reden und verstehen 8 haushalt 2015 das parlament - nr. 49 - 01. dezember 2014 v iel wurde in den vergange- nen tagen spekuliert über differenzen zwischen bun- deskanzlerin angela merkel (cdu) und außenminister frank-walter steinmeier (spd) in der russland-politik. während merkel moskau zuletzt ungewöhnlich harsch kritisierte, besonders nach einem vier-augen-gespräch mit dem russischen präsidenten wladimir putin auf dem g20-gipfel in australien („moskau tritt in- ternationales recht mit füßen“), trat stein- meier nur wenige tage später auf dem eu- außenminister-treffen in brüssel betont versöhnlich auf. im magazin „der spiegel“ warnte er – freilich ohne die kanzlerin di- rekt zu erwähnen – vor einer „unnötigen schärfe“ und einer „rhetorischen eskalati- on“ im dialog mit moskau. und anders als merkel erteilte er dieser tage verschärften wirtschaftssanktionen gegen russland eine absage: ziel von sanktionen solle es nicht sein, das land „wirtschaftlich niederzurin- gen“. ein „kollabierendes“ russland sei kein beitrag zur stabilisierung der region, erklärte steinmeier. zwist in der koalition, rollenverteilung nach dem motto: „guter bulle, böser bul- le“ oder einfach nur „unterschiedliche na- turelle“, wie es aus dem umfeld beider seiten hieß? dass die kanzlerin und ihr außenminister derzeit unterschiedliche töne anschlagen, wenn es um russland geht, zeigte sich jedenfalls auch vergange- ne woche im bundestag: in der general- debatte warf merkel moskau erneut vor, die europäische friedensordnung zu ge- fährden und das völkerrecht zu brechen. die annexion der krim sei nicht zu ent- schuldigen, wirtschaftssanktionen blie- ben angesichts der lage in der ostukraine unvermeidlich. aber sie stellte auch klar: die bundesregierung lasse nichts unver- sucht, mit russland eine diplomatische lösung zu erreichen. ein paar stunden später, bei der debatte über den etat des auswärtigen amtes, hielt sich ein nachdenklicher wirkender außen- minister mit vorwürfen in richtung russ- land zurück. steinmeier, der seit beginn der krise ständiger gast in kiew und mos- kau ist, sprach vor allem über die notwen- digkeit, miteinander im dialog zu bleiben, auch wenn dieser schwieriger geworden sei. eine sicherheitsarchitektur in europa werde es nur dann geben, „wenn wir nicht sämtliche gesprächsformate, die jetzt noch zur verfügung stehen, entwerten und in den mülleimer der geschichte werfen“, zeigte sich steinmeier überzeugt. insbesondere warb der außenminister für eine fortsetzung des petersburger dialogs. das bilaterale gesprächsforum, in dem sich die deutsche und russische zivilgesell- schaft seit 13 jahren austauschen, wurde wegen der ukraine-krise von deutscher seite auf unbestimmte zeit verschoben. „ich will, dass dieses dialogformat auf- rechterhalten wird“, machte steinmeier klar. auf keinen fall dürfe daraus ein „ber- liner monolog“ werden. „dann haben wir nämlich nichts gewonnen.“ darüber hi- naus bekräftigte er, dass die vereinbarun- gen von minsk fundament für die suche nach einer friedlichen lösung des ukraine- konfliktes bleiben müssten. reformen notwendig im etat des aus- wärtigen amtes (18/2000, 18/2805, 17/ 2823), der vom bundestag mit den stim- men der koalitionsfraktionen cdu/csu und spd gegen die stimmen der oppositi- onsfraktionen verabschiedet wurde, sind für das jahr 2015 bereits 100.000 euro für die fortführung des petersburger dialogs eingeplant, trotz aller unklarheiten über die zukunft und künftige gestaltung des formats. ,„russland ist und bleibt nun mal unser großer nachbar im osten, und des- halb brauchen wir solche dialogformate gerade jetzt“, begründete doris barnett (spd), berichterstatterin des haushaltsaus- schusses für den etat des ministeriums, die entscheidung. sie sicherte außerdem zu, dass die bundesregierung die ukraine ebensowenig allein lassen werde wie die anderen länder der östlichen partner- schaft, moldau, belarus, georgien, arme- nien und aserbaidschan. für die zusam- menarbeit mit der zivilgesellschaft in die- sen ländern könne das auswärtige amt im kommenden jahr 14 millionen euro aus- geben, zehn millionen euro mehr als 2014, sagte barnett. barnett und der berichterstatter der uni- onsfraktion, alois karl (csu), zeigten sich insgesamt außerordentlich erfreut über den verlauf der haushaltsberatungen. da- bei war es gelungen, den etat des auswärti- gen amtes um neun prozent beziehungs- weise 305,7 millionen euro zu erhöhen. der außenminister kann nun im kom- menden jahr 3,73 milliarden euro ausge- ben – das ist zwar nur geringfügig mehr als 2014 (3,64 milliarden euro), aber deutlich mehr als von der bundesregierung vorge- schlagen (3,42 milliarden euro). den größten zuschlag gab es für die huma- nitären hilfsmaßnahmen im ausland: die haushälter haben die mittel hierfür ange- sichts der schweren weltweiten krisen im nahen osten und zentralafrika auf 400 millionen euro erhöht, um, so alois karl, den „ärmsten der armen“ zu helfen, wenn es darum gehe, „ihr blankes überleben zu sichern – und dies möglichst in würde und sicherheit“. die bundesregierung wollte die mittel ur- sprünglich von jetzt 303 millionen euro auf 187 millionen euro senken – ein vor- haben, das michael leutert (die linke) als „absurd“ bezeichnete, angesichts einer welt, die „aus den fugen geraten“ sei, wie außenminister steinmeier immer wieder zutreffend betone. leutert zeigte sich aber auch mit dem jetzt erreichten etatauf- wuchs wenig zufrieden. der haushalt des auswärtigen amtes bewege sich wie jedes jahr bei knapp über einem prozent, kriti- sierte der linken-abgeordnete, „als wenn die welt noch in ordnung wäre“. er erin- nerte die bundesregierung an ihr erklärtes ziel, mehr verantwortung in der welt über- nehmen zu wollen. dies passe aber nicht zum haushalt 2015. „es gibt keine krisen irgendwo da draußen, es sind konflikte vor unserer haustür“, warnte leutert. „und trotzdem gibt es nicht mehr geld, um die- sen krisen entgegenzutreten.“ seine frakti- on schlug vor, im einzelplan 60 (allgemei- ne finanzverwaltung) einen krisenreakti- onsfonds einzurichten, der anfänglich mit zusätzlichen 250 millionen euro ausgestat- tet werden solle. „brauchen wir das geld im krisenfall, ist vorsorge getroffen“, be- tonte leutert. werde es nicht benötigt, könne finanzminister wolfgang schäuble (cdu) es am jahresende wieder einsam- meln. »unseriöse planung« der vorstoß der linken fand im bundestag ebensowenig ei- ne mehrheit wie der änderungsantrag (18/3282) der fraktion bündnis 90/die grünen, in dem diese gefordert hatte, die mittel für die humanitäre hilfe auf insge- samt 685 millionen euro zu erhöhen. to- bias lindner (grüne) rechnete vor: wenn man die außerplanmäßigen ausgaben in diesem jahr hinzuaddiere, gebe das aus- wärtige amt bereits 2014 403 millionen euro für humanitäre hilfe aus. 2015 stün- den 400 millionen euro bereit, also sogar weniger als heute. es sei nicht seriös, „heu- te einen haushalt zu beschließen, bei dem wir wissen, dass bereits morgen überplan- mäßige ausgaben nötig sein werden“, kriti- sierte lindner. eine erhöhung des etats sei daher „bitter notwendig“. auch doris bar- nett (spd) räumte ein, dass niemand sa- gen könne, ob die 400 millionen euro im kommenden jahr reichen werden. die grünen warfen der bundesregierung außerdem vor, sich zu wenig um die prä- vention von krisen und friedenserhaltung zu kümmern. omid nouripour (grüne) wies darauf hin, dass die mittel hierfür schon zum zweiten mal hintereinander ge- kürzt wurden. lagen sie im jahr 2013 noch bei 133,94 millionen euro, sanken sie 2014 auf 95,2 millionen euro. im kom- menden jahr stehen nur noch 95 millio- nen euro bereit. „das wird der realen si- tuation draußen und vor allem den not- wendigkeiten überhaupt nicht gerecht“, schimpfte nouripour. plus für goethe-institut deutlich aufge- stockt wurde steinmeiers etat hingegen im bereich der auswärtigen kultur- und bildungspolitik. so haben die haushälter die mittel des deutschen akademischen austauschdienstes (daad) einvernehm- lich um sieben millionen euro auf 170 millionen euro erhöht. und auch das goethe-institut darf sich über mehr mittel freuen: 215,62 millionen euro kann die einrichtung, die mit 160 instituten in mehr als 90 ländern der welt vertreten ist, 2015 ausgeben – ein plus von 16,6 millionen euro. damit seien die organisationen „besser aufgestellt als eigentlich erwartet“, lobte der csu-abgeordnete alois karl. „wir freuen uns, dass wir uns auch auf diese art und weise in der welt gut darstellen kön- nen.“ für doris barnett ist die gute ausstat- tung von daad und goethe-institut „kein luxus, sondern eine simple notwendig- keit“. deutschland investiere damit in den wichtigsten rohstoff überhaupt – „in die köpfe der menschen“, betonte die spd-po- litikerin. außenminister steinmeier er- gänzte, die mittel für die institutionen sei- en „nicht einfach eine nette draufgabe, sondern ein teil der außenpolitik, für den es einen dringenden bedarf gibt, der sogar von jahr zu jahr wächst“. die gefährlichen konflikte, ob in syrien, irak oder dem na- hen osten, seien „mindestens überlagert von religiösen, ethnischen oder kulturellen konflikten“. diese „sollten wir wenigstens verstehen, bevor wir uns entscheiden, ob und auf welcher seite des konflikts wir uns engagieren“. johanna metz t keine einfachen gespräche: die außenminister deutschlands und russlands, frank-walter steinmeier (links., spd) und sergej lawrow, mitte november in moskau © picture-alliance/dpa reden und verstehen auswärtiges mehr geld für humanitäre hilfe und auswärtige bildungspolitik. außenminister steinmeier will »petersburger dialog« mit russland fortsetzen die gipfel werfen ihre schatten voraus entwicklung der etat von gerd müller (csu) wächst auf 6,51 milliarden euro. angesichts der klima- und entwicklungspolitischen weichenstellungen 2015 ist das der opposition zu wenig nein, er macht es der opposition nicht leicht. entwicklungsminister gerd müller (csu) konnte sich in der vergangenen wo- che bei der verabschiedung seines etats ei- niger anerkennung aus ungewohnter rich- tung erfreuen. „wir haben hier einen minis- ter, der die richtigen dinge anspricht, die richtigen akzente setzt, die richtigen metho- den wählt und auch noch dokumente pro- duziert, in denen mehr geld verlangt wird“, sagte der haushaltsexperte der linksfrakti- on, michael leutert. aber all dies nutze nichts, wenn hier ein etat beschlossen wer- de, der nicht mehr ressourcen zur verfü- gung stelle, „obwohl allen klar ist, dass dies falsch ist“, sagte leutert. zukunftscharta ob initiativen wie das tex- tilbündnis, das für faire arbeitsbedingungen in dieser branche weltweit sorgen soll, oder die „zukunftscharta“, mit der müller die deutschen ins boot holen will für eine ent- wicklungspolitische agenda, die nicht mehr nur geber- und empfängerländer kennt, sondern auf die einsicht setzt, dass auch die reichen industrienationen ihren hohen res- sourcenverbrauch zurückfahren müssen: mit seiner politik findet der christsoziale minis- ter resonanz bis in die oppositionsbänke hi- nein. sein etat allerdings spiegelt die globa- len herausforderungen nicht wieder, so lau- tete die kritik der linken und der grünen. das ministerium für wirtschaftliche zusam- menarbeit und entwicklung (bmz) kann sich im kom- menden jahr auf ausgaben in hö- he von 6,51 mil- liarden euro einstellen, das sind 65,5 millio- nen euro mehr als im laufenden jahr. die haus- hälter hatten ge- genüber dem ur- sprünglichen regierungsentwurf (18/2000; 18/2002) mehr mittel für die entwicklungs- fördernde und strukturbildende über- gangshilfe und für die gesundheitsvorsorge in entwicklungsländern freigemacht – und damit auch auf die anhaltenden krisen in syrien und im irak sowie auf die ebola-epi- demie in westafrika reagiert (18/2823; 18/ 2824; 18/2825). michael leutert erinnerte an das ziel, bis 2015 0,7 prozent des bruttonationaleinkom- mens für die entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. schweden, norwegen, däne- mark, luxemburg und großbritannien hät- ten dieses versprechen bereits eingelöst. „da steht die frage im raum, warum wir das nicht auch schaffen“. „unlogisch“ erscheine zudem, dass zwar als reaktion auf die flüchtlingskrisen die mittel für humanitäre hilfen im etat des auswärtigen amtes auf 400 millionen euro aufgestockt wurden, im bmz-etat für die übergangshilfen hingegen nur 139 millio- nen euro zur ver- fügung stehen sollen. die men- schen in den flüchtlingslagern seien nicht nur auf unmittelbare nothilfe ange- wiesen, sondern mittelfristig auch auf medizinische und sanitäre versorgung und schulen. anja hajduk (bündnis 90/die grünen) be- grüßte zwar, dass bei der übergangshilfe 90 millionen euro „draufgelegt“ worden seien. „das ist nicht nichts.“ sie könne aber nicht verstehen, dass im gegenzug 75 millionen euro bei der bilateralen zusammenarbeit abgezogen würden. mit einer steigerung von insgesamt einem prozent sei dieser entwicklungshaushalt „keine antwort auf die globalen krisen“. volkmar klein (cdu) sprach hingegen von einer „guten botschaft für die entwick- lungszusammenarbeit“. 2005 habe der etat eine größe von 2,8 milliarden euro gehabt, heute seien – bei moderater steigerung des gesamten bundeshaushaltes in diesem zeit- raum – 6,5 milliarden euro vorgesehen. klein lenkte den blick unter anderem auf konkrete hilfen, die entwicklungsländer befähigen sollen, „auf eigenen füßen zu stehen“. so habe man dafür gesorgt, dass in den kommenden jahren jährlich 40 millio- nen euro für die globale impfallianz gavi zur verfügung stehen. „damit werden bremsklötze für die entwicklung vor ort beiseite geräumt.“ sonja steffen (spd) verwies auf den globa- len fonds zur bekämpfung von aids, tu- berkulose und malaria (gfatm), der im kommenden jahr 210 statt der ursprünglich vorgesehenen 200 millionen euro erhalten soll. steffen gestand ein, „an einigen stellen nicht glücklich“ mit dem haushalt zu sein. um das bmz wirklich zu einem „ministeri- um für globale zukunftsfragen“ zu ma- chen, bedürfe es „eines wesentlich höheren etats“. jahr der entscheidungen die großen gip- fel des kommenden jahres warfen auch in dieser debatte ihre schatten voraus. ob klimakonferenz in paris, gipfeltreffen zu einer post-2015-agenda in new york oder die konferenz zur entwicklungsfinanzie- rung in addis abeba – das jahr 2015 steht im zeichen wichtiger globaler weichenstel- lungen. angesichts von klima- und finanz- krise, „gigantischem marktversagen“ „ent- grenzter gewalt wie wir sie in syrien, im irak, in afghanistan, im kongo bis nach mexiko erleben“ und angesichts von 55 millionen flüchtlingen weltweit fehle die notwendige neubewertung der globalen lage, sagte claudia roth (grüne). „bauen sie ihr haus um zu einem ministerium für globale strukturpolitik. nur so kommen sie wirklich aus ihrer rolle als feigenblatt dieser bundesregierung heraus“, sagte sie an den minister gewandt. bärbel kofler (spd) erinnerte an die zusa- gen von auswärtigem amt und bmz in hö- he von 500 millionen euro für syrische flüchtlinge. das sei „gut investiertes geld“, weil an einer stabilisierung der nachbar- länder, in den millionen syrer eine zu- flucht gefunden haben, kein weg vorbei führe. doch „wenn wir ehrlich sind, müs- sen wir zugeben, diese mittel werden nicht reichen“ – auch weil die menschen wo- möglich auf jahre in flüchtlingslager lebten und dort eine perspektive bräuchten. sabine weiss (cdu) lenkte den blick auf die 200 millionen euro für die sonderini- tiativen des ministers zur hungerbekämp- fung, zur stabilisierung in nordafrika/nah- ost und zur reintegration von flüchtlingen. dass der „islamische staat“ (is) „ganze landstriche mit seinen gräueltaten überrol- len“ konnte, sei auch eine folge „jahrzehn- telanger nichtbeachtung der interessen und bedürfnisse der breiten armen bevölkerung, eine folge fehlender bildung und gesund- heitsversorgung“ und eine folge der miss- achtung von frauenrechten, sagte weiss. keine mehrheit fanden die oppositions- fraktionen mit einem gemeinsamen ent- schließungsantrag (18/3287.) zur auswei- tung der budgethilfe, also direkte zuwen- dungen an haushalte von entwicklungslän- dern. linke und grüne scheiterten zudem mit ihren änderungsanträgen (18/3283; 18/3284) zur annäherung an das 0,7-pro- zent-ziel: die linke hatte 1,42 milliarden euro, die grünen 800 millionen euro mehr für den bmz-etat gefordert. auch ein ent- schließungsantrag der linksfraktion (18/3286) zu mehr transparenz bei öffent- lich-privaten partnerschaften scheiterte am votum der koalition. alexander heinrich t weiterführende links zu den themen dieser seite finden sie in unserem e-paper »um ein ministerium für globale zukunfts- fragen zu werden, bedarf es eines höheren etats.« sonja steffen (spd) ©dbt/achimmelde wärtige amt bereits 2014403 millionen 20150,7 prozent des bruttonationaleinkom-