20 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 38-39 - 16. September 2019 Dieses Jahr ist die Grundlage für das, was wir als Best Case er- reichen wollen. lich Millionen Tonnen CO2 bin- den. Dazu gehört eine Kleinigkeit: Sie sollten den Wald nicht nur als eine Ansammlung noch nicht ge- sägter Bretter betrachten; das wäre das eine. Was Sie zum anderen nicht machen sollten, Frau Klöck- ner: Sie sollten nicht auf Herrn Lindner hören. Herr Lindner hat heute hier über den Borkenkäfer gesprochen. Der Borkenkäfer, Herr Lindner, vielleicht unterhal- ten Sie sich mal mit denen, die ein bisschen Ahnung haben, ist ein Resultat auf der einen Seite von Holzplantagen und auf der anderen Seite von Dürre. Bei Ihrer Art von Waldpolitik und Ihrer Kenntnis: Da fürchten sich ja Rot- käppchen und der Wolf gleichzei- tig; das ist doch furchtbar, was Sie hier geliefert haben. Wir können gern über die Frage ins Duell gehen, was eigentlich für den Wald notwendig ist. Aber ich bleibe noch mal bei Frau Klöckner, weil Frau Klöckner sich ja immer so gut gefällt als die ers- te Repräsentantin der Agrarlobby und weil Sie, Frau Klöckner, sich immer hinstellen und sagen: Ge- rade die Klimaschützer würden spalten. Das Gegenteil ist der Fall. Was Sie machen, ist Spalterei. Fakt ist: Ihre Politik des „Immer mehr“ und „immer billiger“ zwingt die Bauern und Bäuerinnen doch da- zu, die Landschaft zu zerstören, Arten zu vernichten, das Wasser zu verseuchen oder sogar den Hof, wenn er nicht groß genug ist, aufzugeben. Sorgen Sie endlich dafür, dass Land-wirt-schaft ge- macht werden kann. Sorgen Sie endlich dafür, dass Ökologie und Landwirtschaft mit einer Zunge spre- chen, und bringen Sie nicht immer al- le gegeneinander auf. es Nein, geht nicht um Stadt und Land gegeneinan- der, es geht darum, dass man eine gemeinsame Zu- kunft baut mit anständiger Land- wirtschaft, mit weniger Gift, ohne Nitrat im Grundwasser – das ist doch unsere Aufgabe; das müsste Ihre Aufgabe sein, Frau Klöckner, für die Menschen und fürs Klima. Diese Woche reden wir ja vor allen Dingen über Geld. Wir sind aber tief, wir sind verdammt tief im Dispo der Natur. Und die Zu- kunft, Herr Scholz, die gibt es nicht zum Nulltarif. Hören Sie auf, diese Monstranz vor sich her- zutragen! Das ist vollkommen sinnlos. Wir brauchen doch end- lich Klimabeschlüsse, die auch In- vestitionen beinhalten, und diese Investitionen die Ökonomie und die Ökologie. Wir wissen alle: Wir sind gerade in ei- ner Situation, wo vielleicht noch keine Rezession bevorsteht, aber verheiraten zumindest eine Eindunkelung der Wirtschaft. Wie klug wäre es da, zu sagen: „In genau diesem Au- genblick brauchen wir große In- vestitionen, brauchen wir viele In- vestitionen“! Dann machen Sie es doch einfach, und tragen Sie nicht die schwarze Null vor sich her, so wie dem Esel die Möhre vorgehalten wird. Was wir erle- ben, genau darum ging es mir, ist, dass Landwirtinnen und Landwir- te genau das wollen, dass sie sich für Artenschutz einsetzen, dass sie Blühstreifen anlegen. Das erleben wir in Deutschland. Und das sind nicht nur die Ökobauern, son- dern gerade auch die konventio- nellen Bauern. Was ich gesagt habe, ist: Wenn wir bei der alten Art der Förde- rung von Landwirtschaft bleiben, wenn wir eine Landwirtschaftsmi- nisterin haben, die gerade nicht umsteuert, die nicht dafür sorgt, dass weniger Ackergift auf die Fel- der kommt, die nichts dagegen tut, dass wir immer mehr Nitrat haben, dann passiert genau das Gegenteil, und zwar nicht, weil die Bäuerinnen und Bauern es so wollen, sondern weil es die fal- sche Politik ist. Darum geht es. Deswegen brauchen wir eine an- dere Landwirtschaft mit den Bäuerinnen und Bauern; das ist doch klar. Meine Damen und Herren, die Investitionen sind in der Tat drin- gend notwendig, wir müssen Spielräume nutzen. Wir haben Ih- nen einen Vorschlag dazu ge- macht, wie man es schaffen kann, die Schuldenbremse – nicht auf- zugeben, aber sie zu reformieren und tatsächlich zu inves- tieren. Um was es geht, ist hier oft ge- sagt worden: raus aus dem Korsett; in die Schiene, in Er- neuerbare, Gebäu- For- desanierung, Glasfaser schung, übri- investieren, gens auch in so etwas Kleines wie mehr Stadtgrün, Bäume, Trink- brunnen. Ganz Deutschland gießt gerade Stadtbäume. Was machen Sie? Sie kürzen sogar beim Stadt- grün-Programm. Ich frage mich, wer an diesem Haushalt eigent- lich gesessen hat und versucht hat, etwas Vernünftiges hinzukrie- gen. Die CDU-Parteivorsitzende möchte jetzt gerne eine Abwrack- prämie für Ölheizungen. Gleich- zeitig kriegt man immer noch 3.000 Euro Steuergeld pro Hei- zung. Das ist doch vollkommen gaga! Sie müssen sich mal ent- scheiden, was Sie wollen, und Sie müssen die Sache auch mal durchdringen! Deswegen: Dieses Investieren, Herr Lindner, ist Aus- druck der Generationengerechtig- keit, über die wir heute reden Wir sind ver- dammt tief im Dispo der Natur. Und die Zukunft, die gibt es nicht zum Nulltarif. müssen. Weil es zu einer Win- win-Situation führt, weil die Schulden, die wir heute machen, das ist, was wir in Zukunft an Schulden und noch höheren Kos- ten nicht verursachen müssen. Das sagt Ihnen je- der Rückversiche- rer. Vielleicht soll- ten Sie mal mit de- nen darüber spre- chen, was es heute eigentlich bedeu- tet, zu investieren. Alle Wirtschaftsver- bände sagen das ganz klar, und alle warten darauf. Und worauf warten die noch? Sie warten nicht auf ein Klimakabi- nett, das irgendwelche Vorschläge macht; sie warten darauf, dass es endlich klare Rahmenbedingun- gen gibt, dass es Verlässlichkeit gibt, dass es kein Hin und Her mehr gibt, damit alle wissen: Wir strengen uns bei den Investitio- nen in den Klimaschutz jetzt alle an. Das ist doch die Perspektive. Meine Damen und Herren, man muss schon sagen: Sie haben die Zeit in den letzten guten Jah- ren nicht genutzt, auch nicht für eine Kindergrundsicherung, die wirklich gegen Armut hilft. Wir haben immer noch Alleinerzie- hende in diesem Land, die nicht wissen, wie sie das Ende des Mo- nats überstehen sollen oder wie die Klassenfahrt eigentlich zu be- zahlen ist. Das hat mit Würde nichts zu tun. Es hat auch nichts mit Würde zu tun, dass Sie wie in einem Pingpongspiel ständig über die Grundrente reden. Machen Sie doch endlich mal eine Garantie- rente! Sorgen Sie dafür, dass Men- schen keine Angst mehr vor Ar- mut im Alter haben! Oder zum sozialen Wohnungsbau. Wir ha- ben einen Heimatminister, der zulässt, dass Familien sich ihre Heimat nicht mehr leisten kön- nen, weil er als Bauminister nicht baut. Gestern haben Sie sich hier gebrüstet, Sie würden doch etwas machen. Ja, aber doch nicht mit dem Nachdruck, nicht mit der Ve- hemenz, die tatsächlich notwen- dig ist. frage Liebe Annegret Kramp-Karren- bauer, wenn ich mir Ihr Sonntags- interview anschaue, ich mich wirklich: Was hat Sie eigent- lich geritten? Bei der Frage, was Sie gegen die soziale Spaltung tun wollen, war Ihre Antwort, man möge sich doch um Wohneigen- tum bemühen, nach dem Motto „Kümmert euch doch selber, und esst Kuchen“. Ich glaube, dass die meisten Menschen in Deutsch- land, besonders diejenigen, die in Armut leben, das eher zynisch fin- den denn als Angebot von Ihrer Seite. Frau Merkel, Sie haben hier sehr ausführlich über die gleich- wertigen Lebensverhältnisse ge- die sprochen. Ja, das steht im Grund- gesetz; aber es ist nicht so. Es gibt diese Orte, wo es keine Ärztinnen und Ärzte, keinen Bus und keinen Balken auf dem Handy gibt. Sie fühlen sich aber nicht abgehängt; sie sind ganz real abgehängt. Das wä- re die erste Erkennt- nis, man Ich finde braucht. es sehr gut, sich um die Ehrenamtlichen, das bürgerschaftli- che Engagement zu kümmern. Aber was Menschen diese brauchen, ist eine Garantie, eine Garantie für Ge- sundheitsversorgung, eine Garan- tie dafür, dass schnelles Internet da ist, und eine Garantie für Mo- bilität, damit klar und eindeutig ist: Jede und jeder, die bzw. der auf dem Land lebt, weiß, dass der Bus kommt, dass die Ärztin kommt und dass das schnelle In- ternet im Übrigen noch dafür sorgt, dass man auch dort einen Job machen kann und nicht in die Stadt pendeln muss. Was mich aber noch mehr um- treibt, ich hoffe sehr, dass auch Sie das aufgeweckt hat, ist, dass in Regionen, die besonders abge- hängt sind, die demokratiefeindli- chen Einstellungen zugenommen haben, wie man bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen se- hen konnte. Wenn Menschen das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen verlieren, ist das ei- ne große Gefahr für unser Land. Aber es ist keine Entschuldigung, rechtsradikal zu wählen, nur weil der Bus nicht fährt. Frau Weidel, Sie haben hier heute Morgen wieder mit Ihren Attacken auf die freien Medien, mit Ihrem Verdrehen der Tatsa- chen, mit Ihrer Hetze, mit Ihrer Verachtung für unser Land ange- fangen. All das ist das genaue Ge- genteil dessen, wofür wir in Ost- deutschland vor 30 Jahren auf die Straße gegangen sind. Es ist das genaue Gegenteil dessen, was ein westdeutscher Geschichtslehrer behauptet. Damals ging es um Freiheit und Demokratie. Ihnen geht es heute um nichts anderes als Unterwandern und Zerstören. Die Mehrheit in diesem Land will und wählt Ihre Zwietracht nicht. Das sollten Sie wissen; das sollten Sie ganz genau wissen. Dabei muss eines an alle Demokratin- nen und Demokraten gesagt wer- den: Wachsam sein im Alltag! Die Wahl zum Ortsvorsteher zeigt mir jedenfalls, wie dünn unsere demokratische Decke mancherorts ist. eines NPD-Manns Wenn die AfD gemeinsame Sa- che mit der Union macht, inzwi- schen in mindestens 18 Orten der Republik, dann ist das hochge- fährlich. Diese Biedermänner vor Ort sind die Brandstifter unserer Demokratie. Ja, besonders Sie am rechten Rand hier sind die Brand- stifter. Deswegen werden wir auch alles dafür tun, dass das nicht ge- lingt. Nein, Sie werden nicht die Demokratie unterwandern kön- nen. Nein, Sie werden dieses Land nicht zerstören können. Dafür sorgen wir Demokratinnen und Demokraten. Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Nicht nur wir sehen den Rückzug ins Nationale bis zum Leugnen der Klimakrise. Die Ge- fahr kommt genau von dort, von den Nationalen, von den Spal- tern. Trump sperrt mexikanische Kinder ein. Bolsonaro zündelt an der Lunge der Erde. Orban baut kompromisslos an seiner illibera- len Demokratie. Unsere europäi- schen Nachbarn machen es inzwi- schen alleine, sowohl was die Kli- maziele angeht als auch was den Iran oder das Mercosur-Abkom- men angeht. Es kann doch nicht sein, dass wir auch noch ein Han- delsabkommen unterzeichnen, das dafür sorgt, dass Bolsonaro, der den Regenwald anzündet, auch noch Unterstützung be- kommt. Ich will Ihnen am Schluss ein Angebot machen. Wenn Sie am 20. September hier etwas vorle- gen, was wirklich ambitioniert ist, wenn Sie hier etwas vorlegen, was wirklich hilft, die Klimaziele ein- zuhalten, und wenn Sie sofort da- mit anfangen, dann sind wir be- reit, mit Ihnen darüber zu verhan- deln. Wir sind bereit, mit Ihnen nach guten Lösungen zu suchen; wir haben dafür sehr viele Vor- schläge. Und Sie wissen: Wir ver- handeln verdammt hart. Wenn Sie möchten, dann reden wir hier im Parlament darüber, genau hier, nicht in anderen Runden, auch nicht in irgendwelchen Konsens- runden. Genau hier könnten wir für den Klima- eine Mehrheit schutz, für die Bewältigung der Klimakrise in diesem Land schaf- fen. Es ist an der Zeit: Handeln, jetzt! Das ist die Aufgabe, vor der wir alle stehen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Die Ralph Linke), In der Debatte sprachen zudem die Abgeordneten Brinkhaus (CDU/CSU), Dr. Alexander Gauland (AfD), Achim Post (SPD), Anke Dom- scheit-Berg Dieter Janecek (B90/Grüne), Alexander Dob- rindt (CDU/CSU), Dr. Marc Jongen (AfD), Johannes Kahrs (SPD), Simone Barrientos (Die Linke), Erhard Grundl (B90/Grüne), Marco Bülow (fraktions- los), Paul Ziemiak (CDU/CSU) Sonja Amalie Steffen (SPD), Prof. Monika Grütters (CDU/CSU), Katrin Budde (SPD), Patricia Lips (CDU/CSU) und Dr. Jens Zimmermann (SPD).