8 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 18-19 - 02. Mai 2022 Fürs Klima ERDERWÄRMUNG Der Report des Weltklimarats zeigt, wie der Klimawandel gebremst werden könnte. Der Bundestag debattiert über Maßnahmen seit Obwohl Jahrzehnten klar ist, dass die Treib- sin- hausgasemissionen ken müssen, um dem Kli- mawandel Einhalt zu ge- bieten, steigen sie weiter. Zwar hat sich das Wachstum im vergange- nen Jahrzehnt etwas verlangsamt und wur- de durch die Corona-Pandemie kurzfristig sogar gestoppt. Doch liegen die Emissio- nen heute höher als jemals zuvor. Das ist die Bilanz des jüngst veröffentlichten Son- derberichts des Weltklimarats (IPCC). Dieser Bericht versucht nun, zu beschrei- ben, welche Optionen es noch gibt, um die Erderwärmung, ihre Folgen und ihre Kos- ten zu begrenzen, um nicht noch mehr Hitzesommer und trockene Böden, Stark- regenereignisse und Wirbelstürme zu be- kommen Die klare Antwort der Experten: Ausstieg aus fossilen Energien und Umstieg auf er- neuerbare. Sonne, Wind, weniger Waldzer- störung seien der Königsweg. Aber auch Atomkraft, „negative Emissionen“ – also die Möglichkeit, der Luft CO2 zu entzie- hen, etwa durch Aufforstung und techno- logische Systeme – könnten eine Rolle spielen. Der Einzelne könne durch gesun- de, vor allem fleischarme Ernährung hel- fen, die sei im Grunde kostenfrei zu haben und bringe sogar mehr als die Nutzung von Kernenergie. Denn Atomkraftwerke seien nur dann auch günstig, wenn sie be- reits existieren, schreibt der IPCC. Wissenschaft warnt Auf Verlangen der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP debattierte der Bundestag am vergan- genen Mittwoch in einer Aktuellen Stunde über den IPCC-Bericht. In ihrem Eingangs- statement stellte Lisa Badum von den Grü- nen mit einem Blick auch auf den Ukraine- Krieg fest: „Unsere Energieversorgung ist in jeder Hinsicht ein Risiko, für uns und auch für unseren Planeten.“ Die gute Nachricht sei: Weltweit ist laut Bericht der Preis für erneuerbare Energien in den vergangenen zehn Jahren um 85 Prozent gesunken. Um- so fataler und unverständlicher sei, „dass wir weiterhin in der fossilen Welt festste- cken“, dass immer noch mehr in fossile Energien investiert wird als in erneuerbare, dass die CO2-Emissionen weiter stiegen und die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad kaum noch zu erreichen sei. Unionsfraktions-Vertreter Andreas Jung sagte, die Folgen der Klimakrise seien schon heute verheerend. Sie würden noch verheerender sein, wenn die Erwärmung 1,5 Grad übersteigt, und noch verheeren- der, als vor Jahren von den Wissenschaft- lern des IPCC und weltweit angenommen. Deshalb sei die eindrückliche und eindeu- tige Botschaft des IPCC-Berichts: „Die Zeit zu handeln, ist jetzt.“ Dafür brauche es ei- ne internationale Allianz von Vorreitern, die sich gemeinsam Standards setzen, Technologien austauschen und Partner- schaften zum Voranbringen einer nachhal- tigen Entwicklung eingehen. Der Kampf gegen den Klimawandel sei ein Wettkampf mit der Zeit, sagte Nina Scheer von der SPD. Deshalb sei es ein zentrales Vorhaben der kommenden Wochen, die Hemmnisse zu beseitigen, die heute mit den aktuellen Rahmenbedingungen einem beschleunigten Umstieg im Weg stehen. „Genehmigungsverfahren für Windkraftan- lagen dürfen nicht Jahre dauern; sie dürfen höchstens Monate dauern“, sagte die Sozi- aldemokratin. Am Donnerstag kommender Woche will der Bundestag erstmals Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuer- baren Energien und zur Änderung des Wind des Windenergie-auf-See-Gesetzes und andere Vorschriften.beraten Scheer bedauerte, dass Produktionsstätten erneuerbarer Energien aus Deutschland ab- Mit Aufforstungen kann der Luft CO2 entzogen werden. © picture-alliance/dpa/Matthias Bein wandern. In den Vergangenen Jahren seien so mehr als 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. „Hier muss aus der Perspektive einer Industrienation und eines Energie- wendepionierlandes, das wir sind, drin- gend eine Kehrtwende eingeleitet werden, um Wertschöpfung zu sichern und Klima- schutz aktiv mitgestalten zu können.“ Olaf in der Beek (FDP) schlug vor, die gro- ßen Herausforderungen als Chancen zu begreifen und sie mit dem anzugehen, „was Deutschland schon immer stark ge- macht hat: mit der Innovationskraft und der Kreativität unserer Menschen.“ Der Weltklimarat empfehle, auch neueste Tech- nologien zu nutzen. „Wir haben in Deutschland kluge Köpfe, denen diese Umsetzung gelingen wird“. Viele Unter- nehmen seien schon weiter, als das im po- litischen Berlin angekommen sei. „Daher ist unsere Aufgabe vor allem, diese schon seit Langem begonnene ökonomische Um- stellung“ zu unterstützen. Zu langsam Nicht konsequent. zu viel Ge- rede und Zerreden, zu wenig verantwortli- ches Handeln - Ralph Lenkert (Linke) ging hart ins Gericht mit der deutschen Politik: „Und das Schlimmste: Wir handeln nicht, obwohl wir die letzten Generationen sind, die den Klimawandel eingrenzen können und müssen.“ Lenkerts Vorschläge: VW zwingen, Elektrobusse, Straßenbahnen und Wasserstoffzüge zu bauen; die Macht der Energiekonzerne brechen; ein Tempolimit verabschieden, Kurzstreckenflüge unter 500 Kilometern verbieten und Industrie- subventionen an Auflagen zum Klima- schutz binden. Die AfD-Fraktion stellte sich in der De- batte wie in der Vergangenheit auch quer zum wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel und der Auffassung der übrigen Fraktionen. Karsten Hilse bezeichnete den IPCC-Be- richt als „wissenschaftlich verbrämten Unsinn“ eines „selbsterklärten Weltklima- rates“. die grünen Kommunisten“, wollten die Men- schen mittels Angst „umerziehen“. Sie würden die „Klimaideologie“ dazu nut- zen, „letztendlich sozialistisch-kommu- nistische Verhältnisse einzuführen“, un- terstellte Hilse. Michael Schmidt T „Weltuntergangspropheten, > K OMPA KT Berichte des Weltklimarats IPCC > Der aktuelle Bericht ist das dritte und letzte Kapitel des sechsten Sachstands- berichts des IPCC. Voraussichtlich im September wird ein Synthesebericht er- scheinen, der die drei zusammenfasst. > Im ersten Teil ging es um die natur- wissenschaftlichen Grundlagen der Erd- erwärmung. Dieser Teil verdeutlichte, dass der Klimawandel belegt und vom Menschen gemacht ist. > Der zweite Teil warnte , dass die Fol- gen der Klimakrise bereits jetzt verhee- rend sind - und schon bei 1,5 Grad Erder- wärmung wohl dramatischer als noch vor wenigen Jahren angenommen. > Der dritte Teil wendet sich den Maß- nahmen zu, um gegensteuern zu kön- nen, und beurteilt sie mit Blick auf Nut- zen, Kosten, rasche Umsetzbarkeit. EEG-Umlage auf null ENERGIE Stromverbraucher sollen entlastet werden Staatssekretär Um den stark steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken, hat der Bundestag das Ende der EEG-Umlage vorgezogen. Eine vierköpfige Familie soll im Vergleich zu 2021 rund 300 Euro pro Jahr einsparen können. Oliver Krischer (Grüne), der Par- im Wirt- lamentarische schaftsministerium, sprach von der „größ- ten Strompreisentlastung der letzten Jahr- zehnte“. Das Parlament stimmte dem Ge- setzentwurf „zur Absenkung der Kostenbe- lastungen durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letzt- verbraucher“ am Donnerstag mit den Stim- men der Ampel-Fraktionen, der Union und der Linken zu, die AfD lehnte ihn ab. Mark Helfrich (CDU) kritisierte bei grund- sätzlicher Zustimmung die im Gesetz vor- gesehene Verpflichtung der Stromlieferan- ten zur Absenkung des Strompreises in Hö- he der wegfallenden EEG-Umlage . Zum einen bedeute sie einen erheblichen Ein- griff in die Vertragsfreiheit der Unterneh- men. Zum anderen erweise die Ampel dem Verbraucher damit einen Bärendienst. „Die Regelung verhindert nämlich keinesfalls, dass Stromlieferanten betriebswirtschaft- lich notwendige Preiserhöhungen auf den 1. Juni vorziehen“, sagte Helfrich. Andreas Mehltretter (SPD) hob hervor, die Absenkung der EEG-Umlage auf null ent- laste gerade die Haushalte, die sich teure Energie nicht leisten könnten. „Deswegen ist es sinnvoll, die Energiewende über den Bundeshaushalt und nicht über die Strom- rechnung zu finanzieren.“ Marc Bernhard (AfD) erklärte, die EEG- Zahlung falle nicht weg, sondern werde künftig nur anders finanziert, nämlich nicht mehr über die Stromrechnung, son- dern über Steuern und Abgaben auf Ener- gie. „Was wir hier von der Regierung prä- sentiert bekommen, ist also nichts anderes als eine Mogelpackung“, die nichts an den Energiekosten ändere, sagte Bernhard. Konrad Stockmeier (FDP) hielt fest, dass die Freien Demokraten in der Energiepoli- tik seit Jahren auf diesen Schritt hingear- beitet hätten: Die vollständige Entlastung der Unternehmen und Verbraucher von der EEG-Umlage. „Endlich ist es so weit“, sagte Stockmeier. Zudem seien zugleich ei- nige „Konstruktionsfehler“ des Gesetzes be- seitigt worden. Klaus Ernst (Linke) erinnerte daran, dass die Strompreise zum großen Teil staatlich verursacht seien, insofern sei es richtig, dass die Bundesregierung Maßnahmen vor- schlage, mit denen es erstmal eine Entlas- tung gebe. Aber, so Ernst: ob das tatsäch- lich zu einer dauerhaften Senkung des Strompreises führt, sei eine andere Frage. in dem Be- Katrin Uhlig (Grüne) sieht schlossenen einen ersten Schritt. Die ent- scheidenden Weichen stelle dann das Osterpaket - für mehr erneuerbare Ener- gien , bezahlbare Preise und Energiesouve- ränität. „Wir müssen diesen Wandel aktiv und ambitioniert gestalten: Ökologisch für das Klima und sozial für die Menschen.“ Die EEG-Umlage war im Jahr 2000 einge- führt worden, um den Ausbau des Öko- stroms zu finanzieren. Mit der Umlage wurden Verluste der Netzbetreiberinnen ausgeglichen, die durch die verpflichtende Abnahme von erneuerbarem Strom von privaten Produzenten angefallen waren. Auf diese Weise sollten private Investitio- nen in Anlagen zur Ökostromproduktion gefördert werden. mis T Handeln im Krisenfall ENERGIESICHERHEIT Enteignen soll möglich sein »Die kritische Infrastruktur gehört dauerhaft in öffentliche Hand.« Um Versorgungssicherheit gewährleisten und im Krisenfall schnell handeln zu kön- nen, will die Bundesregierung das Energie- sicherungsgesetz (EnSiG) aus dem Jahr 1975 aktualisieren. Es ermächtigt die Re- gierung, im Falle einer unmittelbaren Ge- fährdung der Energieversorgung im Wege von Rechtsverordnungen Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört die Möglichkeit, im Krisenfall Unternehmen, die kriti- sche Energie-Infrastruktur betreiben zum Beispiel Gas- und Stromversorgung - unter treuhänderische Verwaltung zu stellen. Im Extremfall, unter klar be- nannten und engen Bedin- gungen, ist auch eine Ent- eignung möglich. „Wir ver- suchen uns zu wappnen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundes- wirtschaftsministerium, Oliver Krischer (Grüne), am Freitag im Bundestag zur Be- gründung der Novellierung: Niemand wis- se, ob und wann Russlands Präsident Putin die Energierversorgung als Waffe einsetze. Andreas Jung (CDU) signalisierte grund- sätzliche Zustimmung zu dem Vorhaben, machte aber Gesprächsbedarf geltend: Ja, die Regierung brauche vorsorglich zusätzli- che, auch schwerwiegende Eingriffsmög- lichkeiten und müsse schnell handeln kön- nen - aber umso wichtiger sei die mindes- tens nachträgliche Mitsprache des Parla- ments. Nina Scheer (SPD) unterstrich die Verantwortung des Staates: „Energieversor- gung gehört zur Daseinsvorsorge.“ Michael Kruse (FDP) rechtfertigte die Möglichkeit von Enteignungen, wenn sie, wie ange- dacht, dem Schutz des Wettbewerbs dien- ten - und machte klar, dass für die FDP deshalb die schnellstmögliche Re-Privati- sierung im Gesetzentwurf festgeschrieben werden soll- te. Dem widersprach Gesine Lötzsch: „Wir als Linke sa- gen, die kritische Infrastruk- tur gehört dauerhaft in öf- fentliche Hand.“ Für Reiner Kraft (AfD) ist die Novelle das Eingeständnis des Schei- terns der Energiepolitik in der Vergangenheit. Mit der angestrebten Novelle (20/1501) erhält die Bundes- regierung ge- wünschte digitale Plattform für die Gasversorgung, mit der sich Ver- brauch und Verteilung zentral steuern las- sen. Preisanpassungen sollen künftig zuläs- sig sein: Bei verminderten Importen werde der Preis am Markt deutlich steigen. Könn- ten Energieunternehmen die Preise nicht bezahlen beziehungsweise ihre Verträge nicht erfüllen, drohten finanzielle Schiefla- gen bis hin zu Insolvenzen. Würden aber die Energieunternehmen wegbrechen, droh- ten Störungen im gesamten Markt. Deshalb sollen die Unternehmen Preiserhöhungen befristet weitergeben dürfen. mis T auch die Gesine Lötzsch (Die Linke) Hochwasser und Hitzewellen »Zu spät, zu langsam und zu wenig« KLIMAWANDEL Union fordert besseren Schutz vor Extremwetter und erntet Kritik ENERGIEPREISE Opposition übt Kritik an den Entlastungsvorhaben der Bundesregierung Ein Sofortprogramm hatte Bundesumwelt- ministerin Steffi Lemke (Grüne) bereits im März vorgestellt: Mit 60 Millionen Euro will sie bis 2026 Städte und Gemeinden besser für künftige Extremwetterereignisse wie Hochwasser und Hitzewellen wapp- nen. 100 neue Stellen für sogenannte Kli- maanpassungsmanager sind geplant. Diese sollen den Kommunen als eine Lehre aus der verheerenden Flutkatastrophe im ver- gangenen Sommer helfen, entsprechende Anpassungskonzepte zu erarbeiten. Ein Gesetz zur Klimaanpassung, das für die Kli- mavorsorge messbare Ziele verankern soll, hat Lemke ebenfalls angekündigt: Bis Mitte der Legislaturperiode werde ihr Haus einen Entwurf vorlegen, so die Ministerin. Drängen auf schnellere Gangart Für die CDU/CSU-Fraktion eindeutig zu spät: Mit einem Antrag (20/1498), der im Bundestag am vergangenen Donnerstag nach teils hit- ziger Debatte in den federführenden Um- weltausschuss überwiesen wurde, drängte sie auf mehr Tempo in Sachen Vorsorge. Kommunen, mittelständische Unterneh- men und private Hauseigentümer bräuch- ten dringend Unterstützung bei der Kli- maanpassung. Die Ampel müsse schneller vom „Findungs- in den Handlungsmodus“ wechseln und umgehend ein Gesetz vorle- gen, drängte die umweltpolitische Spreche- rin der Union, die CSU-Abgeordnete Anja Weisgerber. Das Sofortprogramm werde den Herausforderungen nicht gerecht. Stattdessen schaffe es „unnötige und teure Doppelstrukturen“, kritisierte sie. Schon jetzt würden Klimaschutzmanager geför- dert. Warum neue Stellen geschaffen wer- den müssten, sei nicht nachvollziehbar. Ein Vorwurf, den Harald Ebner (Grüne) zurückwies: Die Stellen würden gebraucht. Klimaschutz sei doch ein „völlig anderer Job als Klimaanpassung“. Dass man der Union den Unterschied erklären müsse, spreche Bände. An „Dreistigkeit“ grenze es zudem, dass sie nach 16 Jahren Untätigkeit in der Regierung, die Ampel „zum Scher- ben aufkehren“ auffordere, empörte sich Ebner. Ihr Antrag lese sich wie eine Ver- säumnisliste, Forderungen nach der Ein- schränkung des Schutzstatus von Biber und Wolf in Hochwasserschutzgebieten legten zudem ganz andere Motive offen. „Wahlkampf“ Auch die Redner der übri- gen Fraktionen sparten nicht mit Kritik: Rainer Keller (SPD) vermutete vor allem taktisches Kalkül hinter der Initiative: „Wir haben Wahlen in NRW – und just kommt der Antrag aufs Tapet.“ Dabei habe die schwarz-gelbe Landesregierung bislang vor allem gezeigt, wie Klimaanpassung nicht funktionieren könne, meinte Keller. „Etikettenschwindel“ Auch Ralph Len- kert (Linke) warf der CDU/CSU vor, bis- lang eher durch „Nichtstun bei der Kli- maanpassung und Blockaden beim Klima- schutz“ aufgefallen zu sein. In einem aber bleibe sie sich treu: „Sie war, ist und bleibt die Lobbygruppe für Großkonzerne.“ Das zeigten ihre Forderungen nach techni- schem Hochwasserschutz statt Renaturie- rung, Gentechnik statt ökologischer Land- wirtschaft. Aber: „Diesen Etikettenschwin- del machen wir nicht mit.“ Muhanad Al-Halak (FDP) verteidigte die geplanten Klimaanpassungsmaßnahmen der Ampel als „sachlich, abgewogen und aufeinander abgestimmt“, der Unions-An- trag sei dagegen ein wenig zielführendes „buntes Allerlei“. Andreas Bleck (AfD) immerhin konnte da- rin eine „gute Diskussionsgrundlage“ er- kennen, teilte dann aber doch nach allen Seiten aus: Die Grünen entpuppten sich als „Umweltzerstörungspartei“ und CDU wie SPD hätten in den von ihnen geführten Landesregierungen während der Flut ver- sagt. Tote und Verletzte seien Ergebnis ih- res völlig ungenügenden Katastrophen- schutzes. Sandra Schmid T Privathaushalte und Energieunternehmen ächzen gleichermaßen unter immer weiter steigenden Kosten. Die Inflationsrate in Deutschland erreichte im April 7,4 Pro- zent, der höchste Stand seit Herbst 1981. Nach dem Stopp russischer Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien zittert die deut- sche Wirtschaft für den Fall, dass Russland als nächstes die Versorgung nach Deutsch- land einstellen wird. Sollte es dazu kom- men, würden die Kosten für Heizen, Tan- ken, aber vor allem auch für Lebensmittel und Konsumgüter in bisher unbekannte Höhen steigen. Nach Ansicht der CDU/ CSU-Fraktion unternimmt die Bundesre- gierung in dieser dramatischen Lage viel zu wenig und reagiere immer viel zu spät. Steuerentlastungen In einer Aktuellen Stunde ernteten die Maßnahmen – wie die Entlastungspakete I und II – der Bundesre- gierung zur Entlastung von Verbrauchern heftige Kritik. Die Aussprache fand am Donnerstag auf Verlangen der CDU/CSU- Fraktion statt. Mit drastischen Worten for- derte Jens Spahn (CDU/CSU) „anstatt im- mer neuer Pakete Steuerentlastungen auf Energie“. Diesen Vorschlag habe seine Frak- tion bereits Anfang des Jahres gemacht, doch „die Ampel handelt stets zu spät, zu langsam und zu wenig“, sagte Spahn. Diese Vorwürfe ließ Nina Scheer (SPD) nicht gelten. Sie machte deutlich, dass die hohen Preise für Energie zum einen mit der Corona-Pandemie zusammenhingen und seit dem 24. Februar der Angriff Russ- lands auf die Ukraine zu weiteren Preis- sprüngen geführt habe. „Es gibt Ereignisse, für die es keine Schablonen gibt“, erklärte Scheer. Unterstützung erhielt sie durch An- dreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen), er warnte davor, durch die Vorhaben der Ampel-Koalition den Ausbau erneuerbarer Energien zu verlangsamen. Das Gegenteil müsse passieren, und Klimaminister Ro- bert Habeck beweise „jeden Tag, dass unse- re Regierung handelt“, so Audretsch. Ziel der Ampel sei zudem, „dass wir keine Bür- gerin und keinen Bürger zurücklassen“. Für die FDP meldete sich Andreas Pinkwart zu Wort. Der Minister für Wirtschaft und Energie in Nordrhein-Westfalen rief die Fraktionen der Regierung und der Opposi- tion zum Schulterschluss auf. „Wir müssen die erneuerbaren Energien jetzt so schnell wie möglich vorantreiben“, forderte er. Wenn beispielsweise der Kohleausstieg bis 2030 gelingen solle, dann müssten vor al- lem bürokratische Hürden beseitigt wer- den, zudem brauche es „mehr Standardi- sierung und mehr Digitalisierung“. Pink- wart warnte vor einem möglichen Energie- embargo durch Russland. Dadurch würden nicht nur wichtige Industriezweige in „er- hebliche Mitleidenschaft“ gezogen werden, sondern die Preise würden sich noch ein- mal massiv erhöhen. Deshalb müsse Deutschland sich auf eine solche Lage vor- bereiten, Ziel sei es, „sehr viel mehr Tempo beim Umbau der Energieversorgung“ hin- zubekommen. Preise deckeln Die AfD-Fraktion sieht in den Entlastungsprogrammen der Bundes- regierung vor allem „ein Bürokratiemons- ter“. Bernd Schattner (AfD) kritisierte: „Fi- nanzminister Lindner hat zugegeben, dass den Behörden dadurch neue Kosten in Hö- he von einer Milliarde Euro entstehen“. Den geplanten Umstieg auf LNG-Gas lehn- te er ab und forderte, Kohle- und Atom- kraftwerke länger laufen zu lassen. Auch die Vorschläge der Linken unterscheiden sich von denen der Regierung. „Die Bun- desregierung hat den sozialen Sprengstoff, der in den steigenden Energiepreisen steckt, immer noch nicht erkannt“, warnte Christian Leye (Die Linke), allein Heizkos- ten seien im März um 63 Prozent gestie- gen. In Frankreich, Italien und Spanien hätten die Regierungen die Energiepreise gedeckelt. „Warum ist das in diesem Land nicht möglich?“, so Leye. Nina Jeglinski T