2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 26-27 - 22. Juni 2020 GASTKOMMENTARE MEHRWERTSTEUERSENKUNG ENTFRISTEN? Gerechtere Belastung PRO Die Mehrwertsteuer ist ungerecht. Sie R D W / s h c a S y b r e H © Ulrike Herrmann, »die tageszeitung«, Berlin e k c e d ü L _ s a h t t a M © i Manfred Schäfers »Frankfurter Zeitung« Allgemeine Passt nicht CONTRA Endlich kann man ohne schlechtes Gewis- trifft vor allem Menschen, die wenig Einkommen haben, weil sie ihr ge- samtes Geld notgedrungen verbrau- chen müssen. Wohlhabende hingegen zahlen rela- tiv gesehen eher wenig Mehrwertsteuer, weil sie einen großen Teil ihrer Einkommen sparen können. Es ist also ein Fortschritt, dass die Mehrwertsteuer jetzt für ein halbes Jahr um zwei bis drei Prozent- punkte gesenkt wird, um die Corona-Krise zu be- kämpfen und die Konjunktur wieder anzukurbeln. Allerdings ist diese Maßnahme sehr teuer: Es kos- tet den Staat 20 Milliarden Euro, die Mehrwert- steuer für sechs Monate zu reduzieren. Die Mehrwertsteuer lässt sich daher dauerhaft nur senken, wenn der Staat gleichzeitig neue Geld- quellen auftut. Fair wäre es, die Wohlhabenden und Vermögenden wieder stärker heranzuziehen. Denn in den vergangenen Jahrzehnten ging es höchst ungerecht zu: Mehrmals stiegen die indi- rekten Verbrauchssteuern, die die unteren Schich- ten besonders drücken, während die Spitzenver- diener gleichzeitig bei den direkten Einkommens- und Vermögenssteuern entlastet wurden. Ein besonders markantes Beispiel: Zwischen 2000 und 2005 wurde der Spitzensatz bei der Einkom- menssteuer von 53 auf 42 Prozent gesenkt, wovon – der Name sagt es – allein die Spitzenverdiener profitierten. Weil anschließend Milliarden in den Staatskassen fehlten, wurde 2007 die reguläre Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht. Die Reichen hatten den Nutzen, die Armen zahlten. Es wäre keine Revolution, die Einkommenssteuern anzuheben und die Mehrwertsteuer zu senken. Es wäre nur eine Rückkehr in die Ära Kohl. Wie jeder weiß, war der CDU-Kanzler kein Sozialist. Trotz- dem war Deutschland damals gerechter. sen konsumieren – und dabei sogar noch Geld sparen. Nachdem das Corona-Virus weite Bereiche des Wirtschaftslebens ge- lähmt hat, senkt die Koalition die Mehrwertsteuer für sechs Monate. Das ist mit fast 20 Milliarden Euro die teuerste Einzelmaßnahme aus dem Kon- junkturpaket. Damit die Länder die Sache nicht blockieren, übernimmt der Bund die Ausfälle kom- plett auf seine Rechnung. Unternehmen, die wie- der mehr absetzen, können die Kurzarbeit zurück- fahren und ihre Mitarbeiter dauerhaft halten. Ein- kaufen wird nun zur ersten Bürgerpflicht. Klagen über Konsumterror sind fehl am Platz. Ziel ist ein Nachfrageschub, um die Konjunktur zu beflügeln. Zum Konzept gehört die Befristung, der Anreiz, zü- gig zu handeln, rasch ein schickes Auto oder eine neue Küche zu kaufen. Die Leute dürfen nicht lan- ge überlegen, ob sie in den unsicheren Zeiten gro- ße Anschaffungen tätigen wollen, sie sollen quasi vom Steuerspartrieb überwältigt zuschlagen. Eine der Mehrwertsteuersenkung passt dazu nicht, da hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) völlig recht. Hinzu kommt, dass die Staatsfinanzen es nicht erlauben, ewig so weiter zu wirtschaften, als gäbe es kein Morgen. Zur un- angenehmen Wirklichkeit gehört, dass das Defizit im Bundeshaushalt möglichst bald wieder herun- tergefahren werden muss. Das gelingt am besten, wenn die Wirtschaft dauerhaft wächst. Dazu muss man die Anreize für Mehrarbeit und Investitionen stärken. Sollte es Spielräume für weitere Entlas- tungen geben, wäre es daher besser, den Solidari- tätszuschlag komplett abzuschaffen, die Einkom- mensteuer zu entschärfen und die Lasten für Kapi- talgesellschaften zu senken. Entfristung Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30)2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Jörg Biallas (jbi) Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Verantwortliche Redakteure Claudia Heine (che) Claus Peter Kosfeld (pk) Hans-Jürgen Leersch (hle) Johanna Metz (joh) Kristina Pezzei (pez) Sören Christian Reimer (scr) CvD Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Abonnement Jahresabonnement 25,80 €; für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 € (im Ausland zuzüglich Versandkosten) Alle Preise inkl. 7% MwSt. Kündigung jeweils drei Wochen vor Ablauf des Berechnungszeitraums. 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Es wird um 300 Milliarden Nettoneuver- schuldung gehen, ungefähr drei Viertel ei- nes Jahreshaushaltes des Bundes. Man wür- de diese Höhe etwas anders beurteilen, wenn das Programm wenigstens zielgenau wäre und für die Wiederbelebung der Wirt- schaft angemessen wirken würde. Aber bei- des ist nach meiner und unserer Erkennt- nis nicht der Fall. Größter Posten ist die Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020, die den privaten Konsum anregen soll. Erwarten Sie, dass das funktioniert? Nein, diese Vorgehensweise ist völlig miss- lungen. Zunächst darf man skeptisch sein, inwieweit die Umsatzsteuersenkung über- haupt weitergegeben wird. Damit ist schon der Leitgedanke nicht erfüllt. Dann der Zeitraum von einem halben Jahr, ein Büro- kratiemonster. Ich habe mit vielen Steuer- beratern geredet, die mir erzählt haben, was sie gerade Tag und Nacht machen. Sie versuchen in den Unternehmen jetzt alles umzustellen, und gegen Ende des Jahres müssen sie wieder alles umstellen. Auch der Zeitpunkt ergibt keinen Sinn. Jetzt geht es nicht um Impulse für die Nachfrage, jetzt geht es um die Wiederauferstehung und die Gesundung von scheintoten oder kranken Unternehmen – und dazu trägt die Mehrwertsteuersenkung für diese kurze Zeit überhaupt nicht nennenswert bei. Ein weiterer großer Posten in dem vorliegenden Paket ist der einmalige Kin- derbonus von 300 Euro für jedes Kind. Er soll, neben der Stärkung der Kaufkraft, auch eine Anerkennung für die Be- schwernisse sein, die Eltern wegen der geschlossenen Schulen und Betreuungs- einrichtungen hatten. Können Sie sich damit anfreunden? Sie sehen schon an der Prädikatisierung „Anerkennung für Eltern“, das ist so wie die Anerkennungsrente eigentlich PR, man könnte auch Populismus sagen. Da geht es um die Verbreitung guter Stimmung der Art: Wir in der Regierung denken an euch. Zum Ziel dieser ganzen Aktivität, nämlich die Wirtschaft wieder anzukurbeln, Ar- beitsplätze zu erhalten, die Unternehmen stark zu machen, trägt das nichts bei. Dazu sind die Beträge viel zu niedrig. Mir liegen weiß Gott Familien mit Kindern sehr am Herzen, ich habe selber vier, und wir ha- ben als AfD ein Verhältnis zum Thema Ge- nerationen und Familien, das von keiner anderen Partei zu übertreffen ist. Aber die- se Maßnahme hat in dem Kontext, um den es jetzt geht, die Wirtschaftsbelebung, eine marginale bis gar keine Wirkung. Gilt das auch für den Steuerfreibe- trag für Alleinerziehende, der für dieses und das nächste Jahr auf gut das Doppel- te steigen soll? Das ist in der Tat das Gleiche. Auch das ist zeitlich befristet. Da sehen Sie, dass es wirklich sehr ums Publikum und die Gale- rie geht. Wenn die Entlastung für die Al- leinerziehenden eine strukturelle Frage ist, die man angehen muss, dann muss man das dauerhaft machen und damit dieser Lebenssituation Rechnung tragen. Aber jetzt als ein Art Platzpatrone das zeitlich begrenzt zu machen, entlarvt sich selber als Populismus und nicht als Maßnahme zur Wiederankurbelung der Wirtschaft. Einige Maßnahmen sollen direkt Un- ternehmen helfen. So sollen sie bei der Steuer Verluste in diesem Jahr besser mit Gewinnen aus früheren Jahren verrech- nen können, außerdem sollen sie Investi- tionen besser abschreiben können. Wür- den Sie das als hilfreich bezeichnen? »Es ergibt keinen Sinn« ALBRECHT GLASER Für den AfD-Finanzexperten ist die Mehrwertsteuersenkung nicht zielführend higer zu machen. Vorgesehen ist eine deutlich höhere steuerliche Forschungs- förderung. Entspricht die Ihren Vorstel- lungen? Wir haben bereits das Gesetz zur steuerli- chen Forschungsförderung, das am 1. Janu- ar 2020 in Kraft getreten ist, stets positiv begleitet. Man hat damals zurecht die Fra- ge diskutiert: Machen wir es mit einer eige- nen Agentur, die testiert, ob die einzelne Maßnahme im Unternehmen förderungs- würdig ist, oder wäre es nicht sehr viel in- telligenter, bei den Gewinnsteuern etwas zu tun, also die Spielräume für die Unter- nehmen zu erhöhen, damit sie unter ih- rem eigenen wirtschaftlichen Dach ihre Schwerpunkte stärker in Forschung und Entwicklung lenken. Das wäre der viel in- telligentere und bürokratisch sehr viel ein- fachere Weg gewesen. Sie stehen bei dem, was wir jetzt machen, bei der EU als Bitt- steller, ob wir gegen das Beihilfeverbot ver- stoßen, und ich kann Ihnen mitteilen: Bis zu dieser Stunde gibt es noch keine Geneh- migung von der EU, dass wir das über- haupt dürfen. Das heißt, das hängt alles und wird gar nicht kurzfristig wirksam sein. Zum deutschen Konjunkturpaket wer- den noch die Maßnahmen der EU kom- men, um die derzeit gerungen wird. Be- fürchten Sie, dass Deutschland am Ende überfordert sein könnte? Was die EU jetzt macht, hat eine Rückwir- kung auf den deutschen Haushalt. Wir hat- ten 2017, 2018 unter 20 Milliarden Euro an EU-Umlage. Die wird bis über 50 Milli- arden Euro steigen. Das Geld fließt aber ab in andere Volkswirtschaften und nicht in die deutsche. Wo soll da ein Belebungsef- fekt für die deutsche Wirtschaft sein? Da werden uns dauerhaft Lasten aufgebürdet, so dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie man jemals wieder zu einem ausgegli- chenen Haushalt kommen kann. Zumindest steht Deutschland mit sei- ner Finanzkraft im internationalen Ver- leich gut da. Wir haben entgegen dem, was der Finanz- minister immer sagt, mitnichten gut ge- wirtschaftet. Denn wir sind in der Finanz- krise auf die gesamtstaatliche Rekordver- schuldung von über zwei Billionen Euro gekommen, und wir sind dort noch im- mer. Es sind nahezu null Schulden getilgt worden in den letzten zehn Jahren. Ledig- lich der Quotient, also das Verhältnis von gesamtstaatlichen Schulden zum Bruttoin- landsprodukt hat sich verbessert, von 80 auf 60 Prozent. Nur davon spricht der Fi- nanzminister. Gemessen an Ländern wie Italien und Frankreich stehen wir damit et- was besser da. Aber von einer Ausstattung Deutschlands, um ein solches Paket zu schultern, kann nicht die Rede sein. Vor al- len Dingen: Die meisten Mittel sollen zum innerstaatlichen Ausgleich verwendet wer- den. Der Bund will den Gemeinden einen Teil der Gewerbesteuerausfälle ersetzen, will den Ländern einen Teil der Umsatz- All- steuerausfälle machtsphantasie entbehrt eigentlich jeder finanzwirtschaftlichen Grundlage. Und vor allem: Sie entfaltet keine Wirkung für eine wirtschaftliche Belebung. ersetzen. Diese Das Gespräch führte Peter Stützle. T Albrecht Glaser gehört dem Bundestag seit 2017 an, ist finanzpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion und Obmann im Finanzausschuss. © picture-alliance/Ulrich Baumgarten quidität der Unternehmen, und zwar ganz zielgenau im Kontakt mit der Finanzver- waltung, die das kann, ohne Umlenkung über die KfW oder sonstige Zuteilungs- Administrationen. Man hätte es nur grö- ßer machen müssen. Die eingezogene Grenze von fünf beziehungsweise zehn Millionen Euro ist für viele größere Unter- nehmen zu niedrig. Die Bundesregierung hat den An- spruch, mit ihrem Konjunkturpaket die deutsche Wirtschaft zugleich zukunftsfä- Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper Diese Maßnahmen sind richtig und wer- den von uns nachhaltig begrüßt. Wir ha- ben vor Wochen, als das erste Corona- Steuerpaket durch den Finanzausschuss ging, genau diese Maßnahmen vorge- schlagen. Ein Elf-Punkte-Programm mit vielen Punkten, die Sie jetzt im Programm der Bundesregierung finden. Das ging, wie es häufig ist mit dieser eingeschränkten Diskussion und eingeschränkten Offen- heit im Finanzausschuss, wir konnten es nicht durchsetzen. Das ändert nichts da- ran: Das ist unmittelbare Hilfe für die Li- PARLAMENTARISCHES PROFIL Der Humorvolle: Matthias Hauer A m Tag zuvor hat Matthias Hauer den Plenarsaal ab- geschlossen. So nennt er es, weil er die letzte Rede des Sitzungstages gehalten hat, um 20:20 Uhr war er zu Ende. Hauer, 42, CDU-Abgeordneter aus Essen, bevorzugt eine dezente Portion Humor in seinen Worten. Die Regierungserklärung Angela Merkels, von der er gerade kommt? „Ihre Reden nehmen einen immer mehr mit.“ Und als er mal bei einer eigenen Rede im Plenarsaal umfiel, im Novem- ber 2019? „Meinen ersten Krankenhausaufenthalt in meinem Leben habe ich mir weniger spektakulär vorgestellt.“ Damals war viel zusammengekommen, eine Parlamentarierrei- se nach Südamerika, danach Bahnfahrt, wenig Schlaf und dann Rückenprobleme, weswegen er kurz zuvor die Parlamentsärztin aufgesucht hatte. „Seitdem trinke ich mehr Wasser vor einer Rede“, lacht er. Ernährt sich bewusster und geht zwei, drei Mal in der Woche frühmorgens Schwimmen; seit Corona halt Jog- gen. Der rote Balken auf seiner Smartwatch, auch eine Folge des Schwächeanfalls, signalisiert ihm: Ein Viertel seines tägli- chen Bewegungsziels hat er erreicht. Es ist 9:47 Uhr, in der Ca- feteria des Bundestags nimmt er einen Schluck Kaffee. Es ist die Woche der ersten Beratung vom „Corona-Konjunkturpaket“ – 130 Milliarden Euro auf 57 Punkte verteilt. Was sagt der Fach- anwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht dazu? „Ich war erst- mal überrascht, dass so viele gute Themen gelöst wurden“, sagt er. Hauer sitzt im Finanzausschuss und im Ausschuss Digi- tale Agenda. „Oft gibt es ja eher kleine Lösungen für große Themen, aber hier sind viele über ihren Schatten gesprungen.“ Am wichtigsten sei ihm die Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben, „das klingt nicht schlagzeilenträchtig, aber da- mit fängt eine Gestaltungsfähigkeit erst an – und Städte müs- sen investieren können.“ Hauer kennt die Probleme von Städten. Die Kommunen des Ruhrgebiets gelten nicht als die Krösusse unter Deutschlands Städten. Für Hauer ist diese Entlastung „eine Frage der Gerech- ..................................................................................................................................................... l i e d e M m h c A / T B D © »Oft gibt es ja eher kleine Lösungen für große Themen, aber hier sind viele über ihren Schatten gesprungen.« tigkeit“. Die Einschränkung der Mehrwertsteuer begrüßt er („Geringere Preise fördern Konsum“) ebenso wie die kalte Schulter gegenüber der Autoindustrie und ihrer Forderung nach einer Kaufprämie („Wir müssen jetzt vielen Branchen helfen“). Mit 15 Jahren trat er in die Junge Union ein. Seitdem macht er Politik, seit 2013 professionell, als er den Wahlkreis als alte Bank der SPD für sich entschied. Es war das einzige Direktman- dat der CDU im Ruhrgebiet. „Das verleiht meinem Amt nicht mehr Gewicht und macht mich auch nicht besser“, wehrt er mit Blick auf seine Kollegen ab, die über die Liste in den Bundestag eingezogen sind. Hauer ist nicht von kleiner Statur, macht sich aber nicht größer, als er ist. Im Bundestag fehlte er bei keiner Sitzung, meldete sich nicht krank – bis zum November 2019. Der Umfaller am Rednerpult machte ihn bundesweit bekannt. „Ich würde mir wünschen, dass die Hintergrundarbeit an Ge- setzen eine stärkere Beachtung findet“, sagt er dazu. Im öffent- lichen Interesse für Spektakuläres erkenne er indes keinen jün- geren Trend. „In der Corona-Krise sah man das Vertrauen in den Staat“, sagt er, „das ist eine erfreuliche Tendenz“. Weniger staatstragend gibt er sich auf Twitter. Da sieht er mit- unter ein „Verhunzen der deutschen Sprache“, wenn jemand „Steuerzahler*innen“ sagt. „Bürger haben Anspruch auf eine klare Ansprache, Politik muss unterscheidbar sein“, sagt er da- zu. In der Großen Koalition tue Disziplin not, nicht alles könne man in der eigenen Fraktion durchsetzen, und die nicht alles im Bündnis mit dem Regierungspartner. „Dann kann man ja sa- gen, wie man es selber gemacht hätte, ohne Koalitionszwang“, sagt er mit Blick auf sein Engagement in den Sozialen Medien. Gewisse Unabhängigkeiten bewahrt er sich auch im Plenarsaal. Er stimmte für die Ehe für Alle, aber gegen das dritte Griechen- land-Paket. Der rote Balken auf seiner Uhr leuchtet auf. Bewe- gung ist angesagt. Hauer steht auf, für einen Anruf. Und geht nach draußen. Jan Rübel T