6 INNENPOLITIK Das Parlament - Nr. 38 - 14. September 2020 Bundesarbeitsminister Huber- tus Heil (SPD) hatte in der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommer- pause etwas angekündigt, an dem er sich nun, in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause, messen lassen musste: Denn der Bundestag debattierte in der vergangenen Woche zum ersten Mal über den Entwurf der Bundesre- gierung für ein Arbeitsschutzkontrollgesetz (19/21978). Neben Verbesserungen der Kontrollen in Betrieben geht es darin vor allem um das Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Fleischindustrie, also bei Schlachtung, Zerlegung und Fleischverar- beitung. „Ich werde mich nicht davon ab- bringen lassen. Wichtig ist, dass dieses Par- lament jetzt gemeinschaftlich handelt“, forderte Heil Anfang Juli von den Abgeord- neten. Anlass der damaligen Bundestagsdebatte war ein größerer Corona-Ausbruch unter Mitarbeitern des Fleischkonzerns Tönnies in Nordrhein-Westfalen. Die Folge war ein erneuter Lockdown für zwei Landkreise und damit einhergehend ein verschärfter Blick auf die Arbeits- und Wohnbedingun- gen der vor allem osteuropäischen Arbeits- kräfte: Geringer Lohn für überlange Ar- beitszeiten, keine Arbeitszeiterfassung und Mitspracherechte, hohe Mieten für hygie- nisch bedenkliche Sammelunterkünfte, sich aus Angst vor Entlassung krank zur Ar- beit schleppende Mitarbeiter – das ist vie- lerorts Alltag in deutschen Schlachthöfen. Aber damit soll nun Schluss sein, wie Poli- tiker aller Fraktionen schon im Juli einhel- lig beteuerten. Den Negativtrend stoppen Mit dem Ge- setzentwurf will die Bundesregierung zum einen im Kernbereich der Fleischwirtschaft Werkverträge und Leiharbeit zum 1. Januar beziehungsweise zum 1. April 2021 verbie- ten, strengere Auflagen für Gemeinschafts- unterkünfte von Mitarbeitern durchsetzen und die Kontrollen der Arbeitsschutzbe- hörden besser koordinieren und intensivie- ren. Unter anderem soll eine jährliche Mindestbesichtigungsquote von fünf Pro- zent der Betriebe (ab 2026) eingeführt wer- den. So solle der negative Trend der seit Jahren rückläufigen Betriebsbesichtigungen gestoppt werden und der Missbrauch von Werkverträgen zum Zweck des Lohndum- pings beendet werden, heißt es im Ent- wurf. Vom Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen sind kleinere Handwerksbe- triebe bis 50 Mitarbeiter ausdrücklich aus- genommen. In der Debatte warnte Heil erneut davor, das Gesetz von Lobbyisten der Branche verwässern zu lassen. Kritik am Gesetzent- wurf gab es vor allem wegen der Umset- zung. So bezweifelte die AfD-Fraktion, dass mehr Kontrollen ausreichen, um die Miss- stände zu beheben. Die FDP-Fraktion kriti- sierte das Verbot von Leiharbeit. Linke und Grüne bezeichneten die Vorgaben für die Arbeitsschutzkontrollen als viel zu lasch. Der Minister betonte, er habe nichts gegen Werkverträge als Mittel, um Auftragsspitzen auszugleichen. „Aber wenn 80 bis 90 Pro- zent der Beschäftigten eines Betriebes über Werkverträge angestellt sind, dann ist das organisierte Lohndrückerei.“ Diese Zustän- de seien natürlich nicht in allen Betrieben, aber doch „in erheblichem Umfang“ All- tag, ergänzte er. Hinter dem »Das dürfen wir nicht hinnehmen!« EXTREMISMUS Schäuble verurteilt Gewalt und Drohungen schönen Schein FLEISCHINDUSTRIE Ein Verbot von Werkverträgen soll die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter verbessern. Zweifel gibt es an der Wirksamkeit der Kontrollen Ob die Arbeitsbedingungen, unter denen dieser Schinken hergestellt wurde, auch so appetitlich waren? © picture-alliance/Zoonar Peter Weiß (CDU) ging noch einmal auf die Selbstverpflichtung der Branche für bessere Arbeitsbedingungen ein: „Wenn sie 2014 auch umgesetzt worden wäre, bräuch- ten wir das Gesetz heute nicht“, sagte er. Uwe Witt (AfD) bezweifelte, dass die Miss- stände durch mehr Kontrollen behoben werden können. Das Verbot von Werkver- trägen und Leiharbeit bezeichnete er als unzulässigen Eingriff in die unternehmeri- sche Freiheit und forderte eine 15-Prozent- Quote für Werkverträge. Carl-Julius Cronenberg äußerte ebenfalls Zweifel, dass Kontrollen das Pro- blem lösen. Die Behörden müssten viel- mehr besser miteinander vernetzt werden. Er lehnte das Verbot von Leiharbeit ab, weil sie sich für Unternehmen bewährt ha- be, um Engpässe auszugleichen. „Auch die (FDP) Abgrenzung allein anhand der Mitarbeiter- zahl trifft die Falschen“, sagte er. Kritik an laschen Vorgaben Zweifel gab es auch bei Grünen und Linken: Amira Mohamed Ali (Die Linke) sagte, die Min- destverpflichtung bedeute, nur fünf Pro- zent der Betriebe würden jährlich kontrol- liert. „Es würde also 20 Jahre dauern, bis man alle Betriebe kontrolliert hätte.“ Diese Vorgabe sei viel zu lasch. Auch über ein Bußgeld von maximal 30.000 Euro lache der zweifache Milliardär Tönnies doch nur, ergänzte sie. Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte den Plan, gleichzeitig mit den Werkverträgen auch die Leiharbeit zu verbieten. Geschehe dies nicht, würden die Werkvertragsfirmen schnell in Leihar- beitsfirmen umgewandelt. Sie kritisierte ebenfalls die Mindestbesichtigungsquote von fünf Prozent ab 2026. „Das ist viel zu wenig und viel zu spät.“ Katja Mast (SPD) betonte dagegen: „Wir gehen extrem weit. Wir ändern die Arbeits- bedingungen fundamental, wie in keiner anderen Branche.“ Die Politik habe das Thema auch keinesfalls jahrelang ignoriert, zuletzt habe es 2017 Verschärfungen gege- ben. Diese seien aber regelmäßig „mit al- len Tricks“ umgangen worden. Auch Mast appellierte an die Abgeordneten: „Die In- dustrie versucht massiv, auf uns Einfluss zu nehmen. Jetzt geht es darum, Kurs zu hal- ten.“ Wie gut das gelingt, wird man an den Änderungsanträgen sehen, die Union und SPD nach der Expertenanhörung vorlegen werden. Claudia Heine T »Vor dem Maß rechtsextremer Bedrohung kann niemand die Augen verschließen.« Wolfgang Schäuble (CDU), Bundestagspräsident Nach den jüngsten Ausschreitungen in Leipzig und Zwischenfällen bei einer Anti- Corona-Demonstration in Berlin hat Bun- destagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) jegliche gewalttätigen Übergriffe entschieden verurteilt. Das Demonstrati- onsrecht sei ein hohes Gut, doch müsse je- der politischen Seite klar sein, dass die Ge- waltfreiheit über allen Meinungsverschie- denheiten stehe, sagte Schäuble vergange- ne Woche zu Beginn der Plenarberatungen des Par- laments. Kein Anliegen rechtfertige es, das Gewalt- monopol des Staates in Frage zu stellen, „wie das bei den Ausschreitungen in Leipzig vermummte Links- extremisten mit Angriffen auf die Polizei getan ha- ben“. Dass am Rande einer De- monstration gegen die Co- rona-Maßnahmen in Ber- lin eine „gewaltbereite, er- rechtsradikale Minderheit“ ver- kennbar sucht habe, in den Bundestag vorzudrin- gen, sei „inakzeptabel“, betonte der Parla- mentspräsident. „Die Symbole der Demo- kratieverachtung ausgerechnet vor unserer Volksvertretung sind eine Schande“, fügte er hinzu. Das Reichstagsgebäude stehe für Deutschlands parlamentarische Tradition genauso wie sein Brand für die Zerstörung der Demokratie. Als Sitz des Bundestages und damit „Symbol unserer freiheitlichen Demokratie“ müsse es sakrosankt sein. Schäuble erinnerte zugleich an die Ermor- dung von Enver Simsek, mit der vor 20 Jahren die Mordserie des „Nationalso- zialistischen Untergrunds“ begann. Vor dem Ausmaß rechtsextre- mer Bedrohung könne nie- mand mehr die Augen ver- schließen. Die Anschläge von Hanau und Halle so- wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeigten, dass die Gefahr auch heute nicht gebannt sei, warnte der Bundestagspräsident. Mit Blick auf die Serie von Briefen und Mails, die mit „Verweis auf die NSU-Mor- de verbreiten“, mahnte er, nicht hinzunehmen, dass Men- schen angegriffen, werden, „weil sie öffent- lich für eine weltoffene Gesellschaft eintre- ten“. Dass Spuren auch zu Ermittlungsbe- hörden führen, sei ein „ungeheuerlicher Vorgang, der umfassend aufgeklärt werden muss“. Zugleich liege es in der Verantwor- tung aller, „den Ewiggestrigen, den gewalt- bereiten Chaoten und militanten Neonazis keinen Millimeter öffentlichen Raum zu geben“. Zu Beginn einer Aktuellen Stunde am ver- gangenen Donnerstag mit dem Titel „Keine Toleranz für die Feinde der Demokratie: Extremismus bekämpfen, Polizei und Jus- tiz stärken“ stellte der Parlamentarische In- Angst nen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) klar: „Im Kampf gegen Extremisten sollten sich alle Demokraten stets einig sein.“ Es sei daher eine „demokratische Minderleis- tung“, wenn Gewalttaten und extremisti- sche Vorfälle nur dann angeprangert wer- den, wenn es in die jeweilige politische Agenda hineinpasst. Im Verlauf der Debat- te konstatierte sein Parteikollege Thorsten Frei (CDU) jedoch, dass genau dies der Fall gewesen sei. „Rechte re- lativieren rechtsextremisti- sche Gewalt und Linke rela- tivieren linksextremistische Gewalt“. Bezug nahm er da- bei auf Gottfried Curio (AfD) und Sören Pellmann (Die Linke). Curio hatte von Fake-News gesprochen, wenn „ein Fototermin auf der Reichstagstreppe samt Schwenken internationaler Fahnen“ zum „Sturm auf den Reichstag“ aufgeblasen werde. es Pellmann sagte mit Blick auf die „soge- nannten Krawallnächte“ von Leipzig: Es sei dort ein besetztes und zuvor seit 20 Jahren, „trotz drückender Wohnungsknappheit und Mangel an bezahlbarem Wohnraum“, leerstehendes Haus, geräumt worden. Die Gewaltexzesse in diesen Zusammenhang verurteile er. Die Steinwürfe gegen die Poli- zei müssten aber eher als Symptome denn als Ursache verstanden werden. Für Linda Teuteberg (FDP) ist „jede Form von Extremismus eine ernsthafte Gefähr- dung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Politische Ziele könnten in Deutschland allein mit friedlichen Mit- teln verfolgt werden. „Das unterscheidet uns von autoritären Syste- men“, sagte sie. Konstantin von Notz (Grü- ne) sagte, in Deutschland gebe eine Versamm- lungsfreiheit, die auch für jene gelte, die sich in einer Diktatur wähnten. Dies entbinde die Menschen je- doch nicht von der „demo- kratischen Pflicht“, sich von den Antisemiten, Neo- nazis und Reichsbürgern, die zu Tausenden in Berlin vor Ort gewesen seien, deutlich zu distanzieren. Ähnlich sah das Uli Grötsch (SPD). „Wer sich nicht eindeutig abgrenzt, ist Teil der braunen Soße“, befand er. Diese Demos, so der SPD-Abgeordnete, seien ein gefunde- nes Fressen für Rechtsextremisten. Kurz nach der Aktuellen Stunde debattierte das Parlament über AfD-Anträge „gegen linksextremistische Gewalt“ (19/22189) und zum Einsatz von Distanz-Elektroim- pulsgeräten durch Polizisten (19/22203). Unter anderem dringt die AfD-Fraktion da- rin auf eine Abkehr von Deeskalationsstra- tegien und fordert „mehr Konsequenz in der Durchsetzung polizeilicher Maßnah- men“. hau/sto T »Wer sich nicht eindeutig abgrenzt, ist Teil der braunen Soße.« Uli Grötsch (SPD) FÜNF FRAGEN ZUM: VERBOT VON WERKVERTRÄGEN Rechte für Selbständige ARBEIT Linke fordert soziale Sicherheit für Crowd-Worker t a v i r p © Dr. Claudia Weinkopf, Stellv. Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen »Das Verbot sollte für Betriebe ab 30 Mitarbeiter gelten.« Glauben Sie, dass sich mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen grundle- gend verbessern werden? Er leitet auf jeden Fall einen Paradigmenwechsel ein. Die Aufspaltung der Belegschaften in Gruppen mit unterschiedli- chen Rechten wird aufgeho- ben. Dies eröffnet auch neue Chancen für den Abschluss ei- nes guten Tarifvertrags. Um die Einhaltung von Löhnen und Arbeitsbedingungen zu kon- trollieren und zu verbessern, müssen aber darüber hinaus Strukturen für eine betriebliche Interessenvertretung auf- und ausgebaut werden. ist und Warum sollte auch Leih- arbeit im Kernbereich der Be- triebe verboten werden? Die Arbeit in der Fleischwirt- in großen Teilen schaft „Fließbandarbeit“, bei Werkverträgen handelt es sich in der Regel um verdeckte Ar- beitnehmerüberlassung. Wenn man nicht auch Leiharbeit un- tersagt, werden sich die proble- matischen Arbeitsbedingungen kaum verbessern. Viele Werk- vertragsfirmen verfügen bereits über eine Lizenz zur Arbeit- nehmerüberlassung. in besonders durch eine Mindestbesichti- gungsquote. Reicht das? Eine solche Quote ist sinnvoll, muss aber auch umgesetzt wer- den. Der Deutsche Gewerk- schaftsbund hat in seiner Stel- lungnahme zum Gesetzent- wurf die Quote von fünf Pro- zent und den Zeithorizont bis zum Jahr 2026 als wenig ambi- tioniert kritisiert. Auch die Fi- nanzkontrolle Schwarzarbeit muss deutlich mehr Kontrollen in den Unternehmen durch- führen, den „Schweinegürteln“ Niedersach- sens und Nordrhein-Westfa- lens. Es muss sichergestellt wer- den, dass die geleisteten Ar- beitsstunden der Beschäftigten korrekt erfasst und bezahlt werden. Herausforderungen se- he ich darüber hinaus auch beim Thema Unterkünfte. Wenn diese vom Arbeitgeber gestellt werden, ist dies zwar bequem für die Beschäftigten. Allerdings kann die Koppelung von Unterkunft und Arbeitsver- trag dazu führen, die Abhän- gigkeit der Beschäftigten vom Arbeitgeber zu erhöhen. Denn bei Entlassung verlieren sie nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern meist auch die Unter- kunft. Die Regierung plant ei- nen Ausbau der staatlichen Kontrollen in den Betrieben Ist die Abgrenzung zwi- schen kleinen Betrieben bis 50 Mitarbeitern und dem Rest der Branche sinnvoll? Dafür spricht, dass es in der Fleischbranche auch noch viele kleinere und handwerklich ori- entierte Betriebe gibt, die unter anderen Rahmenbedingungen arbeiten als die größeren Kon- zerne. Allerdings sollte die Grenze eher bei 30 Beschäftig- ten gezogen werden, um zu verhindern, dass die großen Unternehmen missbräuchlich kleinere betriebliche Einheiten aufbauen, für die Teile der neu- en gesetzlichen Regelungen dann nicht gelten würden. sind Fast alle Unternehmen in Deutschland nutzen Werkver- träge. Warum ist es ein gutes Instrument? Werkverträge sinnvoll, wenn Arbeiten oder Dienstleis- tungen, die nicht zum Kernge- schäft eines Unternehmens zählen, an andere spezialisierte Betriebe vergeben werden, die diese Leistungen besser oder ef- fizienter erbringen können. Das ist im Grundsatz eine ver- nünftige Arbeitsteilung. Auch in der Fleischwirtschaft sind Werkverträge zum Beispiel bei der Wartung von Geräten, in der Logistik sowie Unterneh- mensberatung weiter zulässig, aber nicht in den Kernberei- chen der Schlachtung und Zer- legung. Das Gespräch führte Claudia Heine. zwei Linke Sie werden auch „digitale Tagelöhner“ ge- nannt: Menschen, die, meist von zu Hause aus, Inhalte für digitale Plattformen erstel- len. Sie bieten ihre Dienste über das Inter- net an und erhalten ihr Geld per Mausklick vom Auftraggeber. Das klingt bequem, mündet aber meist in einem prekären Ar- beitsverhältnis ohne soziale Absicherung. Ganz zu schweigen von Mitspracherechten oder Weiterbildungsoptionen, die Beschäf- tigte in einem Betrieb haben. Um diese Situation zu beenden, hat die Fraktion Die Anträge (19/16886; 19/22122) in den Bundestag eingebracht. Darin fordert sie unter ande- rem einen Gesetzentwurf, der klarstellt, dass es sich bei Beschäftigten der Gig-Öko- nomie grundsätzlich um Arbeitnehmer der Plattformbetreiber handelt. Auch soll eine im Statusfeststellungs- Beweislastumkehr verfahren festgelegt werden, so dass die Plattformbetreiber widerlegen müssen, dass eine abhängige Beschäftigung existiert. Die Abgeordneten verlangen außerdem ei- ne Mindestentlohnung und Mitbestim- mungsrechte für die Crowd-Worker. In der vergangenen Woche debattierte der Bun- destag erstmals über die Anträge und über- wies sie anschließend an die Ausschüsse. Jessica Tatti begründete für Die Linke, wa- rum diese Handlungsbedarf sieht: „Viele Plattformbetreiber machen ihre Beschäftig- ten zu Selbständigen und erklären sich selbst zu reinen Vermittlern. Sie müssen sich nicht um Arbeitnehmerrechte scheren, Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper nicht um Arbeitsmittel, nicht um Mindest- oder Tariflöhne. Das ist nicht länger hin- nehmbar.“ Auch Thomas Heilmann (CDU) sprach von „unredlichen Geschäftsmodellen“. Je- doch warf er den Anträgen Ungenauigkei- ten vor. So seien viele Crowd-Worker nur im Nebenjob tätig und über deren Anzahl lägen keine belastbaren Daten vor. Auch könne man nicht automatisch annehmen, dass es sich bei allen um Arbeitnehmer handele, ergänzte Heilmann. Uwe Witt (AfD) zweifelte ebenfalls daran und verwies auf ein Urteil des Arbeitsge- richts München, das Crowd-Worker als Selbständige eingestuft habe. Die Einfüh- rung eines Mindestentgeltes lehnte er als „staatliche Preisbindung“ und „Bürokratie- monster“ ab. Plattformarbeit sei in vielen Fällen ein „Einfallstor für Scheinselbständigkeit“ und „Ausbeutung“, betonte Martin Rosemann (SPD). Plattformarbeiter generell zu ab- hängig Beschäftigten zu erklären, lehnte er aber ab. Die arbeitsrechtliche Statuserklä- rung für Plattformarbeiter anzupassen und eine bessere soziale Absicherung von Selb- ständigen stünden aber oben auf der Agen- da, erklärte Rosemann. Matthias Nölke (FDP) erkannte in den Lin- ken-Anträgen „wieder mal ein tiefsitzendes Misstrauen in die Mündigkeit der Men- schen und in das Streben nach Eigenver- antwortung“. Mit ihren Vorschlägen lege Die Linke die Axt an die Selbständigkeit, kritisierte er. Beate Müller-Gemmeke (Grüne) betonte, es brauche auf den Plattformen Regeln und Standards. Es sei jedoch zu pauschal gedacht, für alle Branchen und Selbständi- ge eine Einheitslösung finden zu wollen, wie dies Die Linke vorschlage. che T KURZ NOTIERT Fingerabdruck-Speicherung in Personalausweisen In erster Lesung hat der Bundestag ver- gangene Woche über einen Gesetzent- wurf der Bundesregierung „zur Stärkung der Sicherheit“ bei Pässen und Auswei- sen (19/21986) debattiert. Danach soll künftig die Speicherung von zwei Finger- abdrücken im Speichermedium des Per- sonalausweises verpflichtend sein. Zu- dem soll das Passbild ausschließlich digi- tal erstellt und seine Biometrietauglich- keit geprüft werden. sto T FDP fordert praxisnahe Corona-Teststrategie Die FDP-Fraktion fordert eine praxisnahe Corona-Teststrategie. Das Robert-Koch- Institut (RKI) weise zu Recht darauf hin, dass bei der Anwendung von Tests ein zielgerichtetes Vorgehen essenziell sei, heißt es in einem Antrag (19/22114) der Fraktion, der vergangene Woche erst- mals im Plenum beraten wurde. Die Strategie sowie die Quarantäne- und Testempfehlungen müssten je nach In- fektionsdynamik angepasst werden. pk T Gesetzentwurf zur Revidierten Europäischen Sozialcharta Europäischen Der Bundestag hat einen Gesetzentwurf (19/20976) der Bundesregierung zur Re- vidierten Sozialcharta (RESC) zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Ziel der RESC ist es, die ak- tuelle Bedeutung der Europäischen Sozi- alcharta (ESC) zu unterstreichen und Re- gelungslücken zu schließen. che T