Der Müllberg ist gewaltig RECYCLING Der Hausmüll wird in Deutschland getrennt gesammelt und wenn möglich wiederaufbereitet Bei Glas spielt das Recycling eine wichtige Rolle. Es wird in Sortieranlagen zerkleinert, von Fremdstoffen wie Kronkorken und Papie- retiketten befreit und dann wieder eingeschmolzen. © picture-alliance/dpa/Franz-Peter Tschauner Das Parlament - Nr. 30-31 - 26. Juli 2021 Gefährliche Abfälle in Klinik und Praxis SONDERMÜLL Auch in Pflegeheimen fällt viel Müll an In vielen Haushalten werden massenhaft alte Medikamente gehortet. Dass die abge- laufenen oder nicht mehr benötigen Arz- neimittel Sondermüll sind und nicht in der Toilette landen dürfen, hat sich inzwi- schen herumgesprochen. Neben Hausapo- theken, die schon eine beträchtliche Grö- ßenordnung erreichen dürften, fallen im Gesundheitssystem Tausende Tonnen Spe- zialabfall an, darunter gefährlicher Abfall, der in komplexen Verfahren gelagert, trans- portiert und entsorgt werden muss. In der Coronakrise hat sich der Blick auf gefährliche Abfälle geschärft, weil zu den problematischen Stoffen vermehrt konta- minierte Instrumente oder Schutzausrüs- tung hinzukommen. Bei der Entsorgung von Abfällen im Gesundheitssektor spielen diverse Rechtsgrundlagen auf verschiede- nen politischen Ebenen eine Rolle, so etwa der Arbeits- und Infektionsschutz, das Che- mikalien- und Gefahrgutrecht, das Abfall- recht und diverse Verordnungen bis hin zum kommunalen Satzungsrecht. Abfallverzeichnis Nach EU-Recht werden Abfälle in „gefährlich“ und „nicht gefähr- lich“ unterschieden. In der Abfallverzeich- nisverordnung (AVV) werden 842 Abfallar- ten aufgelistet, 288 davon sind als gefähr- lich eingestuft. Abfälle erhalten einen sechsstelligen Zahlenschlüssel, gefährliche Abfälle werden zusätzlich mit einem Stern- chen markiert. Gefährlich sind Abfälle dann, wenn sie Gesundheit oder Umwelt schädigen können, explosiv oder brennbar sind oder Krankheitserreger übertragen können. Abfälle aus dem Gesundheitsbe- reich werden zumeist als Sonderabfall ver- brannt, chemisch-physikalisch behandelt oder wiederverwertet. Gesundheitsabfälle fallen vor allem in Krankenhäusern an, aber auch in Arzt- und Zahnarztpraxen, in Apotheken, Laboren, der Pathologie oder Pflegeheimen. Ein Krankenhauspatient verursacht im Schnitt rund sechs Kilogramm Abfall, drei Mal mehr als im normalen Alltag. Ein großes Krankenhaus wie die Berliner Charité muss pro Jahr rund 10.000 Tonnen Abfall entsorgen, darunter 200 Tonnen ge- fährliche Abfälle wie Zytostatika (Arznei- mittel gegen Krebs), infektiöse Abfälle oder Chemikalien. Die Charité trennt mehr als 65 verschiedene Abfallfraktionen. Kliniken müssen ein Abfallkonzept erarbeiten, eine spezielle Logistik vorhalten und bei mehr als zwei Tonnen gefährlichem Abfall pro Jahr einen Abfallbeauftragten nach der Ab- fallbeauftragtenverordnung (AbfBeauftrV) bestellen. Um nachvollziehen zu können, welchen Weg gefährliche Abfälle nehmen, besteht (KrWG) in Deutschland bei größeren Mengen laut Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Nachweis- und Registerpflicht. Die Erzeu- ger, Besitzer, Sammler, Beförderer und Ent- sorger von gefährlichen Abfällen müssen also die ordnungsgemäße Entsorgung nachweisen. Ferner müssen entsorgungsre- levante Dokumente in ein elektronisches Register eingestellt werden. Ausgenommen von der Nachweispflicht sind Arztpraxen mit weniger als zwei Tonnen gefährlichen Abfällen pro Jahr und Privathaushalte, wie aus der Nachweisverordnung (NachwV) hervorgeht. Während die Krankenhäuser in der Regel auf ein professionelles Abfallmanagement zurückgreifen können, muss die Entsor- gung von Gesundheitsabfällen in kleineren Betrieben und Einrichtungen von der je- weiligen Leitung mitorganisiert werden, ohne die gesetzlichen Bestimmungen zu verletzen. In Apotheken etwa fallen viele Arzneimittelreste und Altmedikamente an, die über kommunale Schadstoffsammel- stellen entsorgt oder in verschließbaren Be- hälter zwischengelagert werden können. Spitz und giftig Besonders gefährlich sind zytostatische und zytotoxische Arzneimit- tel mit krebserzeugenden, keimzellmutage- nen oder reproduktionstoxischen Inhalts- stoffen. Diese Medikamente werden in ge- prüften Behältern gelagert, bevor sie in ei- speziellen Verbrennungsanlage ent- ner sorgt werden. Manche Apotheken nehmen von ihren Kunden auch Altmedikamente zurück, um sie dann in größeren Mengen zu entsorgen. In Apotheken fallen darüber hinaus auch Quecksilberreste an, Säuren, Laugen, Farben, Verdünner oder Gifte, die nicht in die Kanalisation gelangen dürfen. Krankenhäuser, Arztpraxen und Labore müssen sich auch um die bruch- und stich- sichere Verpackung von Spritzen, Kanülen, Skalpellen, Klingen, Lanzetten, Pinzetten, Scheren, Objektträgern oder Glasampullen kümmern, die in robuste, verschließbare Abwurfbehälter kommen. Für infektiösen Abfall gelten strenge Hygieneregeln. Bei Zahnärzten und in Dentallaboren müssen Amalgamreste entsorgt werden sowie Fi- xierbäder oder Entwicklerlösungen für Röntgengeräte. Bleifolien gelten nicht als gefährlich, müssen aber auch nach den kommunalen Regeln verwertet werden. In der Altenpflege hat die Coronakrise auch für die Abfallentsorgung neue He- rausforderungen gebracht. Benutzte Win- deln mit meldepflichtigen Krankheitserre- gern müssen nach der Biostoffverordnung stabil verpackt und in einem sicheren Raum gelagert werden: Zutritt für Unbe- fugte verboten. Claus Peter Kosfeld T 6 MÜLL Eines der großen Rätsel, vor de- nen aus dem Ausland Zugezo- gene in Deutschland stehen, ist die Mülltrennung. Gehört die Milchtüte in die blaue Ton- ne mit dem Altpapier, die gel- be Tonne mit dem Verpackungsmüll oder vielleicht doch in die schwarze Tonne mit dem Restmüll? Dürfen kompostierbare Plastikbeutel in den Biomüll oder nicht? Und warum haben Kassenbons, obwohl sie aus Papier sind, in der Altpapiertonne nichts verloren? Manche Menschen ziehen aus diesen Unsi- cherheiten den Schluss, es mit der Müll- trennung nicht ganz so ernst zu nehmen. Das sei ohnehin nicht nötig, weil am Ende alles wieder auf derselben Deponie lande, heißt es dann. Dieser Behauptung wider- spricht Sebastian Harnisch, Sprecher der Berliner Stadtreinigung (BSR), energisch: „Es stimmt definitiv nicht, dass alles wie- der zusammengekippt wird. Jede Abfallart, die getrennt entsorgt wird, geht einen eige- nen Verwertungsweg. Je konsequenter die Mülltrennung, desto besser das Recycling.“ Millionen Tonnen Müll Dabei kommt ei- niges an Müll zusammen. Laut dem Statis- tischen Bundesamt fielen im Jahr 2019 im Durchschnitt 457 Kilogramm Haushaltsab- fall je Einwohner an. Dazu zählen Rest- müll, Bioabfälle, Wertstoffe, Sperrmüll und sonstige Abfälle. Betrachtet man den ge- samten Siedlungsabfall – er umfasst neben dem Haushaltsabfall auch Müll, der im Handel und Gewerbe anfällt –, kommt man sogar auf 609 Kilogramm je Einwoh- ner. Das ist deutlich mehr als der EU- Durchschnitt von 502 Kilogramm. In der Summe ergibt sich so ein gewaltiger Müllberg. Allein in Berlin ermittelte die Se- natsverwaltung im Jahr 2019 für die Haus- halte und das Kleingewerbe eine Gesamt- menge von knapp 1,4 Millionen Tonnen Müll. Knapp 800.000 Tonnen davon ent- fielen auf den Haus- oder Restmüll, also denjenigen Abfall, der nicht recycelt wer- den kann. In Berlin landet ein Großteil da- von im Müllheizkraftwerk Ruhleben, wo er verbrannt oder, wie die Fachleute vorneh- mer sagen, thermisch behandelt wird. Un- genutzt ist der Abfall damit nicht, da im Müllheizkraftwerk Wärme und Strom er- zeugt werden. Ein weiterer Teil des Rest- mülls wird in zwei mechanisch-physikali- schen Stabilisierungsanlagen zu Brennstoff verarbeitet. Auf Deponien gekippt wird kein Restmüll – das ist in Deutschland schon lange nicht mehr erlaubt. Positive Umweltbilanz Weiterverarbeitet werden auch die gut 164.000 Tonnen Pa- pier, Pappe und Kartonagen, die laut Ab- fallbilanz 2019 in Berlin gesammelt wur- den. Sie werden in der Anlage der Wert- stoff-Union Berlin im Stadtteil Neukölln von Fremdstoffen befreit, vorsortiert und an Hersteller von Altpapier weitergegeben. Das wirkt sich positiv auf die Umweltbi- lanz aus: Nach Angaben der von den dua- len Systemen getragenen Initiative „Müll- trennung wirkt“ verbraucht die Herstellung von Recyclingpapier nur etwa ein Drittel der Energie, die für die Produktion von Pa- pier aus Frischfasern aufgewendet werden muss. Kassenbons haben übrigens in der Papiertonne nichts verloren, da sie aus Thermopapier bestehen – sie gehören des- halb in den Restmüll. Auch bei Glas (2019 in Berlin: rund 68.000 Tonnen) spielt das Recycling eine wichtige Rolle. Es wird in Sortieranlagen zerkleinert, von Fremdstoffen wie Kronkorken und Pa- pieretiketten befreit und dann wieder ein- geschmolzen. Das kann laut der Initiative „Mülltrennung wirkt“ ohne Qualitätsver- lust beliebig oft geschehen. Dabei gilt für Berlin eine Besonderheit: Hier gibt es nicht nur die Glassammelcontainer auf öffentli- chen Straßen, sondern, zumindest inner- Anzeige halb des S-Bahn-Rings, auch kleinere Sam- melbehälter auf dem Müllplatz von Wohn- anlagen. Doch während am Straßenrand drei Container (für weißes, braunes und grünes Glas) stehen, sind es in den Wohn- häusern nur zwei (weiß und bunt). Dieses System ist zwar bequem, aber laut BSR nachteilig für die Glasqualität. Kompliziert wird es auch bei der gelben Tonne und dem gelben Sack. In der Berli- ner Abfallbilanz taucht dieser Posten (2019: knapp 89.000 Tonnen) unter dem Begriff „Leichtstoffverpackungen und stoff- gleiche Nichtverpackungen“ auf. Tatsäch- lich darf man in Berlin – im Gegensatz zu den meisten anderen Städten – nicht nur Verpackungen aus Kunststoff, Metall oder Verbundstoffen in die gelbe Tonne werfen, sondern auch andere Gegenstände aus die- sen Materialien wie ausrangierte Gießkan- nen oder Kochtöpfe. All das landet in Sortieranlagen, in denen Infrarotsensoren die einzelnen Materialien trennen, sodass sie dem Recycling zuge- führt werden können. Allerdings gelingt das nicht bei allen Verpackungen: Laut Sta- tistischem Bundesamt wurden 2019 rund ein Sechstel der Verpackungsabfälle energe- tisch verwertet, also verbrannt. Trotzdem trägt dieses System zum Klimaschutz bei. Das zeigen Zahlen, die das Fraunhofer-In- stitut Umsicht im Auftrag des Entsorgungs- unternehmens Alba vorgelegt hat. Dem- nach hat Alba 2019 durch die Kreislauffüh- rung von sechs Millionen Tonnen Wert- stoffen mehr als 4,2 Millionen Tonnen kli- maschädliche Treibhausgase vermieden. „Recycling“, sagt der Alba-Vorstandsvorsit- zende Axel Schweitzer, „verursacht signifi- kant weniger Treibhausgasemissionen als die Verwendung von Primärrohstoffen.“ Saubere Stoffströme Damit dieser Effekt tatsächlich eintritt, sollten Verbraucher die einzelnen Bestandteile von Verpackungen trennen, also zum Beispiel den Deckel vom Joghurtbecher entfernen. Um der Sor- tieranlage die Arbeit zu erleichtern, sollten die Becher auch nicht ineinander gestapelt werden. Hingegen ist es nach Angaben der Entsorger nicht nötig, Joghurtbecher und Kokosmilchdosen auszuspülen – „löffel- rein“ genügt völlig. Vor allem sollte wirk- lich nur das in der gelben Tonne landen, was dort hineingehört. „Wenn wir Materi- alkreisläufe dauerhaft schließen wollen, brauchen wir saubere Stoffströme“, sagt Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). „Jedoch ist den Verbrauchern allzu oft nicht klar, welcher Abfall in welche Tonne gehört.“ Laut Kurth liegt die Quote der sogenannten Fehlwürfe teilweise bei 40 Prozent und mehr. gehört. „Wer das Was viele Verbraucher auch überraschen dürfte: In die Biomülltonne darf man nicht nur welke Salatblätter und Gartenabfälle werfen, sondern auch Essenreste. Aller- dings scheinen die Hauptstädter mit dem Biomüll recht nachlässig umzugehen: 2019 betrug der Anteil der Küchen- und Garten- abfälle am Restmüll nicht weniger als 38 Prozent. Kein Wunder, dass die BSR umfangreiche Aufklärungsarbeit betreibt, um die Men- schen zu überzeugen, dass Biomüll in die Biotonne sorgfältig macht, führt wertvolle Ressourcen in den Stoffkreislauf zurück und tut der Umwelt etwas Gutes“, sagt BSR-Sprecher Harnisch. „Denn aus dem Bioabfall produzieren wir Biogas, mit dem die Hälfte unserer Müll- fahrzeuge betankt wird.“ Das passiert in den Biovergärungsanlagen Ruhleben und Hennickendorf. Ein weiterer Teil des Bio- mülls landet in Kompostieranlagen. Die Idee der Mülltrennung ist im Übrigen schon recht alt. Am 7. März 1884 unter- schrieb der Pariser Beamte Eugène Poubel- le ein Dekret, das Hauseigentümer dazu verpflichtete, drei Mülltonnen aufzustellen – eine davon für Glas, Porzellan und Aus- ternschalen. Christian Hunziker T Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin. Die Entsorgung von Krankenhausmüll ist aufwendig. © picture-alliance/Zoonar/Robert Kneschke Das BVerfG feiert !"jährigen Geburtstag Schriften zum Weltanschauungsrecht # Gerhard Czermak Siebzig Jahre Bundesverfassungsgericht in weltanschaulicher Schieflage Fälle, Strukturen, Korrekturmöglichkeiten Siebzig Jahre Bundesverfassungsgericht in weltanschaulicher Schieflage Fälle, Strukturen, Korrekturmöglichkeiten Von Dr. Gerhard Czermak 2021, 141 S., brosch., 38,– € ISBN 978-3-8487-8194-2 (Schriften zum Weltanschauungsrecht, Bd. 2) Zum 70-jährigen Jubiläum des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2021 betrachtet der Band die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts zu religiös-weltanschaulichen Fragen in den Fallgruppen Schulwesen, kirch- liches Arbeitsrecht, Kirchensteuerrecht, Religionsförderung und Neutralitäts- grundsatz. Nomos eLibrary nomos-elibrary.de Portofreie Buch-Bestellungen unter nomos-shop.de Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer Nomos Recht auf Reparatur LEBENSDAUER Elektrogeräte sollen länger genutzt werden. Das soll Verbrauchern und der Umwelt helfen Wenn die Strümpfe Löcher haben, der Dru- cker streikt oder die Lampe mit Wackel- kontakt nur noch selten leuchtet, wandern die Produkte meist gleich in den Müll, selbst wenn sie nicht so alt sind. Oft lohnt sich die Reparatur nicht, ein Neukauf ist billiger und weniger aufwendig. Für die Umwelt wäre die Reparatur eindeutig bes- ser, besonders bei Elektrogeräten. Fast 20 Kilogramm Elektroschrott produzieren die Deutschen pro Kopf und Jahr. Davon ist et- wa die Hälfte auf kaputte Haushaltsgeräte zurückzuführen. Deutschland ist damit in Europa ganz vorne mit dabei. Schnell kaputt Das liegt vor allem daran, dass Elektrogeräte immer kürzer genutzt werden. Einerseits, weil die Zahl der Geräte insgesamt steigt und viele Verbraucher den Wunsch haben, immer das neueste Pro- dukt zu besitzen. Andererseits klagen Ver- braucher, dass Elektrogeräte nicht so lange halten wie früher und schwerer zu reparie- ren sind. Sie vermuten dahinter geplanten Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper Verschleiß. „Wir sehen viele Geräte die kurz nach Ablauf der Garantie kaputt ge- hen“, bestätigt Daniel Affelt, der in Berlin ein Repair-Café betreibt, wo kaputte Geräte repariert werden können. Hersteller stehen im Verdacht, sogenannte Sollbruchstellen in Geräte einzubauen, um die Nutzungsdauer bewusst zu verkleinern und ihren Gewinn zu steigern. In der Fach- sprache wird das „geplante Obsoleszenz“ genannt. Das Umweltbundesamt (UBA) hat dieses Phänomen in einer Studie unter- sucht. Ergebnis: Zwar sinkt tatsächlich die durchschnittliche Produktlebensdauer, ei- ne geplante Obsoleszenz kann aber nicht nachgewiesen werden. „Hersteller und Ver- braucher interagieren miteinander und be- einflussen gegenseitig Produktentwicklung und Konsummuster“, erklärt Ines Öhme vom UBA. Planbare Größe Die Produktlebensdauer ist demnach eine von der Industrie planba- re Größe, die auch davon abhängt, wie das Konsumverhalten der Verbraucher ist. Pro- dukte werden so hergestellt, dass sie die Er- wartungen des Verbrauchers an die Nut- zungsdauer erfüllen und nicht unbedingt so lange halten, wie es technisch möglich wäre. Die Studie zeigt dennoch, dass ein Drittel der Befragten unzufrieden ist mit der Produktlebensdauer. Aus Sicht des Ge- setzgebers ist die geplante Obsoleszenz schwer zu regulieren. In den seltensten Fäl- len kann dem Hersteller ein Vorsatz nach- gewiesen werden. Hersteller begründen be- stimmte Schwachstellen in Produkten auch mit der Absicht, Artikel für die Abnehmer möglichst preiswert zu halten. Neues Recht In Deutschland gab es bis- lang neben dem zweijährigen Gewährleis- tungsrecht für neu gekaufte Waren und der Garantie, die Hersteller freiwillig festgele- gen können, kaum entsprechende Regulie- rungen. Nun wird an anderer Stelle ange- setzt. Das Europäische Parlament beschloss im November 2020 das „Recht auf Repara- tur“ als Zusatz in der sogenannten Ökode- sign-Richtlinie. Mit der seit März 2021 gel- tenden EU-Vorschrift soll die Wiederver- wendung und Reparatur gefördert und ge- gen die Verkürzung der Produktlebensdau- er vorgegangen werden. So müssen neue Geräte mit Reparaturanlei- tung geliefert werden und mit herkömmli- chen Werkzeugen zerlegt werden können. Außerdem sollen Ersatzteile bis zu zehn Jahre nach dem Kauf des Produktes verfüg- bar sein. Momentan gilt die EU-Richtlinie für Kühlschränke, Spülmaschinen, Wasch- maschinen und Fernseher. Die EU will bis Ende des Jahres auch Smartphones, Lap- tops und weitere kleine Elektrogeräte in die Richtlinie einbeziehen. Ferner sollen Hersteller künftig angeben, wie lange ein Produkt voraussichtlich funktionieren wird und es reparieren, wenn es vorher kaputt geht. Nach Angaben der EU-Kommission sollen mit der Ökodesign-Richtlinie bis 2030 rund 167 Milliarden Kilowattstunden Strom eingespart werden. Die Ausgaben für Verbraucher sollen im Schnitt um 150 Euro pro Jahr sinken. Dass die längere Le- bensdauer von Elektrogeräten für die Um- welt von großer Bedeutung ist, zeigt eine Studie des EU-Umweltbüros. Wenn alle Staubsauger, Laptops, Handys und Wasch- maschinen um ein Jahr länger genutzt wer- den würden, könnten rund vier Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden. Das entspricht dem jährlichen Ver- brauch von zwei Millionen Autos. Wie die Produktlebensdauer verlängert werden kann, zeigt ein Projekt in Thürin- gen. Hier wird ein Reparaturbonus ge- währt. Wer sein defektes Elektrogerät repa- rieren lässt, bekommt die Hälfte der Kos- ten erstattet. Um den Elektromüll zu ver- ringern, muss nachhaltiges Handeln auch finanziell sinnvoll sein, meint die Verbrau- cherzentrale Thüringen. Julius Starke T