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WELTRAUM-PROJEKTE Grafiken erläutern Europas Anstrengungen im All SEITE 4,5 EU-KOMMISSION Europas wichtiges Organ muss neu zusammengesetzt werden SEITE 13 So n derther m a: Aufbruch Rau m fahrt Eine Brancheim Berlin, Montag 29. Juli 2019 www.das-parlament.de 69. Jahrgang | Nr. 31-32 | Preis 1 € | A 5544 RAUMFAHRT 50 Jahre nach der Mondlandung ist das All zum Wirtschaftsstandort geworden Kommerz im Kosmos V or gerade einmal 62 Jah- KOPF DER WOCHE Sondersitzung für AKK Annegret Kramp-Karrenbauer Es war eine Ver- anstaltung der Besonderheiten: Für die Vereidi- gung von Verteidigungsministerin Annegret i l l a p d / e c n a a - e r u t c i p © Kramp-Karrenbauer trat der Bundestag erstmals seit 1953 in einem Ausweichquar- tier zusammen – im Paul-Löbe-Haus we- gen der Renovierung des Plenarsaals. Für die Sondersitzung mitten in der Som- merpause wurden die über 700 Abgeordneten eigens nach Berlin geru- fen, und die CDU-Vorsitzende musste ihr Verspre- chen brechen, kein Ministeramt anzustreben. Dies alles war nötig geworden nach dem überra- schenden Wechsel von Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen an die Spitze der EU-Kommission. Das Vereidigungsressort zu führen und die kri- selnde Bundeswehr zu modernisieren, gilt als echte Bewährungsprobe für Kramp-Karrenbauer auf dem Weg zur Kanzlerschaft. In ihrer Regie- rungserklärung forderte die 56-Jährige erst ein- mal mehr Geld für die Truppe. (Seite 12). kru T ZAHL DER WOCHE 26 Satelliten kreisen für das europäische Na- vigationsnetz Galileo im All. Vier weitere sollen bis Ende 2020 folgen und eine auf zwanzig Zentimeter genaue Positionsbe- stimmung bieten. Der Ausfall aller Satelliten vorvergangene Woche war die schwerwie- gendste Panne in der bisherigen Testphase. ZITAT DER WOCHE »Wir müssen uns im All und aus dem All verteidigen.« Emmanuel Macron, französischer Staats- präsident. bei seiner Ankündigung, ein na- tionales militärisches Weltraumkommando aufzubauen IN DIESER WOCHE THEMA Mond für den Erdtrabanten Immer mehr Länder haben Pläne Seite 3 Ohne Satelliten geht heute in Militär der Kriegsführung kaum etwas Seite 8 Interview Pascale Ehrenfreund im Gespräch Die DLR-Vorstandsvorsitzende Seite 9 Energie Solaranlagen im Weltall Es gibt ehrgeizige Ideen für Seite 10 Sternwarte planetarium in Berlin Ein Besuch beim Zeiss-Groß- Seite 14 ren schoss die Sowjetuni- on den ersten Satelliten ins All, vor 58 Jahren mit Juri Gagarin, dem ersten Men- schen. Nur acht Jahre spä- ter, am 21. Juli 1969, setzten um 3.51 Uhr mitteleuropäischer Zeit die ersten zwei Menschen, die US-Amerikaner Neil Arm- strong und Buzz Aldrin, ihre Füße auf den Mond – gebannt verfolgt von weltweit rund 600 Millionen Zuschauern vor den Fernsehern. Astronauten wie Kosmonauten waren beseelt von den technischen Errun- genschaften ihrer Zeit, die sie buchstäblich in neue Sphären hoben. Armstrongs Worte vom „riesigen Sprung für die Menschheit“ erzählen von der verbreiteten Überzeu- gung, dass technische Möglichkeiten auch die Gesellschaft voranbringen würden – nicht zu Unrecht, wie sich erwies. An Bord der Raumschiffe befanden sich aus damaliger Sicht ungeheuerliche Tech- nologien. Zum Beispiel der erste auf kaum 30 Kilogramm verkleinerte Computer, der das Apollo-11-Kommandomodul „Colum- bia“ mit bis dahin nicht gekannter Präzisi- on zum Mond führte. Außerdem Brenn- stoffzellen, die aus Wasserstoff und Sauer- stoff die nötige Energie und gleichzeitig Wasser für die Astronauten erzeugten. In den 1970er Jahren glaubten so auch vie- le in den Raumfahrtbehörden, dass Men- schen bald täglich mit Fähren ins All star- ten, riesige Wohnanlagen im Orbit errich- ten, den Mond besiedeln und zum Mars aufbrechen würden. Doch es kam anders. Zehn weitere Astronauten betraten bis 1972 den Mond. Danach blieb es lange still auf dem von der Erde nur 384.000 Ki- lometer entfernten Trabanten. Drei weitere geplante Mondlandungen wurden gestri- chen, das Spaceshuttle, als es endlich flog, wurde ein lähmend teures und unsicheres Gefährt. Und auch die Haltung der Men- schen änderte sich. Es entstand ein neues, globales Umweltbewusstsein und mit ihm Organisationen wie Greenpeace, Club of Rome und Friends of the Earth. Statt futu- rische Städte im All zu bau- en, wurden Umweltsatelli- ten ins All befördert. Der erste europäische dieser Art, der ERS-1, wurde ab 1978 entwickelt, heute be- treiben Europäische Raum- fahrtorganisation (ESA) und Europäische Union ei- ne Flotte aus gut einem Dutzend Satelliten, die je- derzeit den gesamten Pla- neten im Blick haben. Die Daten des Copernicus-Erd- beobachtungsprogramms, die alles aufzeichnen von Feinstaubbelas- tung über Fluss-Pegelstände bis hin zu Schneehöhen und Wellengang, stehen Po- litik, Öffentlichkeit, Verwaltung, Wirtschaft und Forschung jederzeit zur Verfügung – und sind gerade angesichts der internatio- nalen Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels von großer Bedeutung. MIT DER BEILAGE Das Parlament Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH 60268 Frankfurt am Main 1 3 2 3 1 4 194560 401004 zu investieren. Wegbereiter für IT-Boom Das gerade drei Jahre währende Mondfahrtzeitalter der Menschheit hinterließ dennoch nicht nur monumentale und rostige Startanlagen im Kennedy Space Center, dem Raketenstart- gelände der Raumfahrtagentur Nasa in Flo- rida. Das Apollo-Programm von 1969 hat gezeigt, dass es sich lohnt, in die Raum- fahrt Insgesamt 24 Milliarden Dollar an US-Steuergeldern flossen in die erste Mondlandung; auf den heutigen Geldwert umgerechnet wären das weit über hundert Milliarden Dollar. Die- ses Geld hat die Nasa aber nicht sprich- wörtlich auf den Mond geschossen. Es eb- nete mit Entwicklungen wie dem legendä- ren Apollo Guidance Computer unter an- derem der US-Computerindustrie den Weg. Zwar betonen Kritiker des Mond- fahrtprogramms zurecht, dass der Boom der in den vergangenen 50 Jahren wohl auch ohne Mondlandung stattgefunden hätte. Der Vorsprung der US- Industrie gegenüber dem Rest der Welt wä- re heute aber sicher kleiner. Unter anderem IT-Industrie Die ersten Mondfahrer, Buzz Aldrin (Foto) und Neil Armstrong, faszinierten Forscher und Fernsehzuschauer aus aller Welt. Heute, 50 Jahre später, erfährt die Raumfahrt einen neuen Schub, auch weil private Unternehmen zunehmend das All entdecken. © picture-alliance/dpa gründeten zwei Mitarbeiter eines damali- gen Herstellers für neuartige Halbleiter, die beim Bau des Apollo-Bordrechners gehol- fen hatten, die Firma Intel, den heutigen Weltmarktführer für PC-Mikroprozessoren. Thomas Raumfahrt, Strategische Bedeutung Längst gilt die Raumfahrt nicht mehr nur in den USA als Innovationsmotor. „Die Luft- und Raum- fahrtindustrie hat eine strategische Bedeu- tung für den Hightech-Standort Deutsch- land“, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, ihr Koordinator für Luft- Jarzombek und (CDU), sieht sie im Inter- view mit „Das Parlament“ (siehe Seite 2) auf dem Weg zu einer „großen In- dustrie“. Vor allem Satelliten zur Te- lekommunikation sind zu einem milliardenschweren Geschäft geworden. Die fünf Automatischen Trans- fervehikel (ATV), die bis 2015 zur Internationalen Raumstation (ISS) flogen, um Ausrüstung, Treibstoff, Nahrung und Wasser in den Orbit zu bringen, wurden von der Raumfahrtsparte von Airbus in Bremen ge- baut. Die dabei gesammelten Erfahrungen flossen wiederum in den Bau kommerziel- ler Satelliten „made in Europe“ und sind bereits Teil der ersten bereits fertiggestell- ten Orion-Raumschiffe. Sie sollen ab 2023 Astronauten zu einer Raumstation bringen, die die Amerikaner mithilfe anderer Staa- ten im Orbit des Mondes errichten wollen. Airbus ist erneut mit dabei – die Firma baut das Servicemodul des Raumschiffes. Auch zur Völkerverständigung hat die Raumfahrt manches beigetragen. Aus der ISS, einst 1984 unter US-Präsident Ronald Reagan als Raumstation westlicher Staaten ersonnen, entwickelte sich spätestens mit dem Einstieg Russlands im Jahr 1993 das wohl größte zivile Projekt der Menschheit. Mehr als 200 Astronauten aus 18 Staaten haben sie bis heute besucht. Als ab 2011 die ausrangierte Spaceshuttle-Flotte am Bo- den blieb, übernahm Russland mit seinen bewährten Sojus-Kapseln auch den Transport ameri- kanischer, europäischer oder japanischer Astronau- ten ins All – und das trotz aller internationalen Span- nungen um die Annexion der Krim. globale Wettbewerb Der setzt europäische Raumfahrt jedoch auch zu- nehmend unter Druck: Die Raketenfirma SpaceX von US-Milliardär Elon Musk hat es dank eines Anreiz- programms der Nasa handstreichartig ge- schafft, den Startpreis für jedes ins All ge- startete Kilogramm auf wenige tausend Euro zu drücken. Die mittlerweile im Zweiwochentakt startenden Falcon-Rake- ten von Musk haben den europäischen Weltmarktführer Ariane 5 abgehängt. Zwar soll ab Juli 2021 die neue Ariane 6 starten, die Europas Zugang zum All sicherstellen die Das Mondpro- gramm hat gezeigt, dass es sich lohnt, in Raumfahrt zu investieren. Satelliten zur Telekom- munikation sind heute ein milliarden- schweres Geschäft. soll. Doch ohne eine gute Auslastung durch kommerzielle Kunden wird Europas neue Rakete dauerhaft hohe staatliche Zu- schüsse brauchen. Schattenseiten Obwohl die Raumfahrt heute klar den Menschen dient, werden ih- re Schattenseiten zunehmend sichtbar. Wo ein immer dichteres Netz von Kommuni- kationssatelliten immer schnellere und günstigere Internetverbindungen in jedem Land der Welt ermöglicht, gehören militä- rische Kunden zu den wichtigsten Geldge- bern der kommerziellen Systeme. Satelli- ten helfen nicht nur unse- ren Autos, ihren Weg zu finden, sie werden auch für militärische Aufklärung und Spionage genutzt und unterstützen völkerrecht- lich fragwürdige Einsätze westlicher Drohnen in Sy- rien oder dem Iran. Und während sich die Fronten zwischen den geopoliti- schen Machtblöcken ver- härten, wird immer deutli- cher sichtbar, dass die Achillesferse jeder moder- nen Streitmacht längst im All liegt. Indiens öffentlichkeitswirksamer Abschuss eines ei- genen Satelliten mittels einer ballistischen Rakete im März 2019 ist eines von vielen Anzeichen dieser Gefahr. Ein großer Teil der Trümmer, denen Satelliten im Orbit ausweichen müssen, stammt zudem von einem vergleichbaren Testabschuss, den China 2008 durchführte. Die Verteidigung im und aus dem All wird angesichts dessen auch für die westlichen Großmächte immer bedeutsamer. Im Juni beschloss die Nato erstmals eine Welt- raum-Strategie. Frankeich will bereits im September ein eigenes, von der Nato unab- hängiges Verteidigungskommando für den Weltraum aufstellen. Und US-Präsident Donald Trump plant bis 2024 eine eigene „Space Force“. Die Bewaffnung im Welt- raum ist damit in vollem Gange. Allen sollte dabei klar sein: Ein heißer Konflikt im All kann den Orbit schlagartig unbe- nutzbar machen. Karl Urban T Der Autor ist freier Wissenschafts- journalist mit Schwerpunkt Raumfahrt in Tübingen. Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper ED I TO R IA L Ab ins All! VON JÖRG BIALLAS Als die westfälische Kleinstadt sich auf die ers- te Mondlandung vorbereitete, machte der ört- liche Elektro-Händler das Geschäft seines Le- bens: Die Nachfrage nach Fernsehapparaten stieg sprunghaft an. Und weil trotzdem keines- wegs jeder Haushalt ein TV hatte, wurden Fa- milie und Freunde eingeladen, bei Salzstangen und Moselwein dem historischen Ereignis bei- zuwohnen. Fasziniert und atemlos starrten Alt und Jung auf das krisselnde Fernsehbild, als erstmals ein Mensch, der Amerikaner Neil Armstrong, den Mond betrat. Das All, so die stolze Botschaft, liegt der Welt zu Füßen. Für uns Grundschüler wurde Armstrong zum Helden. Abends wurde am Himmel nach dem Mond gesucht. Beim Einschlafen kreisten die Gedanken wie in einer Umlaufbahn: Ich will auch dorthin! Ich will auch Amerikaner sein! Morgens in der großen Pause war Mondlan- dung. Jeder wollte als Neil Armstrong aus dem Klettergerüst, das gute Dienste als Landefähre „Eagle“ tat, möglichst pathetisch in den Sand des Spielplatzes springen. Da spätestens hier der Alleinvertretungsanspruch des selbster- nannten Armstrong nicht mehr zu halten war, hüpften alsbald ein Dutzend Armstrongs in si- mulierten Zeitlupen-Bewegungen über den Schulhof. Sehr zu Freude der kichernden Mäd- chen, die so schon früh lernten, dass man die Spleens der Jungs am besten nicht so ernst nimmt. Erst im Klassenzimmer, das neuerdings „Apollo 11“ hieß, legte sich die Euphorie. Seitdem sind 50 Jahre vergangen. An der Fas- zination des Alls hat sich nichts geändert. Auch wenn die Weltraumforschung enorme Fortschritte gemacht hat, bleibt ein Mythos des Unergründbaren. Was ist das All? Wo en- det es? Gibt es noch irgendwo Lebewesen? Können andere Planeten der Erde nützen, et- wa als Energie- oder Rohstoff-Lieferant? Aber auch: Wie verletzlich ist das All, was dürfen wir ihm zumuten? Die Forschung hat die Pflicht, ihr Tun ständig moralisch zu hinterfragen. Das geschieht frei- willig. Weil aber auch eine zunehmende Kom- merzialisierung zu verzeichnen ist, ist die Poli- tik gut beraten, sich intensiver mit Regeln im Umgang mit der Raumfahrt zu befassen. Das wird nur im internationalen Dialog gehen. Aber was sind schon Gespräche über irdische Grenzen hinweg, wenn es um das große Gan- ze, den Weltraum geht?

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