nur ein traum i ch erkläre amerikas verpflichtung, frieden und sicherheit einer welt ohne atomwaffen anzustreben.“ mit diesem satz, gesprochen im april 2009 vor 20.000 menschen in prag, entließ barack obama kurz nach seinem amtsantritt eine vision in den globalen politischen alltag, die ihm neben viel anerkennung den friedensno- belpreis sichern sollte. „als nuklearmacht, die eine atomwaffe eingesetzt hat“, sagte der präsident der vereinigten staaten von amerika, hätten die usa „eine moralische verantwortung zu handeln“. und er fügte hinzu: „wir können dieses unterfangen nicht alleine zum erfolg führen, aber wir können es anführen.“ sieben jahre später sieht die wirklichkeit anders aus. der traum von „global zero“, von einer nuklearwaffenfreien welt, ist ein traum ge- blieben. der planet scheint sogar weiter denn je entfernt von einem szenario, in dem massenvernichtungswaffen keine zen- tralen bestandteile der strategie der ab- schreckung mehr sind. im gegenteil. der vertraglich vereinbarte abbau hat sich nicht nur extrem entschleunigt. anfang 2016 waren nur 450 sprengköpfe weniger in den depots als ein jahr zuvor. darüber hinaus modernisieren die atommächte – neben den usa sind das russland, groß- britannien, frankreich, china, indien, pa- kistan, israel und nordkorea – ihre arsena- le mit gigantischem aufwand. allein die usa, die zusammen mit russland noch immer für 93 prozent der weltweit 15.400 bekannten sprengköpfe stehen, 4.100 da- von sind jederzeit einsetzbar, wollen bin- nen der kommenden acht jahre zur see, in der luft und an land fast 350 milliarden dollar in die ertüchtigung stecken. modernisierung bessere interkontinental- raketen, atom-u-boote, langstreckenbom- ber, luftgestützte marschflugkörper und bomben sollen im falle eines falles noch präziser treffen als die zum teil noch aus den 1960er jahren stammende vorgänger- generation. für echte fortschritte bei der abrüstung sind die perspektiven düster. „die ehrgeizigen modernisierungspläne der obama-regierung stehen in einem scharfen kontrast zu den persönlichen ver- sprechungen des präsidenten, was die re- duzierung der nuklearwaffen und deren rolle in der künftigen sicherheitsstrategie der usa angeht“, erklärte dazu erst kürz- lich mit enttäuschtem unterton das stock- holmer friedensforschungsinstitut sipril. konsequenz: wenn washington, das im august 1945 über hiroshima als erste und bisher einzige atommacht die bombe mit bis heute anhaltenden verheerenden folge- wirkungen zum einsatz brachte, keine sub- stanziellen anstalten zur verringerung macht, „dann ziehen andere länder nach“, sagen die forscher aus schweden. so haben die erzfeinde indien und pakis- tan ihre nuklearen kontingente substan- ziell vergrößert. auch china besitzt bereits über 250 nukleare sprengköpfe und hat mit der ankündigung, wegen der laufen- den gebietsstreitigkeiten um etliche inseln im südchinesischen meer seine atom- u-boote in den pazifik zu schicken, zuletzt für unruhe gesorgt. israel hat geschätzte 80 sprengköpfe. russland hat sein update bei den alten waffensystemen nach angaben von atom-experten zur hälfte erledigt. bis 2024 soll eine neue generation von inter- kontinentalraketen zur verfügung stehen. der trend zu neuen, noch schlagkräftige- ren atomwaffen fand im frühjahr dieses jahres in new york seine bestätigung. bei der un-konferenz zum atomwaffensperr- vertrag trennten sich die fünf atomaren großmächte – usa, frankreich, großbri- tannien, russland und china – nach wo- chenlangen verhandlungen über erneute abrüstungsbemühungen im streit. die zuständige staatsministerin für rüs- tungskontrolle und internationale sicher- heit im außenministerium der vereinigten staaten, rose gottemoeller, die ab herbst stellvertreterin von nato-generalsekretär jens stoltenberg wird, erklärte: „besser gar kein ergebnis als ein schlechtes.“ dabei sind die drei kern-argumente, die obama 2009 in der tschechischen repu- blik vorgebracht hat, nach einschätzung von rüstungsexperten dies- und jenseits des atlantiks unverändert gültig. solange es atomwaffen gibt, besteht prinzipiell das risiko, dass sie früher oder später einge- setzt werden. die gefahr, dass außerstaatli- che parteien, terroristen-netzwerke wie der „islamische staat“ oder kriminelle ver- fügungsgewalt über nuklearwaffen bekom- men, ist weiter gegeben. und: im zeitalter der globalisierung und wachsender bedrohungen wird es immer schwerer, das nuklear-privileg der fünf re- gulären atommächte aufrecht zu erhalten und atomare schwellenländer von bau oder erwerb der waffen wirksam abzuhal- ten. japan, bis dato unter dem schutz- schirm der usa, sorgt sich mit blick auf die erratischen aktionen nordkoreas vor einem nuklearen wettrüsten vor der eige- nen haustür, an dem sich auch südkorea beteiligen könnte. äußerungen des repu- blikanischen präsidentschaftskandidaten donald trump, der sympathie für ein au- tonomes atom-arsenal in japan und süd- korea bekundete, haben die lage zusätz- lich belastet. gleichwohl sind obama erfolge auf dem weg der atomaren ab- rüstung nicht völlig abzusprechen. seit amtsantritt ist die zahl der weltweit sta- tionierten atomsprengköpfe, die mitte der 1980er jahre noch bei etwa 70.000 lag, von 22.600 auf jetzt 15.400 gesun- ken. die reduzierung geht in erster linie auf amerikanisch-russisches handeln zu- rück, wo auf der basis der seit 1991 gel- tenden abrüstungsverträge veraltetes material reduziert und verschrottet wur- de. nach der aktuellsten vereinbarung – new start (2010) – sind moskau und washington verpflichtet, bis 2018 ihre arsenale auf 1.550 gefechtsköpfe und 700 trägersysteme abzubauen. 2015 verfügten die usa noch über rund 800 trägersysteme und 1.650 gefechtsköp- fe. russlands hatte 530 trägersysteme und ebenso viele sprengköpfe. spannungen mit russland spätestens seit russland auf der krim und in der ukraine interveniert hat und die ameri- kanisch-russischen spannungen einen neuen höhepunkt seit ende des kalten krieges erreicht haben, werden nicht nur in washingtoner sicherheitskreisen zweifel laut, „ob die vereinbarten ziele tatsächlich erreicht werden“. vor allem die republikaner unter trump haben im falle eines sieges am 8. november eine massive ausweitung der ohnehin konkurrenzlos hohen militärausgaben angekündigt. vor dieser ungewissen perspektive wirkt der im juli 2015 unter verzicht auf mili- tärische mittel erreichte vertrag über die eindämmung des iranischen atompro- gramms wie ein leuchtender stern in obamas bilanz. pessimisten, darunter die nahezu komplette republikanische partei, bezweifeln jedoch, ob dem ver- trag eine lange halbwertzeit beschieden ist. folgt man sicherheitsexperten wie dem ehemaligen präsidentschaftskandi- daten und senator john mccain, dann legt das abkommen teherans atompro- gramm lediglich für maximal 15 jahre auf eis, verunmöglicht aber nicht gene- rell, dass der iran später zu seinen ur- sprünglichen plänen zurückkehren und zur bombe greifen kann. eine hänge- partie, die nach einschätzung von denkfabriken in washington dazu füh- ren kann, dass sich länder wie saudi- arabien, einige golfstaaten, ägypten und die türkei befleißigt sehen könn- ten, die zeit bis dahin mit dem klan- destinen aufbau einer eigenen kernwaf- fenmacht zu nutzen. obama bleibt bis zum ausscheiden aus dem amt im januar nächsten jahres nur das instrument des appells. während seiner letzten vollversammlung bei den vereinten nationen im september wird erwartet, dass der präsident der staaten- gemeinschaft seine vision einer welt ohne atomwaffen erneut mit einer lei- denschaftlicher rede hinterlässt. die realpolitik sah indes anders aus. nu- kleare abschreckung blieb unter oba- ma ein integraler bestandteil des sicher- heitspolitischen konzepts der militä- risch noch immer stärksten macht der erde. prag war und bleibt ein traum. es spricht wenig dafür, dass sich das än- dert. ganz gleich, wer die nachfolge obamas antritt. dirk hautkapp t der autor ist korrespondent der funke-mediengruppe in washington. 2009 kündigte us-präsident barack obama an, sich massiv für eine abrüstung der nuklearen arsenale einzusetzen. passiert ist seit- dem ziemlich wenig. © picture-alliance/björn steinz nur ein traum abrüstung visionen auf der einen, modernisierung auf der anderen seite: nuklearwaffenfreie welt kommt nicht voran abrüstungsverträge atomteststopp-abkommen, 1963 versuche mit kernwaffen unter wasser, in der atmosphäre oder im weltraum werden verboten. atomwaffen-sperrvertrag, 1968 die offiziellen atommächte verpflichten sich, die technologie nicht an drittstaa- ten weiterzugeben. nicht-nuklearmäch- te erklären den verzicht auf atomwaf- fen. salt-i, 1972 vertrag auf grundlage der „strategic arms limitation talks“. begrenzung der zahl u-boot-basierter raketen als auch landgestützter interkontinentalraketen. abm-vertrag, 1972 die usa und die sowjetunion erklären sich bereit, ihre raketenabwehrsysteme zu begrenzen. die usa kündigen den vertrag einseitig 2002. salt-ii, 1979 weitere begrenzung für trägersysteme für strategische nuklearwaffen. bewaff- nung von langstreckenbombern mit nu- klearwaffen wird eingeschränkt. inf-vertrag, 1987 der „washingtoner vertrag über nuklea- re mittelstreckensystem“ zwischen den usa und der sowjetunion sieht die ver- nichtung von raketen mit reichweiten zwischen 500 und 5500 kilometern vor. start-1, 1991 sowjetunion und die usa einigen sich auf eine deutliche reduktion von inter- kontinentalraketen-sprengköpfen. start-2, 1993 auf interkontinentalraketen mit mehr- fachsprengköpfen soll gänzlich verzich- tet werden. zudem sollen die bestände an landgestützten interkontinentalrake- ten weiter verringert werden. kernwaffenteststopp-vertrag, 1996 kompletter verzicht auf kernwaffentests. von 183 staaten unterschrieben, 164 ha- ben ratifiziert. zum inkrafttreten fehlt aber noch die ratifikation unter anderem durch die usa, china und nordkorea. sort, 2002 russland und die usa einigen sich auf eine weitere reduktion der operativ ver- fügbaren sprengköpfe. new start, 2010 weitere reduktion von sprengköpfen (maximal 1550) und trägersystemen (maximal 800). läuft bis 2020. scr t 14 strahlendes erbe das parlament - nr. 33-34 - 15. august 2016 »das thema kernwaffenfreie welt spielt aktuell keine rolle mehr« interview internationale kooperation sei trotz aller widrigkeiten wichtig, sagt die abrüstungs-expertin annette schaper. warnung vor fatalen politischen entwicklungen frau schaper, us-präsident barack obama hatte 2009 in prag die vision ei- ner atomwaffenfreien welt beschworen. wie steht es aktuell um die abrüstung der nuklearen arsenale? obamas prager rede hat hoffen lassen. realisiert wurde aber nichts. im gegenteil: die beziehungen zu russland sind schlechter und schlechter geworden. das thema kernwaffenfreie welt spielt aktuell keine rolle mehr in der weltpolitik. das klingt nicht sehr optimistisch. in abrüstungsfragen gibt es immer ein auf und ab. in den 1990ern gab es beispiels- weise große hoffnungen, die auch von präsident bill clinton und dem russischen präsidenten boris jelzin genährt wurden. sie zeigten sich etwa offen gegenüber ide- en, auch die eigentliche vernichtung von nuklearen sprengköpfen verifizieren zu lassen. bisher wird nur verifiziert, ob die sprengköpfe von ihren trägern entfernt werden. was danach passiert, etwa ob die sprengköpfe gelagert oder vernichtet wer- den, wird nicht überprüft. schwere rück- schläge gab es dann aber unter der regie- rung von us-präsident george w. bush. er kündigte den abm-vertrag auf. das war ein ganz fataler fehler und hat die russen frus- triert und ernüchtert. damit begann der niedergang der entspannung. aber auch von der verifikation hielt die damalige re- gierung gar nichts. trotzdem gibt es in der wissenschaftlichen szene und auch bei ei- nigen entscheidungsträgern weitere über- legungen, wie man bei der abrüstung vo- rankommen könnte. was muss passieren? es müssen von wissenschaftlicher seite projekte angegangen werden, um lösun- gen zu präsentieren, wenn sich eines tages die politische stimmung wieder dreht. da- für gibt es ein historisches beispiel. bereits in den 1950ern wurde ein verbot für atomwaffentests gefordert. das galt lange als völlig unrealistisch. trotzdem wurde ei- ne internationale wissenschaftlergruppe mit der untersuchung beauftragt, wie man einen teststopp verifizieren könnte, etwa durch die messung und analyse von bo- denerschütterungen. dann drehte sich der wind und während der verhandlungen zum teststopp-vertrag in den 1960ern konnten fertige lösungen aus der tasche gezogen werden. so könnte es auch bei der abrüstungsfrage weitergehen. und auf politischer ebene? trotz aller widrigkeiten ist die internatio- nale kooperation wirklich wichtig. der dialog muss weitergeführt werden. das wurde auch schon während des kalten krieges gefordert – und hat letztlich auch mit dazu beigetragen, den konflikt zu be- enden. es gibt auch auf beiden seiten ver- nunftbegabte leute, die das ähnlich sehen. aber es gibt auch hardliner, die sich nach alter größe sehnen und von dingen wie verifikation gar nichts halten, weil das in- ternationale verpflichtungen sind. das können wir uns in deutschland kaum vor- stellen, weil wir so dermaßen in eu und internationale verträge eingebunden sind und damit hervorragend leben. aber ein staat in dem das so verinnerlicht ist wie hier, ist eigentlich eher selten. das muss man wissen. es gibt – nordkorea mitgezählt – neun atommächte. immer wieder gibt es die sorge, dass weitere länder atomwaf- fen anstreben. ist das so einfach möglich? es ist möglich, es ist aber sehr schwierig, dabei unentdeckt zu bleiben. die interna- tionale atomenergiebehörde überwacht zum beispiel die zivilen kernenergieanla- gen, um geheime abzweigung oder pro- duktion von materialien zu entdecken. wenn etwa, ganz hypothetisch, die urananreicherungsanlage in gronau heimlich umgebaut würde, um bomben- brennstoff herzustellen, wäre das unent- deckt nicht möglich. anders ist das bei- spielsweise in nordkorea, das die kontrol- leure rausgeschmissen hat. da ist es natür- lich unklar, wie viel anreicherung jetzt ge- nau läuft. es gibt aber methoden, um die produktion und auch tests von außen zu entdecken. der technische aufwand ist immens, wie kommen solche länder an das knowhow und die technik? bei den historischen fällen irak und iran stand ein geheimes netzwerk um den pa- kistanischen ingenieur abdul kadir khan dahinter. der hat nicht nur das pakistani- sche atomprogramm aufgebaut, sondern auch noch ein geschäft daraus gemacht, andere länder heimlich zu beliefern. auch firmen aus deutschland, der schweiz oder belgien waren beteiligt. das netzwerk flog dann auf. gab es konsequenzen? die deutschen und europäischen export- kontrollen wurden reformiert und das strafrecht verschärft. dabei mitzumachen ist nun hochkriminell und kein kavaliers- delikt mehr. da sind wir auf einem richtig guten weg. das funktioniert aber nur in demokratien und nicht in autoritären drittstaaten. dafür braucht es die zusam- menarbeit von sicherheitsbehörden, auch der geheimdienste. die iraner haben zugestimmt, ihr atomprogramm unter internationale kontrolle zu stellen. so soll ihnen der weg zur bombe versperrt blieben. wie beurteilen sie dieses abkommen? ich begrüße dieses abkommen sehr. die iraner haben sehr viele bedingungen er- füllt, die sie vorher kategorisch abgelehnt hatten. sie begrenzen allerlei technische aktivitäten und anreicherungsvorgänge. sie betreiben weiter ihr ziviles atompro- gramm, aber sie können nicht mehr heim- lich viel mehr als das machen. wir würden das sofort bemerken, denn die kontrollen sind sehr intensiv geworden. das abkom- men läuft zehn jahre und die hoffnung ist, dass in diesen zehn jahren sich politisch so viel ändert im iran, dass sie in den kreis der einigermaßen zivilisierten nationen aufgenommen werden und mögliche ge- heime kernwaffenpläne begraben. es gibt ab und zu kritiker, vor allem aus den usa und israel, die sagen, dass das abkommen nicht weit genug gehe und die iraner wie- der mit dem waffenprogramm anfangen könnten. das trifft aber auch auf andere länder zu. an welche länder denken sie dabei? darüber möchte ich nicht spekulieren. klar ist aber, dass länder, die uns heute als zivilisiert erscheinen, die welt schnell mit einer fatalen politischen entwicklung über- raschen könnten. man hat irgendwann im- mer ein schwarzes schaf und man wird auch nicht verhindern können, dass so ein schwarzes schaf technologie erbt. es funk- tioniert aber auch andersherum: länder wie südafrika, brasilien oder argentinien waren früher sorgenkinder. dort haben sich die befürchtungen nicht bewahrheitet. auch ein verteidigungsminister franz josef strauß (csu) zeigte sich einst offen für die atomare bewaffnung der bundesrepublik,... ...die aber nicht kam... letztlich kann man das problem der ver- breitung von atomwaffen nicht nur tech- nisch lösen, sondern es ist immer eine kombination aus technik, die nur in veri- fikation und transparenz bestehen kann, und politik. der nichtverbreitungsvertrag von 1968 zum beispiel zielte politisch auf deutschland und japan, entwickelte indus- trienationen, die es sich nehmen ließen, weitere technologien zu entwickeln. de- nen hat die welt damals nach den erfah- rungen des zweiten weltkrieges noch nicht getraut. dieser vertrag hat uns in deutsch- land die atomwaffe erspart und unsere ge- neration kann dafür zutiefst dankbar sein, auch wenn es mancher früher möglicher- weise anders gesehen hat. das gespräch führte sören christian reimer. t annette schaper ist promovierte physikerin und wissenschaftliche mitarbeiterin bei der hessischen stiftung friedens- und konfliktforschung. sie forscht unter anderem zu rüstungskontrolle und abrüstung. weiterführende links zu den themen dieser seite finden sie in unserem e-paper annette schaper ©hsfk