2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 44-45 - 28. Oktober 2019 GASTKOMMENTARE BRAUCHEN WIR DIE MEISTERPFLICHT? Ein richtiger Schritt PRO W irtschaftspolitik hat einen Vor- i e n e m e g l l A r e g r u b s g u A © Michael Kerler, »Augsburger Allgemeine« teil: Sie kann bei vielen Fehlent- wicklungen noch eingreifen und sie korrigieren. Die geplante Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Be- rufen – vom Fliesenleger bis zum Orgelbauer – ist ein richtiger Schritt. Denn die Liberalisierung der Handwerksordnung im Jahr 2003 hatte fatale Konsequenzen. Ein Meisterbrief steht in Deutschland für Qualität. Die Meisterpflicht ist nach dem Willen des Gesetz- gebers unter anderem dafür da, den Schutz von Leben und Gesundheit zu gewährleisten. Was hochtrabend klingt, wird schnell konkret: Welche Materialien und Kleber ein Raumausstatter wählt, beeinflusst unsere Innenluft. Und nach Pfusch am Bau bei Estrich oder Fliesen kam es in den vergan- genen Jahre immer wieder vor, dass selbst in öf- fentlichen Gebäuden neu verlegte Flächen kom- plett herausgerissen werden mussten. Unebenhei- ten und Stolperfallen sind nicht nur riskant, Bau- pannen kosten Zeit und Geld. Mit dem Wegfall der Meisterpflicht konnten auch Leute ohne diese Qualifikation in den betroffenen Bereichen einen Betrieb gründen. Die Zahl der Ein-Mann-Betriebe war seit 2004 regelrecht explodiert. Dazu kommt: Der Wegfall der Meisterpflicht war ein fatales Signal für die in Deutschland sonst so hochgehaltene duale Ausbildung und die Fach- kräftesicherung. Im Fliesenleger-Handwerk erwer- ben dem Fachverband Fliesen und Natursteine zu- folge heute 80 Prozent weniger Menschen einen Meisterbrief als 2004, die Zahl der Auszubilden- den brach von rund 4.500 im Jahr 2002 auf rund 2.200 im Jahr 2016 ein. Ohne Meister findet keine Ausbildung mehr statt. Es gilt, diese Abwärtsspira- le bei Qualität und Fachwissen zu stoppen. in vielen Lebenslagen Heimwerker; aber reicht es nicht, selbst einen Hammer halten zu können. Dann müssen Profis ran, echte Handwerker, und von de- nen gibt es derzeit eher zu wenige als zu viele. Im Großen und Ganzen haben die begehrten Handwerker heute in gutes Image. Nicht nur bei ihren Kunden, sondern auch in der Politik. Und zwar völlig zu Recht: Das Handwerk kann längst Hightech, integriert Flüchtlinge, gibt auch Schulab- brechern eine Chance und verkörpert den kapital- marktfernen, lokal verwurzelten Mittelstand. Weil Handwerksbetriebe aber als „die Guten“ gel- ten, werden ihre Privilegien in der Politik oft lei- denschaftlich verteidigt. Allen voran die Marktzu- gangsbeschränkung namens Meisterpflicht. Dass sie einmal gelockert wurde – 2004 wurde der Meisterzwang in 53 von 94 Berufen abgeschafft –, bereuen heute offenbar viele in der Regierung: Die damalige Liberalisierung soll aktuell für einige Be- rufe wieder rückgängig gemacht werden. Das aber leuchtet nicht ein. Ja, der Meister ist ein Qualitätssiegel, und Meisterbetriebe bilden deut- lich mehr aus als die vielen kleinen Firmen, die durch die Liberalisierung entstanden sind. Aber die Kunden haben ja die Wahl: Sie können einen Flie- senleger mit Meisterbrief beauftragen oder einen, vielleicht günstigeren, ohne. Und mit Ausbildungs- verweigerung in Zeiten des Fachkräftemangels schaden Handwerksbetriebe vor allem sich selbst. Statt die Lockerung des Meisterzwangs zurückzu- drehen, sollte man über weitere Liberalisierungen nachdenken, über mehr niederschwellige Möglich- keiten, ein kleines Unternehmen zu gründen, da- mit Verbraucher mehr Wahlmöglichkeiten haben. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Mehr Liberalisierung CONTRA Die Deutschen sind zwar ein Volk der Z S © Henrike Roßbach, »Süddeutsche Zeitung«, München Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30)2 27-3 05 15 Telefax (0 30)2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Jörg Biallas (jbi) Stellv. 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Welche Vorteile hat Ihnen der Meistertitel verschafft? Zuallererst, dass ich mich selbstständig ma- chen, ein Unternehmen gründen durfte. Das war ja damals Grundvoraussetzung, damals gab es die Novelle der Handwerks- verordnung ja noch nicht. Für mich bedeu- tete das auch ein Stück Freiheit zu sagen, wo ich arbeite, wann ich arbeite, zu wel- chen Kunden ich gehe. Nach der Novelle von 2004 konnten das viele Handwerker auch ohne Meister- abschluss. Das stimmt, wobei genau mein Gewerk als meisterpflichtig bestehen geblieben ist. Es gab dann allerdings Aufweichungen wie die Altgesellenregel, die ebenfalls den Weg in die Selbstständigkeit ermöglichte. Für mich war der Meister immer ein Garant für Qualifizierung und Qualität. Begrüßen Sie folglich den Gesetzent- wurf der Regierungsfraktionen, nachdem Ihre Fraktion selbst einen Gesetzentwurf zu dem Thema vorgelegt hat? Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir die Rückkehr aller Gewerke zur Meisterpflicht vorsehen. Es gab vor kurzem eine Anhörung im Bundeswirtschaftsmi- nisterium dazu, bei dem sich lediglich drei Gewerke dagegen ausgesprochen haben, alle anderen wollten zurück zu der Rege- lung von vor 2004. Insofern begrüßen wir als Fraktion den aktuellen Gesetzentwurf, aber er geht uns nicht weit genug. Vor al- lem die Unterscheidung zwischen den zwölf Berufsfeldern, die jetzt wieder der Meisterpflicht unterliegen sollen, und den anderen weiterhin zulassungsfreien leuch- tet mir nicht ein. Was unterscheidet einen Orgelbauer vom Geigenbauer? Für mich fallen beide unter den Kulturgutschutz. Würden Sie die Novelle von 2004 komplett rückabwickeln? Wir würden das weitestgehend rückgängig machen, ja. Zumindest für die Gewerke, die das wünschen, sollte das möglich wer- den. Für die, die sich in der Zwischenzeit selbstständig gemacht haben ohne Meister- titel, soll es eine Übergangsfrist von zehn Jahren geben, in dem sie ihre Meisterprü- fung nachholen können. Das sehe ich als Grundvoraussetzung an, wenn man die Qualität wieder auf ein Level heben und Chancengleichheit gewährleisten möchte. Kritiker sagen, man kriegt jetzt schon schwer einen Handwerker, weil al- le ausgelastet sind. Künftig werde es dann in einigen Berufsfeldern noch schwerer. Was entgegnen Sie dem? Bei dem Argument frage ich zurück: Was wollen wir denn – einen Handwerker, der den Auftrag möglichst schnell erledigt, oder wollen wir Qualität? Man erhält ja deswegen schwer einen Handwerker, weil uns die Nachwuchskräfte fehlen. Kleine Betriebe erhalten viel zu wenig Unterstüt- zung für ihre Ausbildungsleistung. Man sieht es am Beispiel der Fliesenleger, da wurde quasi nicht mehr ausgebildet. Da ist schon viel an Fachwissen verloren gegan- gen. Ein anderes Problem, mit dem wir heute zu kämpfen haben, ist das Bildungs- niveau, mit dem sich junge Menschen für Ausbildungsplätze bewerben. Wie könnten denn Anreize gesetzt werden? Man müsste schon in der Schule wieder anfangen, das Handwerk als Berufszweig sichtbarer zu machen. Damit haben wir jetzt in Sachsen begonnen, also konse- quent Werkunterricht einführen, Praktika anbieten. Das könnte man sogar auf Gym- nasien ausweiten: Vielleicht entdeckt ja auch dort der eine oder andere seine Faszi- nation für ein bestimmtes Gewerk, wo © Deutscher Bundestag/Achim Melde zum Beispiel ein besonderes ästhetisches Feingefühl und musikalisches Gehör ge- fragt ist. Oder für ein aussterbendes altes Handwerk, für das es doch immer noch ei- ne Nachfrage gibt. Das Interessante an der handwerklichen Tätigkeit ist ja, dass es den Einsatz von Geist und Körper fordert. Wer ist da gefragt? Bei der Stärkung der Attraktivität des Handwerks allgemein ist nicht nur die Po- litik, sondern sind auch die Verbände ge- fragt. Sie müssen beispielsweise auf Messen auf die Chancen aufmerksam machen, in die Schulen gehen. Es wäre sicherlich auch hilfreich, wenn unsere Intellektuellen und Philosophen den Wert des Handwerks wie- der stärker in ihre kulturkritischen Refle- xionen mit einbeziehen würden. Die Poli- tik kann und muss aber entsprechende Im- pulse und Prioritäten setzen. In Österreich hat das Bundeskanzleramt eine Studie mit dem Titel „Traditionelles Handwerk als im- materielles Kulturerbe und Wirtschaftsfak- tor“ aufgelegt. Warum reden wir hierzulan- de so wenig über traditionelles Handwerk? PARLAMENTARISCHES PROFIL Sie sagen zugleich, wer dann kommt, müsste erst richtig rechnen und schreiben lernen und pünktlich erscheinen. Das ist in der Tat ein Problem. Ich bin selbst als Ausbilder tätig gewesen und weiß, dass ich bestimmte Defizite ausglei- chen kann, auch zum Teil Nachhilfe in Sa- chen Pünktlichkeit, Sauberkeit oder or- dentliches Benehmen. Aber wir können nicht alles ausgleichen, was vorher auf dem Bildungsweg oder im Elternhaus schief gelaufen ist, oder was die kulturelle Prägung angeht. Die Willkommenslotsen konnten auch nicht verhindern, dass es bei den Migranten eine hohe Abbrecherquote gibt. Generell sind viele junge Leute nicht mehr gewöhnt, gewisse Strapazen auf sich zu nehmen. Da liegt meiner Meinung nach ebenfalls ein Grundproblem: Grundlegen- de Werte werden immer weniger vermittelt, und körperliche Anstrengung wird höchs- tens noch im Fitness-Studio vor dem Spie- gel in Kauf genommen. Die Rückbesin- nung auf das Handwerk als wichtige Säule unserer Kultur muss Jugendlichen wieder stärker vermittelt werden. futuristische, Welches Potenzial ruht darin für Ihre Region, die Lausitz, die vor einschneiden- den Veränderungen steht? Die Region ist durch klein- und mittelstän- dische Betriebe geprägt, wobei dort natür- lich eine Voraussetzung ist, dass man zu- sätzlich Industrie hat beziehungsweise hat- te, für die Handwerker als Dienstleister ge- braucht werden beziehungsweise wurden. Anstatt internationale For- schungseinrichtungen hochzuzüchten, wie es der erste Entwurf des Strukturstärkungs- gesetzes vorsieht, könnte man hier ja auch gezielt das traditionelle Handwerk fördern. Es würde gut zur Region um den Spree- wald passen, auch die Region Görlitz und Zittau war ja in der Vergangenheit sehr stark durch das Handwerk geprägt, insbe- sondere das Textilhandwerk. Die geogra- phische Lage an der polnischen Grenze bringt einige Schwierigkeiten mit sich, aber ja, diese Unternehmen, die in diesen struk- turschwachen Regionen vorhanden sind, die müssten wir jetzt entlasten und för- dern. Wie konkret? Indem man Bürokratie abbaut, steuerliche Sonderabschreibungen ermöglicht, Infra- struktur ausbaut. Man kann das sofort ma- chen, und das erhöht die Attraktivität sol- cher Arbeitsplätze, denn weniger Bürokra- tie ermöglicht den Unternehmen, höhere Gehälter zu zahlen. Wir kritisieren stark, dass bestehende Unternehmen in den gan- zen Überlegungen zum Strukturwandel keine Rolle spielen. Die Bedingungen für Neuansiedlun- gen werden intensiv diskutiert. 30 Jahre lang hat sich in Ostsachsen kein Großunternehmen angesiedelt. Warum sollte das jetzt geschehen? Bei uns ist seit 30 Jahren Strukturwandel, die Leute wan- dern nach wie vor ab. Neue Wertschöpfung schaffen wir auch nicht mit der Ansiedlung von Behörden, sondern nur mit dem Stär- ken bestehender Betriebe. Man kann au- ßerdem fragen, warum immer noch Beruf- schulen im ländlichen Raum schließen. Das richtet das Handwerk zu Grunde. Das Gespräch führte Kristina Pezzei. T Tino Chrupalla (43) ist stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion und vertritt den Wahlkreis Görlitz. Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper Die Zupackende: Astrid Grotelüschen Schmucklos steht ein Vorratsglas auf dem Schreibtisch. „Das bleibt diese Woche mal wieder leer“, lacht Astrid Grotelüschen. Die Abgeordnete aus dem Nordwesten wi- dersteht der Versuchung, es mit Süßigkeiten zu füllen – diese Woche; als Diplom-Ökotrophologin weiß sie um gesunde Ernährung, „ich versuche darauf zu achten“. Es ist Freitagvormittag, die 54-Jährige kommt vom Plenum, muss auch gleich wieder hin. Gegen Mitternacht wird sie zu- hause sein. Neben dem Glas steht ein Blumenstrauß, wie jeden zweiten Montag, an dem sie in Berlin ihr Büro betritt; den schickt ihr Mann. Die gebürtige Rheinländerin sitzt im Aus- schuss für Wirtschaft und Energie, der Bundestag verhandelt die Rückkehr der Meisterpflicht in zwölf Gewerken. „Es gab Qualitätseinbußen, auch weniger Verbraucherschutz“, sagt sie. Zum Beispiel bei den Fliesenlegern seien Meisterbetriebe durch den Gründungsboom, insbesondere von Soloselbständigen, ver- drängt worden. „Diese haben aber nur eine durchschnittliche Bestandsdauer von vier Jahren im Gegensatz zu den nachhaltig wirtschaftenden Meister-Handwerksbetrieben. Das ist zu ge- ring. Man will ja als Verbraucher langfristige Ansprechpartner haben.“ Gibt es nicht eh schon einen Fachkräftemangel? Wegen des Trends zum Abitur, der demografischen Entwicklung? „Es wur- den weniger Ausbildungsstellen angeboten“, erwidert Grote- lüschen. „In den zulassungsfreien Gewerken ging die Ausbil- dungsleistung drastisch und überproportional zurück.“ Einwän- de, eine Rückkehr von Meisterpflichten könnte die Integration behindern, überzeugen sie nicht: „Von allen Geflüchteten, die eine Ausbildung machen, macht jeder zweite eine im Hand- werk. Das ist sehr wichtig für das Land, dafür können wir dank- bar sein. Ich kenne im Wahlkreis viele positive Beispiele.“ Grotelüschen beackert ein Themenfeld, das nicht im öffentli- chen Rampenlicht steht. Es gibt Ressorts, die wirken mehr sexy. Aber: „Kleine und mittlere Unternehmen wirken stark in unsere ..................................................................................................................................................... l i e d e M m h c A / T B D © »Von allen Geflüchteten, die eine Ausbildung machen, macht jeder zweite eine im Handwerk. Das ist sehr wichtig für das Land.« Gesellschaft hinein. Das muss die Politik mehr in den Blick neh- men.“ Dies definiere ihren Antrieb: „Nicht nur mehr Wertschät- zung den Betrieben gegenüber, sondern auch zu fragen, was wir konkret für Betriebe tun können.“ Schließlich ist sie Vize- vorsitzende des Unterausschusses Regionale Wirtschaftspolitik und ERP-Wirtschaftspläne, auch solch ein kaum beachteter Acker, obwohl es um Milliardenbeträge geht. Grotelüschen schaut nun ernst. „Wir wollen mehr Gründungen in den ländli- chen Regionen.“ Grotelüschens Weg war nicht vorgezeichnet. Der Vater Elektro- meister, die Mutter Verkäuferin. „Meine Eltern hätten gern stu- diert, aber sie hatten viele Geschwister und die finanzielle Lage gab das nicht her.“ Sie studierte dann als erste in der Familie, jobbte unter anderem in einem vegetarischen Restaurant in Bonn. Dann die Heirat, der Umzug nach Niedersachsen und die Arbeit im Familienbetrieb ihrer Schwiegereltern, einer Brüterei. Irgendwann fiel die gebürtige Rheinländerin auf. „Ich wurde von der CDU gefragt, weil ich offen und kommunikativ bin, viel ehren- amtlich leistete.“ Grotelüschen trat erst mit 36 Jahren in die Partei ein. Wählte sie vorher CDU? Sie lächelt. „Ja, das ist vorgekom- men.“ 2009 drehte sie den Wahlkreis Delmenhorst-Wesermarsch- Oldenburg/Land, der vorher über Jahrzehnte hinweg in roter Hand gewesen war. Sie war eine Frau, Quereinsteigerin, Mutter dreier Kinder, galt als eine, die anpackt. Das überzeugte. Nur ein paar Monate später wagte sie einen Ausflug in die Lan- despolitik, der für sie jäh endete. Man ernannte sie zur Land- wirtschaftsministerin – doch nach acht Monaten trat sie zu- rück; es hatte Kritik bei Opposition und Tierschützern wegen ih- rer beruflichen Vergangenheit gegeben. 2013 dann das Come- back: Grotelüschen kandidierte wieder für den Bundestag – und holte erneut das Direktmandat. Angekommen fühlt sie sich im Parlament. „Was ich mache, erfüllt mich.“ Und ihr Mann muss viele Blumen schicken. Jan Rübel T