debattendokumentation 6 debattendokumentation das parlament - nr. 4-5 - 19. januar 2015 für seine initiative. millionen von muslimen welt- weit stehen fassungslos vor dem, was im namen ihrer religion ver- übt wird. sie machen unmissver- ständlich klar, dass sie diesen missbrauch nicht dulden werden. aber, nur wenn der kritische dis- kurs innerhalb des islam weiter stattfindet und wenn wir dabei an der seite der muslime stehen, können wir das versprechen der letzten acht tage wahr werden las- sen. liebe kolleginnen und kolle- gen, in den letzten acht tagen ha- ben wir viele zeichen der tole- ranz, des miteinanders, des zu- sammenstehens erlebt. umso em- pörter macht es mich, wenn ich nach dresden blicke, wenn ich se- he, dass dort am letzten montag wieder tausende pegida-anhänger auf den straßen waren. wer bei pegida mitmarschiert, will eine ge- schlossene, eine enge gesellschaft, eine die ausgrenzt, und zwar nach innen und außen, und eine die letzten endes mehr hass erzeugt. vor diesen rissen in unserer ge- sellschaft dürfen wir nicht die au- gen verschließen. der antisemitis- mus gehört leider immer noch zur traurigen realität in deutschland und in europa. viele menschen in deutschland haben vorurteile ge- genüber dem islam. rechtsextre- misten und -populisten wie le pen haben hohe zuläufe. 2015 steht europa vor einer rei- he von wichtigen wahlen: in grie- chenland, in spanien, in großbri- tannien, in frankreich. bei diesen wahlen wird nicht allein über die nationale politik, sondern auch über die zukunft europas ent- schieden. jetzt ist es an uns euro- päern, zu zeigen, was für ein europa wir wollen: ein europa, das für menschenrechte, freiheit und demokratie steht. die letzten tage lassen mich hoffen, dass die menschen wieder erleben, was wir mit europa gewonnen haben, was uns an europa liegt – einem europa, in dem die menschen wieder miteinander diskutieren, einem europa, in dem sich die menschen füreinander interessie- ren, einem europa, in dem die menschen für die werte europas und füreinander einstehen, einem europa, das lebendig ist. die ganz große mehrheit der menschen hat erkannt, dass es zeit ist, farbe zu bekennen: gegen rassismus, gegen vorurteile, gegen menschenfeindlichkeit. nur wenn wir gemeinsam für die demokra- tie, für die freiheit eintreten, nur dann können wir das versprechen der letzten acht tage wahr werden lassen. die letzten acht tage ma- chen mir da große hoffnung. (beifall beim bündnis 90/die grünen sowie bei abgeordneten der spd und der linken) volker kauder, cdu/csu: religionsfreiheit weltweit stärken volker kauder (*1949) wahlkreis rottweil – tuttlingen a ls uns die nachricht von dem schrecklichen verbre- chen in paris erreicht hat, waren wir zunächst fassungslos und konnten gar nicht glauben, dass terroristen in eine redaktion eindringen, die namen der einzel- nen journalisten aufrufen und sie beim namensaufruf erschießen. das ist eine qualität, die wir so bisher noch nicht erlebt haben. wir alle verneigen uns vor den an- gehörigen der opfer, vor unseren französischen freunden. ja, es ist völlig richtig, dass wir als eine erste konsequenz aus die- sem furchtbaren verbrechen sa- gen: wir stehen in europa zusam- men. dass wir zusammenstehen, hat der zug durch paris am vergange- nen sonntag so eindrucksvoll ge- zeigt. dass wir in europa bei einer der vielleicht größten herausfor- derungen zusammenstehen, um menschlichkeit und demokratie durchzusetzen, haben wir am dienstag am brandenburger tor erlebt. mich hat in besonderer weise beeindruckt, dass hier in berlin und in anderen städten deutschlands menschen zu tau- senden zusammengekommen sind – spontan, ohne dass es ir- gendjemand organisiert hat. was sich da am brandenburger tor ge- zeigt hat, das ist ein deutschland, auf das wir stolz sein können. es waren alle aus der gesell- schaft dabei, alle religionsgrup- pen. dies hat mich beeindruckt. es ist der satz des bundespräsi- denten zum abschluss seiner re- de, der uns leiten muss: „wir alle sind deutschland“ – wir alle, die wir hier in deutschland leben, muslime, juden, christen, ange- hörige aller anderen religions- gruppen. es gibt ereignisse in der politik, im persönlichen leben, bei denen nachher nichts mehr so ist, wie es vorher war. viele von uns spüren, dass das, was da in paris gesche- hen ist, und die solidaritätskund- gebungen, die es auch bei uns ge- geben hat, vielleicht einiges verän- dern könnten, in einer geschwin- digkeit, wie wir es zunächst gar nicht zu hoffen gewagt haben. ich habe bei den vielen begeg- nungen mit christen, muslimen, hindus und vertretern anderer re- ligionen dieser welt erfahren, was es bedeutet, wenn man wegen sei- nes glaubens, seiner einstellung bedrängt und verfolgt wird. ich habe immer wieder erlebt, dass die reaktionen nach anschlägen auf kirchen und andere einrich- tungen unterschiedlich bzw. zö- gerlich waren. umso mehr müs- sen wir anerkennen und wir er- kennen es auch an, dass sich die muslime angesichts der ereignisse eindeutig von gewalt distanziert haben. auf der veranstaltung des zentralrats der muslime, die mich sehr bewegt hat, wurde gesagt: mord und terrorismus haben mit dem islam nichts zu tun. die notwendige und auch schwierige diskussion ist damit aber noch lange nicht beendet. sie wird weitergehen, und sie muss auch weitergehen. ich stimme all jenen zu, die heute morgen gesagt haben, dass dies eine aufgabe der muslime selbst ist, dass wir sie da- bei unterstützen müssen, indem wir anerkennen, dass sich da et- was bewegt. aber es muss auch klar sein darauf ist vom bundes- tagspräsidenten und von der bun- deskanzlerin hingewiesen worden, dass die werte und die menschen- rechte, die wir durch die französi- sche revolution und die aufklä- rung für uns gewonnen haben, die die generationen vor uns für uns erstritten haben, nicht zur dispo- sition stehen dürfen und auch nicht zur disposition stehen. wir dürfen auch nicht zulassen, dass universale menschenrechte das wird immer wieder versucht von einigen auf einmal als eine errungenschaft des westens gese- hen werden, die mit anderen gar nichts zu tun haben. ich erlebe in gesprächen immer wieder, dass es heißt: eure menschenrechtspositi- on hat mit unserem kulturellen verständnis nichts zu tun. liebe kolleginnen und kollegen, die universellen menschenrechte sind in der menschenrechtscharta der uno niedergelegt, und sie haben nichts mit kulturellem verständnis in dem einen oder anderen land zu tun. wir müssen sie verteidi- gen. in der menschenrechtskonventi- on, die 1948, also im letzten jahr- hundert, beschlossen wurde, sind erkenntnisse enthalten, die in die heutige zeit übertragen werden können. jeder hat das recht, sei- nen glauben frei und unbedrängt öffentlich zu leben. dazu gehört natürlich auch, nichts zu glauben; auch dies ist geschützt. in der menschenrechtskonvention steht ausdrücklich auch – dies gehört dazu -, dass jeder das recht hat, seinen glauben frei zu wechseln, dass es ein menschenrecht ist, sei- nen glauben zu ändern. fast alle länder dieser welt bis auf ganz wenige haben das unterschrieben. man ist immer wieder erstaunt, dass selbst in ländern, die die menschenrechtskonvention unter- schrieben haben, die menschen- rechte nicht oder nicht ganz ein- gehalten werden. deswegen haben wir die verpflichtung, immer wie- der auf die menschenrechtskon- vention hinzuweisen. meine sehr verehrten damen und herren, ich habe schon vor vielen jahren darauf hingewiesen, dass es ohne religionsfreiheit nir- gendwo auf der welt freiheit ge- ben kann. ich habe immer wieder darauf hingewiesen das ist eine er- kenntnis zahlreicher reisen, die ich unternommen habe , dass das verweigern von religionsfreiheit und das unterdrücken von men- schen, sodass sie ihren glauben nicht frei leben dürfen, anlass für größte auseinandersetzungen sind. das muss gerade in dieser zeit gesagt werden. dazu gehört ganz klar: wer für religi- onsfreiheit weltweit eintritt, tritt natür- lich auch für religi- onsfreiheit in unse- rem land ein. ich will mich gar nicht über inhalte der einzelnen religio- nen unterhalten. ich sage nur: religionsfreiheit in unserem land bedeutet, dass jeder das recht hat, seine gebets- oder gotteshäuser zu bauen. das heißt: natürlich haben die muslime, un- terstützt von uns, das recht, hier ihre moscheen zu bauen. aber es gehört auch noch etwas anderes dazu das muss ich sagen, nachdem der türkische minister- präsident in dieser woche deutschland besucht hat : so wie wir wollen und dafür eintreten, dass die muslime hier ihre mo- scheen bauen dürfen, so wollen wir, dass auch die christen in der türkei ihre kirchen bauen dürfen. dieser zustand ist noch längst nicht erreicht. wir haben heute zu recht im- mer wieder gehört, dass unsere werte, zu denen natürlich die frei- heitsrechte und das zentrale recht der pressefreiheit gehören, nicht preisgegeben werden dürfen und wie wichtig die pressefreiheit für eine freie gesellschaft ist. das be- trifft aber nicht nur die pressefrei- heit, sondern auch die freiheit der kunst, die freiheit, darin seine meinung auszudrücken. es wäre furchtbar, wenn schriftsteller in zukunft ihre bücher prüfen lassen müssen, bevor sie sie veröffentli- chen. das geht überhaupt nicht. die freiheit von presse, kunst und kultur muss geschützt werden. wenn wir uns in der welt um- schauen, dann stellen wir fest, dass die pressefreiheit von denen besonders gefürchtet wird – dazu gehört leider gottes auch manches land in unserer unmittelbaren nachbarschaft -, die menschen- rechte und freiheit in ihrem land nicht hundertprozentig verwirkli- chen. deswegen muss dafür in be- sonderer weise eingetreten wer- den. da kann es natürlich sein, dass dinge gesche- hen, die nicht jeder richtig und gut fin- det. die bundes- kanzlerin hat da- rauf hingewiesen, dass zur freiheit verantwortung ge- hört. freiheit und verantwortung sind zwei seiten dersel- ben medaille. natürlich muss jeder selbst prü- fen, wo grenzen sind. aber diese können nicht gesetzlich festgelegt werden. ich will nicht gesetzlich festlegen, ob diese oder jene kari- katur zulässig ist, überhaupt nicht. trotzdem sage ich: wir alle haben allen grund, uns immer wieder zu prüfen, wie nahe wir einem ande- ren treten dürfen in der ausnut- zung unserer freiheit. ich kann nur darauf hinweisen: besondere sorgfalt muss darauf gelegt wer- den, mit den religiösen gefühlen und den heiligsten symbolen ei- ner religion nicht verantwor- tungslos zu spielen. das kann nicht durch eine ver- schärfung von gesetzen erreicht werden, sondern da ist die gesell- schaft aufgerufen, zu widerspre- chen und zu sagen: wir wollen zwar, dass dies möglich ist, aber wir akzeptieren nicht, dass dies ge- macht wird. insofern haben wir © dbt/achim melde ich will nicht gesetzlich fest- legen, ob diese oder jene karikatur zu- lässig ist.