Das Parlament - Nr. 23-25 - 07. Juni 2022 DEBATTENDOKUMENTATION 5 Es waren CSU und CDU, die die Sparzeit bei der Bundeswehr begonnen haben. lands auf sein Nachbarland, das unschuldig überfallen worden ist. Wir reagieren darauf mit weitrei- chenden Maßnahmen. Zu diesen weitreichenden Maßnahmen zähl- te als Allererstes, dass wir diese Staatspraxis verändert haben – ich verstehe nicht, dass immer wieder von Ihnen vorgetragen wird, es sei nichts passiert -; allein das ist eine massive Änderung der Politik in Deutschland. Panzerabwehrminen, Wenige Tage nach Kriegsaus- bruch haben wir Flugabwehrrake- ten und Panzerabwehrwaffen ge- liefert, also genau das, was zu dem Zeitpunkt am dringendsten nötig war. Dazu kommen bislang mehr als 15 Millionen Schuss Munition, 100 000 Handgranaten, über 5 000 um- fangreiches Sprengmaterial, Ma- schinengewehre, Dutzende Last- wagenladungen mit sonstigen re- levanten Gütern, zum Beispiel zur Drohnenabwehr, für Mobilität, Kommunikation und zur Verpfle- gung und Versorgung Verwunde- ter. Gemeinsam mit Dänemark haben wir der Ukraine auf ihren Wunsch hin 54 modernisierte ge- panzerte Truppentransporter gelie- fert. Über einen ersten Ringtausch mit unseren tschechischen Freun- den bekommt die Ukraine ver- trautes Gerät sowjetischer Bauart, zunächst 20 Kampfpanzer T-72. Wir sorgen für Ersatz für Tsche- chien. Weitere Gespräche laufen. Erst gestern habe ich mit dem griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis verabredet, dass Grie- chenland Schützenpanzer aus ehe- maligen NVA-Beständen liefern wird und wir dafür die grie- chischen Bestände mit deutschen Schützenpanzern auffüllen; auch das sollte nicht vergessen und bei- seitegeschoben werden. Zu unse- rer Unterstützung gehört auch, dass die Bundeswehr bislang 168 besonders verwundete ukrainische Soldaten ausgeflogen und hier in Deutschland behan- delt hat. Wir helfen also in um- fangreicher Weise. Das könnte auch zur Kenntnis genommen und nicht durch Fragen in Zweifel gezogen werden, die mit Fakten einfach nichts zu tun haben. Das ist ja nur eine Flucht vor der Tatsa- che, dass die Realität mit dem, was Sie hier insinuieren, nicht über- einstimmt, dass Sie Fragen stellen, um nicht zugeben zu müssen, dass diese beantwortbar wären, und zwar sehr gut. Aber es geht weiter. In der letzten Woche hat die Ukraine den Vertrag mit der Rüstungsindustrie über die Ge- pard-Flakpanzer unterzeichnet. Die rund dreiwöchige Schulung läuft dieser Tage an. Das will ich ausdrücklich sagen: Die wurden von der Ukraine gewünscht. Ich habe in den Talkshows dieser Re- publik gehört, dass gesagt wurde: Die wollen das gar nicht. Hier im Bundestag haben das auch welche schwer richtig. Das der Wirklichkeit erzählt. Ganz naseweis haben sie das berichtet so wie Sie eben über Terminvereinbarungen. Ehrlicher- weise: Das war nie und zu keinem Zeitpunkt ist eine hochwirksame, eine hochschwere Waffe – um diesen komischen Be- griff zu benutzen -, und sie wird in der Ukraine eingesetzt werden. Der eine oder andere könnte ja mal seine ganzen Äußerungen, die er in der Hitze des Redegefechts so gesagt hat, noch mal überprüfen. Da ist ganz schön viel dabei, das mit einfach nichts zu tun hat. Diese Waffe kommt mit einer Erstausstattung von 59 000 Schuss Munition; das reicht für 1 200 Bekämpfungsvor- gänge. Dazu habe ich gehört und auch gelesen, dass manche gesagt haben, das sei eine Artilleriewaffe, mit der man zum Beispiel Flug- zeuge oder Drohnen, die einen bedrohen, nicht bekämpft, son- dern das sei etwas, das einfach da- zu genutzt würde, um in die Ge- gend und anderswohin zu schie- ßen. Das ist nicht richtig gewesen, und trotzdem durften Leute über- all in Deutschland diesen Kram erzählen. Wo leben wir eigentlich? Was macht das für einen Sinn? In den kommenden Wochen werden wir der Ukraine, eng abgestimmt mit den Niederländern, zwölf der modernsten Panzerhaubitzen der Welt liefern. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten daran wird in wenigen Tagen abgeschlossen sein. Es sind wirklich sehr moder- ne, sehr schwere Waffen. Abgese- hen davon, dass das Abschießen von Flugzeugen mit Luftabwehrra- keten auch ein schwerer Vorgang ist: Was sollen denn das für ande- re schwere Waffen sein als zum Beispiel der Gepard oder die Pan- zerhaubitze? Das ist doch einfach dahergeredetes Zeug, das Sie da vortragen. In den kommenden Wochen werden wir der Ukraine auch wei- tere Waffen liefern. Zum Beispiel hat die Bundesregierung aktuell entschieden, dass wir mit dem System IRIS-T das modernste Flug- abwehrsystem liefern, über das Deutschland verfügt. Damit ver- setzen wir die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russi- schen Luftangriffen zu schützen. Auch das ist eine Entscheidung dieser Bundesregierung. Ferner werden wir der Ukraine ein hochmodernes Ortungsradar liefern, das feindliche Haubitzen, Mörser und Raketenartillerie auf- klärt. Auch das ist eine Entschei- dung, die wir getroffen haben und die die Sicherheit der Ukraine mit modernstem Gerät sicherstellen wird. Alles, was Sie sagen, ist nicht richtig. Wir machen das, was mög- lich ist, mit aller Präzision. Präsident Biden hat gerade ei- nen sehr lesenswerten und wohl- durchdachten Beitrag für die „New York Times“ geschrieben alleine über die Unterstützung, die die USA und die Verbündeten der USA leisten, mit denen die USA immer eng abgestimmt handeln. Ich will übrigens sagen: Es ist aus meiner Sicht eine wirklich beein- druckende Qualität unserer trans- atlantischen Beziehungen, dass wir intensiv miteinander abge- stimmt sind, dass wir uns sorgfäl- tig absprechen, dass wir gemein- sam handeln. Angesichts der Ver- lagerung des Gefechts in den Os- ten der Ukraine hat Präsident Bi- den gesagt, man will über das hi- naus, was bisher geliefert worden ist, die Möglichkeit nutzen, Mehr- fachraketenwerfer zur Verfügung zu stellen. Er hat gesagt, er werde keine Waffen liefern, mit denen die Ukraine in der Lage wäre, nach Russland zu schießen. Aber das, was notwendig ist hinsichtlich sol- cher auch von Russland in der Ukraine auf diese Distanz genutz- ten Raketenwerfer, werden die USA tun. Wir sind mit ihr seit Ta- gen darüber im Gespräch, und wir haben mit den USA besprochen, dass das, was im Rahmen unserer technischen ist, Möglichkeiten beigetragen wird. Auch das gehört zu unseren Entschei- dungen. Natürlich ist dieser Aufsatz es wert, sehr sorgfältig diskutiert zu werden; denn die Besonnen- heit, die Fähigkeit, abzuwägen, das Für und Wider zu erörtern, wünschte ich mir auch von der Opposition in diesem Deutschen Bundestag. Wir handeln jedenfalls im Geleitzug mit unseren Verbün- deten – so habe ich es oft gesagt -, und diesen Geleitzug habe ich eben beschrieben. Er wird auch weiter unsere Politik bestimmen. Natürlich weiß ich, dass das eine Situation ist, in der das Für und Wider mit großem heißen Herzen erörtert wird. Aber es gibt dabei auch eine klare Haltung. Natür- lich ist es gut, sich hinzustellen und zu denen zu gehören, die im- mer sagen: Von allem noch mehr, davon noch was, davon noch was! – Genauso, wie es ganz einfach ist, zu sagen: Gar nichts! Aber das, was man tun muss, ist genau der Weg, den diese Regierung einge- schlagen hat: große Entschlossen- heit, Mut und kluge Abwägung zeigen. Das ist das, was wir tun. Damit bin ich bei dem, liebe Kol- leginnen und Kollegen, was wir mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr erreichen wollen. Ziel ist eine leistungsfähige und fort- schrittliche Bundeswehr, eine Bun- deswehr, die ihren Kernauftrag, die Landes- und Bündnisverteidi- gung, erfüllen kann, weil sie aus- reichend ausgestattet ist. Ich wie- derhole, was ich am Anfang gesagt habe: Die Versäumnisse der letz- ten 16 Jahre von CSU- und CDU- Verteidigungsministern und der dortigen Regierungschefin, die werden jetzt aufgearbeitet und aufgeholt. Das weiß jeder Soldat in Deutschland: Es waren CSU und CDU, die die Sparzeit bei der Bundeswehr begonnen haben. Das ist die Wahrheit. Gleichwohl: Ich bedanke mich bei allen, die in den letzten Tagen mitgeholfen haben, dass wir diese Entscheidung zustande bringen können, dass so konstruktiv und auch über Parteigrenzen hinweg verhandelt worden ist. Denn das, was wir hier hinbekommen, ist ein Quantensprung. Und es hat auch eine Konsequenz: Die Bun- deswehr wird dann wohl die größ- te konventionelle Armee im euro- päischen NATO-System sein. Und wir werden alles dafür tun, dass wir uns auch ansonsten weiter ver- bessern, was unsere Sicherheitsar- chitektur betrifft, zum Beispiel, wenn es um Fragen der Cybersi- cherheit geht. Deshalb müssen wir den Moment, der jetzt stattfindet, auch genau verste- hen. Es ist anders als in früheren Zei- ten, wo man in Pa- ris, in Warschau, in London, in Wa- shington oder Prag Angst und Sorge hatte, wenn die Bundeswehr, die deutsche Armee, so viel stärker war. Es ist Erleichterung, was jetzt dort zu spüren ist. Alle sind von diesem Schritt sehr beeindruckt. „Endlich“, sagen sie, „übernimmt Deutschland die sicherheitspoliti- sche Verantwortung, die es im 21. Jahrhundert hat“, und zwar von einer Ampelregierung angeführt, liebe Freunde von CSU und CDU. Das ist die richtige Antwort auf die Zeitenwende, und wir geben sie, liebe Kolleginnen und Kolle- gen. Wir bringen in Ordnung, was nicht in Ordnung war. Deshalb ist es auch so richtig, weil unsere Sol- datinnen und Soldaten es verdie- nen, dass sie eine gute Bundes- wehr haben, genauso wie die Bür- gerinnen und Bürger des Landes; denn es geht um Sicherheit, und wir haben die Verantwortung, die Sicherheit unseres Landes und un- seres Bündnisses zu gewährleisten. Herr Merz, Sie haben darüber berichtet, dass hier, als ich das sag- te, auch aus den Reihen Ihrer Fraktion Beifall geklatscht wurde. Dafür bedanke ich mich, wie ich mich übrigens ernstlich dafür be- danke, dass es möglich war, hier konstruktiv das Ergebnis zu ver- handeln. Ich möchte mich auch bei allen, die mitverhandelt ha- ben, intensiv bedanken, weil ich weiß: Es geht immer auch um konkrete Personen, die in der Lage sind, das zu tun, was notwendig ich an dieser ist. Aber das will Stelle doch auch sagen: So zu tun, als wäre das jetzt alles schon pas- siert, weil vor drei Monaten die Rede gehalten wurde, ist ein Irr- tum. Das ist die größte Verände- rung der sicherheitspolitischen Ar- chitektur dieses Landes, und ich bin stolz, dass wir, dass diese Re- gierung sie auf den Weg bringen kann. Ich bin dankbar, dass die Opposition dabei hilft. Eins will ich hier noch kurz sagen, weil das für mich wichtig ist: Internationa- le Solidarität ist keine Einbahn- straße. Deshalb habe ich sehr be- wusst die aufstrebenden Demo- kratien des Globalen Südens – In- dien, Indonesien, Südafrika, Sene- gal und Argentinien – als Partner- länder zum G-7-Gipfel in Elmau eingeladen. Denn es darf uns nicht passieren, dass wir diese Länder als Bündnispartner verlie- ren. Und das ist ja eine große Ge- fahr angesichts der Auswirkungen dieses Krieges, der Gefahren von Hunger und für die Sicherheit und Energieversorgung dieser Länder. Deshalb ist es wichtig, dass wir da- rüber nicht hinwegsehen. Der Krieg ist aus der Perspektive man- cher dieser Länder ganz weit weg, aber die Konsequenzen sind ganz nah. Wir müssen ihnen helfen, und das werden wir in größter So- lidarität tun, und gleichzeitig wer- den wir die Botschaft aussenden, die auch in jedem Gespräch aus- gesandt werden muss: Es ist Putins Krieg, der diese Krise verursacht, und nichts anderes. und handeln, Zum Schluss: Wir leben mit einer Herausfor- derung, wie sie die Bundesrepu- blik Deutschland noch nicht in dieser Art gekannt hat. Wir müs- sen etwas dafür tun, dass wir in dieser besonderen Situation auch besonders das drückt dieser Haushalt aus. Das sind nicht meine Worte, sondern die Worte meiner Vorgängerin aus dem Jahr 2020. Seinerzeit hat die Bundeskanzlerin damit eine Neu- verschuldung begründet, die deut- lich höher lag als die Neuverschul- dung im aktuellen Haushaltsent- wurf. Anders als damals haben wir es heute allerdings nicht nur mit der Pandemie und ihren Folgen zu tun, sondern zusätzlich mit ei- nem Krieg in Europa, mit einer globalen Energie- und Nahrungs- mittelkrise und weltweit steigen- den Preisen. In diesen unsicheren Zeiten sorgen wir mit dem Haus- halt 2022 und dem Sondervermö- gen für die Bundeswehr für Sicher- heit. Zugleich stellen wir die Wei- chen für den Aufbruch in die Zu- kunft. Das erwarten die Bürgerin- nen und Bürger. Dafür steht die Bundesregierung. Dafür steht die- ser Haushalt. Schönen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)