2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 27-28 - 01. Juli 2019 GASTKOMMENTARE RECHTSRADIKALES RISIKO UNTERSCHÄTZT? Fatale Sehschwäche PRO g n u t i e Z r e n i l r e B / g n i l ö r F i e k M © Markus Decker, Redaktionsnetzwerk Deutschland Es kann nach dem Mord an Walter Lübcke keinen Zweifel mehr geben: Der Rechts- extremismus ist in Deutschland lange Zeit und mit fatalen Konsequenzen unter- schätzt worden. Dafür mag es den einen oder anderen teilweise nachvollziehbaren Grund geben. Der schwerwie- gendste Grund ist gewiss der islamistische Terro- rismus nach den verheerenden Attentaten vom 11. September 2001. Er forderte tausende Tote und wirkte wie ein Kriegsangriff, dessen Abwehr enorme Ressourcen und viel Aufmerksamkeit band. Die anderen Gründe sind allerdings weniger ehrbar. So erwies sich schon beim Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) am 4. November 2011, dass die Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge eine Sehschwäche haben. Ja, die rechtsextremistische Bedrohung reicht bis in die Sicherheitsbehörden hinein. Überdies – das sagen mittlerweile Verfassungs- schützer in Bund und Ländern – sind zunehmend Überlappungen feststellbar zwischen der bürgerli- chen Mitte und den Radikalen von Rechtsaußen. Letztere wähnten sich zuletzt immer öfter in dem Glauben, im Kontext der Flüchtlingskrise den Wil- len der Mehrheit zu exekutieren. Umgekehrt scheuten sich Normalbürger wie in Chemnitz nicht, mit Heil Hitler-Rufern auf die Straße zu ge- hen. Die nach offiziellen Angaben 12.700 gewaltberei- ten Rechtsextremisten, von denen 34 als Gefähr- der im engeren Sinne gelten, sind fraglos be- herrschbar. Nicht mehr beherrschbar indes sind ir- gendwann die besagten Überlappungen zur Mitte. Es gilt, dagegen mit aller Macht anzugehen. Wal- ter Lübckes Tod sollte nun wirklich Anlass genug sein. hätten die Gefahr unterschätzt. Vor al- lem, wenn ein politisch motivierter Mord die Republik so sehr erschüttert wie der an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Die Frage, ob die Tat hätte verhindert wer- den können, muss im Zuge der Ermittlungen klipp und klar beantwortet werden. Und dann gilt es, gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Ohne Zweifel waren die Behörden auf dem rech- ten Auge blind bei der Mordserie des NSU. Mehr noch, die Sicherheitsdienste haben seinerzeit be- wusst in falsche Richtungen ermittelt, Informatio- nen nicht zusammengeführt, Akten vernichtet. Seit Untersuchungsausschüsse das aufgedeckt haben, weiß freilich jeder: Rechter Terror steht nicht im Märchenbuch. Die Gefahr ist real und sie ist grö- ßer geworden. Dass sie von den Behörden inzwi- schen ernst genommen wird, zeigen zahlreiche Großrazzien gegen Rechtsextreme sowie die Ent- tarnung gewaltbereiter Gruppen in Sachsen. Viel passiert ist zudem bei der Struktur der Diens- te. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde für den Kampf gegen den Rechtsextremismus ge- stärkt, der Informationsfluss zwischen Behörden verbessert und das gemeinsame „Terrorabwehr- zentrum rechts“ auf- und ausgebaut. Die Behör- den haben die Szene im Visier. Sie sind deshalb aber nicht frei von Fehlern. Lückenlosen Schutz gibt es auch gegen rechtsextreme Gewalt nicht. Deswegen ist immer wieder nachzujustieren. Vor allem, was die Analysefähigkeit und die Herausfor- derung durch soziale Netzwerke angeht. Auch Rechte organisieren sich heute digital, nicht mehr nur konspirativ in Hinterzimmern. Die Täter hinter- lassen nun mal keine Bekennerschreiben mehr. Die Szene im Visier CONTRA Es ist schnell dahin gesagt, die Behörden n h o r K © Hagen Strauß, »Saarbrücker Zeitung« Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Redaktionsschluss 28. Juni 2019 Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30)2 27-3 05 15 Telefax (0 30)2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Jörg Biallas (jbi) Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. 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Wir haben seit der Selbstenttarnung des NSU etliche ver- suchte und vollendete Tötungsdelikte zu verzeichnen. Diese Zahlen frage ich regel- mäßig ab, sie steigen an. Zugleich finden immer mehr rechts motivierte Taten unter Waffen- und Sprengstoffeinsatz statt. Fast wöchentlich werden bei sogenannten Reichsbürgern und organisierten Rechten Munition, Waffen, fertige Rohrbomben ge- funden. Wir wissen auch, dass rassistische Mörder wie Brenton Tarrant, der Attentäter von Christ Church, in der Szene verehrt werden und man sich an ihren Taten inspi- riert. Rechter Terror hat in Deutschland ei- ne jahrzehntelange Vorgeschichte. Er richtete sich bisher vor allem gegen Mig- ranten und politische Gegner. Jetzt ist ein Vertreter des Staates betroffen. Ha- ben wir eine neue Qualität? Wir haben eine falsche Definition von Ter- ror. Der Rechtsterror wurde nicht als Terro- rismus bewertet und deswegen auch nicht in dem Maße verfolgt, weil immer die Grundannahme bestand, politisch moti- vierte Gewalt richte sich gegen den Staat und seine Institutionen. Migranten und Migrantinnen, Obdachlose, nicht rechte Jugendliche, Menschen mit Beeinträchti- gungen wurden als Opfer solcher Gewalt- taten individualisiert. Man hat nicht er- kannt, dass sie stellvertretend für Minder- heitengruppen in der Gesellschaft angegrif- fen, verletzt, getötet wurden, und dass hier ein ebenso erheblicher Angriff auf die De- mokratie und den Rechtsstaat wie auch auf die unveräußerlichen Werte unserer Verfas- sung vorliegt wie wenn ein offizieller Ver- treter einer Behörde in den Fokus gerät. Der mutmaßliche Täter Stephan E. war seit Jahren als gefährlicher Rechtsex- tremist bekannt, dennoch zuletzt nicht mehr auf dem Radar der Behörden – fast wie im Fall des Breitscheidplatz-Attentä- ters Anis Amri. Und es wird wie bei Amri laufen. Ich wage mal eine Prognose: Schon bald wird man sagen, dass die Version, er sei zuletzt 2009 aufgefallen, so nicht mehr zu halten ist. Es wird sich herausstellen, dass er und sein Umfeld durchaus auch später noch im Vi- sier verschiedener Behörden waren. Er war seit den frühen Neunzigern Teil der extrem rechten Szene in Kassel, stand in engstem Kontakt zu Führungsleuten der bewaffne- ten Neonazi-Organisation „Combat 18“. Die Version, die derzeit vertreten wird, ist der untaugliche Versuch, von der Verant- wortung der Behörden abzulenken. Sie sehen ein Versagen der Sicher- heitsbehörden? Und wenn ja, wie erklärt es sich? „Combat 18“ ist eine der am besten aufge- klärten Strukturen, weil es sich um die ge- fährlichste europäische Rechtsterror-Orga- nisation handelt. Man kann hier von ei- nem massiven Einsatz nachrichtendienstli- cher Mittel ausgehen. Möglicherweise aus diesem Grund wurde, als im Jahr 2000 die Mutterorganisation „Blood and Honour“ verboten wurde, „Combat 18“ nicht eben- falls verboten, weil das zur Folge gehabt hätte, dass V-Leute der Nachrichtendienste in den Fokus der Sicherheitsbehörden ge- langt wären. Das könnte auch jetzt Ursache dafür sein, dass man den Schutz der menschlichen Quellen höher bewertet als das Erfordernis, in diesem Kontext gewon- nene Informationen preiszugeben. Dem entspricht, dass entsprechende Akten des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses für 120 Jahre gesperrt sind. »Die Zahlen steigen« MARTINA RENNER Die Linken- Innenexpertin dringt auf ein entschiedeneres Vorgehen gegen die rechtsextremistische Szene in Deutschland © linksfraktion.de Sicherheitsbehörden gehen also mit sol- chen Netzwerken schonender um als es geboten wäre, weil sie dort Quellen ha- ben, die sie behalten wollen? Genau so ist es. Nach dem „Blood-and- Honour“-Verbot im Jahr 2000 gab es im- mer wieder Versuche der Strafverfolgungs- behörden, Personen zu belangen, die ver- dächtig waren, die verbotene Organisation weiterzuführen. Alle diese Verfahren sind im Sande verlaufen, obwohl die Beweislage erdrückend war. Man hatte immer das Ge- fühl: Über „Blood and Honour“, über „Combat 18“ wird eine schützende Hand gehalten. Es heißt ja, private Initiativen zur Aufklärung der rechtsextremen Szene sei- en oft besser informiert als der Verfas- sungsschutz. Dieser kontert dann mit dem Hinweis, dass solche Gruppen ja auch nicht denselben Beschränkungen unterlägen. Zu Recht? Über diese Ausrede kann ich wirklich nur lachen. Die Verfassungsschutzbehörden haben unglaubliche Befugnisse, tief in die Grundrechte einzugreifen, verdeckte Maß- nahmen zu fahren, niemandem darüber Rechenschaft abzulegen. Nein, man muss einfach mal anerkennen, dass antifaschisti- sche Initiativen und investigative Journalis- ten über viele Jahre hinweg Erkenntnisse gewonnen haben, die es ermöglichen, bei einem so schrecklichen Ereignis wie dem Mord an Walter Lübcke innerhalb kürzes- ter Zeit die Zusammenhänge einzuschät- zen, in denen sich der mutmaßliche Täter bewegte. Der Verfassungsschutz kann das nicht, weil er nicht in Netzwerken denkt, weil er seine Quellen schützt, weil er kei- nen Begriff hat von der aktuellen Rechtster- ror-Gefahr. Angeblich stand Walter Lübcke be- reits 2011 auf einer Gegnerliste des NSU mit 10.000 Namen? Mir ist das aus den NSU-Akten nicht erin- nerlich, anderen auch nicht. Es kann stim- men, muss nicht. Hat diese NSU-Liste denn damals die angemessene öffentliche Beachtung ge- funden? Nein. Es war ein Detail der Aufklärung, dass angesichts viel drängenderer Fragen in den Hintergrund gerückt ist. Die Liste wur- de erst später zum Thema, als der Eindruck entstand, dass solche Listen im aktuellen Rechts-Terror wieder eine neue Bedeutung bekommen. Gegeben hat es so etwas auch früher, aber jetzt nimmt es eine hoch orga- nisierte Form an. Durch Ausspäh-Maßnah- men, durch Zugriffe auf Dienstrechner werden Informationen gewonnen, aus de- nen solche Listen entstehen. Im Innenaus- schuss hat die Generalbundesanwaltschaft bisher allerdings die Ansicht vertreten, man solle solche Listen nicht so ernst neh- men, weil sie ja nicht mit dem Wort „To- desliste“ überschrieben seien. Außerdem gebe allein die hohe Zahl der gesammelten Namen Anlass zu Zweifeln, dass es um konkrete Anschlagsvorbereitungen gehe. Bisher ist es nicht die Regel, dass die Polizei Betroffene über solche Listen in- formiert? Nein, und das finde ich fahrlässig. Die Be- troffenen könnten ja, wenn sie informiert würden, selber Wahrnehmungen beitra- gen, die die Ermittlungen voranbringen. Im Übrigen sollte jeder, der in den Fokus solcher Rechtsterror-Gruppierungen gerät, den Anspruch haben, informiert zu sein. Was hat der Staat nach dem Mord an Walter Lübcke zu tun? Wir brauchen ein Verbot von „Combat 18“. Die Szene muss entwaffnet werden. Wir müssen die Netzwerke aufklären und mög- liche Mittäter und Unterstützer zur Verant- wortung ziehen – auch rückblickend zum Beispiel beim NSU. Da harren noch neun weitere Beschuldigte der Anklage. Außer- dem müssen die Mobilen Beratungsprojek- te gegen Rechtsextremismus und die Op- ferberatungsstellen gefördert werden. dauerhaft Das Gespräch führte Winfried Dolderer. T Martina Renner (52) ist stellvertretende Parteivorsitzende der Linken und seit 2013 Mitglied des Bundestages, in dem sie dem Innenausschuss angehört. Zuvor war sie im thüringischen Landtag Obfrau ihrer Fraktion im Untersuchungs- ausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper PARLAMENTARISCHES PROFIL Der Provokateur: Peter Tauber In der politischen Debatte nach dem Mord an dem Kasse- ler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber einen provokanten Ak- zent gesetzt: Er hat die Anwendung von Artikel 18 des Grundgesetzes gefordert. Dieser folgt auf den Grundrechteka- talog und besagt, dass diese Grundrechte „verwirkt“, wer die Freiheit der Meinungsäußerung „zum Kampfe gegen die frei- heitliche demokratische Grundordnung missbraucht“. Der 44-Jährige aus dem hessischen Gelnhausen, einer kleinen Stadt mit großer Geschichte, gehört seit 2008 als direkt gewählter Abge- ordneter dem Bundestag an. Ab Dezember 2013 war Tauber die rech- te Hand von Angela Merkel in der CDU-Zentrale und arbeitete daran, die Partei attraktiver für Junge, Frauen und Migranten zu machen. Dann kam 2015 die Flüchtlingskrise, in ihrem Gefolge das Erstarken der AfD, und überlagerte alles Andere. „Ich habe viel abgekriegt, was eigentlich der Chefin galt“, sagte Tauber später der „tageszeitung“. Dann, Ende 2017, mitten in den Koalitionsverhandlungen, der Zu- sammenbruch: Eine Darmerkrankung weitete sich zur lebensbedroh- lichen Entzündung. Stressbedingt, sagten die Ärzte. Im Februar 2018 übergab Tauber sein Parteiamt an Annegret Kramp-Karrenbauer, mit der Regierungsbildung im März wurde er, halbwegs genesen, Parla- mentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Vielleicht erklären seine persönlichen Erfahrungen etwas mit die scharfen Worte, die er jetzt in einem Gastbeitrag für die „Welt“ fand. „Walter Lübckes Ermordung gingen zahlreiche Angriffe auf Men- schen, die sich für diese Republik und ihre Werte einsetzen, voraus“, schreibt es da und benennt ein verändertes politisches Klima im Land als Ursache wachsender Gewaltbereitschaft. Die AfD leiste dazu einen Beitrag. „Sie hat mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt. Erika Steinbach, einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter. Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Wei- dels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mit- schuldig am Tod Walter Lübckes.“ ..................................................................................................................................................... l i e d e M m h c A / T B D © »Man muss über die falsche Nachlässigkeit im Umgang mit denen sprechen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen und diese Republik zerstören wollen.« Die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete und jetzige Vorsitzen- de der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Erika Steinbach wies Taubers Anschuldigung empört zurück und betonte, sie habe „sehr deutlich den Mord an Herrn Lübcke verurteilt“. Doch Tauber legte auf Twitter nach: Sie sei „verantwortlich für die Folgen und Reaktionen auf deine Hetze gegen Walter Lübcke“, hielt er Steinbach vor, und trage daher „Mitschuld an seinem Tod“. Dass Steinbach Lübcke ge- kannt und gewusst habe, „was für ein aufrechter und feiner Kerl er war“, mache ihr Verhalten noch schlimmer. Steinbach hatte auf Twit- ter Lübckes Aussage verbreitet, wer mit der Asylpolitik nicht einver- standen sei, könne das Land jederzeit verlassen, und ihn dafür heftig kritisiert. Tauber moniert eine „falsche Nachlässigkeit“ im Umgang mit denen, „deren Ziel es ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen und diese Republik zu zerstören“, und fordert für sie die Anwendung von Artikel 18. Mit ihm hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes „dem Willen zur Selbstverteidigung der freiheitlichen Demokratie gegenüber ihren Gegnern Ausdruck verliehen“. Mit der Anwendung von Artikel 18 gehe es ihm nicht um eine „Entbürgerli- chung“, sondern um eine „Entpolitisierung“ der Verfassungsfeinde, erklärt Tauber. Allerdings kann nur das Bundesverfassungsgericht die Verwirkung der Grundrechte aussprechen; alle vier Verfahren in der Bundesrepublik dazu scheiterten bisher in Karlsruhe. Viel Unterstützung erhielt Tauber für diese Forderung nicht. Der für Verfassungsfragen zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte lediglich: „Wir werden die Möglichkeit ernsthaft prü- fen.“ Politiker anderer Parteien von der FDP bis zur Linken lehnten den Vorstoß ab. Doch Tauber ist niemand, der so leicht aufgibt. Der passionierte Marathonläufer nahm schon kurz nach seiner Entlas- sung aus der Reha an einem 80-Kilometer-Lauf teil. Halt findet der Protestant im Glauben. Nach seiner Lebensrettung ließ er sich die Koordinaten seiner Kirche, der Marienkirche von Gelnhausen, eintä- towieren. Peter Stützle T