Das Parlament - Nr. 43 - 21. Oktober 2019 INNENPOLITIK 5 Jahr im vergangenen A uch Politiker wohnen in Häusern, in denen Paket- boten klingeln. Manchmal stündlich, wie in dem Mehrfamilienhaus, in dem Bundesarbeitsminister Hu- bertus Heil (SPD) wohnt. Öfter sogar am Samstagabend um 20.30 Uhr – und das nicht nur zur Weihnachtszeit, wie Jürgen Pohl (AfD) berichtete. Wie die Pflegethe- matik ist auch das Thema Paketboten ein Bereich, zu dem alle etwas Persönliches beitragen können. Bei rund 3,5 Milliarden Sendungen, die durch die Paket- und Ku- rierdienste in Deutschland versendet wurden, ist das auch kein Wunder. Im Jahr 2000 summier- ten sich diese Sendungen auf „nur“ 1,6 Milliarden. Die Branche boomt vor al- lem wegen des Online-Handels extrem. Das ist bequem für die Konsumenten, es sei denn, das Paket nimmt seltsame Um- wege. Es ist auf jeden Fall unbequem für sehr viele Paketzusteller, die, wenn sie bei Subunternehmen angestellt sind, meist keine angenehmen Arbeitsbedingungen genießen können. Dem will die Bundesregierung nun einen Riegel vorschieben. Ihren Entwurf für ein Paketboten-Schutz-Gesetz (19/13958) de- battierte der Bundestag in der vergangenen Woche zum ersten Mal. Am heutigen Mon- tag führt der Ausschuss für Arbeit und So- ziales dazu eine Expertenanhörung durch. Der Entwurf sieht vor, eine Nachunterneh- merhaftung für Sozialabgaben für die KEP- Branche (KEP = Kurier-, Express- und Pa- ketdienste) einzuführen. Vorbild sollen die bestehenden Haftungsregelungen für die Baubranche und die Fleischwirtschaft sein. Die Bundesregierung begründet die Initia- tive damit, dass es viele Paketdienste gebe, die fast ausschließlich mit Nachunterneh- mern arbeiten. Hier komme es häufig zu Verstößen gegen das Mindestlohngesetz und gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten mit zum Teil kriminellen Struktu- ren, heißt es im Entwurf. Soziale Marktwirtschaft Hubertus Heil verwies in der Debatte auf den Anlass für das Gesetz: Denn im Februar dieses Jahres hatte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) eine bundesweite Razzia bei Paket- diensten und Subunternehmen durchge- führt. Das Ergebnis war eindeutig: Dem- nach hatte jede dritte Zustellfirma gegen das Arbeitsrecht verstoßen. Lohndumping und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz machten die 3.000 Zollfahnder gleichsam als Massendelikt aus. „Das werden wir nicht länger zulassen“, versprach nun der Minister. Das Prinzip der Generalunterneh- merhaftung bezeichnete Heil als „probates Mittel“, um Arbeitnehmerrechte zu sichern und Sozialleistungsbetrug zu verhindern. „Es hat sich bewährt, weil es hilft, dass sich Generalunternehmer überlegen, wen sie sich als Subunternehmer aussuchen, da sie im Zweifel für die Sozialversicherungsbei- träge einstehen müssen, wenn die nicht eintreibbar sind“, erläuterte Heil. Gisela Manderla (CDU) äußerte sich ähn- lich zuversichtlich: „Wir reden hier nicht über ein neues Rechtsinstitut, sondern über eine Regelung, die beim Anspruch auf Mindestlohn geltendes Recht ist und die es in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge bereits in zwei Branchen gibt und sich dort wirklich bewährt hat.“ Soziale Marktwirt- KURZ NOTIERT (GFK) AfD-Fraktion will Änderung des Aufenthaltsgesetzes Die AfD-Fraktion hat einen Gesetzent- wurf zur Änderung des Aufenthaltsge- setzes (19/14067) vorgelegt, über den der Bundestag am Freitag in erster Le- sung debattierte. Er sieht Neuregelungen für Asylberechtigte, anerkannte Flücht- linge nach der Genfer Flüchtlingskon- vention sowie Resettlement- Flüchtlinge vor. In der Begründung führt die Fraktion aus, dass der Gesetzgeber dieser Personengruppe für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis „deutli- che Erleichterungen gegenüber anderen Ausländern“ gewähre. So würden ledig- lich „hinreichende Sprachkenntnisse“ und nur eine „überwiegende Lebensun- terhaltssicherung“ verlangt. Die „Privile- gierung der oben genannten Zuwande- rergruppe“ solle der Gesetzentwurf ab- schaffen. Grünen-Vorstoß zu Aufnahme afghanischer Ortskräfte Die Bundesregierung soll nach dem Wil- len der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „ein Gruppenverfahren für die großzügi- ge Aufnahme afghanischer Ortskräfte“ einführen, die für deutsche Institutionen arbeiten oder gearbeitet haben. Einen entsprechenden Antrag der Fraktion (19/9274) überwies der Bundestag ver- gangene Woche zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse. In der Vorlage fordert die Fraktion die Bundes- regierung zudem auf, den Familienange- hörigen der visumsberechtigten Orts- kräfte ebenfalls ein Visum für die Einrei- se nach Deutschland auszustellen. sto T Für Fairness ARBEIT Eine Nachunternehmerhaftung soll für bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche sorgen. So sieht es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor Massenhaftes Lohndumping gehört in der Branche leider dazu. © picture-alliance/Rolf Vennenbernd/dpa schaft könne nur funktionieren, wenn alle am Wertschöpfungsprozess Beteiligten auch den ihnen zustehenden Anteil erhal- ten, so die CDU-Abgeordnete. Die FDP warf der Regierung jedoch vor, mit ihrem Vorstoß eine Branche in Sippen- haft zu nehmen. So kritisierte Carl-Julius Cronenberg für die Liberalen, dass sich der Entwurf nicht auf den kritischen Bereich der Paketzustellung beschränke, sondern alle Unternehmen im Speditions- und Lo- gistikgewerbe treffe. „Der Entwurf ist un- scharf oder zu weit gefasst“, sagte er. »Überflüssige Schlupflöcher« Auch die AfD-Fraktion glaubt nicht an eine positive Wirkung der Gesetzes. So erklärte Jürgen Pohl, es sei zwar gut gemeint. „Das Pro- blem ist aber, wenn ich mich durch eine Präqualifikation oder Unbedenklichkeits- erklärung exkulpieren kann, bleibt alles beim Alten“, betonte er. Dem widersprach Bernd Rützel (SPD): „Wir werden die Spreu vom Weizen tren- nen, denn die seriösen Unternehmer sind diejenigen, die wir stärken, die wir schüt- zen wollen. Deswegen ist das Gesetz das Gegenteil von Sippenhaft.“ Es sorge dafür, dass der Wettbewerb wieder fairer werde und Sozialbetrug abgeschafft werde. Pascal Meiser (Die Linke) machte „völlig überflüssige erhebliche Schlupflöcher“ in dem Gesetz aus. Dazu zählte er die Haf- tungsausschlüsse für Subunternehmer, die in der Vergangenheit ordnungsgemäß Sozi- alversicherungsbeiträge abgeführt haben. „Diese Ausschlüsse öffnen doch Tür und Tor für Missbrauch“, betonte er. Die Linke hatte einen eigenen Antrag (19/14022) vorgelegt, in dem sie eine Lizenzpflicht für die Paketzustellung analog zur Lizenz- pflicht in der Briefzustellung fordert. Die Grünen hatten ebenfalls einen Antrag (19/13390) eingebracht – für eine Nach- unternehmerhaftung. Beate Müller-Gem- meke (Grüne) konnte deshalb die Intenti- on des Gesetzes nur begrüßen. Sie betonte jedoch, dass dies nur ein erster Schritt sei. So müsse endlich die Entsenderichtlinie umgesetzt werden, um Tarifverträge allge- meinverbindlich zu erklären. „Paketdienste müssen wieder eigene, bei ihnen angestell- te Zusteller beschäftigen, natürlich tariflich bezahlt“, betonte sie. Claudia Heine T Auf Wiedervorlage RENTEN Die Linke scheitert mit Anträgen zu Ost-Renten Die Linke kennt dieses Spiel ja schon, aber sie lässt sich nicht beirren: Erneut debat- tierte der Bundestag vergangene Woche zwei Anträge der Fraktion zur Anhebung der Ost-Renten und Anerkennung von DDR-Rentenansprüchen. Erneut scheiter- ten die Anträge an der Ablehnung der übri- gen Fraktionen, mit Ausnahme der AfD- Fraktion, die sich bei der Abstimmung ent- hielt. Deren eigener Antrag (19/14073) für einen Fonds für Härtefälle im Zusammen- hang mit der DDR-Rentenüberleitung wur- de an den Ausschuss für Arbeit und Sozia- les überwiesen. Die Linke fordert in dem einen Antrag (19/ 10285) unter anderem, den Rentenwert Ost anzuheben. Außerdem sollen die Löh- ne im Osten erheblich stärker steigen, wes- halb der Mindestlohn auf zwölf Euro ange- hoben werden soll. Ferner verlangt sie in einem zweiten Antrag (19/7981), alle in der DDR erworbenen Rentenansprüche aus den Sonderversorgungssystemen „gerecht anzuerkennen“ und das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz entspre- chend zu ändern. Daniela Kolbe (SPD) sagte, viele der be- troffenen Gruppen seien, anders als die Linken, längst bereit, eine Lösung außer- halb des Rentenrechts zu finden. Sie be- tonte, ihre Fraktion wolle eine Fondslö- sung für Härtefälle, so wie es der Koaliti- onsvertrag auch festschreibe. Eine Beibe- haltung der Höherwertung der Ost-Ein- kommen nannte sie „absurd“. Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) warf der Lin- ken vor, mit unspezifischen Forderungen nur Wahlkampf für die Landtagswahl in Thüringen betreiben zu wollen. Sie warb stattdessen für den Antrag ihrer Fraktion für einen Härtefallfonds. Jana Schimke (CDU) verwies darauf, dass die Gesetzliche Rente im Osten im Durch- schnitt höher sei als im Westen, die Ost- Rentner jedoch meist keine zusätzlichen Altersversorgungen besäßen. Deshalb müs- se die betriebliche und private Vorsorge ge- stärkt werden, forderte sie. Johannes Vogel (FDP) verteidigte die An- gleichung des Rentenwertes auf der einen und die Absenkung der Höherwertung der Einkommen auf der anderen Seite, weil dies einheitliche Verhältnisse schaffe. Die Linke wolle aber nur einseitig den Renten- wert anheben, kritisierte Vogel. Matthias Höhn (Die Linke) warf der SPD vor, auch 30 Jahre nach der Wiedervereini- gung keine Lösung für das Problem der Sonderversorgungssysteme vorgelegt zu ha- ben. „Sie haben auch heute wieder nichts zum Härtefallfonds gesagt, von dem im Koalitionsvertrag die Rede ist.“ Markus Kurth (Grüne) verwies auf die „krasse“ Lohnungleichheit nach der Wie- dervereinigung, die Grundlage der Höher- wertung der Ost-Einkommen gewesen sei. Aber heute gebe es auch im Westen struk- turschwache Regionen, so dass sich das Problem nicht mehr auf eine reine Ost- West-Perspektive begrenzen lasse. che T Die Inklusionsfrage EINGLIEDERUNGSHILFE Systemwechsel wird vorbereitet Der Bundestag hat den Weg frei gemacht für Änderungen an zwei Sozialgesetzbü- chern: Er stimmte in der vergangenen Wo- che für einen Gesetzentwurf (19/11006) der Bundesregierung zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialge- setzbuch (SGB IX und SGB XII). Für den Entwurf in geänderter Fassung stimmten neben den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auch die Grünen. AfD, FDP und Linke enthielten sich. Mit dem Gesetz sollen vor allem gesetzli- che Unklarheiten beseitigt werden, um den Systemwechsel bei den Unterkunftskosten der besonderen Wohnform (SGB XII, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs- minderung) vorzubereiten. Dieser System- wechsel sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2020 Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen perso- nenzentriert ausgerichtet sein sollen und es keine Unterscheidung mehr nach ambu- lanten, teilstationären und stationären Leistungen mehr geben soll. Die neu ein- gefügten Änderungen betreffen unter ande- rem Übergangsregelungen, damit für Leis- tungsberechtigte durch die Systemumstel- lung eine Zahlungslücke zum Jahreswech- sel 2019/2020 vermieden wird. Außerdem wurde klargestellt, dass auch Menschen, die ausschließlich Blindenhilfe erhalten, von dem privilegierten Erwerbsfreibetrag bei der Anrechnung von Einkommen pro- fitieren können. In der Debatte bezeichnete Kerstin Griese (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und So- ziales, die Reform der Eingliederungshilfe zum 1. Januar 2020 als „wohl bedeutend- sten“ Schritt zu mehr Teilhabegerechtig- keit. „Wir werden mit diesem Gesetzent- wurf nicht aufhören, tätig zu sein“, kün- digte Wilfried Oellers (CDU) unter Hin- weis auf das Angehörigen-Entlastungsge- setz an. Angelika Glöckner (SPD) betonte, Ziel müsse es nun sein, mehr Menschen den Übergang von Werkstätten in den ers- ten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Uwe Witt (AfD) warf der Regierung vor, nicht genug zu tun, um Menschen mit Be- hinderungen in den Arbeitsmarkt zu inte- grieren. Jens Beeck (FDP) kritisierte die Be- nachteiligung der „anderen Leistungsan- bieter“ gegenüber den Werkstätten. Ange- sichts der Dramatik der Umstellung ab Ja- nuar seien noch zu viele Fragen offen, sag- te Beeck. Sören Pellmann (Die Linke) for- derte eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Betriebe, denn nur so würden Anreize geschaffen, mehr Menschen mit Behinde- rungen einzustellen. Corinna Rüffer (Grü- ne) kritisierte das Konzept der „anderen Leistungsanbieter“ als Alternative zu den Werkstätten als völlig unausgereift. che T Nächste Runde beim Dauerbrenner Streit um Verschärfung WAHLRECHT AfD-Vorschlag für Verkleinerung des Parlaments stößt auf breite Kritik WAFFENRECHT Opposition kritisiert Regierungsentwurf „Der Deutsche Bundestag besteht vorbe- haltlich der sich aus diesem Gesetz erge- benden Abweichungen aus 598 Abgeord- neten.“ So steht es in Paragraf Eins des Bundeswahlgesetzes. Die sich „aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen“ haben indes dazu geführt, dass die Zahl der Parla- mentarier aktuell 709 beträgt und eine wei- tere Zunahme bei künftigen Wahlen nicht auszuschließen ist. So nimmt es nicht wunder, dass die Diskussion über eine Ver- kleinerung des Bundestages zu einem Dau- erbrenner wird - bislang ohne Ergebnis. Vergangene Woche stand das Thema erneut auf der Tagesordnung des Parlamentsple- nums, das erstmals über einen AfD-Antrag für eine Wahlrechtsreform (19/14066) de- battierte. Darin fordert die AfD-Fraktion von der Bundesregierung einen Gesetzent- wurf, der bei Erhaltung der derzeitigen Wahlkreise das Prinzip einer personalisier- ten Verhältniswahl beibehält und sicher- stellt, dass die Regelgröße von 598 Abge- ordneten „unterschritten oder zumindest eingehalten wird“. Auch soll der Gesetzentwurf laut Vorlage gewährleisten, „dass eine Partei in einem Bundesland höchstens so viele Direktman- date erhält, wie es dem Zweitstimmenan- teil der Partei in dem Land entspricht“. Bei- behalten werden soll nach dem Willen der Fraktion, „dass für den Fall, dass eine Par- tei durch den Zweitstimmenanteil mehr Mandate zustehen, als sie Direktmandate errungen hat, diese über den Zugriff auf die Landesliste besetzt werden“. Ferner soll der Gesetzentwurf dem Antrag zufolge das personale Element der Verhältniswahl stär- ken, „indem dem Wähler mehrere Zweit- stimmen gegeben werden und damit die Möglichkeit, einzelne Bewerber zu kenn- zeichnen, mit der Folge, dass die Reihen- a p d / e c n a i l l a - e r u t c i p © Die Zahl der Abgeordneten wollen alle Fraktionen verringern. folge der Bewerber auf der Landesliste ver- ändert wird“. Albrecht Glaser (AfD) sagte in der Debatte, bei diesem Modell solle „das System der Wahl von Direktkandidaten so ausgestaltet werden, dass Überhang- und Ausgleichs- mandate nicht mehr entstehen“. Die von seiner Fraktion vorgeschlagene Vorgehens- weise werde bereits seit vielen Jahren in süddeutschen Bundesländern bei den Landtagswahlen praktiziert. Einzuräumen sei, dass bei dem vorgeschlagenen Wahl- modus in einigen Wahlkreisen kein Direkt- mandat entstehe. Diese „Einbuße an direk- ter Demokratie“ werde dadurch ausgegli- chen, „dass das Zweitstimmenverfahren als offene Listenwahl ausgestaltet wird“. Ansgar Heveling (CDU) kritisierte, wenn das personalisierte Verhältniswahlrecht wie von der AfD gefordert beibehalten werden das sei möglich, solle, sei es „nach den Vorgaben des Bun- desverfassungsgerichts schlicht unmöglich, den Bundestag auf 598 Mitglieder im Ma- ximum zu deckeln“. Wenn die AfD sugge- riere, streue sie „der Bevölkerung Sand in die Augen“. Stefan Ruppert (FDP) verwies auf einen Gesetzentwurf von Grünen, Linken und seiner Fraktion zur Verkleinerung des Par- laments. Der Bundestag müsse kleiner wer- den, um arbeitsfähig zu sein, und das gehe nur mit einer Verringerung der Zahl der Wahlkreise, wenn man „im bestehenden System bleiben“ wolle. Friedrich Straet- manns (Linke) nannte den AfD- Vorschlag, die Direktmandate mit den schlechtesten Ergebnissen verfallen zu lassen, „hanebü- chen“. Dass der gemeinsame Vorschlag sei- ner Fraktion sowie der FDP und der Grü- nen die Vergrößerung einiger Wahlkreise zur Folge hätte, sei „immer noch besser, als einige Wahlkreise zu Verlierern zu stem- peln, die gar keine Direktmandate mehr erhalten“. Britta Haßelmann (Grüne) for- derte die Unionsfraktion auf, „ihre Blocka- de“ aufzugeben. „Wer 29 Prozent der Stim- men erziele, kann auch nur für 29 Prozent in den Deutschen Bundestag einziehen“, fügte sie hinzu und hielt der Union vor, sie wolle nicht wahrhaben, dass sie vom der- zeitigen personalisierten Verhältniswahl- recht viel stärker profitiere, „als wenn man einfach einen Deckel auf die Höchstzahl machen würde, nämlich 630“. Mahmut Özdemir (SPD) betonte, seine Fraktion werde „gern die Schritte zu einem zeitgemäßen Wahlrecht gehen“. Sie werde es aber nicht zulassen, dass einzelne Partei- en auf den eigenen Vorteil bedacht seien. Auch werde man nicht zulassen, „dass eine Fraktion allein in diesem Haus blockiert, liebe CDU/CSU“, fügte er hinzu. sto T der Innen-Staatssekretär Den Regierungsentwurf eines „Dritten Waf- fenrechtsänderungsgesetzes“ (19/13839), über den der Bundestag vergangene Woche in erster Lesung debattierte, flankierten da- bei zwei Anträge, deren unterschiedliche Zielrichtungen schon in ihren Titeln deut- „Tödliche Gefahr durch lich wurde: Schusswaffen eindämmen“, lautete die Grünen-Vorlage Überschrift (19/14092), „Freiräume für Jäger und Sportschützen – Für eine schonende Um- setzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie“ die des FDP-Antrags (19/14035). Der Umsetzung dieser Richtlinie aus dem Jahr 2017, die im Lichte der Terroranschlä- ge in Paris und Brüssel entstand, soll auch der Regierungsentwurf dienen, wie der Par- lamentarische Ste- phan Mayer (CSU) in der Debatte ausführ- te. Der Gesetzentwurf richte sich schwer- punktmäßig gegen Terroristen und Krimi- nelle und solle die illegale Beschaffung von Waffen deutlich erschweren. Dagegen richte sich die Vorlage nicht gegen „Legal- waffen-Besitzer“, betonte Mayer, insbeson- dere nicht gegen „unbescholtene Schützen, Jäger, Waffensammler, Waffenhändler“. Für die FDP-Fraktion geht der Regierungs- entwurf indes „über die Kernanliegen der Richtlinie hinaus“. Sie fordert in ihrem An- trag von der Bundesregierung die Vorlage eines neuen Entwurfs für ein Umsetzungs- gesetz, in dem etwa „die vom Waffenbesit- zer zu tragenden Verwaltungsgebühren für waffenrechtliche Überprüfungen“ auf jähr- lich maximal 100 Euro gedeckelt werden. Zudem soll die Regierung dem FDP-Antrag zufolge unter anderem Waffenfachhänd- lern und -herstellern ermöglichen, Daten aus dem nationalen Waffenregister abzu- fragen, um sicherzustellen, dass Kunden die Berechtigung zum Erwerb einer Schuss- waffe besitzen. Konstantin Kuhle (FDP) plädierte dafür, zu verhindern, dass Extre- misten in den Besitz von Schusswaffen ge- langen. Man dürfe aber nicht diejenigen unter Generalverdacht stellen, die „redli- cherweise als rechtschaffene Bürger“ im Be- sitz legaler Schusswaffen sind. Für Irene Mihalic (Grüne) greift der Regie- rungsentwurf „massiv zu kurz“. Dabei ver- fügten etwa „viele Personen aus dem soge- nannten Reichsbürgerspektrum ganz legal über eine erhebliche Zahl scharfer Schuss- waffen“. Auch aus dem NSU-Kontext wisse man, dass zahlreiche Rechtsextremisten le- gal Schusswaffen besitzen. Dem Grünen- Antrag zufolge soll die Bundesregierung unter anderem eine gesetzliche Regelung vorschlagen, die den Privatbesitz von Waf- fen verbietet, „die leicht zu (voll)automati- schen Waffen umgebaut werden können“. Martin Hess (AfD) betonte, obwohl es in Deutschland sehr strenge waffenrechtliche Bestimmungen gebe, gelinge es Terroristen, Anschläge mit illegalen Schusswaffen zu begehen. Dies liege daran, dass sie sich nicht an geltendes Recht halten. Das Pro- blem sei nicht ein zu laxes Waffenrecht, sondern das Extremisten und illegaler Waf- fenhandel nicht effektiv bekämpft würden. Helge Lindh (SPD) sagte, man werde im Gesetzgebungsverfahren „Fragen erhöhter Sicherheit“ und der Eindämmung illegaler Waffen aufgreifen, ohne einen „General- verdacht gegenüber Sportschützen auszu- üben“. sto T Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper