8 INNENPOLITIK Das Parlament - Nr. 6-7 - 03. Februar 2020 A ussuchen, bezahlen und mitnehmen!“ So stellt sich Hans-Peter Bartels, Wehr- beauftragter des Bundesta- ges, das Beschaffungswe- sen der Zukunft für einen Teil der Bundeswehr-Ausrüstung vor. „Das meiste, was unsere Streitkräfte brauchen, vom Rucksack bis zum leichten Verbin- dungshubschrauber, muss nicht immer wieder erst in umständlichen, funktionalen Fähigkeitsforderungen abstrakt definiert, dann europaweit ausgeschrieben, neu er- funden, vergeben, getestet, zertifiziert und schließlich in kleinen Tranchen über 15 Jahre hinweg in die Bundeswehr einge- führt werden“, forderte Bartels in der ver- gangenen Woche anlässlich der Präsentati- on seines Jahresberichts 2019 (19/16500). Er nennt seinen Vorschlag das „Ikea-Prin- zip“. Die vom Verteidigungsministerium präferierte „Design-Lösung“ sollte hinge- gen auf die Beschaffung der modernsten Technik vom neuen Kampfpanzer bis zur Raketenabwehr beschränkt werden. „Ein solcher dualer Beschaffungsweg zwischen Ikea oder Design könnte Zeit, Geld und Personal sparen, die Vollausstattung be- schleunigen und die Nerven der Soldatin- nen und Soldaten schonen“, argumentierte der Wehrbeauftragte. Material und Personal Um die Nerven der rund 184.000 Uniformierten scheint es ebenso schlecht bestellt zu sein wie um ih- re Ausrüstung. Denn in der Truppe seien die von der ehemaligen Verteidigungsmi- nisterin Ursula von der Leyen (CDU) ein- geleiteten „Trendwenden“ bei Material und Personal trotz steigender Verteidigungsaus- gaben „überwiegend noch nicht spürbar“. Zwar sei der Verteidigungshaushalt seit 2014 kontinuierlich von 32,4 auf aktuell 45,1 Milliarden Euro gestiegen, trotzdem habe sich die Einsatzbereitschaft bei den Hauptwaffensystemen auch 2019 nicht deutlich verbessert. Ein Grund dafür sei, dass im vergangenen Jahr Haushaltsmittel in Höhe von 1,1 Milliarden Euro für Be- schaffungen nicht wie geplant ausgegeben werden konnten wegen Verzögerungen bei Rüstungsprojekten wie dem Schützenpan- zer „Puma“, dem gepanzerten Transport- fahrzeug „Boxer“ oder der Fregatte 125. Es fehlt nicht nur an rollendem, schwim- mendem und fliegendem Gerät, sondern auch an Personal – vor allem an höher qualifiziertem. So blieben Ende 2019 rund 21.000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren unbesetzt. Aber auch im Mannschaftsbereich fehlten 2.100 Solda- ten. Eine Besserung der angespannten Per- sonalsituation ist nicht in Sicht. Zwar sei die Zahl der Bewerber leicht um 900 auf 53.100 im vergangenen Jahr gestiegen, doch seien bei Weitem nicht alle Bewerber geeignet. So verharrte die Zahl der neu ein- gestellten Soldaten auch 2019 auf dem „Allzeittief“ von etwas mehr als 20.000, rechnet Bartels in seinem Bericht vor. Der Personalmangel ist jedoch kein reines Zahlenspiel, sondern belastet ganz real den Alltag in der Truppe und auch das Privatle- ben der Soldaten. „Wenn Personallücken im Auslandseinsatz durch die immer wie- der gleichen Spezialisten gefüllt werden und die Einsatzstehzeit im Heer schon wie- der bei sechs Monaten liegt, dann geht das eindeutig zu Lasten der Vereinbarkeit von Prinzip Ikea VERTEIDIGUNG Wehrbeauftrager Bartels warnt vor Scheitern der »Trendwenden« und fordert Reformen Umstrittene Technik INNERES Gesichtserkennung sorgt für scharfe Kontroverse Die mögliche Einführung automatisierter Gesichtserkennung in öffentlichen Räu- men sorgt im Bundestag für heftige Kon- troversen. Während FDP, Linke und Grüne vergangene Woche im Parlament einen sol- chen Einsatz biometrischer Gesichtserken- nung vehement ablehnten und die SPD ihn skeptisch beurteilte, verteidigten Red- ner von Union und AfD die Methode als Fahndungsinstrument zur Kriminalitätsbe- kämpfung. Anträge von FDP (19/16862) und Grünen (19/16885), die sich gegen ei- ne Nutzung biometrischer Gesichtserken- nung durch die Bundespolizei richten, überwies das Parlament zur weiteren Bera- tung an die Ausschüsse. In der Debatte verwies Thorsten Frei (CDU) darauf, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Regelungen für die au- tomatisierte Gesichtserkennung jüngst aus dem Entwurf eines neuen Bundespolizei- gesetzes herausgenommen habe, „weil es da noch Fragen zu klären gibt“. Es sei rich- tig, offene Rechtsfragen zu klären, bevor man „in einem sensiblen Bereich neue In- strumentarien für die Polizei“ ermögliche. Dabei gehe es aber nicht „um die staatliche Überwachung von Leuten, die gar nichts mit den Dingen zu tun haben“, sondern darum, Gesichtserkennung dazu zu nut- zen, „dass Menschen, die in polizeilichen Fahndungsdateien sind, schneller dingfest gemacht werden können“. Roman Reusch (AfD) hielt FDP und Grü- nen vor, sie wollten ein „neues, wunderbar funktionierendes Instrumentarium zur Fahndung nach Straftätern verbieten las- sen“. Zugleich wünschte er den Unions-Ab- geordneten „viel Fortune dabei, den Bun- desinnenminister wieder zu seiner frühe- ren Auffassung zu bekehren“. Ute Vogt (SPD) begrüßte, dass Seehofer das Thema aus dem Gesetz „erstmal“ herausge- nommen habe. Anders als bei herkömmli- cher Videoüberwachung würden Menschen bei der biometrischen Gesichtserkennung „individuell erkennbar“. Das sei gleichbe- deutend mit einer anlasslosen Kontrolle, der die Verfassung enge Grenzen setze. Konstantin Kuhle (FDP) betonte, eine „flä- chendeckende automatisierte Gesichtser- kennung im öffentlichen Raum“ passe nicht zu einer freiheitlichen Demokratie, sondern eher zu totalitären Regimen, wenn der Staat nachvollziehen könne, wo sich alle Bürger aufhalten. André Hahn (Linke) begrüßte, dass Seeho- fer die Einführung dieser Technologie ge- stoppt habe. Zugleich bezweifelte er, „dass vor allem die Union wirklich dauerhaft auf dieses Instrument verzichten will“. Konstantin von Notz (Grüne) warf Seeho- fer vor, längst mit der Unionsfraktion aus- gehandelt zu haben, „die entsprechenden Passagen im weiteren Verfahren wieder ins Gesetz zu hieven“. sto T Flüchtlingskinder in Not ASYL Viel Kritik an Zuständen in griechischen Hotspots Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Bundestages © picture-alliance/dpa Dienst und Privatleben“, moniert Bartels. Die Truppe sei es zwar gewohnt, geduldig zu sein, aber sie müsse nun seit Jahren be- reits die Aufgaben erfüllen, für die sie erst im Jahr 2031 vollständig aufgestellt und ausgerüstet sein soll. So warnt Bartels denn auch vor einem Scheitern der sogenannten „Trendwenden“. Umso wichtiger seien Reformen im Innern der Streitkräfte. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) for- dert er in seinem Bericht auf, die Ergebnis- se aus dem von ihrer Amtsvorgängerin auf- gelegten Programm „Innere Führung – heute“ endlich offenzulegen. Im Rahmen dieses Programms seien unter „vorbildli- cher Einbeziehung“ von Soldaten aller Or- ganisationsbereiche und Dienstgradgrup- pen Vorschläge für innere Strukturrefor- men erarbeitet worden. Doch selbst die Existenz eines noch nicht von der Leitung gebilligten Abschlussberichts werde vom Ministerium bestritten – „auch auf aus- drückliche Nachfrage zum Ende des Be- richtsjahres hin“, kritisiert der Wehrbeauf- tragte. Zweite Amtszeit? Bei so viel unverhohle- ner Kritik überrascht es nicht, dass längst auch eine Diskussion über eine Wieder- wahl Bartels entbrannt ist, dessen Amtszeit im Mai regulär nach fünf Jahren endet. Be- reits Anfang des Jahres hatte der Sozialde- mokrat keinen Hehl daraus gemacht, dass er erneut zur Verfügung stehen würde. Selbst aus den Reihen der Opposition gibt es Signale, dass sie Bartels wählen würde. Doch innerhalb der Regierungskoalition ist dies keine ausgemachte Sache. So stellte der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Henning Otte (CDU), ganz offen die Praxis, dass der Wehrbeauftragte tradi- tionell von dem Koalitionspartner gestellt wird, der nicht das Verteidigungsministeri- um führt, in Frage. Diese Auffassung sei „ohne Rechtsgrundlage und zu sehr partei- politisch ausgerichtet“, sagte Otte. Tobias Lindner, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, konterte, der Wehrbeauftragte sei „unabhängig und überparteilich“. Es sei zu hoffen, dass die Große Koalition bei der anstehenden Wahl das Amt „nicht durch parteipolitische Machtspielchen beschä- digt“. Alexander Weinlein T Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD hat der Bundestag in der ver- gangenen Woche einen Antrag der Linken (19/14024) „für eine schnelle Aufnahme unbegleiteter Flüchtlingskinder aus den EU-Hotspots in Griechenland“ abgelehnt. Zugleich überwies das Parlament einen Grünen-Antrag (19/16838), 5.000 beson- ders schutzbedürftige Menschen wie etwa unbegleitete Kinder oder Schwangere aus den Hotspots aufzunehmen und die Asyl- verfahren in Deutschland durchzuführen; zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. Thorsten Frei (CDU) warnte in der Debat- te, die Zustände auf den griechischen In- seln drohten unhaltbar zu werden. Die Folgen von Flüchtlingskindern “ wären indes nicht ver- antwortbar: „Das Signal wäre, dass man nur irgendwie die griechischen Inseln er- reichen muss, dann wird man nach einiger Zeit auch das europäische Festland errei- chen“, sagte Frei. Das „würde neue Pull- Faktoren auslösen“ und das Türkei-EU-Ab- kommen „ad absurdum führen“. Armin-Paulus Hampel (AfD) sagte, derzeit befänden sich 47.000 Menschen auf fünf griechischen Inseln, von denen ein Groß- teil vornehmlich junge Männer seien. Sie alle hätten Deutschland zum Ziel. Hampel plädierte dafür, unbegleitete Kinder zu ih- ren Eltern zurückzuschicken und diese in Schutzzonen unterzubringen. „Diese Men- „Ad-hoc-Aufnahme einer schen nehmen die Kinder als ein politi- sches Mittel“, fügte er hinzu: „Wenn die Kinder in Deutschland sind, sollen die Fa- milien nachziehen.“ Lars Castellucci (SPD) warb mit Verweis auf die bevorstehende EU-Ratspräsident- schaft Deutschlands dafür, „mehrere euro- päische Länder dafür zu gewinnen, auf den griechischen Inseln zu handeln“. Man dür- fe jetzt nicht „im Alleingang handeln und damit möglicherweise eine Lösung torpe- dieren“. Linda Teuteberg (FDP) nannte die Zustän- de in den Hotspots „vollkommen unzurei- chend“. Die Aufnahme zusätzlicher Flücht- lingskontingente durch Deutschland sei je- doch „keine verantwortungsvolle Lösung“. Vielmehr brauche man klarere Regeln und schnellere Verfahren. Ulla Jelpke (Linke) mahnte, Deutschland solle „Vorbild im solidarischen humanitä- ren Handeln sein“. Das bedeute, unbeglei- tete Kinder und Jugendliche aus diesen „katastrophalen Lagern“ in der Bundesre- publik aufzunehmen. Die Kapazitäten sei- en da, und die Hilfsbereitschaft der Men- schen in Deutschland sei auch vorhanden. Auch Luise Amtsberg (Grüne) betonte, die Strukturen zur Aufnahme und Versorgung dieser Menschen seien in Deutschland vor- handen. Das geforderte Aufnahmepro- gramm wäre ein „wichtiger Schritt hin zur europäischen Solidarität“. sto T Nur ein kleiner Fisch »Externe Hilfe war nötig« AMRI-AUSSCHUSS Zeugin räumt Fehleinschätzung der Berliner Polizei ein BERATERAFFÄRE Ex-Staatssekretärin Suder sieht wichtige Erfolge bei der Beschaffung Auf ihre Mitarbeiter ließ die Zeugin nichts Im Amri-Untersuchungsaus- kommen. schuss erzählte die leitende Polizeibeamtin vergangene Woche von „total kompetenten Führungskräften“ in ihrer früheren Abtei- lung. Von untergebenen Dezernaten, die „sehr autark, sehr kompetent und fachver- antwortlich“ unterwegs gewesen seien. „Ex- trem engagierten“ Beamten, die „mehr ge- arbeitet“ hätten „als viele andere“. Mittlerweile ist Jutta Porzucek 58 Jahre alt und trägt im Rang einer Polizeidirektorin beim Polizeipräsidenten dafür Sorge, dass die Menschen im Norden Berlins, in Reini- ckendorf und Pankow, ruhig schlafen kön- nen. Von 2015 bis 2018 leitete sie im Lan- deskriminalamt die Abteilung LKA 5 für Staatsschutz. Unter anderem verantwortete sie die polizeiliche Betreuung des Tunesiers Anis Amri, der den Großteil des Jahres 2016 in Berlin verbrachte, bevor er am Abend des 19. Dezember 2016 mit einem Schwerlaster den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz überrollte. Image angekratzt Dem Berliner Landes- kriminalamt haftet seither der Nimbus ei- ner Pech- und Pannenbehörde an, die nicht in der Lage war, Amri mit der erfor- derlichen Nachhaltigkeit im Auge zu be- halten und ihn schließlich für einen harm- losen Drogenverticker hielt. Die damals zuständige Chefin des Staatsschutzes aller- dings hatte mit all dem, wie der Ausschuss ihrer Aussage entnehmen durfte, nichts zu tun. Sei sie doch an keiner Entscheidung Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper geläufig persönlich beteiligt gewesen, und gewusst habe sie auch kaum etwas. Nicht einmal der Name Anis Amri sei ihr vor dem Weih- nachtsmarkt-Attentat gewesen. Wie denn auch? „Ich war als Abteilungslei- terin soweit informiert wie notwendig.“ Und das zu beurteilen, blieb den Mitarbei- tern überlassen. Die waren, wie gesagt, „to- tal kompetent“ und „fachverantwortlich“, mithin durchaus in der Lage, eigenständig abzuwägen, was die Chefin wissen musste und was nicht. Mit Amri wurde sie nicht behelligt. Den hielten die Berliner ja für ei- nen kleinen Fisch. gegeben Falsch entschieden „Aus heutiger Sicht, mit all dem Wissen, ist es falsch gewe- sen, was wir damals dort entschieden haben“, räum- te die Zeugin ein. Anderer- seits: „Ich glaube nur, dass es nach damaligem Wis- sensstand durchaus Erklä- rungen haben kann, zu einer solchen feh- lerhaften Einschätzung zu kommen.“ Amri sei nur „ei- ner von sehr vielen Gefährdern“ gewesen, und unter diesen nicht einmal der schlimmste: „Wir haben andere Personen gehabt, die uns zu dem Zeitpunkt wesent- lich mehr Gefährlichkeit entgegengebracht haben.“ Wer außer Amri das gewesen sein soll, ver- mochte die Zeugin dem Ausschuss aller- dings nicht mehr zu sagen, auch nicht auf wiederholte Nachfragen. Aus den drei „Phänomenbereichen“, die ihre Abteilung damals zu bearbeiten hatte, Linksextremis- radikalislami- mus, Rechtsextremismus, scher Terrorismus, ist ihr kein einziger Na- me eines amtlich registrierten Gefährders im Gedächtnis geblieben. „Ich bin seit über einem Jahr raus aus dem Polizeili- chen Staatsschutz. Insofern brauche ich die heute nicht mehr zu kennen“, kommen- tierte sie die offenkundige Irritation der Abgeordneten. „Ich brauchte mir die Na- men nicht zu merken.“ Auch was im Gemeinsamen Terrorismus- Abwehrzentrum (GTAZ), wo Amri immer wieder zur Sprache kam, über den Mann ge- redet und beschlossen wurde, ist der Leite- rin des Berliner Staatsschutzes damals nicht zu Ohren gekommen. Derlei habe nicht zu „standardmäßigen ihren Aufgaben“ „Eine Rücksprache hätte es nur ge- geben, wenn die Einschät- zung der Mitarbeiter so ge- wesen wäre, dass ich das als Dienststellenleiterin wissen musste.“ Das sei „zum The- ma Amri so nicht erfolgt“. gehört: Kein Mehrwert Dass der Mann im Sommer 2016 nur an 20 Tagen und an diesen auch nur sehr einge- schränkt observiert wurde, blieb ihr ebenfalls verborgen. Dass dieses Defizit mit Personalmangel zu tun gehabt haben könnte, bestritt sie. Wäre es so gewe- sen, hätte sie davon erfahren und für Ab- hilfe gesorgt. Vielmehr sei der „Mehrwert“ einer nachdrücklicheren Observierung nicht gesehen worden. Mit dem Liberalen Benjamin Strasser lieferte sich die Zeugin noch einen Wortwechsel über die Frage, ob Amri 2016 als die Nummer Eins unter den radikalislamischen Gefährdern in Berlin gegolten habe. Das könne gar nicht sein, meinte sie. Warum nicht? „Weil er dann oberserviert worden wäre – wir sind Fach- leute.“ Winfried Dolderer T »Es ist falsch gewesen, was wir damals entschieden haben.« Jutta Porzucek, Polizeidirektorin Lange haben sie gewartet, nun saß den Ab- geordneten in der vergangenen Woche jene Frau gegenüber, die ungewollt die Initial- zündung für die parlamentarischen Nach- forschungen zu den umstrittenen Berater- verträgen bei der Bundeswehr ausgelöst hatte. Katrin Suder war zwischen 2014 und 2018 Rüstungsstaatssekretärin im Verteidi- gungsministerium. Ende 2018 – sie war schon auf eigenen Wunsch aus dem Job ausgestiegen – hatte der Verteidigungsausschuss sie eingeladen, um sie zu den vom Bundesrechnungshof gerügten Vergaben an Beratungsfirmen zu befragen. Doch Suder gab den Abgeordne- ten einen Korb. Der Verteidigungsaus- schuss setzte sich daraufhin als Untersu- chungsausschuss ein. Seiner Ladung kann sich ohne triftigen Grund niemand entzie- hen. Und so konnte der Ausschussvorsit- zende Wolfgang Hellmich (SPD) Suder nun fragen, warum sie damals nicht kom- men wollte. Sie habe keineswegs eine Miss- achtung des Parlaments im Sinn gehabt, sagte sie. Zu der Zeit sei ihr in der Öffent- lichkeit aber strafrechtliches Verhalten vor- geworfen worden. Deshalb habe sie abge- sagt. Dies habe sie der damaligen Verteidi- gungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorab mitgeteilt, ohne aber deren Rat gesucht zu haben. Die Ministerin habe ihren Entschluss akzeptiert. Strikte Trennung Die einjährige Verspä- tung ihrer Befragung ging offenkundig mit geschwundenem Gedächtnisvermögen ein- her. Jedenfalls gehörte ein Satz zu den häu- figen Antworten bei ihrer Zeugenverneh- mung: „Ich kann mich nicht erinnern.“ Ganz sicher war sie sich aber darin, in ihrer Amtszeit im Verteidigungsministerium Be- rufliches und Privates strikt voneinander getrennt zu haben. In die Vergabe von Ver- trägen an frühere Kollegen aus dem Bera- tungsunternehmen McKinsey sei sie nicht eingebunden gewesen. Sie habe sich strikt aus der Auswahl externer Firmen herausge- halten. Sie habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie mit einigen Auftragnehmern bekannt gewesen sei. „Mein Hintergrund war be- kannt. Ich kam aus der Beratungsindus- trie.“ Da hätten sich persönliche Beziehun- gen entwickelt. Sie habe das von Anfang an offen ausgesprochen. Bei der Frage nach sogenannten Kennverhältnissen ging es insbesondere um Timo N., einen ehemali- gen McKinsey-Mann, der dann zum Unter- nehmen Accenture wechselte. Diese Firma hatte einen der Beraterverträge erhalten, dessen Vergabe vom Rechnungshof bean- standet worden war. Keine Strategie Suder bezeichnete ihr Verhältnis zu N. als freundschaftlich. Bei privaten Treffen habe sie nie über Dienstli- ches mit ihm gesprochen. Sie sei in ihrer 15-jährigen Tätigkeit bei McKinsey darauf getrimmt worden, die Dinge streng zu trennen und nicht über die Arbeit zu re- den. Zu einer Zeugenaussage, N. habe einen besonderen Draht zur Leitungsebene des Ministeriums gehabt, meinte sie: „Das habe ich so nicht wahrgenommen.“ Von der Leyen hatte Suder geholt. Sie habe, sagte Suder, gerne zugesagt, wobei das Fi- nanzielle keine Bedeutung gehabt habe. Die Lage im Rüstungsbereich sei damals „ausgesprochen schwierig“ gewesen: man- gelnde Ausrüstung, eingeschränkte Einsatz- bereitschaft. Es habe keine Strategie gege- ben, keine vollständige Bedarfsprüfung. „Es wurde das beschafft, wo am lautesten gerufen wurde.“ Externe Hilfe vor allem im IT-Bereich sei vonnöten gewesen. Suder sagte, sie habe ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geleistet und wichti- ge Erfolge im Beschaffungswesen erzielt. 2018 war sie aus privaten Gründen, wie sie sagte, ausgeschieden. Sie habe sich mehr um ihre Kinder kümmern wollen. Heute arbeite sie selbstständig. Mit der Zeugenbefragung der früheren Mi- nisterin und jetzigen EU-Kommissionsprä- sidentin von der Leyen beendet der Aus- schuss nächste Woche die Beweisaufnah- me. Im Sommer soll der Abschlussbericht vorliegen. Franz Ludwig Averdunk T KURZ NOTIERT Immunität von Gauland und Strenz aufgehoben Der Bundestag hat vergangene Woche mit der Aufhebung der Immunität den Weg frei gemacht für strafrechtliche Er- mittlungen gegen den AfD-Fraktionsvor- sitzenden Alexander Gauland (78) und die CDU-Abgeordnete Karin Strenz (52) aus Mecklenburg-Vorpommern. Dem AfD-Politiker wird Steuerhinterziehung vorgeworfen. Es geht um die gemeinsa- me steuerliche Veranlagung mit seiner Frau, die in Frankfurt/Main lebt und von der er schon lange getrennt ist. Gauland ist zwar noch verheiratet, lebt aber mit neuer Partnerin in Potsdam. Ermittler durchsuchten nach dem Beschluss des Bundestages die Wohnung Gaulands. Ein Fraktionssprecher wertete das Ermitt- lungsverfahren als „unverhältnismäßig“. Worum es bei Strenz geht, wurde nicht mitgeteilt. Wegen ihres Engagements für Aserbaidschan werden schon länger Vor- würfe der Korruption erhoben. pk T