaaten. ecr grüne/efa fraktionsvorsitz: jan zahradil (ods/tschechien) ecrgroup.eu die ecr-fraktion ist eine der jüngsten fraktionen im ep. im juni 2009 nach der letz- ten europawahl gegründet, haben sich ihr viele konservative und europakritische parteien angeschlossen, die vorher anderen fraktionen angehört haben. ihre größ- ten gründungsparteien sind die britische „conservative party“ von david cameron, die tschechische „demokratische bürgerpartei (ods) und die polnische partei „recht und gerechtigkeit“ (pis). die ecr bezeichnet sich selbst als „eurorealistische“ fraktion. die parteien, die sich ihr angeschlossen haben, wollen die nationalen sou- veränitätsrechte bewahren und stärken. den lissabon-vertrag lehnen sie ab, weil er der eu in ihren augen zu viel politische macht verschafft. in der gemeinsam verab- schiedeten „prager erklärung“ fordern sie: freie marktwirtschaft, freien handel, mehr transparenz und weniger regulierung durch die eu. außerdem wollen sie die ein- wanderung nach europa stärker kontrollieren und asylmissbrauch bekämpfen. die 32-jährige brandenburgerin war die überraschungssiegerin der grü- nen urwahl im internet. seit 2009 sitzt sie im ep und ist dort handelspo- litische sprecherin ihrer fraktion. au- ßerdem kümmert sie sich um migra- tions- und flüchtlingspolitik. keller kritisiert die „festung europa“ und fordert ein gerechteres europa, das flüchtlinge schützt und sich für men- schenrechte und soziale gerechtig- keit einsetzt. gue/ngl grüne/efa fraktionsvorsitz: gabi zimmer (die linke/deutschland) www.guengl.eu in dieser fraktion haben sich 18 sozialistische, kommunistische und rot-grüne par- teien europas zusammengeschlossen, darunter auch die linke aus deutschland. die fraktion bezeichnet sich als „konföderales bündnis“, da die positionen der ihr an- gehörenden parteien vielfältig und oft kontrovers sind. so befürworten einige mit- glieder die europäische integration, andere lehnen sie ab. was sie eint, ist ihre for- derung nach einem sozial gerechten und demokratischen europa. die fraktion will die menschenrechte und bürgerlichen freiheiten schützen und setzt sich für eine nachhaltige ökonomische entwicklung ein. die eu-politik kritisiert sie als neolibe- ral und zu stark fokussiert auf freie märkte, wachstum und wettbewerb. ihre zentra- len forderungen: mehr direkte demokratie und aktive bürgerbeteiligung in der eu, europaweite mindestlöhne, eine finanztransaktionssteuer und mehr rechte für asyl- suchende. der landwirt und umweltaktivist zählt zu den gründungsmitgliedern der globalisierungskritischen organi- sationattac. er ist seit 2009abgeord- neter in brüssel und dort vize-vorsit- zender des landwirtschaftsausschus- ses. der 60-jährige setzt sich beson- ders für umwelt, nachhaltige agrarpolitik und fairen handel ein. 2005 wurde er zu vier monaten ge- fängnis wegen des verwüstens von genmais-plantagen verurteilt. efd gue/ngl fraktionsvorsitz: nigel farage und francesco speroni (ukip/großbritannien, lega nord/italien) www.efdgroup.eu das spektrum dieser nach der europawahl 2009 gegründeten fraktion reicht von eu- ropaskeptischen über nationalkonservative bis hin zu rechtspopulistischen parteien. neben der britischen „united kingdom party“ (ukip) und der italienischen „lega nord“ gehören ihr elf weitere parteien an. die programmatischen unterschiede sind sehr groß, entsprechend gering ist die fraktiondisziplin. was die parteien in der frak- tion jedoch eint, ist die sorge um einen verlust von souveränität und identität. die meisten mitglieder lehnen die mitgliedschaft in der europäischen union ab. sie wol- len eine weitere europäische integration verhindern, da sie ihrer auffassung nach das demokratiedefizit und die bürokratisierung in europa verschärft und die zen- tralistischen politischen strukturen der eu verstärkt. die fraktion will stattdessen die staatliche souveränität bewahren und die eu in einen rein intergouvernementa- len staatenbund umwandeln. der chef der linkspartei syriza, der zweitstärksten fraktion im grie- chischen parlament, fordert ein ende der europäischen sparpolitik. aus sicht des 39-jährigen sind die euro- päischen hilfsprogramme für die kri- senstaaten gescheitert. sie hätten ei- ne „soziale katastrophe“ hervorge- bracht. tsipras fordert einen schul- denerlass für die länder des südens, flankiert von einem umfangreichen europäischen investitionspaket. der landesvorsitzende der niedersächsi- schen cdu und frühere ministerpräsident niedersachsens (2010 bis 2013) bekennt sich klar zur europäischen union und dis- tanziert sich damit vom eher europakriti- schen wahlkampf der schwesterpartei csu. europa soll sich nachansicht des 43- jährigen aber künftig auf seine kernauf- gaben konzentrieren. wegen seines va- ters – einem britischen militärbeamten – hat mcallister auch einen britischen pass. cdu david mcallister die bayrische schwesterpartei der cdu, die derzeit acht abgeordnete im ep stellt, setzt in ihrem 12-punkte-plan für die europawahl vor allem auf mehr bürgernähe und weni- ger bürokratie. sie sieht sich als „garant für ein starkes bay- ern in europa“ und fordert eine deutliche verkleinerung der eu-kommission und ein europa, das sich nicht „in die kleinigkeiten des alltags einmischt“, wie csu-chef horst seehofer betont. leitbild der csu ist ein „europa der re- gionen“, das seine grenzen kennt – geografisch wie poli- tisch. so positioniert sich die csu weiter gegen einen eu- beitritt der türkei, außerdem lehnt sie die beitrittsverhand- lungen mit serbien ab. die aufnahme bulgariens und ru- mäniens bezeichnet sie als „fehler“. vor der aufnahme neuer mitgliedstaaten fordert die csu eine mehrjährige pause. wie die cdu ist auch die csu gegen eine schulden- union in der eurozone. der 49-jährige leitet seit 1999 die csu- europagruppe im ep, dem er seit 20 jah- ren angehört. er ist mitglied imausschuss fürwirtschaft undwährung sowie imver- kehrsausschuss. zum vorwurf, die csu sei zu europakritisch, sagt er: „wer in brüs- sel etwas kritisiert, ist deshalb noch lan- ge kein anti-europäer.“ ferber steht für ein europa, „das die deutsche sprache achtet und sich seiner christlichen wur- zeln bewusst ist“. csu markus ferber die spd hat das erklärte ziel, „das primat der politik ge- genüber den finanzmärkten wieder zurückzugewinnen“. dazu gehört nach ansicht der partei eine handlungsfähige bankenunion, eine finanztransaktionssteuer und eine bes- sere regulierung des hochspekulativen schattenbanksek- tors. wie die unionsparteien will die spd ein europa der regionen. aufgaben sollen dort angepackt werden, wo sie am besten politisch zu lösen sind – auf eu-ebene, aber eben auch in städten, kommunen, ländern oder staaten. die spd fordert zudem eine reform der eu-institutionen: die kommission soll zu einer „wahren eu-regierung wer- den, die dem europäischen parlament vollständig verant- wortlich ist“. das ep soll mit einem initiativrecht in der ge- setzgebung und einem vollen budgetrecht ausgestattet werden. außerdem auf der agenda: ein europäischer pakt für mindestlöhne und ein besserer datenschutz. der 58-jährige nordrhein-westfale, der seit 1974 mitglied der spd ist und seit zehn jahren im europäischen parlament sitzt, kandidiert für die spd, bewirbt sich aber auch für die europäischen sozialde- mokraten um das amt des kommissions- präsidenten (siehe kasten). für kritik sorgt, dass er als eu-parlamentspräsident nach den europawahlen genau in dem gremium sitzt, das berät, wer neuer eu- kommissionspräsident werden wird. spd martin schulz der erste satz im europawahlprogramm der liberalen ist ein klares bekenntnis zur europäischen union: „europa ist ein großartiges projekt, das für frieden, freiheit und wohl- stand steht“, heißt es dort. nach ansicht der fdp sollte europa langfristig ein föderaler bundesstaat auf grundla- ge einer gemeinsamen verfassung werden. sie will die eu- ropäische integration daher weiter vorantreiben und die diskussion über eine europäische verfassung wiederbele- ben. die europäischen institutionen sollen demokratisiert und die rechte des europäischen parlaments gestärkt wer- den. darüber hinaus sollen die deutschen künftig durch volksabstimmungen über besonders wichtige integrati- onsschritte entscheiden können. zugleich fordert die fdp mehr eigenverantwortung für die bürger, kommunen und mitgliedstaaten. nationalen und regionalen ebenen sollen klare verantwortungen zugewiesen werden. der 48-jährige neffe des früheren bun- desministers otto graf lambsdorff gehört seit 2011 dem fdp-bundesvorstand an. zehn jahre lang war er diplomat im aus- wärtigen amt, seit 2004 sitzt er im ep. lambsdorff sieht seine partei in einer schlüsselrolle bei der frage, ob die euro- stabilisierung „marktwirtschaftlich um- gesetzt wird“. das „fehlen ausgegliche- ner haushalte und liberaler wirtschafts- politik“ sieht er als ursache der krise an. fdp alexander graf lambsdorff über ihr europawahlprogramm hat die linke wochenlang diskutiert. die umstrittenste, vom linken parteiflügel initi- ierte passage – die eu sei eine „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische macht“ – kommt in dem im februar verabschiedeten programm nun nicht mehr vor. einig sind sich die linken in ihrer forderung nach einer neuausrichtung der eu. unter anderem wollen sie eu-weit verbindliche mindestlöhne, eine mindestsicherung und ei- ne gesetzliche mindestrente in höhe von 60 prozent des jeweiligen mittleren einkommens vor ort einführen. allen eu-bürgern soll ein kostenfreies grundkontingent an wär- me, wasser und energie sowie ein telefon- und internet- zugang zustehen. zudem fordert die fraktion ein ende der sparpolitik in der euro-krise und eine europäische vermö- gensabgabe. private großbanken sollen vergesellschaftet und unter öffentliche verwaltung gestellt werden. trotz der flügelkämpfe in der partei ha- ben die linken die 58-jährige gabi zim- mer mit großer mehrheit (76,5 prozent) zu ihrer spitzenkandidatin gekürt. 1981 trat die gebürtige ostberlinerin in die sed ein, von 2000 bis 2003 war sie vorsitzen- de der pds. seit 2004 sitzt zimmer im ep, seit märz 2012 leitet sie dort die gue/ngl-fraktion. der eu wirft sie vor, ein krisenmanagement zulasten der „ärmsten der armen“ zu betreiben. die linke gabi zimmer die „alternative für deutschland“ setzt sich für eine euro- päische union souveräner staaten ein. die jetzige eu be- trachtet sie als zentralistisch, bürokratisch und bürgerfern. sie betont die eigenverantwortung der mitgliedstaaten für ihre jeweilige wirtschafts- und fiskalpolitik und lehnt je- de form der vergemeinschaftung von schulden ab, außer- dem den dauerhaften euro-rettungsschirm esm sowie die bankenunion. die afd will jedem land das recht einräu- men, die eurozone zu verlassen, ohne aus der eu ausschei- den zu müssen. aus dem „einheits-euro“ will sie ausstei- gen und alternativ eine währungsordnung schaffen, in der sich die währungen den unterschiedlichen ökonomien anpassen können. außerdem fordert die afd mehr direk- te demokratie, die rückverlagerung von verantwortlich- keiten an die mitgliedsländer sowie ein vetorecht nationa- ler parlamente gegen geplante eu-gesetze. der 41-jährige, der 33 jahre lang mitglied der cdu war, ist professor für makroöko- nomie an der universität hamburg und mitbegründer der „wahlalternative 2013“. auf deren basis wurde im juni 2013 die „alternative für deutschland“ gegründet. lucke wurde einer von drei parteisprechern. bei der bundestagswahl 2013 kam die afd aus dem stand auf 4,7 prozent. die einführung des euro bezeich- net lucke als „historischen fehler“. afd bernd lucke die piraten, die bei den europawahlen 2009 mit 0,9 pro- zent der stimmen den einzug ins ep verpasst haben, nach dem wegfall der sperrklausel in deutschland aber diesmal chancen haben, setzen sich für eine vertiefung der euro- päischen integration, mehr demokratie und transparenz ein. die bürger sollen in eu-weiten abstimmungen direkt über die europäische gesetzgebung entscheiden und selbst gesetze vorschlagen oder stoppen können. das ep soll ein initiativrecht bekommen, außerdem soll „jegliche korres- pondenz mit und einflussnahme von interessenverbänden und lobbyisten auf den europäischen gesetzgebungspro- zess“ offengelegt werden müssen. zudem fordern die pira- ten eine ressourcenschonende wirtschaftsstruktur, ein be- dingungsloses grundeinkommen in ganz europa, einen europaweit einheitlichen datenschutz sowie ein interna- tionales abkommen zur freiheit des internets. die 28-jährige vorsitzende der jugendor- ganisation der europäischen piraten, „young pirates of europa“, trat mit 16 jahren der spd bei, wechselte aber 2009 zu den piraten. im ep will sie sich für ei- ne reform des urheberrechts und mehr mitsprache in europa stark machen. au- ßerdem kritisiert sie die „abschottungs- politik“ der eu und fordert eine „mensch- liche asylpolitik“ sowie die abschaffung der eu-grenzschutzagentur frontex. piratenpartei im februar hat das bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die deutsche drei-prozent-hürde bei der europawahl verfassungswidrig ist, da sie gegen die chancengleichheit der parteien verstoße. der wegfall der sperrklausel bedeu- tet, dass deutschen parteien bei der wahl im mai bereits ein stimmenanteil von ungefähr 0,9 prozent genügt, um einen der 96 deutschen sitze im europäischen parlament zu bekommen. legt man die ergebnisse der letzten euro- pawahl im jahr 2009 beziehungsweise der jüngsten bun- destagwahl 2013 zugrunde, haben 2014 auch kleinere par- teien chancen, ins ep einzuziehen, insbesondere die frei- en wähler, die republikaner, die npd, die tierschutzpar- tei und die familienpartei. die karlsruher richter hatten bereits im november 2011 die bis dato geltende fünf-pro- zent-hürde gekippt. daraufhin hatte der bundestag eine drei-prozent-hürde beschlossen. sperrklausel-urteil julia reda nachhaltiges wirtschaften steht im mittelpunkt der poli- tik der grünen. dazu gehört für sie ein konsequenter kli- maschutz, eine neue agrarwirtschaft ohne industrielle massentierhaltung und die investition in grüne technolo- gien, wie erneuerbare energien und effiziente gebäude- technik. nach ansicht der grünen hat das krisenmanage- ment der eu die wirtschaftskrise in den überschuldeten ländern noch verschärft. sie fordern „reformen mit sozia- ler balance“, unter anderem ein europäisches investitions- programm, das die ökologische modernisierung und die energiewende voranbringen und so neue jobs und zu- kunftsperspektiven schaffen soll. außerdem setzen sie sich für einen besseren flüchtlingsschutz und mehr demokra- tie in der eu ein. sie wollen mehr mitbestimmung für die bürger und mehr macht für die parlamente, auf nationaler wie europäischer ebene. die 57-jährige anti-atom-aktivistin sitzt seit 2004 im ep und ist dort seit juli 2010 vorsitzende der grünen-fraktion. 1977 war harms mitbegründerin der bürgerini- tiative gegen das atomare endlager gor- leben. bis heute fordert sie einen europa- weitenausstieg aus deratomenergie. der bundesregierung wirft sie vor, die ener- giewende auszubremsen und zuzulassen, dass für europa „sehr schwache klimazie- le“ verankert werden. bündnis 90/die grünen rebecca harms fraktion der europäischen volkspartei fraktion der progressiven allianz der sozialdemokraten fraktion der allianz der liberalen und demokraten europas die grünen/europäische freie allianz europäische konservative und reformisten vereinte europäische linke/nordische grüne linke europa der freiheit und der demokratie jean-claude juncker csv/luxemburg martin schulz spd/deutschland guy verhofstadt open-vld/belgien olli rehn zentrumspartei/finnland ska keller b90/grüne/deutschland josé bové eelv/frankreich alexis tsipras syriza/griechenland deutschland beitritt zur eu 1957 abgeordnete 96 (-3) einwohner 82,0 mio. frankreich beitritt zur eu 1957 abgeordnete 74 (+2) einwohner 64,3 mio. gross- britannien beitritt zur eu 1973 abgeordnete 73 (+1) italien beitritt zur eu 1957 abgeordnete 73 (+1) spanien beitritt zur eu 1986 abgeordnete 54 (+4) polen beitritt zur eu 2004 abgeordnete 51 (+1) rumänien beitritt zur eu 2007 abgeordnete 32 (-1) niederlande beitritt zur eu 1957 abgeordnete 26 (+1) portugal beitritt zur eu 1986 abgeordnete 21 (-1) einwohner 10,6 mio. griechenland beitritt zur eu 1981 abgeordnete 21 (-1) einwohner 11,2 mio. tschechien beitritt zur eu 2004 abgeordnete 21 (-1) belgien beitritt zur eu 1957 abgeordnete 21 (-1) ungarn beitritt zur eu 2004 abgeordnete 21 (-1) lettland beitritt zur eu 2004 abgeordnete 8 schweden beitritt zur eu 1995 abgeordnete 20 (+2) finnland beitritt zur eu 1995 abgeordnete 13 einwohner 5,3 mio. bulgarien beitritt zur eu 2007 abgeordnete 17 österreich beitritt zur eu 1995 abgeordnete 18 (+1) irland beitritt zur eu 1973 abgeordnete abgeordnete/r 11 (-1) einwohner 4,5 mio. litauen beitritt zur eu 2004 abgeordnete 11 (-1) einwohner 60,0 mio. einwohner 10,7 mio. einwohner 3,3 mio. dänemark beitritt zur eu 1973 abgeordnete 13 slowakei beitritt zur eu 2004 abgeordnete 13 luxemburg beitritt zur eu 1957 abgeordnete 6 zypern beitritt zur eu 2004 abgeordnete 6 einwohner 38,1 mio. einwohner 7,6 mio. einwohner 0,8 mio. estland beitritt zur eu 2004 abgeordnete 6 einwohner 45,8 mio. einwohner 8,3 mio. einwohner 1,3 mio. slowenien beitritt zur eu 2004 abgeordnete 8 (+1) einwohner 10,0 mio. einwohner 2,3 mio. einwohner 9,2 mio. einwohner 2,0 mio. malta beitritt zur eu 2004 abgeordnete 6 (+1) einwohner 21,5 mio. einwohner 16,4 mio. einwohner 5,5 mio. einwohner 5,4 mio. einwohner 0,5 mio. einwohner 0,4 mio. kroatien beitritt zur eu 2013 abgeordnete 11 einwohner 61,7 mio. einwohner 10,5 mio. einwohner 4,4 mio. nach dem beitritt kroatiens im juni 2013 sitzen in der eu- ropäischen volksvertretung 766 abgeordnete aus 28 eu- mitgliedstaaten.99 von ihnen stammen aus deutschland. gemäß dem vertrag von lissabon wird es nach der wahl nur noch 751 abgeordnete im europäischen parlament geben. deutschland verliert drei sitze, andere länder wie spanien, frankreich und schweden gewinnen mandate hinzu (veränderungen zu 2009 in klammern). künftige anzahl der sitze pro mitgliedsland grafik: stephan roters; texte: johanna metz; fotos: picture-alli- ance/dpa, parteien; quellen: europäisches parlament, parteien