4 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 12 - 21. März 2022 Die Strompreise steigen, die Heizkosten steigen, die Spritpreise steigen. Unternehmen und Ver- braucher ächzen unter der Belastung, vor allem jene Haushalte mit geringerem Einkom- men. Entlastung tut Not. Das weiß auch die Politik. Der Blick zum Nachbarn Frankreich, wo der Ärger über höhere Sprit- preise sich zur landesweiten Protestbewe- gung der „Gelbwesten“ gegen das Unter- fangen einer Energiewende wandelte, ist der Bundesregierung Mahnung genug. Die Ampelkoalition arbeitet an weiteren Hilfspaketen. Unter anderem soll es bei Wärme, Strom und Mobilität Erleichterun- gen geben. „Gerade die hohen Heizkosten erdrücken zahlreiche Familien“, sagte Bun- deswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). Sein Haus schätzt, dass die Gasrechnung für eine Durch- schnittsfamilie in einem unsanierten Ein- Familien-Haus im laufenden Jahr um etwa 2.000 Euro steigt. Am Donnerstag be- schloss deshalb der Bundestag, Wohngeld- empfängern, Studierenden und Auszubil- denden einen deutlich höheren Heizkos- tenzuschuss zukommen zu lassen als bis- her geplant: Der Betrag soll auf 270 Euro verdoppelt werden. Effizienz Zudem setzt Habeck auf Energie- effizienz und Einsparungen – etwa eine Minderung des Verbrauchs beim Autofah- ren oder einen Austausch von Gasheizun- gen. Drittens hält er marktwirtschaftliche Impulse für nötig, damit gelte: „je effizien- ter, desto geringer die Kosten“. Der nächste Schritt soll die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli sein. Danach sollen die Stromkunden kein Geld mehr auf das EEG-Konto einzahlen, das über- nimmt dann der Staat. Für die Grünen ist das, wie Katrin Uhlig am Donnerstag in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs (20/1025) sagte, ein erster Schritt. Weitere würden folgen „auch für ei- nen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren und damit für eine kostengünstigere, kli- mafreundliche und souveräne Energiever- sorgung.“ Die Union unterstützt das Vorhaben. Ge- meinsames Ziel müsse es sein, die preis- dämpfende Wirkung der Umlagesenkung zugunsten des Endverbrauchers zu gewähr- leisteten. „Somit ist der Weg, den Sie mit Ihrem Gesetzentwurf einschlagen, durch- aus unterstützenswert, sagte Maria-Lena Weiss (CDU). Andreas Mehltretter (SPD) bezifferte die Entlastung durch die Ab- schaffung der Umlage auf 6,6 Milliarden Euro in diesem Jahr. „Notwendige Sofort- hilfen sind also auf dem Weg“, sagte er. Kritik kam aus der AfD. Marc Bernhard machte die „weltdümmste Energiepolitik“ für die Preissteigerungen verantwortlich: „Der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle und Kernenergie hat zur völligen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen geführt, die die Menschen jetzt teuer bezahlen“. Der FDP-Abgeordnete Olaf in der Beek hob hervor, die Absenkung helfe nicht nur den Menschen, sondern auch dem Mittel- stand und der Industrie. „Gerade auch die energieintensive Industrie braucht diese Absenkung.“ Klaus Ernst (Die Linke) richtete den Fokus auf einen anderen Aspekt: Beim Benzin sei es momentan so, dass der Rohölpreis sin- ke, der Preis an den Tankstellen aber nicht, Auf in den Preiskampf STEIGENDE ENERGIEKOSTEN Mit der Abschaffung der EEG-Umlage und weiteren Maßnahmen will die Bundesregierung die Bürger entlasten Schon zum 1. Juli soll die EEG-Umlage nicht mehr vom Stromverbraucher gezahlt werden. © picture-alliance/CHROMORANGE/Matthias Stolt „weil natürlich auch die Konzerne da der- zeit absahnen“. Wenn man heute tanke, ha- be man den Eindruck, man hätte eine Be- teiligung bei Aral oder Shell erworben. „Vielleicht müssten Sie mal darüber nach- denken, wie Sie da abschöpfen können, sagte Ernst in Richtung Bundesregierung. Debatte um Tankrabatt Bundesfinanz- minister Christian Lindner (FDP) hatte vergangene Woche stattdessen einen „Kri- senrabatt Kraftstoffe“ ins Gespräch ge- bracht: „Der Staat darf die Bürger mit den steigenden Preisen nicht alleinlassen“, sag- te Lindner. Der Liter Superbenzin kostete laut ADAC zuletzt im Schnitt 2,20 Euro, der Liter Diesel sogar 2,30 Euro. Nach Lindners Vorstellung könnte jedem Auto- fahrer beim Bezahlen an der Tankstelle ein Nachlass auf den Rechnungsbetrag ge- währt werden. Kritik gibt es an der Vertei- lungs- und Anreizwirkung einer solchen Maßnahme: Sehr teuer – nicht zielgenau: Kabinettskollege Habeck nannte die offen- bar unabgestimmte Idee verbesserungsbe- dürftig. Ein Rabatt mindere den Anreiz, auf Benzin und Diesel zu verzichten. Es müssten auch marktwirtschaftliche Ele- mente und Anreize für Effizienteres ent- halten sein: Energiesparen müsse sich loh- nen, sagte Habeck. Kritik kam auch von Ökonomen. Der Spritpreisdeckel entlaste nicht nur Bedürf- tige, sondern auch Wohlhabende, nicht nur Pendler, sondern auch Ausflügler, und selbst wenn der Verbrauch etwas sinke, koste ein Rabatt von 20 Cent je Liter den Staat insgesamt 10 bis 13 Milliarden Euro. Berufspendler könnten wohl eher über die Pendlerpauschale entlastet werden. Die würde aber erst bei der nächsten Steuerer- klärung – also in einem Jahr – greifen, und hilft daher nicht akut. Die Union hält unterdessen an ihrem Vor- schlag fest, die hohen Energiepreise über eine Senkung der Mehrwert- und der Mine- ralölsteuer abzufedern. Beim Tanken könn- ten die Tarife auf diese Weise um mindes- tens 40 Cent je Liter fallen. Immer lauter fordern auch Wirtschaftsver- bände Entlastungen für Unternehmen. In dem Zusammenhang weist das Wirt- schaftsministerium auf die Möglichkeit für Unternehmen mit Liquiditätsengpässen hin, Kredite der Staatsbank KfW zu bean- tragen. An speziellen Kreditprogrammen für die von Russland-Sanktionen betroffe- nen Betriebe als auch für die Energiebran- che werde gearbeitet, heißt es aus dem Hause Habeck. Michael Schmidt T Rundumschlag gegen Agrarpolitik LANDWIRTSCHAFT AfD-Anträge stoßen auf Kritik Die Ukraine und Russland gelten als wich- tige Produzenten von Getreide und Ölsaa- ten wie Weizen, Sonnenblumen und Raps. Wegen des russischen Angriffskriegs schie- ßen die Preise für viele Agrarprodukte in die Höhe, in der Ukraine droht die nächste Ernte teilweise auszufallen. Die AfD-Frakti- on hatte in der vergangenen Woche drei Anträge (20/1026), (20/1028) und (20/ 1030) zur Versorgung mit Lebensmitteln eingebracht, die der Bundestag erstmalig beriet und in Anschluss zur federführen- den Beratung an den Ausschuss für Ernäh- rung und Landwirtschaft überwies. Stephan Protschka von der AfD-Fraktion startete angesichts der steigenden Preise für Nahrungsmittel einen Rundumschlag ge- gen die Agrarpolitik der vergangenen Jahre. „Deutschland ist viel zu abhängig von Nahrungsmittelimporten, die Ökologisie- rung der Landwirtschaft ist ein Fehler und das gleiche gilt für das meiste der Vorhaben in der GAP 2023“, kritisierte Protschka. Sollten die Vorhaben wie geplant umge- setzt werden, würden in den nächsten Jah- ren 100 Millionen Menschen weltweit von Hunger bedroht. Heftiger Widerspruch kam von den Regie- rungsfraktionen. Renate Künast (Bündnis 90 / Die Grünen) kritisierte die drei Anträ- ge inhaltlich. „Sie wollen alles abschaffen, was in Zukunft Lebensmittelsicherheit si- chern soll“, sagte sie. Es werde keine welt- weite Lebensmittelsicherheit geben, wenn nicht auf das veränderte Klima mit seiner Zunahme an Trockenheit reagiert werde. Die Reduzierung der Tierbestände und eine veränderte Nutzung der Böden gelte nicht nur für Europa, sondern müsse ein welt- weiter Trend werden, so Künast. Rita Hagl-Kehl (SPD) wies auf „die vielen Widersprüche“ in den AfD-Anträgen hin. Auf der einen Seite kritisiere die AfD die zunehmende Lebensmittelverschwendung, auf der anderen Seite trete sie gegen die Stilllegung von Ackerflächen ein. Die Le- bensmittelverschwendung sei auch Aus- druck einer Massenproduktion, und da gel- te es umzusteuern. Dissens bei Flächenpolitik Gero Hocker (FDP) ist nicht nur in diesem Punkt ande- rer Ansicht. „Weltweiter Hunger und im- mer höhere Lebensmittelpreise lassen sich nur mit einer optimalen Nutzung von Bö- den und modernen Produktionsweisen ge- währleisten“, mahnte er. Flächen aus der Produktion zu nehmen oder neue Techno- logien abzulehnen, seien „Denkverbote, die niemandem helfen“. Das sah Max Straubinger (CDU/CSU) ge- nauso. „Bereits vor dem Ausbruch des Krie- ges in der Ukraine gab es eine Nahrungs- mittelkrise, und zwar auch im Osten der Ukraine“, führte er weiter aus. Sollte im Zuge der Kampfhandlungen die nächste Ernte komplett oder teilweise ausfallen, wäre das für Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten „eine Katastrophe“: 50 Pro- zent des Getreides, das die WHO an be- dürftige Länder verteilt, stammten aus Russland und der Ukraine. Straubinger mahnt, dass Deutschland autarker in der Lebensmittelversorgung werden müsse, ei- ne Stilllegung von Ackerflächen passe „nicht in die Zeit“. Ina Latendorf (Die Linke) betonte ihrer- seits, dass es bereits vor dem Überfall Russ- lands auf die Ukraine „Hunger in der Welt und auch in unserem Land“ gegeben habe. Demnach standen im Januar 2022 rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland auf den Versorgungslisten der Hilfsorgani- sation „Die Tafel“. Nina Jeglinski T Heizkostenhilfe kommt WOHNEN Entwurf der Regierungsfraktionen verabschiedet Der Bundestag hat das Gesetz zum Heiz- kostenzuschuss (20/689) verabschiedet, in dritter Lesung erhielt der veränderte Ent- wurf der Koalitionsfraktionen SPD, Bünd- nis 90/Die Grünen und FDP in der vergan- genen Woche eine Mehrheit. Der Heizkostenzuschuss soll mit 270 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt doppelt so hoch ausfallen wie zunächst geplant. Zwei-Personen-Haushalte sollen 350 Euro bekommen, jedes weitere Familienmitglied erhält 70 Euro. Studierende und Auszubil- dende, die BaföG erhalten, haben dem- nach einmalig 230 Euro. Zudem sollen alle Berechtigten den Zuschuss ohne Antragstellung erhal- ten. Mehr als zwei Millionen Menschen würden vom Zuschuss profitieren. Die Linke votierte mit SPD, Grünen und FDP für die Erhöhung, die Union stimmte dagegen, die AfD enthielt sich. „Wir setzen mit dem Gesetz unsere Ankündigung um, Entlastungen herbeizuführen, und dieses einen Anspruch auf Gesetz ist erst der Anfang“, sagte Cansel Ki- ziltepe (SPD), die Parlamentarische Staats- sekretärin bei der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Auch Hanna Steinmüller (Bündnis 90/Die Grünen) schloss sich dem an. „Dieses Ge- setz hilft schnell und unbürokratisch, da- mit setzen wir Maßstäbe für unsere weitere Arbeit.“ Sandra Weeser (FDP) betonte den Gestaltungswillen der Regierung: „Wir hel- fen mit dem Zuschuss kurzfristig, langfris- tig müssen wir den Wohnungsbestand energieeffizienter machen.“ Für die CDU/ CSU-Fraktion kritisierte Anne König, der Empfängerkreis sei „viel zu gering“, die steigenden Energiepreise seien „längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen“. Sebastian Münzenmaier (AfD) bemängel- te: „Die Steuern auf Energie sind zu hoch.“ Für Gesine Lötzsch (Die Linke) hingegen ist das Gesetz „der richtige Weg“, sie hoffe, dass die Bundesregierung „noch mehr so- ziale Wärme wagen wird“. nki T »Wir müssen Putin-frei werden« ENERGIEVERSORGUNG Die Union fordert ein Konzept für mehr Unabhängigkeit von russischen Energieimporten Wenn die Regierung könnte, wie sie wollte, würde sie vermutlich eher früher als später auf alle Energieimporte aus Russland ver- zichten. Die Regierung kann aber nicht, wie sie will. Weil Deutschland abhängig ist. Abhängig von russischem Gas, Öl und Kohle. Und weil die Verwerfungen hierzu- lande verheerend sein könnten, verzichtet Deutschland auf ein Embargo gegen Russ- land. Der Moment der Einsicht deutscher Politik in die beschränkten eigenen Hand- lungsmöglichkeiten war der Moment, in dem hierzulande die Erkenntnis wuchs: Energiepolitik ist Sicherheits-, ist Geo-, ist Machtpolitik. Und weil das so ist, stellte der Jens Spahn am Donnerstag in der Bundestagsausspra- che zum Unions-Fraktions-Antrag (20/ 1016) unter dem Titel „Für eine sichere, be- zahlbare und souveräne Energieversor- gung“ fest: „Wir müssen Putin-frei werden“ in der Energieversorgung. Der völkerrechts- widrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine markiere eine außen- und sicher- heitspolitische Zeitenwende, er bedeute aber auch eine große energiepolitische He- rausforderung: „Sicherheit sowie Souverä- nität in der Versorgung, Klimaschutz und Kosteneindämmung bei extrem gestiege- nen Energiepreisen.“ In dieser Situation müsse die Regierung schnell handeln, for- derte Spahn: „Tun Sie was!“ Der Forderungskatalog der Unionsabge- ordneten umfasse drei Komponenten, sag- te Spahn: Die Zukunft der Gasversorgung, ein Sicherheitskonzept für die Stromversor- gung und Maßnahmen zur Abfederung der Kostenexplosion bei den Energiepreisen. Konkret forderte Spahn einen schlüssigen Plan der Bundesregierung, was man tun könne, wenn Russland alle Lieferungen einstelle; wie ein Ende von Gasimporten über die Pipeline Nord Stream 1 ermög- licht werden könne und wie man sich langfristig von Russlands Lieferungen un- abhängig machen wolle. Mit Blick auf die Stromversorgung macht sich die Union stark für eine ergebnisoffe- ne und ideologiefreie Prüfung längerer Laufzeiten von Atom- und den Weiterbe- trieb von Kohlekraftwerken. Dem erteilte Nina Scheer (SPD) eine Absage. Sie strich heraus, dass aus Sicht der Ampelkoalition die Zukunft nicht der Atom- oder Koh- leenergie gehöre, sondern die Erneuerba- ren den Weg wiesen in eine günstigere, si- cherere und von Russland wie auch ossilen Energieträgern unabhängige Zukunft. „Sie haben in Ihrer Rede kein einziges Mal das Wort erneuerbare Energien in den Mund genommen“, warf sie Spahn vor. Atom und Kohle als Dauerlösung? Kars- ten Hilse (AfD) erklärte, die AfD-Fraktion schließe sich zwar der Forderung nach län- geren Laufzeiten für Atom- und Kohlekraft- werke an, aber nicht nur als vorübergehen- de, sondern als mögliche Dauer-Lösung. Dem vorgelegten Antrag werde man den- noch nicht zustimmen, weil er „jede Men- ge Klimagedöns“ enthalte. Grünenpolitikerin Julia Verlinden hielt dem früheren Bundesgesundheitsminister Spahn vor, die Vorgängerregierung habe 16 Jahre, genauer: 5168 Tage Zeit gehabt, um Deutschland auf den Weg der Energie- sicherheit und -Souveränität zu bringen: „Das haben Sie gründlich versemmelt.“ Hohe Preise und starke Abhängigkeiten seien das Ergebnis der Politik der vorigen Koalition, die den Ausbau der Windenergie blockiert und die Photovoltaik-Industrie in einer neuen Realität“, wurde am Mitt- woch erstmals beraten und im Anschluss an den Ausschuss für Energie zur federfüh- renden Beratung überwiesen. Dort wird auch der Gesetzentwurf (20/ 1024) der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP „zur Änderung des Energiewirt- schaftsgesetzes zur Einführung von Füll- standsvorgaben für Gasspeicheranlagen“ weiter beraten, der am Donnerstag nach erster Lesung überwiesen wurde. Bereits in dieser Woche soll die Vorlage beschlossen werden. n der Debatte dazu hatte Bundes- wirtschafts- und Klimaschutzminister Ro- bert Habeck (Grüne) festgestellt: „Wir ha- ben uns in der Vergangenheit nicht gut ge- nug auf krisenhafte Situationen vorberei- tet“. ,Das solle sich ändern. Die von der Ampel-Koalition geplanten neuen Vorga- ben sollen die Gasversorgung sichern und Preisausschläge eindämmen. Nach Ha- becks Vorstellungen sollen sie am 1. Mai in Kraft treten. Konkret soll der sogenannte Marktgebietsverantwortliche, eine Tochter- gesellschaft aller Gaspipeline-Betreiber in Deutschland, verpflichtet werden, die Gas- speicher schrittweise bis auf 90 Prozent zum 1. Dezember 2022 zu füllen. Zum 1. August soll der Füllstand 65 Prozent er- reichen, zum 1. Oktober 80 Prozent. Nut- zer, die ihre gebuchten Speicherkapazitä- ten nicht nutzen, sollen sie verlieren. Der russische Staatskonzern Gazprom be- treibt über eine Tochtergesellschaft zwei Speicher in Deutschland. Ralph Lenkert von der Linken warf Gazprom eine „hin- terhältige Preispolitik“ und ein bewusstes Herunterfahren der Füllmengen von Spei- chern vor dem Winter vor und forderte mehr staatliche Kontrolle im Energiesektor. Michael Schmidt T d l i l b a r t n e Z - a p d / a p d / e c n a i l l a e r u t c i p © Ein Blick in eine Gasspeicheranlage aus dem Land getrieben habe. Gesine Lötzsch (Linke) warf Bundeswirt- schafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck vor, bei der Entlastung von Bür- gern und Bürgerinnen zu wenig von Spiel- räumen Gebrauch zu machen, die das EU- Recht durchaus eröffne, wie das Abschöp- fen übergroßer Unternehmensgewinne oder die Festlegung eines Strompreises in Krisensituationen. Michael Kruse stellte für die FDP-Fraktion fest, „unsere Wirtschaftspolitik muss in diesen Zeiten Freiheitspolitik sein; unsere Energiepolitik muss Friedenspolitik sein.“ Mit Fragen der Energieversorgungssicher- heit befasste sich der Bundestag in der ver- gangen Woche mehrfach. Der Antrag (20/ 1021) der AfD-Fraktion „Keine Abschal- tung von Kernkraftwerken - Erst recht nicht Union: Ceta ratifizieren WIRTSCHAFT Koalition noch uneins über Tempo Die Fraktion von CDU/CSU hat einen Ge- setzentwurf (20/1008) zur Ratifizierung des Wirtschafts- und Handelsabkommens (Ceta) zwischen Kanada und der Europäi- schen Union und ihren Mitgliedsstaaten eingebracht, der am Freitag in erster Le- sung im Bundestag debattiert wurde. Nach dem am vergangenen Dienstag veröffent- lichten Beschluss des Bundesverfassungsge- richts, der mehrere Verfassungsbeschwer- den und einen Antrag im Organstreitver- fahren zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens als unbegründet zurückgewiesen hatte, will die Unionsfrak- tion mit ihrem Entwurf die schnelle Ratifi- zierung des Abkommens durch den Bun- destag realisieren. Das Ceta-Abkommen ist seit dem 21. Sep- tember 2017 vorläufig eingesetzt. Da man- che Teile des Abkommens in der Zustän- digkeit der EU-Mitgliedsstaaten liegen, kann es erst vollständig in Kraft treten, wenn es von allen EU-Mitgliedsstaaten ra- tifiziert wurde. Strittig war unter anderem auch die Einsetzung des Investment Court System (ICS), einem Schiedsgericht, das Streitigkeiten zwischen Unternehmen und den an Ceta beteiligten Staaten verhandeln soll. Debatte über Zeitplan Nachdem das Bundesverfassungsgericht alle anhängigen Klagen abgewiesen habe, dürfe Deutsch- land Kanada nicht noch länger warten las- sen, argumentierte Stefan Rouenhoff für die CDU/CSU im Plenum. Es brauche we- gen der jüngsten Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine starke Handelspartnerschaften. Für die Fraktion der SPD stimmte der Ab- geordnete Markus Töns seinem Vorredner zwar zu, dass es „wertebasierte Handelsar- chitektur“ brauche. Doch es gebe keinen Grund bei der Ratifizierung in „sinnlose Eile“ zu verfallen“, so Töns. Man werde den Beschluss des Bundesverfassungsge- richts auswerten und zeitnah durch das Mi- nisterium für Wirtschaft und Klimaschutz einen Gesetz vorlegen. Die AfD wolle Handelsschranken zwar auch grundsätzlich abbauen, sagte der Ab- geordnete Malte Kaufmann für seine Frak- tion. Er habe aber aus dem Gesetzentwurf der Union auch „den mühsam getarnten Versuch“ herausgelesen, das gescheiterte TTIP-Abkommen wiederzubeleben. Die Union dränge auf eine „überhastete Ratifizierung“, sagte Maik Außendorf (Bündnis 90/ Die Grünen). Doch es habe sich gezeigt, dass Ceta bereits in seinem bislang bestehenden Rahmen erfolgreich sei. Das Verfassungsgericht habe sehr wohl kritische Anmerkungen gemacht, auch zu den Schiedsgerichten. Diese müssten ge- prüft werden, so Außendorf. Für die Linke sagte der Abgeordnete Pascal Meiser, dass es bei Ceta um viel gehe, unter anderem auch darum, ob ausländische Konzerne Sonderklagerechte bekämen. Sei- ne Fraktion lehne deshalb das Abkommen weiterhin ohne Wenn und Aber ab. Man habe nach Gerichtsentscheidung eine neue Lage, sagt der FDP-Abgeordnete Rein- hard Houben. In der rechtsstaatlichen Lo- gik hieße das nun, dass „wir das Ceta-Ver- fahren jetzt anschieben und den Vertrag ra- tifizieren“. Der Gesetzentwurf wurde eben- so wie ein ebenfalls von der Unionsfrakti- on vorgelegter Antrag (20/1010) zur Stär- kung handelspolitischer Beziehungen im atlantischen Raum an den Wirtschaftsaus- schuss überwiesen. emu T