2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 2-3 - 06. Januar 2020 GASTKOMMENTARE SOLL ES BEWEISUMKEHR BEI RESTITUTION GEBEN? Wichtiges Signal PRO Die Kolonisierung und der Wettlauf der Herr von Holtz, Sie sind in Namibia, ehemals Deutsch-Südwestafrika, geboren und aufgewachsen und 1984 nach Deutschland ausgewandert, um dem Wehrdienst bei der südafrikanischen Be- satzungsmacht zu entgehen. In Ihrem Büro hängt eine übergroße Afrika-Land- karte. Wie eng sind Ihre Bindungen zu Ihrem Geburtsland heute? Meine Herkunft kann ich nicht verleugnen, auch wenn sie mir nicht sofort anzusehen ist. Ich habe viel Afrika in meinem Blut und meinem Wesen und bin oft dort, um Verwandte und Freunde zu besuchen. Welche Spuren hat die deutsche Kolo- nialzeit von 1884 bis 1915 in Namibia hinterlassen? Viele Gebäude, Straßen und Orte tragen deutsche Namen und es gibt eine große Zahl an deutschsprachigen Namibiern, die in vierter Generation im Land leben. Im öffentlichen Bewusstsein war die südafrika- nische Kolonialzeit, die von 1920 bis 1990 andauerte, aber lange das viel größere The- ma. Das hat sich geändert, nachdem diese Epoche weitgehend aufgearbeitet wurde. Inzwischen treibt die deutsche Kolonialzeit vor allem die Angehörigen der Herero und Nama sehr um. Sie wurden von den Deut- schen ihres Landes beraubt und fast ausge- rottet, die Folgen sind bis heute sichtbar. »Neue Konflikte drohen« OTTMAR VON HOLTZ Eine Bitte um Entschuldigung für den Völkermord an den Herero und Nama ist überfällig, meint der Grünen-Politiker t a v i r p © Christiane »Deutschlandfunk«, Berlin Habermalz, s e m l i E g n a g f l o W / o t o F - . Z . A F. © Patrick Bahners, »Frankfurter Zeitung« Allgemeine Verzerrtes Bild CONTRA M an kennt die Umkehr der Beweis- europäischen Institutionen um die Kunst- und Kulturschätze Afrikas war eine der größten Plünderungen der Menschheitsgeschichte. An die zwei Millionen Ob- jekte liegen allein in deutschen Museen. Zurück- gegeben wurde bislang kaum etwas. Auch in Deutschland verschanzt sich die Politik hinter dem zutreffenden Hinweis, dass das geltende Recht keine Ansprüche auf Rückgaben vorsieht – und überlässt es der Einzelfallprüfung der Museen, aus moralischen Gründen einzelne Objekte zurückzu- geben. Restitution als Akt des Großmuts – dieser erneute Paternalismus der ehemaligen Kolonial- macht ist für afrikanische Länder nur schwer er- träglich. Vor diesem Hintergrund erscheint die For- derung von Benedicte Savoy und Felwine Sarr, Frankreich solle alle Gegenstände aus seinen afri- kanischen Sammlungen zurückgeben – bis auf die Objekte, bei denen sich klar nachweisen lässt, dass sie nicht gewaltsam geraubt oder unter Druck abgepresst wurden – nur noch halb so radi- kal. Savoy und Sarr setzen dabei voraus, was kaum noch ein Historiker ernsthaft in Frage stellt: Dass die Kolonialherrschaft ein System strukturel- len Unrechts und permanenter Gewalt war. Und sie fordern von der französischen Politik ein, was auch in Deutschland dringend gebraucht wird: Ein Gesetz, das Rückgaben ermöglicht und regelt. Wenn wir es ernst meinen damit, Rückgaben als Instrument der Unrechtsbewältigung anzuerken- nen, müssen wir die Voraussetzung dafür in einem Restitutionsgesetz schaffen. Die damit verbundene politische Debatte im Bundestag wäre zudem ein Signal an die ehemaligen Kolonien, dass mit der Restitution auch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen historischen Schuld einhergeht. last aus der Bekämpfung des orga- nisierten Verbrechens. Diesem Mo- dell entspricht auch die Umset- zung der 1998 in Washington vereinbarten Prinzi- pien zum nationalsozialistischen Raubgut. Danach muss die öffentliche Hand den sauberen Erwerb aus den Akten beweisen, denn von 1933 bis 1945 regierten in Deutschland Staatsverbrecher. Dieses Prinzip nun auf den gesamten Besitz öffentlicher Museen zu übertragen, müsste in heillose Verwir- rung führen. Das Geschichtsbild, das sich aus der scheinbar rein administrativen Maßnahme ergäbe, wäre so grotesk verzerrt wie das dabei vorausge- setzte Bild vom Sinn und Zweck von Museen. Alle im Schutz der Kolonialmächte unternommenen Ex- peditionen würden unterschiedslos als Handlun- gen von der Art der nationalsozialistischen Völker- morde deklariert. Nicht nur würde die Regelver- mutung des Raubs die Motive der Sammler in pri- mitiver Weise vereinfachen, sie würde auch die Ur- heber der Werke entwürdigen und moralisch erst wirklich enteignen. Ihnen wird gar nicht erst zuge- traut, dass sie wussten, was sie taten, als sie die Produkte ihrer Arbeit aus der Hand gaben, und dass sie dafür einen Gegenwert erhielten. Die Mu- seumsdepots werden in dieser Sicht zu giganti- schen Hehlerlagern. Eine Rückabwicklung aller Er- werbungen würde nur eine neue Klasse von Ei- gentümern privilegieren, die mit den Hofkünstlern untergegangener Reiche nicht mehr verbindet als die Museen, die zur Herausgabe gezwungen wür- den. Es ist ein Fehler, ein Museum als einen Eigen- tümer wie jeden anderen zu behandeln. Museen konservieren ihren Besitz im Interesse der Allge- meinheit, für zukünftige Besucher aus aller Welt. Mehr zum Thema auf den Seiten 1 bis 14. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de gegenüber Die Gräueltaten den Volksgruppen bezeichnet die Bundesregie- rung erst seit 2015 als Völkermord. Eine offizielle Bitte um Entschuldigung steht aber aus, obwohl sie seit vier Jahren mit Namibia über den Umgang mit diesem Genozid verhandelt. Warum tut sie sich so schwer? Das wüsste ich auch gern. Die Opferseite hat ja klare und nachvollziehbare Erwar- tungen. Erstens fordert sie, dass wir die Ge- walttaten offiziell als Völkermord anerken- nen. Da wäre es sehr hilfreich, wenn der Bundestag endlich eine Resolution verab- schieden würde. In einem zweiten Schritt sollte die Bundeskanzlerin oder der Bun- despräsident die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung bitten. Drittens soll dem ein finanzielles Engagement folgen, das spürbar zu einer Verbesserung der Le- benssituation der Betroffenen führt. Die Bundesregierung ist zu allen drei Schritten grundsätzlich bereit, trotzdem ist eine Einigung nicht in Sicht. Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass die Bundesregierung alles in einem Paket verhandeln will. Aber die Frage der finan- ziellen Wiedergutmachung erschwert die Verhandlungen wegen der unterschiedli- chen Erwartungen auf beiden Seiten sehr. Wir sollten deshalb einen Schritt nach dem anderen tun. Prioritär und absolut überfäl- lig ist die Bitte um Entschuldigung, danach können wir weiter darüber reden, wie eine Entschädigung aussehen kann. Es eilt, denn leider führt das zögerliche Verhalten der Bundesregierung bereits zu Verwerfun- gen und neuen Konflikten in Namibia. Wie macht sich das bemerkbar? Je länger die Verhandlungen dauern, desto mehr verschlechtert sich vor Ort das Ver- hältnis zwischen Namibiern und den Nachfahren der deutschen Kolonialisten. Die Spannungen und Ressentiments neh- men auf beiden Seiten zu, so gibt es Dro- hungen, die Farmen der Weißen ähnlich wie in Simbabwe gewaltsam zu überneh- men. Da entsteht eine sehr konfrontative Stimmung, die mich sehr sorgt. Die Bundesregierung hat unter ande- rem eine Stiftung zur Aufarbeitung der Kolonialzeit und einen Fonds für Hilfs- projekte vorgeschlagen. Reicht das der namibischen Seite nicht? Ich kenne keine konkreten Zahlen, aber ich höre, dass es in Namibia Vorstellungen in Namibia sung, die auch nennenswerte Geldleistun- gen umfassen sollte. Wie ist es jenseits der Debatte über den Völkermord an den Herero und Na- ma um die Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Deutschland bestellt? Schlecht. Schon die Kinder erfahren nichts davon in der Schule und entwickeln daher als Erwachsene kein Verständnis für den Umgang mit diesem Teil unserer Geschich- te. Wer weiß heute schon, dass viele Gren- zen in Afrika während der deutschen Kolo- nialzeit gezogen wurden? Das wirkt sich bis heute aus, nehmen Sie Kamerun: Dort wurden bei der Grenzziehung die unter- schiedlichsten Bevölkerungsgruppen zu- sammengewürfelt, heute droht dem Land ein verheerender Bürgerkrieg. erstmals Union und SPD haben in ihrem Ko- alitionsvertrag festgehalten, dass die Erinnerung an die Verbrechen in der Kolonialzeit Teil der deutschen Ge- denkkultur werden soll. Ist das nicht ein erster, wichtiger Schritt? Natürlich, nur sind diesem Bekenntnis bis- lang kaum Taten gefolgt. Allerdings geht das Thema auch so tief, dass wir es nicht in einer Regierungsperiode werden abhan- deln können. Die deutsche Kolonialzeit prägt unter anderem unser Afrika-Bild bis heute – selbst das des Afrika-Beauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke. Wer meint, dass die Kolonialzeit in Afrika dazu beigetragen habe, „den Kontinent aus ar- chaischen Strukturen zu lösen“, offenbart ein völlig veraltetes, kolonialistisches Den- ken. Damit sich an solchen Sichtweisen et- was ändert, muss das Thema auch in den Lehrplänen präsenter werden. Braucht es einen zentralen Gedenk- ort für die Opfer des Kolonialismus? Das ist sehr wichtig, wir Grünen haben da- zu schon viele Anträge gestellt. Entschei- dend ist dabei, dass wir die Betroffenen am Konzept beteiligen. Nur gemeinsam kön- nen wir das richtige Format und die richti- ge Ansprache finden. Präsident Frankreichs Emmanuel Macron hat angekündigt, Kunstwerke aus früheren Kolonien komplett an die Herkunftsländer zurückzugeben. Ist das ein Vorbild für Deutschland? Die Lösung kann nicht sein, die Kunstwer- ke in einen Karton zu packen und nach To- go, Kamerun oder Tansania zu verschiffen. Wenn wir uns auf diese Weise der Vergan- genheit entledigen, besteht die Gefahr, dass wir einen Deckel draufmachen und uns nicht mehr mit ihr auseinandersetzen. Was ist die Alternative? Wir sollten mit den rechtmäßigen Besit- zern überlegen, was mit den Werken pas- sieren soll. Außerdem ist ein finanziell gut ausgestattetes Forschungsinstitut zur deut- schen Kolonialgeschichte überfällig. Wis- senschaftler, Institute und Museen in den einstigen Kolonialstaaten sollten wir unter- stützen und mit ihnen Projekte zur Erinne- rung und Aufarbeitung entwickeln. Es geht hier um unsere gemeinsame Geschichte, deshalb sollten wir auch eine gemeinsame Erinnerungskultur entwickeln. Das Gespräch führte Johanna Metz. Ottmar von Holtz (B90/Die Grünen), geboren in Gobabis (Namibia), sitzt seit 2017 im Bundestag und ist Obmann seiner Fraktion im Entwicklungsausschuss. Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper © gruene-bundestag.de von der Höhe der finanziellen Wiedergut- machung gibt, die alles übersteigen, was Deutschland stemmen könnte. Erschwert wird eine Lösung auch, weil sich die ver- schiedenen Herero- und Nama-Gruppie- rungen nicht immer einig sind; einige misstrauen der namibischen Regierung, andere sind Teil der Verhandlungsdelegati- on. Das alles ändert aber nichts daran, dass es zuallererst Aufgabe der Bundesregierung ist, um Entschuldigung zu bitten. Die Un- einigkeit über die Höhe einer Zahlung soll- te nicht zu weiteren Verzögerungen führen. Viele Herero und Nama fordern indi- viduelle Entschädigungsleistungen. Wa- rum schließt die Bundesregierung das ka- tegorisch aus? Das Auswärtige Amt hat möglicherweise Angst vor einer juristischen Festlegung und möchte keinen Präzedenzfall schaffen. Schließlich hatte Deutschland noch andere Kolonien in Afrika, und auch wenn die deutsche Kolonialzeit vergleichsweise kurz war, war sie streckenweise sehr heftig. Mir als Politiker sind die Begrifflichkeiten nicht so wichtig. Wir brauchen am Ende eine Lö- PARLAMENTARISCHES PROFIL Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30)2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Jörg Biallas (jbi) Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Verantwortliche Redakteure Claudia Heine (che) Claus Peter Kosfeld (pk) Hans-Jürgen Leersch (hle) Johanna Metz (joh) Kristina Pezzei (pez) Sören Christian Reimer (scr) CvD Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Abonnement Jahresabonnement 25,80 €; für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 € (im Ausland zuzüglich Versandkosten) Alle Preise inkl. 7% MwSt. Kündigung jeweils drei Wochen vor Ablauf des Berechnungszeitraums. 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Alle Denkmäler im Land erinnerten an Franzo- sen, viele Straßen und Plätze trugen die Namen französischer Persönlichkeiten“, erinnert sich der heute 58-jährige SPD-Abge- ordnete, der ganz früh Mutter und Vater verlor, als Waisenkind in der Familie seiner älteren Schwester aufwuchs und als 24-Jähriger zum Studium in die DDR kam. Für Äußerungen, wie jene des Afrikabeauftragten der Bundes- regierung, Günter Nooke, die Kolonialzeit habe Afrika geholfen, sich aus archaischen Strukturen zu befreien, hat Diaby absolut kein Verständnis. „Das ist falsch und das Schlechteste, was man afrikanischen Völkern gegenüber sagen kann“, findet er. Das er- lebte Unrecht in der Kolonialzeit, als Menschen erniedrigt und ausgebeutet wurden, könne man nicht schönreden. Ein gesam- ter Kontinent sei durch Nookes Aussagen herabgewürdigt wor- den. „Ich wundere mich, dass die Bundeskanzlerin da nicht rea- giert hat“, sagt er. Was den Umgang Deutschlands mit seinem eigenen kolonialen Erbe angeht, so findet es Karamba Diaby richtig, bei Entschädi- gungsforderungen genau hinzuschauen. Sollte es zu Zahlungen – etwa in Namibia – kommen, dürfe das nicht dazu führen, dass in dem Land neue Konflikte entstehen. „Dann hätten wir nämlich gar nichts bewirkt“, sagt er. Gleichwohl ist festzustellen, dass der Völkermord der deutschen Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts an den Bevölke- rungsgruppen der Herero und Nama im damaligen Deutsch- Südwest-Afrika im öffentlichen Bewusstsein nicht übermäßig präsent ist. Ja, stimmt der SPD-Politiker zu, es gebe in Sachen Erinnerungskultur Defizite. „Äußerungen wie jene von Nooke würde es nicht geben, wenn in Lehrbüchern und in Museen glasklar eine Erinnerungskultur betrieben würde“, glaubt er. ..................................................................................................................................................... l i e d e M m h c A / T B D © »Sollte es zu Entschädigungszahlungen kommen, darf das nicht dazu führen, dass in Namibia neue Konflikte entstehen.« Die Aufarbeitung der Vergangenheit müsse „auf Augenhöhe“ mit den betroffenen Ländern erfolgen. „Es freut mich, dass wir im Koalitionsvertrag verankert haben, dass mehr Geld für die Provenienzforschung zur Verfügung steht, um die Geschichte aufzuarbeiten“, sagt Diaby. Dass es in der Gegenwart Herausforderungen in Afrika gibt, müsse zweifellos angesprochen werden, macht er deutlich. „Da gibt es keine Denkverbote. Aber man muss das mit Respekt tun“, fordert er. Die Probleme seien nur lösbar, wenn sie nicht in einer herabwürdigenden Art und Weise angesprochen wür- den. Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit etwa mit der For- derung nach einer „Zwei-Kind-Politik“ zu verknüpfen, geht aus seiner Sicht überhaupt nicht. Es sei eben kein respektvoller Um- gang, wenn man sagt: „Wenn ihr unser Geld wollt, dürft ihr nur zwei Kinder haben“. Im Übrigen gebe es die Entwicklungsziele der Uno, die als Standards für die Entwicklungszusammenarbeit akzeptiert seien. Für Rassismus sei da kein Platz. Für ihn als Ostdeutschen – Diaby kam 1985 in die DDR, studier- te ab 1986 in Halle Chemie und promovierte später auf dem Gebiet der Geoökologie – ist im Übrigen eines klar: Rassismus ist kein ostdeutsches Phänomen. Es sei vielmehr ein allgemei- nes gesellschaftliches Problem. Menschenverachtende Tenden- zen seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Auch im Bundestag werden Reden gehalten, die Gruppen herabwürdi- gen“, beklagt er. Der 58-Jährige ist sehr gern Hallenser. „Ich lebe hier seit 34 Jahren und habe die Stadt nie länger als vier Wochen am Stück verlassen.“ Besonders stolz ist er auf die „starke, wachsame Zi- vilgesellschaft“ in Halle. Das habe sich nach dem Attentat am 9. Oktober gezeigt, als ein deutliches Zeichen der Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern, aber auch der klaren Ablehnung von Gewalt gesendet worden sei. Götz Hausding T