2 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 41 - 05. Oktober 2020 Über 80 Milliarden Euro werden von den Ländern Europas abgerufen. Anspruch nehmen müssen. Wir wissen, dass hier viele Aufgaben noch vor uns liegen, dass das eine herausfordernde Sache ist. Wir ha- ben aus der Vergangenheit aber auch gelernt, dass das gut funktio- nieren kann. Auch bei der letzten Krise gab es viele Haushalte, in de- nen Handlungsbedarfe definiert worden sind, die sich dann durch das Anspringen der Konjunktur, das wirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen Steuerein- nahmen erheblich reduziert ha- ben. Ich finde, das ist ein Weg, den erneut wir gehen können, und den wir auch erneut er- folgreich beschrei- ten werden. Aus meiner Sicht geht es jetzt darum, dieses wirtschaftliche Wachstum auch zu ermöglichen, das unseren Handlungsbedarf redu- ziert. Eines ist aber auch ganz klar – wir sollten uns da nichts vorma- chen –: Was uns jetzt durch die Krise führt, sind die Wirtschafts- kraft dieses Landes, sein leistungs- fähiges Gemeinwesen und – den- ken wir zum Beispiel an das Ge- sundheitswesen – ein guter Sozial- staat, der in der Lage ist, uns ge- meinsam in einer solchen Situati- on Kraft zu verleihen und die Bür- gerinnen und Bürger zu beschüt- zen. Es wird in den nächsten Jah- ren um die Frage gehen, ob wir dieses aufrechterhalten, bewahren und ausbauen oder ob wir nach der Krise an all das die Axt legen, was uns jetzt so stark macht. Ich bin dafür, dass wir es bewahren und ausbauen. und Bürger in einer so schwieri- gen Zeit gewährleisten? Ganz klar: Solange wir noch nicht die besten Therapien neu entwickelt haben und solange kei- ne Impfstoffe zur Verfügung ste- hen, werden wir vorsichtig bleiben müssen, und wir müssen darauf achten, dass nicht nur wir als Staat – der Bund, die Länder, die Ge- meinden in Deutschland – das sind, sondern dass wir auch als bürgerliche Gemeinschaft vorsich- tig sind und alle miteinander auf- einander aufpassen und vorsichtig bleiben. Auch das ist eine Bot- schaft dieser Zeit. Es ist überhaupt nicht eine Zeit, in der man rück- sichtslos sein kann, sondern es ist eine Zeit, in der man aufeinander Rück- sicht nehmen muss. Dort, wo das gelingt, gelingt es eben auch bes- ser, durch die Krise zu kommen – in gesundheitlicher, wirtschaftli- cher und sozialer Hinsicht. Es geht eben auch um Solidarität. Auch sie ist in einer solchen Krise ge- fragt. Was wir bisher getan haben, hat gewirkt. Die wirtschaftliche Aktivität erholt sich, und die Ver- braucherstimmung wird besser. Das sind gute Nachrichten, die uns ermuntern sollten, dass wir weitermachen auf dem Pfad, den wir bisher eingeschlagen haben. Und es ist auch eine gute Nach- richt, wenn wir hören, dass das wirtschaftliche Wachstum nicht nur in der zweiten Hälfte dieses Jahres, sondern insbesondere auch im nächsten Jahr weiter steigen wird. Als Bundesminister der Finan- zen erlaube ich mir, auch das zu sagen: Wer die Illusion hegt, dass für diejenigen, die am allermeis- ten verdienen, die am oberen En- de der Einkommensskala dieses Landes liegen, in den nächsten Jahren große Steuersenkungen an- stünden, der verbreitet illusionäre Zahlen oder will die Axt an die Zukunft Deutschlands legen. Wir haben gehandelt. Das ist eine gute Situation und hat dazu beigetra- gen, dass Deutschland die Krise im internationalen Vergleich ge- meistert hat. Ich will sagen, dass wir das als Grundlage für das nehmen müs- sen, was uns jetzt noch bevorsteht; denn wir sind ja noch nicht durch, wir haben noch viel zu tun. Wir müssen jeden Tag auch ganz besonders um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ringen und alles dafür tun, dass wir sie weiter beschützen können. Wenn heute die Bundesregierung mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten neu berät, geht es immer wieder um die Fra- ge: Wie können wir den Gesund- heitsschutz unserer Bürgerinnen Trotzdem wird es so sein, dass wir eine Zeitlang brauchen wer- den, bis wir wieder an das Vorkri- senniveau anknüpfen können. Nach den Prognosen, die wir heu- te haben, wird das irgendwann zu Beginn des Jahres 2022 der Fall sein. Auch das müssen wir, wenn wir über Haushalte und öffentli- ches Handeln reden, immer be- denken: Die wirtschaftliche Delle, die wir jetzt haben, wird, selbst wenn das Wachstum später wieder eintritt, auch in Zukunft nicht un- bemerkt bleiben. Wir werden sie in den Haushalten sehr vieler Jah- re noch wiederfinden, und des- halb geht es eben darum, klug und vorsichtig zu agieren, aber mutig genug, damit wirtschaftli- ches Wachstum und die Zukunft gewonnen werden können. Wenn wir diese Maßnahmen jetzt also auf den Weg gebracht haben, dann müssen wir auch da- für sorgen, dass wir die Zukunft gewissermaßen gleich mit auf den Weg bringen und dass es nach der Krise gut weitergeht. Wir dürfen nicht nur Maßnahmen ergreifen, die etwas mit Stabilisierung zu tun haben, sondern wir müssen auch sehr viele Dinge unternehmen, die dazu beitragen, dass unsere Zu- kunft gelingen kann. Das hat mit vielen Fragestellungen zu tun – solchen, die etwas mit dem Mit- einander zu tun haben, und sol- chen, die etwas mit technologi- schen Innovationen zu tun haben, die uns helfen, das, was wir als Aufgaben vor uns haben, tatsäch- lich zu bewältigen. Eine große Aufgabe ist zum Bei- spiel, dafür zu sorgen, dass der Respekt für die Arbeit, dass Arbeit auch in Zukunft weiter eine große Rolle für unsere Volkswirtschaft spielt und dass es gute und ausrei- chend viele Arbeitsplätze gibt, da- mit man seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft verdienen kann. Bisher ist es der deutschen Volks- wirtschaft immer wieder gelun- gen, die Verluste von Arbeitsplät- zen durch Wachstum an anderer Stelle auszugleichen. Das ist eines der großen Erfolgsgeheimnisse der deutschen Volkswirtschaft in den letzten Jahren gewesen, und das unterscheidet die Volkswirtschaft dieses Landes auch von der man- cher anderer. Wir müssen natür- lich alles dafür tun, dass das trotz all der Veränderungen, die vor uns liegen, immer wieder gelingt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in dieser Krise zum Beispiel auch etwas für den Erhalt von Ausbildungsplätzen tun, dass wir ein Förderprogramm auf den Weg gebracht haben, damit sich die Ausbildung, die für die Zukunft so wichtig ist, in dieser Krise nicht re- duziert. Deshalb ist es so wichtig, dass wir etwas gemacht haben, um denjenigen, die studieren, in die- ser Krise auch wirtschaftlich und finanziell zu helfen, damit nicht Studienabbrüche dazu beitragen, dass die wirtschaftliche Zukunft in unserem Land gefährdet ist, weil viele in dieser Krise nicht die not- wendige Bildung und Qualifizie- rung bekommen haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir beitragen, dazu dass sich Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer qua- lifizieren können, und es gibt eben nicht nur Maßnah- men, die sich an Studierende rich- ten, sondern auch Maßnahmen, die sich an Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer richten. Ich nenne nur das Quali- fizierungschancengesetz und viele andere Maßnahmen, die dazu bei- tragen, dass sich Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer in der Kri- se qualifizieren können. Was diese Krise aber auch ge- zeigt hat und was wir als Auftrag mit in die Zukunft nehmen müs- sen, ist, dass es in diesem Land sehr wohl auch Arbeitsverhältnisse gibt, von denen der eine oder die andere vielleicht gar nicht gedacht in hätte, dass solche hier möglich sind. Ich will einfach nur an das Infektionsgeschehen der Fleischindustrie erinnern. Es war unverantwortlich, dass es solche Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbe- dingungen in Deutschland über- haupt gibt, und es ist richtig, dass wir in dieser Krise nicht nur Kon- junkturprogramme, sondern auch ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das solche Arbeitsbedin- gungen in der Fleischindustrie ab- stellt, und zwar für immer. Wir dürfen unseren wirtschaftli- chen Wohlstand nicht darauf gründen, dass es einigen bei uns im Lande ganz besonders schlecht geht, sondern wir müssen fürei- nander da sein. Das gilt nicht nur, wenn wir dafür sorgen, dass alle gewissermaßen gesundheitlich ge- schützt werden, sondern das gilt eben auch, wenn es um Arbeitsbe- dingungen und Lebensverhältnis- se geht, die sich damit verbinden. Ich finde, das muss ein Prinzip sein, das aus dieser Krise für uns erwächst: Wir wollen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes, dass alle, die hierzulande arbeiten, gute und ordentliche Ar- beitsverhältnisse haben. in der Logistik, Auch das spiegelt sich im Haus- halt und der Finanzplanung wi- der, und das wird für unsere Poli- tik für die Zukunft wichtig sein. Wir können nicht akzeptieren, dass da eine Situation ist, in der wir alle glücklich darüber sind, dass einige auch in schwierigen Zeiten ihre Arbeit tun: im Einzel- handel, in den Krankenhäusern, in den Pflegeein- richtungen. Es reicht nicht, dass wir, froh darüber, dass diese Men- schen das tun, nur klatschen. Son- dern es muss auch so sein, dass wir sagen: Wir wollen, dass das gute, sichere Arbeitsplätze sind und dass sie besser bezahlt wer- den, als das in der Vergangenheit der Fall war. – Auch das gehört zu den Zukunftsaufgaben, die unsere Gesellschaft hat. Die Coronahel- dinnen und Coro- nahelden wollen keine Orden von uns; sie wollen ein- fach ein ordentli- ches Gehalt. Das müssen wir sicher- stellen, und dafür müssen wir auch Sorge tragen. Aus meiner Sicht ist es deshalb gut, dass wir mit einzelnen Maßnah- men im steuerlichen Bereich, aber auch mit Mitteln, die wir bereitge- stellt haben, jetzt schon ein wenig geholfen haben. Aber wir wissen genau: Das kann nur der Anfang sein; denn sonst bleibt es eine Geste. Es geht darum, dass wir substanziell etwas ändern. Es soll in Deutschland bessere Arbeitsver- hältnisse geben, gerade für dieje- nigen, auf die nicht jeden Tag ge- guckt wird, wenn nicht gerade Co- ronakrise ist. Das Gleiche gilt, wenn wir uns über die Situation unserer Famili- en Gedanken machen. Die Famili- en haben ganz besonders zu kämpfen gehabt, insbesondere in der Phase, in der viele Einrichtun- gen, Schulen und Kindergärten, geschlossen waren, in der viele Möglichkeiten nicht bestanden, die sonst Familien nutzen kön- nen, um mit ihren Kindern eine gute Zeit zu haben, und in der un- glaublich viele Männer und noch viel mehr Frauen damit zu kämp- fen hatten, wie sie alles miteinan- der zusammenkriegen, nämlich die Betreuung ihrer Kinder, den Unterricht für ihre Kinder, und gleichzeitig auch dafür zu sorgen, dass Beruf und Arbeit weiterge- hen. Das, glaube ich, kann man nicht einfach mit mehr Homeoffice lö- sen. Das setzt voraus, dass wir konstant bei dem weitermachen, was wir angefangen haben, näm- lich mit dem Ausbau der Kinder- betreuung, der Möglichkeit von mehr Ganztagsbetreuung, der Tat- sache, dass das nicht so teuer sein darf, wie das heute der Fall ist, und dass man sich darauf immer verlassen kann. Auch das ist für die Zukunft dieses Landes wichtig. Deshalb ist es kein Zufall, son- dern Absicht, dass sich in den Pro- grammen, die wir jetzt auf den Weg gebracht haben, eben auch Mittel finden, die vorsehen, dass dieser Ausbau weiter stattfinden kann in all den nächsten Jahren. Denn das muss auch eine der Leh- ren aus dieser Krise sein, dass wir diese Infrastruktur noch viel leis- tungsfähiger machen müssen, als sie heute ist. Es gehört auch dazu, dafür zu sorgen, dass unsere Schu- len endlich digitalisiert werden; auch das ist ein wichtiges Thema. Jeder von uns weiß, wie schwierig das in einem Gefüge ist, wo so viele zuständig sind. Es braucht, glaube ich, schon eine lange Betei- ligung an den vielen politischen Prozessen unserer kommunalen und föderalen Ordnung, um zu verstehen: Wer ist nun genau für welche Aufgabe zuständig? Aber im Ergebnis kommt es ja darauf an, wie es ist und wie es sein wird. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland sich jetzt mit den Ländern darauf ver- ständigt. Ich bin Saskia Esken und Angela Merkel dankbar dafür, dass sie das ein bisschen in die Hand genommen haben, um zu errei- chen, dass die Schulen jetzt mehr Geld für die Digitalisierung be- kommen. Ich denke, manchmal muss man ja die Gelegenheit für den guten Fortschritt nutzen. Ich jedenfalls finde: Dieser Fortschritt ist notwendig für unser Land. Gut, dass er jetzt anfängt! Wir haben die Familien in die- finanziell unterstützt sem Jahr und werden dafür Sorge tragen, Krisen können zusammen- schweißen, wenn die richtigen Leute regieren.