2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 20 - 16. Mai 2022 GASTKOMMENTARE ENERGIESICHERHEIT VOR NATURSCHUTZ? Völlig überzeichnet PRO Umweltschützer treibt die Sorge um, t a v i r P © Daniel Wetzel, »Welt am Sonntag«, Berlin t a v i r P © Michael Bauchmüller, »Süddeutsche Zeitung«, München Es gibt andere Wege CONTRA Es gibt Tierarten, die lernen die Deutschen dass in der Energiekrise das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Kohle- kraftwerke werden reanimiert, im Watten- und Küstenmeer soll wieder Öl und Gas gefördert werden. Der Klageverein Deutsche Um- welthilfe torpediert die Vorhaben, wo er nur kann. Und ein grüner Wirtschaftsminister bittet die Um- weltaktivisten, das doch bitte bleiben zu lassen. Habeck hat seine Gründe, und sie wiegen schwer. Seit dem 12. Mai liegt eine Sanktionsliste aus dem Kreml gegen die wichtigsten Gasimporteure auf dem Tisch. Macht Moskau ernst, droht eine akute Gas-Mangellage mit katastrophalen Folgen. Denn wenn die deutschen Versorger und Industriebetrie- be den Brennstoff zu aktuellen Spotmarktpreisen nachkaufen müssen, wird ihnen nun das Fünffa- che berechnet. Ganze Branche stünden vor dem Aus. Es könnte sich eine nach Millionen zählende Massenarbeitslosigkeit ausbreiten. Kraft für Um- weltprojekte oder für die Ukrainehilfe hätte Deutschland dann nicht mehr. Angesichts dieses Damoklesschwertes müssen wir alle verfügbaren Energie-Ressourcen zusammen- kratzen, derer wir habhaft werden können. Die von Umweltaktivisten behaupteten Schäden der Beschaffung wirken neben dieser Notwendigkeit völlig überzeichnet. In der Nordsee produziert Deutschlands einzige Ölplattform Mittelplate seit 30 Jahren Erdöl, während sich die Seehund-Popu- lation dort „prächtig entwickelt“, wie Umweltbe- hörden bestätigen. Weitere unterirdische Horizon- talbohrungen wären oben gar nicht sichtbar. Schlägt die Energiekrise zu, sind die sozialen Fol- gen desaströs, real und dauerhaft, während Um- weltschäden der Rohstoffbeschaffung nur vorrü- bergehender Natur und leicht zu minimieren sind. nur kennen, wenn irgendwo gebaut wird. Der Wachtelkönig war den meisten Ham- burgern unbekannt, bis er eine Wohn- siedlung verhinderte. Ohne das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hätte sich die Republik nie für den Juchtenkäfer interessiert. Und die Hufeisennase, eine Fledermaus-Art, erlangte erst durch die Dresdner Waldschlößchenbrücke Berühmtheit. Für die einen sind sie Störenfriede auf dem Weg zum Fortschritt, für die anderen der letzte Strohhalm, um ein ungeliebtes Projekt doch noch zu verhin- dern. Und Sichtweise eins hat sich leider durchge- setzt: Zu viel Naturschutz hält nur auf. Ein Fehler. Stimmt schon, es gibt viel zu lamentieren über lahme Genehmigungsverfahren. Behörden sind überlastet, verunsicherte Beamte verlangen Gut- achten über Gutachten, und dann kommen im Zweifel noch Klagen. Der Impuls, diese Verfahren zu entschlacken, ist allzu nachvollziehbar – zumal, wenn das Ziel mehr Klimaschutz ist, etwa durch den Bau von Windrädern und Solarparks. Nur zielt ein Genehmigungsverfahren eben auch auf den Ausgleich von Interessen. Es wäre gefährlich, fie- len dabei die Interessen von Natur und Umwelt der Beschleunigung wegen unter den Tisch. Künf- tige Generationen haben nicht nur ein Recht auf Klimaschutz, sondern auch auf Artenvielfalt. So wichtig schnelle Verfahren für die Energiewen- de sind, es gibt noch andere Wege: Klare Rechts- normen und Leitfäden etwa, die den Behörden Si- cherheit geben. Runde Tische zum Austausch aller beteiligten Behörden über den Status von Projek- ten. Mehr Personal. Aber am Ende auch die Offen- heit, sich mit Belangen der Natur auseinanderzu- setzen. Denn sie hat einen Wert für dieses Land. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. 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Mai 2022 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG Kurhessenstraße 4– 6 64546 Mörfelden-Walldorf Leserservice/Abonnement Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 32 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 32 E-Mail: fazit-com@cover-services.de Anzeigenverkauf, Anzeigenverwaltung, Disposition Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 36 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 36 E-Mail: fazit-com-anzeigen@cover-services.de „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird ausschließlich Recycling-Papier verwendet. »Nicht deutsch denken« KONRAD STOCKMEIER Wird der Ausbau erneuerbarer Energien im europäischen Kontext gedacht, dann kann er eine Erfolgsstory werden, meint der FDP-Politiker sind der Herr Stockmeier, Deutschland will seine Energieabhängigkeit von Russland möglichst schnell verringern und gleich- zeitig den Klimaschutz voranbringen. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus er- neuerbaren Energien erzeugt werden, ge- genüber jetzt gut 40 Prozent. Gleichzei- tig brauchen aber Elektromobilität, Wär- mepumpenheizung und elektrifizierte Prozesse in der Industrie mehr Strom. Die Kapazitäten müssen also vervielfacht werden. Kann das denn gelingen? Wir Freien Demokraten stehen klar zur Energiewende, zur Dekarbonisierung unse- rer Wirtschaft und damit auch unserer Energieerzeugung. Wir festen Überzeugung, dass das marktgängig gelin- gen kann. Es ist eine große Herausforde- rung, die unser Land verändern wird und sich da und dort auch ganz konkret auf unsere Lebensweise auswirken wird. Sie ist durch zwei ganz starke Motive getrieben: Zum einen durch die Notwendigkeit, auf den Klimawandel adäquat zu reagieren und ihn einzudämmen. Zum anderen durch die Notwendigkeit, in der Energie- versorgung unabhängig zu werden von au- toritären Systemen, die uns und unserem freiheitlichen Gesellschaftsmodell gegen- über ein gewisses Erpressungspotenzial in der Hand haben. In dem Zusammenhang möchte ich an die Formulierung von Christian Lindner erinnern, dass es sich bei den regenerativen Energien um Freiheits- energien handelt. Dabei ist uns Freien De- mokraten auch ganz wichtig, dass wir diese Energiewende nicht nur in einem deut- schen, sondern mindestens in einem euro- päischen Kontext denken. Was ist darunter zu verstehen? Dass wir bei der Energiewende eng mit un- seren Partnern in der EU zusammenarbei- ten. Und selbstverständlich muss da an den Grenzen der EU keineswegs Schluss sein. Es ist ein Projekt, das Potenziale birgt, zu deren Realisierung wir auch Partner in anderen Regionen der Erde mit einbinden können und sollten. Kontext beantworten. Ein wesentlicher Bestandteil des Vor- habens ist der beschleunigte Ausbau der Windenergie. Aber selbst wenn wie ge- plant die Abstandsregeln gelockert wer- den, gibt es in unserem dichtbesiedelten Land überhaupt genügend Standorte für die erforderlichen Windstromanlagen? Auch diese Frage will ich nicht alleine im deutschen Für Deutschland ist festzuhalten, dass bei der Energiewende die Bevölkerung mitgenom- men werden muss. Das bedeutet auch, dass man Windkraftanlagen nicht beliebig nahe beispielsweise an Wohnbebauung errich- tet. Es gehört übrigens auch dazu, dass wir die Errichtung von Onshore-Windanlagen nicht an Standorten übersubventionieren, an denen unter Effizienzgesichtspunkten einfach nicht genügend Wind weht. Wenn man sich mit Akteuren am Markt unter- hält, werden ganz andere vielversprechen- de Möglichkeiten aufgezeigt, wie Offshore- Kapazitäten in der Ostsee in den Gewäs- sern von EU-Partnerstaaten. Sie denken also nicht nur an deut- sche Küsten? Es hört sich an wie Zukunftsmusik, aber es ist sehr viel Dynamik im ganzen ener- giepolitischen Geschehen. Unter dem Ge- sichtspunkt, die Partnerschaft mit anderen EU-Ländern zu stärken, unter dem Ge- sichtspunkt, auch die Integration des EU- Strommarktes weiter voranzutreiben, soll- ten wir wirklich diesen europäischen Kon- text ins Visier nehmen, auch um die Ener- giewende so kosteneffizient wie möglich zu realisieren. Das birgt auch ganz neue Exportmöglichkeiten für EU-Partnerstaa- ten, an deren Realisierung diese wirklich interessiert sein könnten. Und ich verwei- se gerne darauf und bin auch dankbar da- © konradstockmeier.de für, dass Robert Habeck als der verant- wortliche Minister selbst gesagt hat, es könne nicht darum gehen, dass die Bun- desrepublik energieautark wird, sondern dass die Energiewende auch in Kooperati- on mit unseren Partnern in der EU zu rea- lisieren ist. Ein Problem bei der Energiewende sind die Kapazitäten. Derzeitig ist es kaum möglich, kurzfristig Photovoltaik- Anlagen, Wärmepumpen und Ladestatio- nen zu bekommen sowie Handwerker, die sie installieren. Wie soll da eine noch beschleunigte Energiewende auf die Ram- pe kommen? In der kurzen Frist sind diese Knappheiten tatsächlich vorhanden. Genau deswegen sollte man das ganze Projekt auch nicht überstürzt angehen. Man kann die Produk- tionskapazitäten und auch die Men-and- Women-Power, um die Anlagen zu instal- lieren, in der kurzen Zeit nicht beliebig er- höhen. In der mittleren und längeren Frist sind Unternehmen und Handwerker aber durchaus so flexibel, auf eine sich ändern- de Nachfrage zu reagieren. Wenn wir es nicht überstürzen, nehmen wir vor allem auch Preisdruck aus dem Markt. Wenn sich jetzt zu viel Nachfrage zu schnell entfaltet, wird das gar nicht dazu führen, dass mehr Anlagen installiert werden, sondern nur die Preise für die Anlagen in die Höhe trei- ben. Ursprünglich sollte ja vermehrt Gas zur Stromerzeugung eingesetzt werden als Brücke zwischen Atom- und Kohle- ausstieg und vollständigem Ausbau der Erneuerbaren. Sollten jetzt, nach Putins Großangriff auf die Ukraine, Atom und Kohle doch länger genutzt werden, als Brücke für den Gasausstieg? Bei der Kohleverstromung werden wir ei- nen Anstieg sehen, da hat die Bundesre- gierung ja bereits erste Maßnahmen in die Wege geleitet. Beim Atomstrom muss man sich unter anderem sehr genau die Be- schaffungssituation für Uranerz und auch für Brennelemente ansehen. Die bedeu- tendsten Anbieter auf diesem Markt sind Russland, Belarus und Kasachstan. Es kann ja niemand ernsthaft beabsichtigen, sich von russischem Gas unabhängiger zu machen, nur um dann abhängig zu wer- den von Uran und Brennelementen aus Russland und einigen seiner engen Part- nerstaaten. Frankreich bezieht erhebliche Anteile seines Urans aus Minen in Afrika, von denen sich etliche in chinesischem Besitz befinden. Da würde man sich auch in neue fragwürdige Abhängigkeiten bege- ben. Des Weiteren werden als Anbieter- länder oft auch Australien und Kanada ins Feld geführt. Da bliebe abzuklären, ob die überhaupt bereit sind, nach Europa zu lie- fern. Zudem besteht die Aufgabe darin, die Versorgung mit Energie so sicherzu- stellen und von Russland unabhängig zu werden, dass das in der Ampelkoalition zustimmungsfähig ist. Da sehe ich auf Sei- ten der Grünen kaum eine Bereitschaft, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlän- gern. Insofern ist es aus staatspolitischer Verantwortung geboten, sich auf die Maß- nahmen zu fokussieren, die wir auch wirklich gemeinsam realisieren können. Noch eine sehr grundsätzliche Frage: Im Erneuerbare Energien Gesetz heißt es, Energiesicherheit sei zu einer Frage der nationalen und europäischen Sicher- heit geworden. War sie das nicht eigent- lich schon immer, man wollte nur nichts davon wissen? Man wollte auch schon immer was davon wissen. Aber unterschiedliche politische Akteure haben die Frage, wie die Sicher- heit der Versorgung Deutschlands mit Energie zu gewährleisten ist, unterschied- lich beantwortet. Ich will mich als Neu- ling im Parlament nicht so sehr damit be- schäftigen, Akteuren Schuld zuzuweisen. Ich denke, für alle, die sich ernsthaft damit befassen, jetzt noch einmal schlagartig klar geworden, dass in Zukunft starke Abhängigkeiten von einzelnen Energielieferanten unbe- dingt zu vermeiden sind. Erneuerbare Energien sind in der Tat Freiheitsenergien. Und wenn wir deren Ausbau nicht deutsch denken, sondern auf Ebene der Europäischen Union vorantreiben und das zusammen mit Partnern auch außer- halb der EU tun, die unsere Werte teilen, kann er eine Erfolgsstory werden. Das be- darf einiger Anstrengungen, aber es ist diese Anstrengungen wert. verschiedenen ist Das Gespräch führte Peter Stützle.T Konrad Stockmeier (FDP) ist seit Oktober 2021 Abgeordneter im Deutschen Bundestag und Mitglied des Ausschusses für Klimaschutz und Energie. PARLAMENTARISCHES PROFIL Der Nordische: Stefan Seidler V ielleicht regte sich Stefan Seidlers Interesse für Politik, als er dafür länger aufbleiben durfte. Um acht Uhr die Tagesschau – und eine Stunde später die dänischen Fernsehnachrichten, so wuchs der Flensburger auf. Die Mutter, eine dänische Lehrerin, die schon den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) im Stadtrat vertrat, und der Vater, ein Kauf- mann aus Flensburg; das politische Engagement im Milieu der dä- nischen Minderheit im hohen Norden Deutschlands schien ihm in die Wiege gelegt, das Seidler nun nach Berlin geführt hat. Als Botschafter? Oder als Kulturbeauftragter? Nein, Seidler ist ge- wählter Abgeordneter des SSW im Bundestag und nimmt eine Sonderstellung im Parlament ein: Er ist allein. Aber das nicht wirk- lich, dazu später mehr. „Unsere Kampagne hieß ‚Damit das Leben bezahlbar bleibt‘“, sagt er über den SSW-Bundestagswahlkampf, „und das haute voll rein“. Nur im Norden wählbar, erzielte der SSW ein Bundesgesamtergebnis von 0,12 Prozent der Stimmen und konnte 2021 nach einigen Jahrzehnten wieder einen Vertreter nach Berlin entsenden. Als Partei einer nationalen Minderheit ent- fällt für den SSW die Fünf-Prozent-Hürde. Es habe schon gewurmt, dass zum Beispiel die CSU im aktuellen Verkehrswegeplan 325 Vorhaben für Bayern etabliert habe, während nach Schleswig-Hol- stein nur 22 gegangen seien. „Ich gönne es den Bayern“, sagt Seidler, 43, „aber innerlich könnte man kotzen“. Hinter ihm hängt ein Plakat mit dem Comic-Helden Werner Brösel: „Gekotzt wird später“ steht darauf. Seidler sieht sich als frischen Geist für den Bundestag. „Mit Min- derheitenpolitik treffen wir einen gewissen Zeitgeist. Ich bin gern Vertreter für alle Minderheiten, nicht nur für nationale.“ Der SSW jedenfalls hat immer mehr Erfolg. Bei der jüngsten Landtagswahl in Schleswig-Holstein verdoppelte er seinen Stimmenanteil auf 5,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. „Wir sind pragmatisch orien- tiert und bieten skandinavische Lösungen an“, sagt er. Welche? „Digitalisierung etwa haben wir unter der Haut.“ In Deutschland werde zuweilen so getan, als handele es sich um komplizierte Ra- ..................................................................................................................................................... e c n a i l l a - e r u t c i p / a p d © »Die Fahrradplanung in Kopenhagen hat mehr Projektstrategie als die Energieplanung in Deutschland.« ketentechnologie, dabei brauche man nur dreierlei: „Breitbandaus- bau, wenige Plattformen und lebenslanges Lernen.“ Für Schleswig-Holstein bedeutet dieser „skandinavistische“ Ansatz zum Beispiel, dass der SSW die vom Bundeswirtschaftsminister Ro- bert Habeck (Grüne) geplanten Terminals für Flüssiggas ablehnt. „Erst in 15 Jahren oder mehr würde dann Gas kommen, und dann auch noch gefracktes – das ist eine der größten Ökosünden, die es gibt.“ Seidler setzt auf Gas aus Norwegen und auf den Ausbau von Wind- sowie Sonnenenergie. Warum Habeck so agiert? „Ich weiß es nicht, aber das ist Feuerlöschen ohne Strategie. Die Fahr- radplanung in Kopenhagen hat mehr Projektstrategie als die Ener- gieplanung in Deutschland.“ Im Plenarsaal sitzt Seidler, der Politikwissenschaft studierte, als Programmmanager und als Berater für grenzüberschreitende Ko- operation unterwegs war, ganz hinten, „in der Tuschelecke“. Dort- hin würden sich Abgeordnete gern mal verziehen, um einen Plausch zu halten. „Das ist nicht ungünstig, da lerne ich viele ken- nen.“ Doch wo ist der SSW politisch zu verorten? In der Politiker- sprache wird er meist als linksliberal beschrieben. Seidler formu- liert es so: „Im Umweltbereich sind wir grün, im Sozialbereich gel- ten wir als links und bei Entwicklung, Verkehr und Infrastruktur sind wir nah bei CDU und FDP.“ Im Büro hat er zwei Mitarbeiter, bald kommt ein dritter hinzu. Im Innenausschuss sitzt Seidler ohne Stimmrecht. Seine Redezeit ist beschränkt, worin er einen Vorteil sieht: „Ich muss mich aufs We- sentliche konzentrieren und kann das Gesagte gleich in die Sozia- len Medien schicken.“ Wunschlos jedoch ist er nicht: „Ich will den Bogen nicht überspannen. Aber ich würde schon gern mal eine An- frage an die Bundesregierung stellen oder einen Tagesordnungs- punkt setzen.“ Bisher ist das alles nicht vorgesehen für die Ein- Mann-Vertretung. „Keiner müsste sich sorgen: Mit unseren Res- sourcen würden wir keine 500 Anfragen im Jahr raushauen.“ Jan Rübel T