debattendokumentation das parlament - nr. 37-38 - 12. september 2016 debattendokumentation 9 volker kauder, cdu/csu: selbstbewusst formulieren, wie unser land aussehen soll volker kauder (*1949) wahlkreis rottweil – tuttlingen d ie haushaltsdebatte am mittwoch einer haus- haltswoche ist der ort, wo über grundsätzliche politische aufgaben, herausforderungen, unterschiedliche auffassungen dis- kutiert und im besten sinne des wortes auch gestritten wird. aber natürlich sollte sich die debatte in der haushaltswoche von anderen debatten dadurch unterscheiden, dass immer wieder auch der blick auf den haushalt geworfen wird und die frage gestellt wird: reicht das, was wir im haushaltsentwurf vorlegen, um die zentralen großen aufgaben auch lösen zu können? wolfgang schäuble hat dazu ges- tern in seiner einbringungsrede ei- nige wirklich bedeutende hinwei- se gegeben. ich möchte weiter an dieser linie nachvollziehen: wel- che herausforderungen haben wir? welche instrumente stellen wir dafür zur verfügung? reicht das ganze auch? welchen beitrag muss der deutsche bundestag und – darüber wurde bisher gar nicht gesprochen – welchen beitrag muss dazu auch der bundesrat leisten. denn an der bundesgesetzgebung wirkt der bundesrat als verfas- sungsorgan mit. dass wir die eine oder andere aufgabe nur deswe- gen nicht lösen, weil wir es nicht wollen, stimmt ja nicht; wir kön- nen sie deswegen nicht lösen, weil es im bundesrat eine andere mehrheit gibt. da, liebe kollegin- nen und kollegen von den grü- nen, haben wir nachher noch ei- niges miteinander zu besprechen; darauf komme ich schon noch zu- rück. wenn wir die situation in unse- rem land anschauen, erkennen wir: sie ist natürlich geprägt durch die diskussion über flüchtlinge, über zuwanderung und über inte- gration. dies hat neben anderen punkten – ich betone dies aus- drücklich – auch am vergangenen sonntag bei der wahlentschei- dung eine rolle gespielt. ich bin sehr froh darüber, dass alle in die- sem hause erklärt haben, dass alle im deutschen bundestag vertrete- nen parteien nachzudenken ha- ben und sich ihre gedanken darü- ber zu machen haben: was ist da geschehen? aber es reicht nicht aus, sich darü- ber nur gedanken zu machen. ich habe eine erfahrung als general- sekretär der cdu in baden-würt- temberg gemacht, als es darum ging, auch nach hohen zahlen von asylbewerbern, die republi- kaner wieder aus dem aktiven po- litischen geschehen herauszubrin- gen. es ist eine erfahrung, die mich, wenn ich die wirklichkeit jetzt anschaue, schon etwas be- schäftigt: es wird nur dann gelin- gen, wenn wir in der sache bei un- terschiedlichen auffassungen mit- einander um den besten weg rin- gen; aber es wird nicht gelingen, wenn wir uns gegenseitig vorhal- tungen machen, die nicht der wirklichkeit entsprechen. wenn man, nur um einen kleinen punktgewinn zu erzielen, dem an- deren etwas unterstellt, von dem man hundertprozentig weiß, dass es nicht stimmt, ist dies nicht in ordnung, um das mal klar zu sa- gen. wenn ich mir da den wahlkampf in mecklenburg-vorpommern an- schaue, muss ich sagen: da muss sich mancher überlegen, ob da nicht schon das ergebnis sein muss, so nicht weiterzumachen. herr bartsch, zunächst einmal ha- ben sie in einem punkt recht. wir beide stammen aus dem letzten jahrhundert. sie sind 1958 gebo- ren, ich bin 1949 geboren. das ist aber – das kann ich nach ihrer rede feststellen – die einzige gemeinsamkeit, die wir haben. jetzt will ich sagen: es ist nicht redlich, einfach davon zu reden, es sei bei der inneren sicherheit nichts geschehen, es sei bei der in- neren sicherheit gespart worden. es ist fakt – ich habe die zahlen vorliegen –, dass es von 1998 an sowohl beim bka als auch bei der bundespolizei an stellen einen zuwachs gegeben hat. es ist nicht so, dass dort gespart worden ist. von 1998 bis 2016 sind allein bei der bundespolizei 2 001 stellen neugeschaffen und besetzt, also nicht nur ausgebracht worden, und beim bka sind 665 neue stel- len nicht nur ausgebracht, son- dern besetzt worden. wenn man sich dann aber an die- ses pult stellt und sagt, dort sei eingespart worden, dann wird man dabei erwischt, dass man et- was unwahres sagt. ich kann dazu nur sagen: ich habe den verdacht, dass vieles von dem, was sie sa- gen, nicht wahr ist, lieber herr dr. bartsch. darauf muss ich großen wert legen. die erkenntnis vom letzten sonn- tag ist: in der sache hart streiten, aber nicht mit unterstellungen ar- beiten. nun komme ich zum zweiten punkt, der die menschen natürlich bewegt hat. wir wissen sehr wohl, dass auch im zusammenhang mit der diskussion um flüchtlinge in unserer bevölkerung fragen zur türkei gestellt werden, und wir wissen sehr genau, dass es hier kri- tische nachfragen und auch sor- gen gibt. dabei haben wir als ab- geordnete im deutschen bundes- tag bei der armenien-resolution völlig selbstbewusst nur auf uns zu schauen. ich habe, herr dr. bartsch und frau göring-eckardt, nirgendwo aus dem deutschen bundestag gehört, dass wir unsere armenien-resolution infrage stel- len, überhaupt nicht. auch die bundeskanzlerin hat erklärt, dass sie ebenfalls zugestimmt hat und sie ebenfalls nicht infrage stellt. was sollen dann solche diskussio- nen, die die menschen nur irritie- ren und nicht auf der wahrheit beruhen? dazu kann ich nur sagen: mit dem wahrheitsgemäßen umgang können wir auch jene isolieren, die am letzten wahlsonntag über 20 prozent bekommen haben, die aber mit den dingen, wie sie wirk- lich sind, nicht so umgehen wie notwendig, sondern behauptun- gen aufstellen und ängste schü- ren, die nicht der wirklichkeit ent- sprechen. das sollten wir in der auseinandersetzung in diesem hause nicht fortsetzen. meine sehr verehrten damen und herren, ja, im letzten jahr sind viele menschen gekommen. aber wir haben darauf reagiert. im letz- ten monat, im august, sind 80 prozent weniger flüchtlinge nach deutschland gekommen als im august des letzten jahres. wir haben eine ganze reihe von maßnahmen auf den weg ge- bracht. es ist nicht so, als hätten wir nichts getan und nur gewartet. auch aus unserer koalition war der eine oder andere satz dazu zu hören. nein, wir haben miteinan- der etwas getan, und das sollten wir auch sagen. wir haben ein in- tegrationsgesetz auf den weg ge- bracht, das fordert und fördert. wir haben zwei asylpakete be- schlossen und damit dafür ge- sorgt, dass sich in diesem land et- was verändert, und wir haben vor allem mit der einstufung der bal- kanstaaten als sichere herkunfts- länder dafür gesorgt, dass sich menschen vom balkan – sie ha- ben im letzten jahr ein großes kontingent von zuwanderern ge- stellt –, nicht mehr auf den weg machen, weil sie sich sagen: wir kommen aus einem sicheren her- kunftsland, deshalb lohnt es sich überhaupt nicht, dass wir schlep- pern geld in die hand geben. wir machen uns daher gar nicht erst auf den weg. was heißt „sicheres herkunfts- land“? frau göring-eckardt, dabei geht es nicht in erster linie da- rum, die menschen dorthin zu- rückzubringen, vielmehr geht es darum – das ist eine zutiefst menschliche aktion –, menschen davor zu bewahren, sich schlep- pern in die hand zu begeben, die letzten ersparnisse auszugeben, um in ein land zu kommen, in dem ihnen nachher gesagt wird: es war alles umsonst, ihr könnt hier nicht bleiben. deshalb ist es notwendig, die bot- schaft vom sicheren herkunfts- land auszugeben. es ist notwen- dig, damit sich die menschen nicht in eine falle von anderen begeben, die, wie mir inzwischen gesagt wurde, durch den handel mit menschen mehr ertrag ma- chen als durch den handel mit drogen. dies,dürfen wir auf kei- nen fall zulassen. deswegen muss schlepperbanden aus ländern, die wir zu sicheren herkunftsländern erklären können, das handwerk gelegt werden. wie sie wissen, bin ich ja mit ei- ner ganzen reihe von kolleginnen und kollegen aus der fraktion der grünen in punkten, wo es um menschenrechte, religionsfreiheit und verfolgte christen geht, durchaus einig. frau roth und ich kreuzen immer wieder einmal un- sere wege in solchen regionen, wo wir gemeinsame ziele verfol- gen. – ja, es ist doch nichts schlechtes, wenn viele aus dem deutschen bundestag in den regionen unter- wegs sind, wo es wirklich um menschenrechte geht bzw. darum, sich tatsächlich für religionsfrei- heit einzusetzen. aber dann muss auch die konse- quenz gezogen werden, dass wir alles tun, um denen das hand- werk zu legen, die diesen men- schen, die uns besonders wichtig sind, übel mitspielen. deswegen meine ich schon, dass ihre partei jetzt im bundesrat dem minister- präsidenten von baden-württem- berg folgen sollte und ihre zu- stimmung geben sollte, dass die maghreb-staaten zu sicheren her- kunftsländern erklärt werden. das würde sehr helfen, um noch einen weiteren schritt zu machen auf dem weg hin zu den zielen, die wir erreichen wollen. die sozialdemokraten, unser ko- alitionspartner, mit dem wir, wie ich finde, bei allen unterschiedli- chen auffassungen und manchem wahlkampfgeplänkel, das schon stattfindet, dem land eine gute regierung stellen – unter unserer führung – herr kahrs, sie müssen zugeben, dass ich ihnen da in nichts nachstehe. von daher gese- hen ist das auch in ordnung. – ich meine also schon, dass man sich als spd-führungsspitze da nicht hinstellen und herumphilo- sophieren kann, was noch alles gemacht werden muss. die spd trägt ja verantwortung in bundes- ländern, die im bundesrat dem nicht zustimmen. da würde ich mir einmal wünschen, dass der spd-parteivorsitzende mal in sei- ner partei darüber redet, was not- wendig ist, um die ziele zu errei- chen, die auch er formuliert hat. das heißt in diesem fall, im bun- desrat die zustimmung dazu zu geben, weitere länder zu sicheren herkunftsländern zu erklären. herr kollege oppermann lächelt mir zu, weil er weiß, dass ich recht habe. insofern wird das natürlich auch vorangebracht werden. das heißt also: wir haben doch etwas erreicht. darauf, was men- schen beunruhigt, was menschen verunsichert, geben wir die ant- wort: ja, das wissen wir, und das nehmen wir ernst. – da sind wir auf dem weg und haben bereits einige erfolge erzielt. die zahl der abschiebungen ist deutlich erhöht worden, die freiwilligen rückfüh- rungen funktionieren. da ist noch manches zu tun, aber wir sind auf dem weg. wir haben natürlich auch, wenn wir an den haushalt denken, da- für die voraussetzungen geschaf- fen, sowohl für integration als auch für all das, was mit dem the- ma sicherheit zusammenhängt. wir haben aber im zusammen- hang mit dem bundeshaushalt auch eine aufgabe vor uns, die für die bevölkerung jetzt keinen gro- ßen charme hat und die auch kei- ne große begeisterung oder anteil- nahme auslöst, die aber für die zukunft von entscheidender be- deutung ist. das ist die frage der bund-länder-finanzbeziehungen, die wir ja in dieser legislaturperi- ode, wenn es irgend geht, auch noch lösen wollen. in diesem zusammenhang will ich einmal sagen: ja, dazu sind wir bereit. aber zwei dinge, finde ich, müssen schon einmal klarge- stellt werden: erst einmal muss klar sein, welche aufgaben jeder hat. lieber kollege oppermann, ich habe ja sehr viel verständnis für die analyse, was in den schulen alles nicht stimmt, ©dbt/achimmelde fortsetzung auf nächster seite der bundespolizei 2001 stellen