4 INNENPOLITIK Das Parlament - Nr. 8 - 18. Februar 2019 vor Es ist ein Satz, den viele Wirt- schaftsliberale Schreck wahrscheinlich zweimal lesen müssen: „Der Sozialstaat hat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine Bringschuld, nicht andersherum die Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Sozialstaat eine Holschuld.“ Er ist zu finden in dem neuen Sozialstaatskonzept der SPD, mit dem die Partei hofft, ihren seit Jahren dauernden Sinkflug bei Wahlen stoppen zu können und über das seit einer Woche das Land diskutiert. In Talkshows, aber auch im Bundestag. Doch bedeutet das tatsächlich eine Abkehr von den Zielen der großen So- zialstaatsreform der rot-grünen Bundesre- gierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Vom Prinzip des Förderns und For- derns? Dieses Prinzip seiner Agenda 2010 hatte Schröder 2001 unter anderem mit dem inzwischen legendären Satz „Es gibt kein Recht auf Faulheit“ begründet. Mit ihrem Sozialstaatskonzept wollen sich die Sozialdemokraten nun von vielem, wo- für die Hartz-Reformen und insbesondere das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) seit 2005 stehen, verabschieden: „Bürgergeld“ statt Hartz IV heißt nun die Devise. Seit 2005 haben die Beschäftigten ein Angstszenario im Hinterkopf: Wenn ich arbeitslos werde, und sei es nach 25 Jahren, lande ich nach einem Jahr in Hartz IV. Dieses Szenario hat seine Wir- kung auf den Arbeitsmarkt nicht verfehlt, ist mittlerweile aber auch zum Inbegriff für sozialen Abstieg geworden. Doch damit soll nach dem Willen der SPD nun Schluss sein. Das Arbeitslosengeld I, das sich in der Höhe am letzten Lohn orientiert, will sie künftig deutlich länger zahlen, vor allem, wenn Arbeitslose sich weiterqualifizieren. Muss man doch das „Bürgergeld“ (also Grundsicherung) beantragen, soll es künf- tig eine Schonfrist von zwei Jahren geben, in der weder das Ersparte aufgebraucht werden muss, noch ein Zwangsumzug aus einer zu großen Wohnung droht. Für Kin- der plant die SPD eine eigene Kinder- grundsicherung. Sanktionen sollen jedoch nur teilweise abgeschafft und der Regelsatz in der Grundsicherung auch nicht erhöht werden. immer Die Mängelliste Für Grüne und Linke sind dies jedoch neuralgische Punkte, wes- halb sie der SPD den Wechsel von Hartz IV zum Bürgergeld nicht ganz abnehmen wol- len, auch wenn sie einige der Forderungen in dem Papier durchaus unterstützen. Su- sanne Ferschl (Die Linke) warf der SPD vor, sich zur Regulierung des Arbeitsmark- tes überhaupt nicht zu äußern und da- durch an dem riesigen Niedriglohnsektor und Leiharbeit, „diesen Verfehlungen der Agenda 2010“ nichts zu ändern. Sven Leh- mann (Grüne) nannte es „völlig inakzepta- bel“, dass der seit Jahren politisch kleinge- rechnete Regelsatz nicht erhöht werden soll. Matthias Zimmer (CDU) lehnte die Idee, die Bürger hätten keine Bringschuld gegenüber dem Staat, komplett ab. Es kön- ne nicht sein, den Sozialstaat nur aus der Perspektive jener zu gestalten, die Leistun- gen in Anspruch nehmen. Man müsse auch an die denken, die ihn finanzierten, betonte Zimmer. Uwe Witt (AfD) und Pas- cal Kober (FDP) warfen der SPD ebenfalls vor, sich über die Finanzierung all ihrer KURZ NOTIERT AfD scheitert erneut mit Wahlvorschlägen Die AfD-Fraktion ist vergangene Woche im Bundestag erneut mit Wahlvorschlä- gen für die Besetzung von vier Gremien gescheitert. Dabei ging es unter ande- rem um das für die Etats der Nachrich- tendienste zuständige Vertrauensgremi- um sowie für das Kuratorium „Bundes- stiftung Magnus Hirschfeld“. Wie schon bei vorherigen Anläufen im vergangenen Jahr verfehlten die vorgeschlagen AfD- Abgeordneten jeweils die erforderliche Mehrheit. Bei der Wahl der Mitglieder des Beirates der Stiftung Datenschutz nahm das Parlament dagegen die Wahl- vorschläge von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen sowie der Fraktion Die Linke an. sto T Vorstöße gegen Rekrutierung Minderjähriger gescheitert von Linken Der Bundestag hat vergangene Woche Anträge und Grünen (19/475; 19/979) abgelehnt, mit dem sie erreichen wollten, dass die Bundeswehr keine Minderjährigen rekrutiert. Nach Ansicht der Antragsteller werde dadurch die Glaubwürdigkeit der diplomatischen Bemühungen Deutschlands auf interna- tionaler Ebene, den Einsatz von Minder- jährigen für bewaffnete Konflikte zu äch- ten, gefährdet. CDU/CSU, SPD, AfD und FDP lehnten die Anträge ab. che T Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper Absturzsicher? SOZIALSTAAT Die SPD will eine Abkehr von Hartz IV. Das lehnt die Union ab, genau wie eine bedingungslose Grundrente. Die Opposition hat eigene Rentenkonzepte Geht es nach der SPD, soll es nach einem Jobverlust künftig deutlich länger Arbeitslosengeld geben. © picture-alliance/Westend61 Pläne überhaupt keine Gedanken gemacht zu haben. Doch das wollte Katja Mast (SPD) nicht gelten lassen: „Sie reden nur über Geld und Zahlen und nicht über Würde und Lebensleistung“, warf sie der FDP vor. Es sei scheinheilig, wenn die Li- beralen Ausgaben für den Sozialstaat als unfinanzierbar zurückweisen, gleichzeitig aber Steuergeschenke für Superreiche for- derten, so Mast. Viele Ideen für die Rente Die sozialpoli- tische Debatte der vergangenen Woche en- dete aber nicht beim Bürgergeld. Es gab ja schließlich auch noch die Grundrente („Respekt-Rente“) von Bundesarbeitsmi- nister Hubertus Heil (SPD). Mit ihr will der Minister, sofern sie 35 Jahre in die Ren- tenkasse eingezahlt haben, die Renten von Geringverdienern so aufstocken, dass sie mehr Geld als die Grundsicherung im Al- ter zur Verfügung haben. Dabei will Heil auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten und macht auch keinen Unterschied zwi- schen Vollzeit- und Teilzeittätigkeit, was Union, FDP und AfD als ungerecht und Politik mit der Gießkanne ablehnen. Die FDP hat als Antwort darauf nun einen Antrag (19/7694) für eine Basis-Rente vor- gelegt, bei der 20 Prozent der Ansprüche aus der gesetzlichen Rente nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wer- den sollen. Die AfD-Fraktion fordert ähnli- ches (19/7724), will aber nur 15 Prozent anrechnungsfrei stellen. Bei den anderen Fraktionen ernteten beide Vorschläge ver- gangene Woche nur wenig Begeisterung. Kai Whittaker (CDU) bezeichnete den FDP-Antrag als „wenig durchdacht“, beton- te aber, dass die Koalition das Projekt Grundrente in diesem Jahr umsetzen wer- de. Johannes Vogel (FDP) war sich sicher, dass Menschen, die lange gearbeitet haben, mit der Basis-Rente mehr Geld bekämen als nach dem Modell der Grundrente. Mar- kus Kurth (Grüne) warb für die Idee der Garantie-Rente, für die schon 30 Beitrags- jahre ausreichen würden. Matthias Birk- wald (Die Linke) lobte dagegen das Modell der Rente nach Mindestentgeldpunkten als viel wirkungsvoller im Kampf gegen Alters- armut. Bis zum Sommer soll nun ein aus- gearbeiteter Vorschlag aus dem Arbeitsmi- nisterium vorliegen. Claudia Heine T Streit um Digitalpolitik IT-SICHERHEIT Opposition hält Regierung Versäumnisse vor Die Opposition im Bundestag dringt auf eine stärkeren Schutz der IT-Sicherheit in Deutschland. Bei der ersten Debatte über entsprechende Anträge der FDP (19/7698), Linken (19/7705) und AfD (19/7698) war- fen Redner der vier Oppositionsfraktionen der Bundesregierung am Freitag schwere Versäumnisse in diesem Bereich vor. Koali- tionsvertreter wiesen dagegen die Kritik an der Digitalpolitik der Regierung zurück. Manuel Höferlin (FDP) nannte die IT-Si- cherheit die „Achillesferse des Informati- onszeitalters“. Die Bundesregierung ver- nachlässige jedoch die IT-Sicherheit nicht nur, sondern handele „in der Sache sogar schädlich“. So müssten unter anderem Si- cherheitslücken geschlossen werden, statt sie für eigene Zwecke wie den „Staatstroja- ner“ offen zu halten. Auch müsse das Bun- desamt für Sicherheit in der Informations- technik (BSI) aus dem Bundesinnenminis- terium herausgelöst werden, fügte Höferlin hinzu und warb für die Einrichtung eines Digitalministeriums. Uwe Schulz (AfD) verwies darauf, dass der Antrag seiner Fraktion den Fokus auf das künftige 5G-Netz lege. Hier müsse die Po- litik einen sicheren Netzaufbau gewährleis- ten. Dabei sei der chinesische Netzwerklie- ferant Huawei, „zur Zusammenarbeit mit dem dortigen Geheimdienst verpflichtet“, eine „große Gefahr für die 5G-Sicherheit“. Die Bundesregierung hoffe jedoch nur, dass die deutschen Netzbetreiber freiwillig auf Huawei als Ausrüster verzichten. Hoff- nung sei aber „keine Strategie“. Auch André Hahn (Linke) warnte, der Ein- satz von Huawei-Technik beim 5G-Netz berge ohne Zweifel Risiken. Er klagte zu- gleich, Deutschland sei offensichtlich nicht ausreichend gegen die Gefahren der digita- len Welt gerüstet. Notwendig sei eine über- zeugende Strategie, kritische Infrastruktur und die Daten der Bürger besser zu schüt- zen. Dafür müsse das BSI eine eigenständi- ge Institution werden. Konstantin von Notz (Grüne) plädierte ebenfalls für ein unabhängiges BSI. Er kri- tisierte, bei der IT-Sicherheit brenne in Deutschland „die Hütte lichterloh“. Die Bi- lanz der Großen Koalition sei hier „verhee- rend“. Wenn man etwa „gigantische Daten- berge“ durch die Vorratsdatenspeicherung schaffe, sei man „nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“. Christoph Bernstiel (CDU) verteidigte die Regierung gegen den Vorwurf der Untätig- keit. So werde das „IT-Sicherheitsgesetz 2.0“ noch 2019 in das Parlament einge- bracht, das einen „entscheidenden Beitrag“ zur Verbesserung der IT-Infrastruktur leiste. Auch hätten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Verteidigungsministe- rin Ursula von der Leyen (CDU) jüngst die neue „Agentur für Cybersicherheit“ ins Le- ben gerufen. Sebastian Hartmann (SPD) sagte, seine Partei wolle, dass alle vom digitalen Fort- schritt profitieren. Daher rücke die Regie- rungskoalition vor allem „den Verbrau- cherschutz in den Mittelpunkt des zukünf- tigen Tuns eines starken BSI“. sto T Geheimnisse schützen RECHT Grüne und Linke fordern Rechte für Hinweisgeber Mit zwei Anträgen zur Nachbesserung des Entwurfs des Geschäftsgeheimnisgesetzes (19/4724) beschäftigte sich der Bundestag am vergangenen Freitag. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke fordern in ihren Anträgen (19/7453, 19/7704) die grundle- gende Überarbeitung des Entwurfs, mit dem die EU-Richtlinie zum Schutz von Ge- schäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung umgesetzt werden soll. Laut Bundesregierung reicht das deutsche Recht bislang für eine Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/943 nicht aus. Die Anträge beziehen sich auf eine öffent- liche Anhörung des Rechtsausschusses vor zwei Monaten, in der die Mängel der Vor- lage deutlich geworden seien. Beide Frak- tionen fordern einen verbesserten Schutz für Arbeitnehmer, Journalisten, Hinweisge- ber und Wirtschaft. Essenziell dafür sei die Wahrung der individuellen und kollekti- ven Rechte der Arbeitnehmer, der Schutz der Medienfreiheit und von Hinweisge- bern, schreiben die Grünen in ihrem An- trag. Nach dem Willen der Linken soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine klar definierte Bereichsausnahme vorsieht. Über den Gesetzentwurf hinaus sei ein umfassendes Whistleblower-Schutzgesetz nötig. In der Debatte warf Manuela Rottmann (Grüne) der Bundesregierung vor, mit dem Gesetzentwurf eine gute Vorlage aus Brüs- sel „versemmelt“ zu haben. An der EU- Richtlinie gebe es nichts auszusetzen, die Umsetzung im Justizministerium sei dage- gen „ein Desaster“. Justizministerin Katari- na Barley (SPD) habe europäisches Recht „national verkorkst“. Niema Movassat (Lin- ke) sagte, der Entwurf schütze einseitig die Interessen der Arbeitgeber zulasten der Ar- beitnehmer und gefährde investigativen Journalismus. Die Redner von AfD und FDP kritisierten den Gesetzentwurf eben- falls. Für die Koalitionsfraktionen verteidigten Ingmar Jung (CDU) und Nina Scheer (SPD) die Vorlage. Sie halte sich an die EU- Richtlinie, diene dem Schutz innovativer Unternehmen und enthalte klare Verbesse- rungen für Hinweisgeber, sagte Jung. Wie der Unionsabgeordnete setzt auch Scheer auf weitere Gespräche im Rechtsausschuss. Seit der Anhörung im Dezember sei man ein gutes Stück vorangekommen, sagte Scheer, die auf eine weitere EU-Richtlinie verwies, mit der Hinweisgeber besser ge- schützt werden sollen. Michael Wojtek Noch einmal etwas genauer Gemischtes Echo AMRI-UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS Versuch, das Scheitern zu erklären ASYL Scharfe Kontroverse nach CDU-Werkstattgesprächen Ein Leben im Polizeidienst. Drei Jahrzehn- te zielstrebiger Aufstieg. Zum Leitenden Kriminaldirektor hat der Zeuge es mittler- weile gebracht, Führungsfunktionen in sensiblen Bereichen des Staatsschutzes aus- geübt, an brisanten Operationen mitge- wirkt. In der vorigen Woche saß Axel B. vor dem 1. Untersuchungsausschuss und sollte über sein Scheitern Auskunft geben. Anders lässt es sich ja kaum nennen, wenn einer fast sechs Jahre lang, von Juni 2011 bis zum April 2017, beim Berliner Landes- kriminalamt das Dezernat zur Bekämpfung des Islamismus leitet und in seiner Stadt den bislang opferreichsten radikalislami- schen Terroranschlag in Deutschland nicht verhindert. Er sei darüber, sagte der Zeuge, nach wie vor „tief erschüttert“. Die Bevöl- kerung zu schützen, dem Kernauftrag sei- ner Behörde gerecht zu werden: „Am 19. Dezember 2016 ist uns, mir, das nicht gelungen.“ Er, der Zeuge, fühle dafür eine „persönliche moralische Verantwortung“. Nach der langen Reihe ehemaliger Mitar- beiter von Erstaufnahmeeinrichtungen, die an einen Asylbewerber namens Anis Amri keinerlei persönliche Erinnerung mehr be- sitzen, und von Staatsanwälten, die den Ausschuss mit Berichten über Amris Kin- kerlitzchen-Delikte unterhielten, konnte dieser Auftritt die Abgeordneten wieder an die Gewichtigkeit dessen erinnern, was sie hier zusammengeführt hat. Man hat nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz dem Berliner LKA eine Serie von Pannen und Versäumnissen im Umgang mit dem späteren Attentäter Amri angekreidet. Der Sonderermittler Bruno Jost, der aus Berli- ner Sicht die Vorgeschichte aufzuarbeiten hatte, sprach von „katastrophalen Zustän- den“ in der Behörde. Das würde der Zeuge vermutlich anders formulieren. Ja gewiss, es sei nicht alles gut fünf ter. Dass das Berliner LKA im Zuge einer Terrorermittlung erstmals im Spätherbst 2015 mit Personen aus dem Umfeld Amris zu tun hatte zum Beispiel. Damals gab es eine „BAO“, eine „Besondere Aufbauorga- nisation“ mit dem Codenamen „Filter“, die nach den Terrorattacken am 13. No- vember in Paris insgesamt 177 Hinweise auswertete. Am 26. November 2015 sei hier aus dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) der deutschen Sicherheitsbehör- den eine Information über ein angeblich geplantes Sprengstoffattentat in Dortmund eingegangen. Hauptverdächtig waren Bilal ben Ammar, ein Kumpel Amris, sowie Ka- mel A., in dessen Berliner Wohnung Amri vor dem Anschlag nächtigte. Drei Personen seien festgenommen, Immobilien durchsucht worden, doch Sprengstoff fand sich nicht. Dafür bei Bilal ben Ammar ein Busfahrschein. Der Mann gab an, er wolle nach Düsseldorf, um „seinen Freund Anis zu treffen“. Auch über dessen erste Begegnung mit der Berliner Polizei Mitte Februar 2016 auf dem Zentralen Omnibusbahnhof, nach ei- nem Hinweis des LKA aus Nordrhein-West- falen, weiß der Ausschuss nun Genaueres. Die Beamten hätten Amri zur Klärung sei- ner Personalien auf eine nahegelegene Po- lizeiwache gebracht. Da auf die Schnelle keine Observationsgruppe bereit stand, sei Amri bis zum Nachmittag beim LKA fest- gehalten worden, von wo ihn sein erster Weg zur Moabiter Fussilet-Moschee geführt habe. Am folgenden Tag sei dort deswegen eine Überwachungskamera installiert wor- den, die in Betrieb blieb, bis sie im Februar 2017 geschlossen wurde. Verstimmt seien freilich die Kollegen in NRW gewesen, die sich diskreteres Verfahren gewünscht hätten. Winfried Dolderer T Die „Werkstattgespräche“ der CDU zur Asylpolitik sind vergangene Woche im Bundestag bei den Oppositionsfraktionen auf ein gemischtes Echo gestoßen. Beatrix von Storch (AfD) warf in einer von ihrer Fraktion beantragten Aktuellen Stunde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein „Asyldesaster“ vor. Es sei eine späte Ein- sicht der Union, dass sich der Herbst 2015 nicht wiederholen dürfe. Jetzt formulierte Vorschläge der CDU seien „AfD pur“, hät- ten aber keine Konsequenzen, weil Merkel ihre Richtung nicht ändere. Zudem wür- den SPD und Grüne als Koalitionspartner beziehungsweise „Wunsch-Koalitionspart- ner“ der CDU diese Vorschläge „niemals mittragen“. Detlef Seif (CDU) verwies darauf, dass seit 2015 in der Asylpolitik „unwahrscheinlich viel auf den Weg gebracht“ worden sei. Gleichwohl seien weitere Maßnahmen er- forderlich. Ein wichtiger Punkt sei, bereits i l a p d / d e f t e N y a K / / e c n a i l l a - e r u t c i p © CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer vergangene Woche auf dem von ihr initiierten „Werkstattgespräch“ der Partei an den Außengrenzen in Transitzentren und Hotspots „eine abschließende Prüfung zu vollziehen“. Auch fehlten Abschiebe- haftplätze, und die Vorschriften zur Aus- weisung straffälliger Ausländer wolle man weiter verschärfen. Lars Castellucci (SPD) sagte, es sei „völlig unbenommen, dass die CDU Dinge berät“. Für die SPD zähle indessen der Koalitions- vertrag. Er verwies zugleich darauf, dass es in diesem Jahr 68 Millionen Flüchtlinge gebe nach 65 Millionen im Jahr 2015. „Es ist unsere Verantwortung, dass wir weltweit an Bedingungen arbeiten, damit sich die- ses Jahr 2015 nicht wiederholt“, mahnte er. Linda Teuteberg (FDP) monierte, viele „vernünftige Dinge“, über die die CDU weiter beraten wolle, hätten im Bundestag längst beschlossen werden können. Zu- gleich hielt sie der Union vor, in der Frage der asylrechtlich sicheren Herkunftsstaaten „im entscheidenden Moment“ nachzuge- ben. Der „Neuanfang“ der Union werde so zum „kapitalen Fehlstart“. Der Bundestags- beschluss zur Einstufung Algeriens, Marok- kos, Tunesiens und Georgiens als sichere Herkunftsstaaten wurde im Bundesrat am Freitag von der Tagesordnung abgesetzt. Ulla Jelpke (Linke) attestierte Union und AfD einen „Wettbewerb um die Schäbig- keit“. Im „Werkstattpapier“ der CDU werde einseitig auf Repression gesetzt. Relevanter sei indes ein Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium. Danach solle et- wa Abschiebehaft „exzessiv ausgeweitet“ werden. Filiz Polat (Grüne) kritisierte, Abschre- ckung und Abschottung blieben die „Grundpfeiler“ der Flüchtlingspolitik der Union. Mit dem Referentenentwurf gieße die Union „ihren Angriff auf die Zivilge- sellschaft“ sowie auf Flüchtlinge und Ge- duldete in Gesetzesform. sto T a p d / e c n a i l l a - e r u t c i p © Der Ausschuss-Vorsitzende Armin Schuster (CDU). gelaufen, es habe Entscheidungen gegeben, die waren „schlicht und einfach falsch“. Dies gelte insbesondere für das Versäum- nis, Amri nicht bei Zeiten wegen gewerbs- mäßigen Drogenhandels dingfest gemacht zu haben, wozu es „rückblickend betrach- tet mehr Möglichkeiten“ gegeben hätte. Schmerzhaftes Gesamtbild Dass seiner Behörde indes nicht durchweg Recht ge- schehen sei, das deutlich zu machen lag dem Zeugen auch „persönlich am Herzen“. Er habe damals mit „hoch engagierten Kol- legen zusammengearbeitet, deren „Profes- sionalität“ er zu schätzen wisse. Umso mehr schmerze es ihn, dass in der Bericht- erstattung ein „Gesamtbild des Dilettantis- mus“ entstanden sei. Was der Ausschuss erfuhr, war das im We- sentlichen Bekannte, nur etwas detaillier-