4 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 37 - 13. September 2021 Wir müssen dafür Sorge tragen, dass mehr Wohnungen in Deutschland errichtet werden. Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie gut aufwachsen können. Deshalb war es richtig, dass wir den Weg mit dem Gute- KiTa-Gesetz eingeschlagen haben. Deshalb war es richtig, dass wir den Ausbau der Kinderbetreuung vorangetrieben haben. Und des- halb ist es richtig, dass wir jetzt vier Jahre dafür gestritten haben – und heute es hoffentlich vollen- den -, dass es auch Ganztagsange- bote gibt. Deutschland muss ein Land wer- den, das besser ist zu seinen Kin- dern, mit einer guten Kinderbe- treuung, mit einem Ganztagsange- bot in den Schulen. Das ist etwas, was wir gemeinsam erreichen müssen, Bund, Länder und Ge- meinden zusammen. Schulen den in Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die jungen Leute berufliche Perspektiven haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir dafür sorgen, dass diejenigen, die studieren wol- len, bessere Möglichkeiten be- kommen durch eine bessere Aus- bildungsförderung. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir uns um die wichtigste Ausbildung in Deutschland küm- mern: Das ist unverändert die Be- rufsausbildung. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass jeder, der nach der 9. oder 10. Klasse die Schule verlässt, auch eine gute Perspekti- ve auf eine Ausbildung hat. Eine Garantie, einen Ausbildungsplatz zu finden, das ist das, wofür ich mich einsetzen werde. Die zweite Frage, die für uns so wichtig ist, ist: Kann man sich das Leben leisten? Und das hat ganz viel zu tun mit der Frage, ob man eine Wohnung findet, die man be- zahlen kann, oder ob der Traum vieler aufgeht, die lange gespart haben, um sich ein kleines Häus- chen zu kaufen. Alles das sind An- liegen, für die wir uns als Gesell- schaft, als Politik, als Gemeinwe- sen einsetzen müssen. Die Tatsa- che, dass es in Deutschland nicht genug Wohnungen gibt, die Tatsa- che, dass die Wohnungsmieten durch die Decke schießen, hat et- was damit zu tun, dass in den letz- ten Jahren in Deutschland nicht genug gebaut worden ist. Wir müssen deshalb dafür Sorge tra- gen, dass mehr Wohnungen in Deutschland errichtet werden. Ich habe mir die Zahlen einmal angeschaut: 1973 sind in Deutsch- land 800 000 Wohnungen gebaut worden, 700 000 im Westen Deutschlands, 100 000 im Osten. Heute sind wir bei 300 000. Des- halb will ich erreichen, dass wir jedes Jahr, Jahr für Jahr, ohne da- mit aufzuhören, 400 000 Woh- nungen bauen, davon 100 000 ge- förderte Wohnungen, damit auch diejenigen mit wenig Geld sich ei- ne Wohnung neu mieten können. Weil das nicht von einem Tag auf den anderen geht, weil das ei- ne Anstrengung ist, die uns viele, viele Jahre – das nächste Jahrzehnt – beschäftigen wird, sage ich aus- drücklich: Wir müssen zwischen- durch auch dafür sorgen, dass die Mieten nicht durch die Decke schießen, weil es zu wenig Woh- nungen gibt. Deshalb brauchen wir ein starkes Mieterschutzrecht, deshalb brauchen wir eine Begren- zung der Mietpreissteigerung bei Neuvermietung, deshalb brauchen wir ein Moratorium für die Mietpreisanstiege in Deutsch- land. und Das Dritte, wo die Bürgerinnen und Bürger eine Garantie haben wollen, wozu sie eine Aussage ver- langen und wozu sie eine Aussage verdient haben, das ist die Frage: Was ist eigentlich mit der Rente? Ich will das ausdrücklich anspre- chen, weil das ein Thema ist, das das ganze Land betrifft und nicht nur, wie einige immer sagen, die Älteren, die jetzt in Rente sind, oder diejenigen, die demnächst in Rente gehen. Das ist ebenso ein Thema für die jungen Leute. ganze Wer jetzt mit 17 die Schule ver- lässt und eine Berufsausbildung beginnt, derjenige oder diejenige hat Jahrzehnte fünf sich. vor Arbeit Zeit Die ganze müssen Beiträge werden. gezahlt Die Zeit muss er oder sie sich darauf verlas- sen können, dass das hinterher auch etwas bringt für die Rente. Des- halb müssen klare Aussagen her. Kein Anstieg des Renteneintrittsal- ters und ein stabiles Rentenni- veau, das muss unsere Gesellschaft den Bürgerinnen und Bürgern die- ses Landes garantieren. Das geht auch. Ich will Ihnen gerne sagen, dass ich sehr aufgeregt und empört bin, wenn all die Expertinnen und Experten, die uns in den 90er-Jah- ren so viele Dinge gesagt haben, sich jetzt wieder melden. Sie ha- ben uns damals gesagt, wir wür- den jetzt, zu dieser Zeit, viel höhe- re Beiträge zahlen, als wir jetzt zahlen, und sie haben uns damals gesagt, es würde jetzt viel weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer geben. Tatsächlich zahlen wir geringere Beiträge zur Renten- versicherung als zur Zeit von Hel- mut Kohl, und tatsächlich ist es so, dass Millionen zusätzlicher Ar- beitnehmerinnen und Arbeitneh- mer ihre Arbeitskraft einbringen, Geld verdienen und auch die Ren- tenfinanzen stabilisieren. Das ist die Wahrheit. Und weil das die Wahrheit ist, muss man auch sehr klar sagen: Da hätten sich einige vielleicht mal zu melden, um zu sagen: Wir haben uns verrechnet; unsere Vor- hersagen stimmten nicht. Stattdes- sen melden sie sich jetzt wieder und sagen das Gleiche, was sie in den 90er-Jahren gesagt haben. Da- bei muss die Antwort doch klar sein: Es geht um Beschäftigung. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ein hohes Beschäftigungsniveau in Deutschland haben. Und wenn es uns gelänge, auch nur besser zu werden – in der Art und Weise, wie das in Schweden der Fall ist, was Frauenerwerbstätigkeit betrifft -, dann hätten wir schon stabilere Renten. Und wenn es uns gelingen würde, dass eine 55-Jährige und ein 58-Jähriger, die ihren Arbeits- platz verlieren, sicher annehmen können, dass sie erneut eine gute Beschäftigung finden werden, dann hätten wir stabile Renten. Das ist die Aufgabe, die wir anpa- cken müssen; um die geht es. Wir haben die Chance, dass wir das hinkriegen mit unseren Ren- ten, mit den Rentenfinanzen, wenn wir das als gesamtes Land solidarisch angehen. Ich finde, deshalb ist das eine wichtige Aus- sage, die viele verdient haben. Ich jedenfalls werde mich dafür ein- setzen, dass wir diese drei Garan- tien für unsere Zu- kunft geben. Dann müssen wir uns den beiden gro- Herausforde- ßen rungen zuwenden, die jetzt vor uns lie- gen, wenn wir uns durch die 20er-Jahre bewegen, die jetzt begonnen haben. Die nächsten zehn Jahre werden entscheidend sein für die Zukunft unseres Landes. Die Weichen, die wir jetzt falsch stellen, werden dazu führen, dass wir es nicht schaffen, die großen Herausforderungen zu bewältigen. Wenn wir es falsch machen, kann uns das Wohlstand und Arbeits- plätze kosten. Wenn wir es richtig machen, werden wir eine bessere Zukunft haben. Deshalb zwei Dinge, die mir da wichtig sind: Die nächsten zehn Jahre werden ent- scheidend sein für die Zukunft unseres Landes. auch ums Geld. – Deshalb, finde ich, kann es nicht dabei bleiben, dass diejenigen, die jetzt den Bei- fall bekommen haben, in diesem Land weiter schlecht bezahlt wer- den. Darum setze ich mich dafür ein, dass wir im ersten Jahr der neuen Regierung den Mindestlohn auf 12 Euro erhö- hen. Das ist eine Gehaltserhöhung für 10 Millionen Ar- beitsnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. 10 Das Millionen: heißt übersetzt ja: Es sind sehr, sehr viele. – Das sagt etwas über das Gehaltsniveau in diesem Lande aus. Das zeigt, warum die Forde- rung für ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft so wichtig ist. Für mich bedeutet das aber auch, dass wir uns nicht auf Min- destlöhne beschränken dürfen, sondern dass wir auch an anderer Stelle dafür sorgen müssen, dass es besser läuft – so wie wir es nach vielen Anläufen hingekriegt ha- ben, dass in der Fleischindustrie jetzt endlich normale Arbeitsver- träge abgeschlossen werden. Das war lange überfällig; wir haben es durchgesetzt. Deshalb ist es auch richtig, dass wir uns in vielen Anläufen darum bemüht haben, dass in der Alten- pflege endlich besser gezahlt wird, und es ist gut, dass wir es jetzt hin- gekriegt haben, ein Gesetz zu be- schließen, in dem drinsteht, dass ab dem nächsten Sommer Pflege- einrichtungen gemäß Tarif bezah- len müssen, wenn sie bei der Kas- se abrechnen wollen. Das ist ein erster Schritt, dem für diese Arbeit viele weitere folgen müssen. Die zweite große Herausforde- rung, die wir in unserer Gesell- schaft bewältigen müssen, wenn wir an die 20er-Jahre denken, ist, dafür zu sorgen, dass wir in 10, 20 und 30 Jahren noch gute Arbeits- plätze haben. Viele Bürgerinnen und Bürger sind sich nicht sicher, ob das wohl so ausgehen wird. Sie haben Sorge. Sie schauen sich in der Welt um und stel- len fest, dass es, an- ders als vor vielen Jahrzehnten, so ist, dass viele auf dieser Welt Ähnliches können wie wir. Es sind Milliarden im wiederaufgestiege- nen Asien, und es werden viele sein in Afrika und im Süden Amerikas – was gut für die Welt ist, was aber die Anforderun- gen für uns und unser Land richtig formuliert: Wir müssen technolo- gisch vorne dabei sein. Wir müs- sen vornean stehen, wenn es da- rum geht, wirtschaftlich mit an der Spitze auf dem Weltmarkt tä- tig zu sein. – Dafür müssen wir uns jetzt einsetzen. Wir brauchen technologischen Fortschritt für Deutschland und eine leistungsfä- hige Industrie auch in der Zu- kunft. Gute Arbeitsplätze wird es aber nur geben, wenn wir es gleichzei- tig schaffen, den menschenge- machten Klimawandel aufzuhal- ten. Das ist für mich die ganz gro- ße Herausforderung, vor der wir stehen und bei der wir jetzt die notwendigen Entscheidungen tref- fen müssen. Wir haben uns mit ei- nem Gesetz, das aus dem Anfang dieses Jahrtausends stammt, für den Einstieg in die erneuerbaren Energien entschieden. Wir haben uns entschieden, die Grundvo- raussetzung dafür zu schaffen, dass die Atomenergie nicht mehr genutzt werden kann, und wir Lebensleistung Eine erste große Herausforde- rung für mich ist: Ich möchte ger- ne dafür Sorge tragen, dass in die- ser Gesellschaft mehr Respekt herrscht – Respekt vor jedem und vor jeder. Ich will dafür Sorge tra- gen, dass jede berufliche Leistung, jede anerkannt wird. – Für mich hat das etwas da- mit zu tun, dass Anerkennung auch den Leistungen entgegenge- bracht wird, die jetzt, in dieser Krise, erneut als systemrelevant er- kannt worden sind. Deshalb sage ich Ihnen: Die Lebensmittelver- käuferin, der Paketbote, die Alten- pflegerin, der Krankenpfleger und viele weitere haben in dieser Krise zu Recht Anerkennung bekom- men und Beifall erhalten. Das muss aber auch nach der Corona- krise noch ein Prinzip unseres Landes sein. Und auch das gilt: Anerkennung ist wichtig; aber es geht immer Vergangene Woche debattierten die Abgeordneten zum letzten Mal in die- ser Legislaturperiode. © picture alliance / Flashpic | Jens Krick