vom traum zum albtraum das parlament - nr. 42-43 - 16. oktober 2017 aktuelles 13 demonstranten fordern anfang oktober in new york die fortführung des „dreamer“-programms. es gewährt 800.000 menschen einen abschiebeschutz, die als kinder illegal in die usa gelangten. © picture-alliance/zumapress.com usa das weiße haus nimmt 800.000 »dreamer« zum faustpfand für eine verschärfte einwanderungspolitik vom traum zum albtraum nancy pelosi und chuck konnten schumer ihr glück kaum fassen, als sie vor vier wochen mit do- nald trump im weißen haus zu abend aßen. an- ders als über monate immer wieder ange- droht, zeigte sich der präsident gegenüber den ranghöchsten demokraten im amerika- nischen kongress willens, eine zentrale er- rungenschaft der einwanderungspolitik sei- nes vorgängers obama gegen ein entgegen- kommen beim thema grenzschutz zu er- halten: den abschiebeschutz für rund 800.000 junge menschen, die als kinder il- legal in die usa gelangten. so jedenfalls hatten es die demokraten verstanden und den „deal“ mit trump umgehend als sieg für sich und der vernunft gefeiert. zum leidwesen der herr- schenden republikaner im parlament und der rechts- konservativen basis trumps, die den präsidenten als um- faller („amnestie-don“) be- zeichnete und einen „irreparablen“ verstoß gegen „zentrale wahlkampfversprechen“ monierte. wie sich jetzt zeigt, hat der druck offenbar gewirkt. der jubel der demokrati- schen opposition war verfrüht. laut einer umfangreichen forderungsliste an den kongress nimmt das weiße haus die 800.000 „dreamer“ (sie werden so genannt, weil sie von der amerikanischen staatsbür- gerschaft träumen) de facto als faustpfand. nur wenn repräsentantenhaus und senat die einwanderungspolitik an allen fronten massiv verschärfen, sollen die jungen men- schen, die als kinder von ihren eltern aus den teilweise bis heute von gewalt, drogen und bürgerkriegen gebeutelten staaten la- tein- und mittelamerikas in die usa ge- bracht worden waren, eine lebensperpektive in den vereinigten staaten bekommen. die demokraten sprechen von einem „unzu- mutbaren“ sinneswandel, fühlen sich „be- trogen“ und kündigen erbitterten wider- stand an. wie eine lösung aussehen kann, ist ungewiss. dabei drängt die zeit. trump hat dem kongress bis anfang märz nächsten jahres zeit gegeben, für die „dreamer“ eine gesetzlich wasserdichte lösung zu finden. kommt sie nicht, läuft ihre schon- frist ab. es sei denn, trump vergrößert das zeitfenster noch einmal. hunderttau- sende müssten sonst mit der abschiebung länder rechnen, die sie seit kindheitstagen nicht mehr gesehen haben. bei den „dreamern“ handelt es es sich um teilnehmer des von obama gegen den wi- derstand der republikaner durchgesetzten daca-verfahrens („deferred action for childhood arrivals“). dabei konnten jun- gen menschen, die zum zeitpunkt ihrer ille- galen einreise in die usa jünger als 16 jahre in der jubel der demo- kratischen opposition im kongress war verfrüht. waren und sich seither nicht strafbar ge- macht hatten, für rund 500 dollar eine zwei jahre gültige arbeitserlaubnis beantragen, die vor der abschiebung ins heimatland schützt aber nicht gleichbedeutend mit ei- ner staatsbürgerschaft ist. trump hatte im wahlkampf und danach im- mer wieder den schlussstrich für das pro- gramm angekündigt. dagegen hatten kir- chen, universitäten, menschenrechtsorgani- sationen und große wirtschaftsunternehmen von google über apple bis microsoft heftig protestiert. so lange, bis trump verbal ein- knickte. er habe ein „großes herz“, sagte der präsident, und fragte rhetorisch an die adresse seiner 40 millionen twitter-anhänger: „will wirklich irgendjemand gute, gebildete, gemachte junge leute hinauswerfen, die ar- beit haben oder im militär dienen? ehrlich! sie sind ohne eigenes verschulden seit langem in unserem land – von eltern in jungen jahren hergebracht.“ das abweichen vom ver- sprochenen kurs empfinden laut trumps ehemaligem chefberater stephen bannon in der kern-wählerschaft des präsidenten viele als „verrat am amerikanischen arbeiter“. dem hatte trump nach jahren der „vernach- lässigung“ durch demokratische und repu- blikanische regierungen vorzugsbehand- lung versprochen. latinos als billigarbeits- käfte stören in diesem szenario. von diesem kurs abzuweichen, so erklärte der bei fox news angestellte tv-moderator sean hannity, sei für trump „politischer selbstmord“. seit bannons rauswurf betreut der junge präsidenten-berater stephen mil- ler die rechtskonservative flanke. aus seiner feder (und der von justizminister jeff sessi- ons) stammt auch die lange liste von bedin- gungen, unter denen sich das weiße haus einen abschiebeschutz für die „dreamer“ vorstellen kann. allen voran: die finanzierung für die von trump seit zwei jahren versprochene mauer an der grenze zu mexiko, zügigere abschiebungen, we- niger asylrecht, weniger fa- miliennachzug, weniger un- befristete aufenthaltsberech- tigungen (green cards) und ein härteres durchgreifen ge- gen minderjährige aus la- teinamerika, die allein in die usa kommen. um die ver- schärfungen ins werk zu set- zen, soll die einwanderungs- bürokratie massiv aufge- stockt trumps werden: verlangen büchsenspanner 10.000 zusätzliche kontrolleure bei der ein- wanderungs- und zollbehörde ice. 300 neue staatsanwälte, 370 richter und 1.000 anwälte sollen den durchgriff des staates beschleunigen, sprich: schneller aburteilen, schneller abschieben. auch und gerade bei einwanderern, die die laufzeit ihres touris- ten-visums (drei monate) überziehen, um in den usa bleiben zu können. städten, die illegale dulden, will donald trump die zuschüsse streichen. letzter, absehbar kontroverser punkt: städte und gemeinden, die illegalen mit nachsicht begegnen, sie offen dulden und polizeilich nicht verfolgen, wenn sie keine gültigen auf- enthaltspapiere vorweisen können, sollen hart bestraft werden. trump will den soge- nannten zufluchtsstädten („sanctuary ci- ties“), von denen es gerade an der westküste hunderte gibt, bundeszuschüsse streichen. nur wenn alle forderungen erfüllt werden, so marc short, trumps direktor für gesetz- gebungsangelegenheiten, vor journalisten in washington, könnten die „gesetzlichen und wirtschaftlichen konsequenzen entschärft werden“, die eine absicherung der 800.000 „dreamer“ mit sich brächte. die demokraten sehen in dem lockange- bot eine unzulässige verknüpfung. „das weiße haus will die dreamer als verhand- lungsmasse benutzen, um seine abschie- bungsziele zu erreichen“, sagte der kon- gress-abgeordnete joaquin castro aus te- xas. sein kollege luis gutierrez sprach so- gar von einer „verlängerung der politik der weißen vorherrschaft“, die trump betreibe. beide riefen ihre partei zum widerstand auf. nancy pelosi und chuck schumer, die anführer der demokraten in senat und re- präsentantenhaus, zeigten sich ernüchtert. trumps wunschliste gehe „weit über alles vernünftige hinaus“. der präsident lasse „überhaupt keinen willen zum kompro- miss“ erkennen. beim nächsten abendes- sen sind sie gewarnt. dirk hautkapp t favorit in prag steht unter verdacht tschechien von seinem rekord wird der tschechische premierminister bohuslav so- botka wenig haben: er ist seit langem der erste prager regierungschef, der nicht an ei- ner vertrauensfrage oder einer affäre schei- tert – und erst der dritte regierungschef in der tschechischen geschichte, der sich mehr als drei jahre im amt halten konnte. für seine sozialdemokraten (cssd) tritt der 45-jährige dennoch nicht mehr als spitzen- kandidat an: nach innerparteilichen quere- len zieht die bisher stärkste partei mit au- ßenminister lubomir zaoralek in den wahlkampf. auch solche personalrochaden dürften der cssd bei der wahl ende dieser woche in- des wenig helfen: nach allen umfragen könnten sie, wie alle anderen parteien auch, von der liberal-populistischen bewe- gung ano des milliardärs andrej babis re- gelrecht überrollt werden. babis werden 27 prozent der wählerstimmen vorherge- sagt, die zweitplatzierte cssd könnte dem- nach mit lediglich 13,5 prozent rechnen. die orthodoxen kommunisten erhalten in tschechien traditionell um die zwölf pro- zent. um den platz als stärkste konservati- ve kraft wetteifern die bürgerdemokraten (ods) sowie die partei top 09 des einsti- gen außenministers karel schwarzenberg; beide haben allerdings kaum aussicht, mehr als zehn prozent zu bekommen. ins parlament dürften außerdem die kleinen christdemokraten einziehen, weiterhin die piratenpartei sowie die rechtspopulistische partei spd. ermittlungen besonders die personalie an- drej babis sorgt in tschechien derzeit für er- bitterte diskussionen. seine bewegung, die ganz auf ihn als parteichef zugeschnitten ist, fungiert derzeit (zusammen mit den christ- demokraten) als partner einer sozialdemo- kratisch geführten dreierkoalition. babis selbst war bis vor einem halben jahr fi- nanzminister und vize-premierminister. derzeit ermittelt die staatsanwaltschaft we- gen betrugsverdachts gegen ihn; er soll als unternehmer eu-subventionen erschlichen haben, die ihm nicht zustanden. babis selbst stilisiert sich als opfer einer „ver- schwörung der etablierten parteien“ – und weil seine wahlkampagne ohnehin vor al- lem darauf abzielt, den etablierten paroli zu bieten, bleibt ihm die gunst vieler wähler erhalten. beobachter gehen von einer komplizierten regierungsbildung aus. im gespräch sind zwei varianten: entweder tut sich ano mit sozialdemokraten und christdemo- kraten zusammen, das wäre eine fortfüh- rung der bisherigen koalition mit geänder- ten kräfteverhältnissen. beide potenziellen koalitionspartner allerdings machen dafür zur bedingung, dass der belastete babis nicht premierminister wird. als zweite option gilt eine koalition von ano mit den kommunisten und der rechtsnationa- len spd. kommunisten und rechtsnatio- nale haben in der strikten ablehnung der eu und der forderung nach einer verstaat- lichung von schlüsselindustrien zumin- dest einige inhaltliche gemeinsamkeiten. ein zusammenschluss der demokrati- schen parteien, um das zweite szenario zu verhindern, wird unter politologen ebenfalls diskutiert. in der praxis dürften sich dafür allerdings die ausgeprägten programmatischen unterschiede sowie persönliche rivalitäten als hindernis er- weisen. kilian kirchgessner t »änderungsantrag yacht« soll macrons ruf retten frankreich in der haushaltsdebatte muss die regierung sich gegen den vorwurf wehren, reiche zu begünstigen um goldbarren, yachten und dicke autos geht es in diesen tagen in der französi- schen nationalversammlung. die luxusgü- ter fielen bei der reform der vermögens- steuer zunächst hinten runter. doch dann brachte die regierungspartei „la républi- que en marche“ (lrem) in die haushalts- debatte den „änderungsantrag yacht“ ein, der eine separate besteuerung der „äußeren zeichen des reichtums“ vorsieht. die par- tei hofft, damit frankreichs präsident em- manuel macron von dem image zu befrei- en, ein „präsident der reichen“ zu sein. denn die abschaffung der vermögensteuer, mit der die regierung abgewanderte reiche zurückholen will, brachte ihm genau die- sen vorwurf ein. „wir sind überzeugt, dass die vermögenssteuer finanzmittel nicht abgeschafft werden muss, um den reichen zu gefallen, sondern um die fi- nanzierung der wirtschaft wieder in gang zu bringen“, rechtfertigte der lrem-vize- fraktionsvorsitzende gilles le genre in der zeitung „libération“ die maßnahme. die linke opposition hält dennoch an ih- rer kritik fest, der haushalt begünstige die vermögenden franzosen. das gilt auch für die maßnahme, kapitalerträge künftig pau- schal mit 30 prozent zu besteuern – unab- hängig von den einkommensverhältnissen. „das, was hier gespielt wird, ist ungerecht, auf was die steuern angeht, und ungerecht, was die einsparungen angeht, die die schwächsten franzosen treffen und den reichsten sehr, sehr viel geben“, kritisierte der frühere sozialistische finanzminister michel sapin im fernsehen. gegen die ein- sparungen im öffentlichen dienst gingen vergangene woche mindestens 200.000 menschen auf die straße. sie protestierten gegen die streichung von 120.000 stellen, das einfrieren ihrer gehälter im kommen- 5,5 millionen den jahr und für die wiedereinführung ei- nes unbezahlten krankheitstages für die rund beamten. erstmals seit zehn jahren hatten alle neun gewerkschaften des öffentlichen dienstes zu dem protesttag aufgerufen. von einer gemeinsamen haltung zu macrons politik sind die gewerkschaften dennoch weit ent- fernt. während die gemäßigte cfdt eher auf dialog mit dem staatschef setzt, hat die kommunistisch geprägte cgt schon den nächsten streiktag angesetzt. macron hält trotz der proteste an seinem kurs fest und geht mit der reform der ar- beitslosenversicherung und des ausbil- dungssystems bereits die nächsten projekte an. in seinem reformeifer haftet ihm aller- dings der ruf der arroganz an, den er sich selbst mit mehreren äußerungen einge- brockt hat. so sagte er anfang oktober an die adresse von demonstranten, die gegen entlassungen beim autoteile-hersteller gm&s protestierten: „einige sollten lieber arbeit suchen, als einen saustall anzurich- ten.“ der ausrutscher machte den effekt von macrons besuch in einem ausbil- dungszentrum zunichte, mit dem der eins- tige investmentbanker am selben tag seine soziale seite zeigen wollte. „es ist schwie- rig, sich nach diesem zwischenfall als ‚so- zialer präsident‘ hinzustellen“, schrieb die zeitung „le monde“. christine longin t die autorin ist freie korrespondentin in paris. gewerkschaftsproteste gegen einsparungen © picture-alliance/nurphoto weiterführende links zu den themen dieser seite finden sie in unserem e-paper der autor ist us-korrespondent der „funke-mediengruppe“ der autor berichtet als freier korrespondent aus tschechien. anzeige rufe zum islam im spannungsfeld von rufe zum islam im spannungsfeld von rufe zum islam im spannungsfeld von rufe zum islam im spannungsfeld von dogmatismus und strategischer flexibilität 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