8 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 4-5 - 20. Januar 2020 in V iel Geld weckt viele Be- gehrlichkeiten. Der Bund hat aktuell so ein Luxus- problem: 13,5 Milliarden Euro beträgt laut des An- fang vergangener Woche vorläufigem Jahresab- veröffentlichten schlusses 2019 die Differenz zwischen Ein- nahmen und Ausgaben. Es ist der sechste Haushalts-Überschuss Folge. Die „BILD“-Zeitung forderte sodann Entlastun- gen für die Bürger: „Kanzlerin, rück die Kohle raus!“, titelte das Boulevard-Blatt. Dabei hatten Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und die Haushalts-Politiker der Koalitionsfraktionen seinerzeit die Etat-Planung für das vergangene Jahr unter ein klares Motto gestellt: „Die fetten Jahre sind vorbei!“ Schwächelndes Wachstum, internationale Irrungen und Wirrungen in Politik und Wirtschaft und weniger opti- mistische Steuerschätzer hatte diesen Ein- druck 2019 verstärkt. Und nun klingelt die Kasse im Finanzministerium trotzdem. Statt, wie eigentlich geplant, 5,5 Milliarden Euro aus der sogenannten Asyl-Rücklage, die seit 2015 mit Milliarden aufgefüllt wor- den war, zu entnehmen, um den Haushalt auszugleichen, fließen nun 13 Milliarden in das Sparsäckle des Bundes; 500 Millio- nen Euro werden für Projekte im Verteidi- gungsbereich auf Kante gelegt. Bundesfinanzministerium und Haushälter der Koalition warnen allerdings vor zu viel Euphorie. Der Überschuss sei zwar „erfreu- lich“, aber maßgeblich auf Sondereffekte zurückzuführen, hob der Chefhaushälter der SPD, Johannes Kahrs, hervor. Die auf- gefüllte Rücklage werde benötigt, um „die Investitionen weiter auf Rekordniveau zu halten und dabei keine neuen Schulden aufzunehmen“. Tatsächlich fällt der Überschuss unter an- derem deswegen so hoch aus, weil der Bund im vergangenen Jahr 5,5 Milliarden Euro weniger für Zinsen ausgegeben hat als geplant. Zudem sind bei den Haushalts-Ti- teln für Grundsicherung insgesamt 1,5 Mil- liarden Euro weniger ausgegeben worden. Faktisch wirkt auch die um 5,4 Milliarden Euro geringer ausfallende EU-Eigenmittel- abführung ausgabemindernd. Der Titel wird im Haushalt allerdings als negative Einnahme im Bereich Steuereinnahmen veranschlagt. Diese Einnahmen fallen mit 329,0 Milliarden Euro damit um 3,5 Milli- arden Euro höher aus als im Soll. Die ei- gentlichen Steuereinnahmen fielen hinge- gen um 1,9 Milliarden Euro geringer aus als angenommen. Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler kritisierte nach der Vorstellung des Jahres- abschlusses, dass der Überschuss kein Grund zur Freude sei, sondern „das Ergeb- nis schlechter Mittelabflüsse, vor allem bei Investitionsmitteln“. Es fehle dafür „das Konzept und die Verlässlichkeit, deswegen bleiben auch viele Investitionsmittel lie- gen“, monierte Kindler. Das sieht die Bundesregierung anders. Das Bundesfinanzministerium sprach von In- vestitionsausgaben auf „Rekordniveau“, knapp 98 Prozent der im Haushalt 2019 für Investitionen eingestellten Mittel seien abgerufen worden, wird vorgerechnet. Ge- genüber 2018 (95,8 Prozent) habe sich der Mittelabfluss „deutlich verbessert“. Anders stellt sich die Situation bei relevan- ten Sondervermögen des Bundes dar: Aus dem Ende 2018 eingerichteten und zu- nächst mit 2,4 Milliarden Euro aufgefüll- ten Digitalfonds, mit dem unter anderem der Digitalpakt Schule angeschoben wer- den soll, flossen im vergangenen Jahr bei- spielsweise 27,2 Millionen Euro ab. Ähnlich wie Sozialdemokrat Kahrs äußerte sich Eckhardt Rehberg (CDU) für die Uni- on. Der Überschuss zeige, dass es keine Schulden brauche, um die Aufgaben des Staats zu finanzieren – ein Fingerzeig in Richtung Linke, Grüne und Teile der SPD, Luxusproblem ETAT I Der Bund erzielt trotz schwächelnder Konjunktur erneut einen Milliarden-Überschuss. Die Große Koalition warnt vor zu viel Euphorie und will das Geld in einer Rücklage bunkern. Teile der Opposition fordern erneut eine kreditfinanzierte »Investitionswende« 13,5 Milliarden Euro Überschuss: Beim Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) klingelt es in der Kasse © picture-alliance/dpa die in den vergangenen Monaten die Poli- tik der „Schwarzen Null“ attackiert hatten. Die Rücklage werde gebraucht, wie Reh- berg mit Verweis auf bisher nicht finanzier- te „höhere Investitionen, höhere Ausgaben für die innere und äußere Sicherheit sowie voraussichtlich höhere EU-Abführungen im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrah- mens ab 2021“ begründete. Den Finanzmi- nister ließ Rehberg damit wissen, dass er für eine Entschuldung der Kommunen, wie sie Scholz vorschwebt, keine „finanziellen Spielräume“ sieht. Ohnehin seien dafür die Länder zuständig. Für eine Senkung der Unternehmenssteuer und „den vollständi- gen Abbau des Solidaritätszuschlags ab 2022“ zeigte sich Rehberg offener. Scholz Sozialdemokrat Kommunen unterstützen Unterstützung bekommt im Grundsatz von der Links-Fraktion. Die For- derung nach „einem gezielten Entschul- dungsprogramm“ und „einer Überwin- dung der Unterfinanzierung der Kommu- nen“ findet sich auch in einem Antrag der Fraktion (19/15919), den der Bundestag am vergangenen Freitag erstmalig beriet. Mit dieser Maßnahme und unter anderem einer Modifizierung der Schuldenbremse will die Fraktion eine – auch kreditfinan- zierte – „Investitionswende“ anschieben Die Fraktion greift damit Forderungen von BDI und DGB auf. An die beiden Organi- satoren anschließend forderte Alexander Ulrich für seine Fraktion in der Debatte, in den nächsten zehn Jahren 450 Milliarden Euro zusätzlich zu investieren. Das lehnte – bei Unterstützung aus Reihen der Grünen – nicht nur die Koalition ab, sondern auch FDP und AfD. Peter Boehrin- ger (AfD) sprach von „Vulgär-Keynesianis- mus“ und bezeichnete den Aufruf von BDI und DGB als eine „unheilige Allianz linker Etatisten mit Lobbyisten der Großindustrie als Beutegemeinschaft“. Ulla Ihnen (FDP) betonte, es gebe unzweifelhaft Nachholbe- darf bei Investitionen. Eine Neuverschul- dung lehnte sie aber ab, Geld für Investi- tionen sei da. Zudem seien „Steuersenkun- gen überfällig“. Sören Christian Reimer T > KO M PA K T Vorläufiger Haushaltsabschluss > Einnahmen Der Bund hat 2019 Einnah- men in Höhe von 357,1 Milliarden Euro erzielt und damit 0,7 Milliarden Euro mehr als geplant. Mit 329,0 wurden 3,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnah- men erzielt. Darin sind aber niedrigere EU-Abführungen enthalten (siehe Text). > Ausgaben Die Ausgaben fielen mit 343,6 Milliarden Euro um 12,8 Milliar- den Euro geringer aus als im Soll. So wurden unter anderem 5,5 Milliarden Euro weniger für Zinsen verausgabt. > Rücklage Statt wie geplant 5,5 Milliar- den Euro aus der sogenannten Asyl- Rücklage zu entnehmen, fließen nun 13 Milliarden Euro in die Rücklage, die übrigen 500 Millionen Euro werden für den Verteidigungsbereich gespart. Recht komplex PKW-MAUT Sachverständige uneins bei der Bewertung Vergaberecht- lich wird das Vorgehen des Ministeriums von Juristen kontrovers bewertet. „Recht ist keine exakte Wissenschaft“, sagte Franz C. Mayer, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Bielefeld, vor den Abgeordneten, die sich im 2. Untersuchungsausschuss des Bundes- tags um die Aufklärung der Vorgänge rund um die Einführung der Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen – besser bekannt als Pkw-Maut – bemühen. Mayer war als einer von sechs Juristen zur Zeugenverneh- mung von Sachverständigen geladen wor- den, mit welcher der Ausschuss nun in die inhaltliche Arbeit einstieg. Wie zutreffend Mayers Aussage ist, bewies die Kontroverse zwischen ihm und seinem Kollegen Friedemann Kainer, Profes- sor für Bürgerliches Recht an der Universität Mann- heim. In der Einschätzung der Frage, ob das Gesetz zur Pkw-Maut mit europäi- schem Recht vereinbar ist, kamen sie zu diametral un- Einschät- terschiedlichen zungen. Die Frage ist des- halb relevant, weil das Bun- desverkehrsministerium En- de 2018 den Vertrag mit dem Betreiberkonsortium aus CTS Even- tim und Kapsch TrafficCom unterschrieb, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Rechtmäßigkeit der Maut noch aus- stand. Im Juni 2019 entschied der EuGH dann, das Gesetz verstoße gegen Unions- recht, da es Ausländer diskriminiere. Diese Entscheidung sei alles andere als überraschend gekommen, erklärte Mayer. Vielmehr habe in der juristischen Fachwelt mit großer Mehrheit die Einschätzung ge- herrscht, dass die Infrastrukturabgabe in der vorgesehenen Form diskriminierend gewesen sei. Auf Nachfrage von Abgeord- neten bezifferte der Rechtsprofessor die Wahrscheinlichkeit eines negativen Urteils auf 90 bis 95 Prozent. „Der Vorgang“, sagte er weiter, „wirft die Frage nach dem Um- gang mit juristischem Sachverstand bei po- litischen Entscheidungen auf.“ Ganz anders sah dies Friedemann Kainer von der Universität Mannheim. Seiner An- sicht nach bestanden „gute Gründe, die Maut nicht als diskriminierend einzuschät- zen“. Zwar sei es europarechtlich nicht zu- lässig, Ausländer zu diskriminieren, er- laubt sei es aber, eine Diskriminierung von Inländern auszugleichen. Kainer zufolge sind inländische Fahrzeughalter benachtei- ligt, da sie in Deutschland KfZ-Steuer zah- len müssen. Gemäß dem vom EuGH für rechtswidrig erklärten Gesetz wären zwar in- und ausländische Fahrzeughalter für die Maut zur Kasse gebeten worden; inlän- dischen Haltern wäre je- doch die Kfz-Steuer min- destens in Höhe der Maut- gebühr erlassen worden. Kaum weniger Kontrover- sen gab es bei weiteren Rechtskomplexen, die im Ausschuss ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen werden. Haushaltsrechtlich spielen dabei insbesondere die umstrittene Finanzie- rung des Vorhabens und die Entschädigungsforde- rung der Betreiber eine Rolle. Vergaberechtlich steht die Frage im Vordergrund, ob es zulässig war, dass das Verkehrsministerium nach Abgabe des fi- nalen Angebots durch das Betreiberkonsor- tium im Oktober 2018 weiter über dieses Angebot verhandelte. Tendenziell bejaht wurde die Rechtmäßig- keit dieses Vorgehens von Jan Endler, Part- ner in der Kanzlei Linklaters: Da nur ein einziges finales Angebot abgegeben wor- den und die Mindestanforderungen des Beschaffungsgegenstands nicht verändert worden seien, sei es nicht erforderlich ge- wesen, auch diejenigen Bieter wieder ein- zubeziehen, die sich zuvor zurückgezogen hatten. Dem widersprach Marco Núñez Müller, Partner in der Kanzlei Chatham: Die Vergabeverordnung verbiete solche Nachverhandlungen, unabhängig davon, wie viele endgültige Angebote abgegeben worden seien. Christian Hunziker T Freie Fahrt durch Europa VERKEHR Sicherheitsstandards für Züge vereinheitlicht Die von den Eisenbahnunternehmen be- nötigten Sicherheitsbescheinigungen für ihren Fuhrpark werden künftig nicht mehr national erteilt, sondern sollen EU-weit gelten. Das ist im Vierten EU-Eisenbahnpa- ket vorgesehen, dessen „technische Säule“ nun durch Beschluss des Bundestages um- gesetzt wird. Bei Enthaltung der AfD stimmten vergangene Woche alle anderen Fraktionen dem entsprechenden Regie- rungsentwurf zu (19/15661, 19/16195). Michael Donth (CDU) freute sich während der Debatte über die Umsetzung „sowohl als Verkehrspolitiker als auch als Touris- muspolitiker“. Eine enge Verzahnung und einheitlichere Regeln und Standards im Schienenverkehr auf EU-Ebene führten zu einem besseren Transitverkehr zwischen den Staaten. „Dabei sollte jedem echten Europäer das Herz aufgehen“, sagte er. Martin Burkert (SPD) befand, es sei richtig, nationale Vorschriften und vor allem Si- cherheitsstandards im grenzüberschreiten- den Eisenbahnverkehr anzugleichen. Si- cherheit, so Burkert, habe im Übrigen im europäischen Eisenbahnverkehr zu jeder Zeit oberste Priorität. Torsten Herbst (FDP) lobte die „Grund- idee“ hinter dem Vierten EU-Eisenbahnpa- ket, für mehr Wettbewerb zu sorgen. Schließlich sei Wettbewerb „der wesentli- che Schlüssel zu einer höheren Attraktivität der Schiene“. Sabine Leidig (Die Linke) hingegen kriti- sierte das Vorhaben der EU, viel Konkur- renz und Wettbewerb auf den Schienen Europas „auf Kosten der Beschäftigten“ durchzusetzen. Gemeinsame europäische Standards, damit Züge in allen Ländern Europas zum Einsatz kommen können, seien jedoch wichtig. Matthias Gastel (Grü- ne) urteilte, der Gesetzentwurf löse nicht alle Probleme, sorge aber dafür, „dass es in Zukunft weniger Kleinstaaterei im europäi- schen Eisenbahnwesen geben wird“. Wolfgang Wiehle (AfD) sagte, gemeinsame technische Standards seien sinnvoll, „wenn sie im Sinne aller praktikabel gestaltet sind“. Das sei hier aber nicht der Fall, da die bürokratischen Anforderungen bei der Sicherheitsbescheinigung sehr hoch seien und insbesondere kleine oder mittelständi- sche Bahnunternehmen vor Probleme stellten. Götz Hausding T Bremsen oder Überholen Kosten der Migration Novelle für Radler WIRTSCHAFT Debatte über Lage der Automobilbranche ETAT II AfD-Fraktion fordert umfassenden Bericht und teilt aus VERKEHR Koalition für Tempo 30-Modellprojekte Der Bundestag hat am Freitagnachmittag über die Zukunft der Automobilindustrie diskutiert. Die Initiative zu der Aktuellen Stunde war von der AfD-Fraktion gekom- men. Zum Auftakt der Debatte begründete deren Abgeordnete Enrico Komning den Vorstoß mit der brisanten Lage in der deut- schen Autoindustrie. Durch die „Verord- nung der Elektromobilität“ seien Arbeits- plätze in der Automobilbranche bedroht. Es treffe vor allem den Mittelstand und dort die Zulieferer. Tausende Arbeitsplätze würden wegfallen. Es gebe bessere Metho- den zur CO2-Einsparung, etwa Kernkraft. Die restlichen Fraktion kanzelten die AfD- Ausführungen als gestrig und Gefahr für den Industriestandort ab. Matthias Heider (CDU) erklärte, die Zukunft sehe anders aus. Das Auto von morgen müsse mehr bieten – es sei ein Fortbewegungsmittel und eine Plattform für digitale Anwen- dungsmöglichkeiten, die das Fahren zu- kunftsorientierter machen. Diesen Wandel müsse die Politik begleiten. Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper Falko Mohrs (SPD) sagte, wenn alles so bleibt, wie es war, werde alles noch viel schlimmer. Alles, was die AfD wolle, sei ge- gen die Autoindustrie und deren Beschäf- tigten gerichtet. Der Ausbau der Ladeinfra- struktur trage zur Zukunftsfähigkeit der Branche bei genauso wie weiterreichende Gesetzesänderungen. Alexander Ulrich (Linke) erklärte, zur Her- stellung von Elektroautos würden weniger Arbeitnehmer gebraucht. Diesen Wandel müsse die Politik gestalten und dafür sor- gen, dass alternative Beschäftigung ent- steht. Der Markt allein werde diese Trans- formation nicht regeln. Reinhard Houben (FDP) sagte, die Krise in der Automobilindustrie liege auch daran, dass Unternehmen Fehler gemacht hätten. Die Reaktion der Politik mit Subventionen und planwirtschaftlichen Elementen sei al- lerdings auch falsch. Programme seien zu wenig auf Start-ups zugeschnitten. Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Chance sei da, Technologiefüh- rerschaft in der Welt anzustreben – mit ei- nem Zusammenführen der Maßnahmen auch unter Einbeziehung Erneuerbarer Energien. Die Bedürfnisse der Menschen hätten sich geändert. Diese wollten, dass Mobilität mit Klimaschutz einhergeht, be- tonte der Abgeordnete. pez T Die AfD-Fraktion verlangt Klarheit über die „finanziellen Lasten der Migrationspo- litik“. Einen entsprechenden Antrag der Fraktion (19/16488) beriet der Bundestag erstmalig am vergangenen Donnerstag. Nach dem Willen der Fraktion soll die Bundesregierung jährlich in einem Bericht detailliert über die Aufwendungen ihrer Migrationspolitik informieren. Dies soll dem Antrag zufolge neben den Aufwen- dungen, die beim Bund „im Zusammen- hang mit seiner gesamten Migrationspoli- tik“ einschließlich der „Kosten der soge- nannten Fluchtursachenbekämpfung oder anderer indirekter Maßnahmen“ anfallen, auch die Kosten umfassen, die in den Län- dern und Kommunen „für die Bewältigung der sogenannten humanitären Migration tatsächlich insgesamt anfallen“. Gottfried Curio (AfD) begründete den An- trag als eine „Bon-Pflicht“ für die Regierung, Der geforderte Bericht könne als „transpa- rentes Gesamtbild“ für die „ausgepressten Steuerzahler“ dienen. Curio teilte in seiner Rede kräftig aus: Die „inländerfeindlichen Ideologen der Regierung“ machten „Politik gegen die eigenen Bürger“, die Mittel zur Fluchtursachenbekämpfung sei „komplett rausgeschmissenes Geld“. Deutschland „mit Migranten zu fluten“ sei „gefährlicher poli- tischer Extremismus“. Die Redner der übrigen Fraktionen hielten dagegen: „Der Mist, den Sie hier erzählen, der Hass, den Sie predigen, das ist Extre- mismus“, sagte Christdemokrat Eckhardt Rehberg, der auch von der Forderung nach einem weiteren Bericht nichts hielt. Konstantin Kuhle (FDP) sagte, für die AfD- Fraktion sei eine ungeregelte Migrations- politik wie die „Luft zum Atmen“. Alle an- deren Fraktionen würden sich für eine ge- ordnete Flüchtlings- und Migrationspolitik einsetzen. Helge Lindh (SPD) erinnerte an eine Kam- pagne des Rassenpolitischen Amts der NSDAP in den 1930er-Jahren, die auf ver- meintliche Kosten sogenannter „Erbkran- ker“ für die „Volksgemeinschaft“ abgezielt hatte. „Wer solche Anträge stellt, wer sol- che Reden hält, weiß, in welche Tradition er sich einreiht“, mahnte Lindh die AfD. Gesine Lötzsch kritisierte, dass die von der Bundesregierung angegeben „Flüchtlings- kosten“ schon jetzt überhöht seien, ent- hielten sie auch Verteidigungsausgaben. So lenke man Hetze und Hass der Menschen auf die Geflüchteten. Für die Grünen-Fraktion kritisierte Luise Amtsberg, dass der Antrag von „Verwer- tungslogik“ triefe. Es sei aber nicht in Geld aufzuwiegen, „Menschen vor Krieg und Tod zu retten“, sagte Amtsberg. scr T Mehr Sicherheitsabstand beim Überholen von Radfahrern, Schrittgeschwindigkeit für Lkw beim Rechtsabbiegen, höhere Bußgel- der beim Parken auf Radwegen: Die Vor- schläge für eine fahrradfreundliche StVO- Novelle aus dem Verkehrsministerium sto- ßen bei den Bundestagsfraktionen grund- sätzlich auf Zustimmung. Grünen und Lin- ken reicht das aber nicht und selbst die Ko- alitionsfraktionen haben in einem Antrag (19/15779) weitergehende Vorstellungen skizziert. Insbesondere der Vorschlag von Union und SPD, in Modellprojekten un- tersuchen zu lassen, ob nicht etwa in Städ- ten ein generelles Tempolimit von 30 Kilo- meter pro Stunde sinnvoll ist, stößt bei AfD und FDP auf Widerspruch. Schieflage In einer Schieflage befinde sich die Koalition mit solchen Forderungen, be- fand Christian Jung (FDP) während der Debatte in der vergangenen Woche. Aus seiner Sicht ist es wichtig, dass bei einer StVO-Novelle „die einzelnen Verkehrsträ- ger nicht gegeneinander ausgespielt wer- den“, sagte Jung unter Verweis auf den An- trag seiner Fraktion (19/16483). Wolfgang Wiehle (AfD) urteilte, in Deutschland wer- de ein ideologischer Kampf gegen das Auto geführt – bislang vor allem von den Grü- nen und ihren Anhängern. Bei den Grünen hält sich die Begeisterung über die Reform in Grenzen. Nicht zuletzt weil der geplante Bußgeldkatalog „voller handwerklicher Fehler ist“, wie Stefan Gelbhaar (Grüne) sagte. Seine Fraktion plädiert in einem Antrag (19/8980) unter anderem für deutliche höhere Bußgelder bei Falschparken auf Rad- und Fußwegen. Andreas Wagner (Die Linke) sprach von ei- nem „Schritt in die richtige Richtung“, der aber nicht ausreiche. Insbesondere in den Innenstädten sei es notwendig, „die Ver- kehrsflächen neu aufzuteilen“, sagte er. Neue Zeiten Gero Storjohann (CDU) sieht in der Verkehrspolitik neue Zeiten an- brechen. Mit Blick auf die verstärkte Fahr- radnutzung sei eine Anpassung der StVO nötig. Die Änderungen müssten aber „wohl abgewogen werden“. Die StVO diene der Ordnung des Verkehrs und habe zum Ziel, Sicherheit und Leichtigkeit des Ver- kehrs zu gewährleisten, betonte Storjo- hann. Mathias Stein (SPD) hält die Idee der Modellprojekte für ein generelles Tem- po 30 für gut. Viele Kommunen wünschten sich, die Tempo 30-Zonen stärker ausbau- en zu können, sagte Stein. „Wir packen al- so mächtig an, um das Radfahren sicherer und attraktiver zu machen“, sagte der SPD- Abgeordnete. hau T