2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 32-33 - 08. August 2022 »Das hat seinen Preis« STEFANIE BABST Die Nato- Expertin warnt vor den Folgen des militärischen Nichteingreifens in der Ukraine und zunehmender Kriegsmüdigkeit schnell westliche Waffen an bestimmten Frontabschnitten stationiert werden kön- nen. Sorgen macht mir allerdings noch et- was anderes. Was? Wenn ich mir die gegenwärtige Diskussion über den Ukraine-Krieg in Deutschland an- schaue, dann befürchte ich, dass sie immer polarisierter und empathieloser wird. Die Frage, wer zu welchem Preis im Herbst in einer warmen Wohnung sitzen kann, ver- deckt zunehmend, um was es im Kern geht: Wir haben Krieg in Europa! Mir scheint, dass Russlands „Spezialoperation“ längst in Deutschland angekommen ist. Moskau unternimmt alles, um gezielt Kriegsmüdigkeit und Ängste in der deut- schen Öffentlichkeit zu schüren. Zumindest gegen mögliche militäri- sche Angriffe Russlands wollen die Nato- Staaten sich besser wappnen. Die Ost- flanke wird verstärkt und eine schnell einsatzfähige Truppe mit bis zu 300.000 Frauen und Männern aufgestellt. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Bislang hat SACEUR, der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, nur 40.000 schnell verlegbare und einsatzfähige Truppen unter seinem Kom- mando. Die geplanten 300.000 Streitkräfte werden combat-ready, sehr gut ausgebildet und schnell verlegefähig sein müssen. Hin- zu kommen die notwendigen Führungs- strukturen. Ich schätze, das wird für die meisten der künftig 32 Mitgliedstaaten ei- ne Herausforderung werden. China wird im neuen strategischen Konzept der Nato lediglich als „Heraus- forderung“ bezeichnet. Was steckt hinter dieser Formulierung? Zum einen die Position der US-Regierung, die China als fundamentale Bedrohung sieht. Langsam scheinen aber auch euro- päische Regierungen zu begreifen, dass China nicht nur ein wichtiger Wirtschafts- partner, sondern ein wirtschaftlich-techno- logisch und militärisch potenter Rivale ist, der die internationale Ordnung verändern will – in enger Partnerschaft mit Russland. Schon jetzt ist die chinesische Präsenz in Europa mit zahlreichen Risiken verbunden – militärisch, energiepolitisch, infrastruk- turell, durch hybride Aktivitäten oder Cy- berattacken. Wir müssen uns besser und gezielter darauf vorbereiten und unsere Re- silienz auf breiter Front verstärken. Ex-US-Präsident Donald Trump nann- te die Nato einst „obsolet“, er kann sich in zwei Jahren Hoffnungen auf eine Wie- derwahl machen. Was würde seine Rück- kehr für uns Europäer bedeuten? Der Ukraine-Krieg macht ja gerade sehr deut- lich, wie stark die Sicherheit Europas von den USA abhängt. Das ist eine zentrale Frage. Mit der Wahl Präsident Bidens ist der „Trumpismus“ lei- der nicht aus Amerika verschwunden. Das Land und seine Gesellschaft bleiben zu- tiefst gespalten und fragmentiert. Sollte Bi- den geschwächt aus den Vorwahlen im No- vember hervorgehen, würde das Wasser auf die Mühlen in Moskau, Peking und Tehe- ran sein. In Europa würde ein solches Er- gebnis sicher zu gemischten Gefühlen füh- ren. Andererseits werden mit Finnland und Schweden zwei militärisch exzellent ausge- rüstete und solide Demokratien dem Bündnis beitreten und den europäischen Pfeiler in der Nato stärken. Das ist eine wirklich gute Nachricht. Das Gespräch führte Johanna Metz. T GASTKOMMENTARE BRAUCHT DIE EU EIGENE STREITKRÄFTE? Langfristig planen PRO W enn sich das vereinte Europa im Es ist zu spät CONTRA Natürlich klang die Idee einer europäi- t a v i r p © Christian Kerl, »Funke Mediengruppe«, Brüssel r e b e W a n A © j Ulrike Winkelmann, »die tageszeitung«, Berlin 21. Jahrhundert global behaupten will, braucht es eigene Streitkräfte. Nicht kurzfristig – aber als Teil ei- ner nach außen handlungsfähigen Union ist eine europäische Armee, schnell und verlässlich einsetz- bar, auf lange Sicht unverzichtbar. Die heute 27 Ar- meen in der EU sind zu teuer und ineffizient, ihr ge- meinsamer Einsatz ist zu kompliziert: Die EU-Staa- ten geben jährlich über 200 Milliarden Euro für Ver- teidigung aus, trotzdem sind die Fähigkeitslücken groß, wie das Afghanistan-Desaster gezeigt hat. Die Pesco-Initiative, die ersatzweise die Zusammen- arbeit der nationalen Armeen verbessern soll, bringt nur lähmend langsame Mini-Fortschritte. Mit einer eigenen, modernen Armee jedoch könnte die EU ih- ren geopolitischen Anspruch glaubhaft unterlegen und zugleich die Nato, die wichtig bleibt, bei Ein- sätzen in der Nachbarschaft entlasten. Sicher, für die EU-Staaten wäre es ein einschneidender Ver- zicht auf Souveränität. Aber ohne nationale Souve- ränitätseinbußen kann das vereinte Europa seine globalen Ambitionen sowieso nicht einlösen. Wenn Soldaten ihren Eid auf die EU schwören und die EU- Flagge auf der Uniform tragen – das wäre ein Schub für das vereinte Europa und ein Signal an die Welt. Die Hürden sind hoch, nur schrittweise ist das Ziel erreichbar: Die geplante Eingreiftruppe aus Solda- ten der nationalen Streitkräfte könnte die Vorstufe sein, danach wäre eine Cyber-Brigade mit EU-Sol- daten die Keimzelle für die neue Truppe. Sie könnte als anfangs 28. Armee zum Beispiel auch ein ge- meinsames Raketenabwehrsystem betreiben. Das alles wird dauern. Aber wichtig ist zu wissen, wo man hinwill. Die EU braucht wieder Mut zu großen Zielen. schen Armee immer gut. Sicherlich wäre eine solche Armee auch die richtige Verkörperung einer gemein- samen Außen- und Sicherheitspolitik. Eine EU- Streitmacht wäre zudem viel günstiger als die Ad- dition der Nationalstreitmächte. Nur ist der Punkt überschritten, an dem es sich noch lohnen würde, diesen Plan zu verfolgen. Er frisst nur noch Zeit, Kraft und Nerven und gehört abgestellt. Mit Putins Angriffskrieg ist recht deutlich gewor- den, dass Europa genau eine Schutzmacht hat: die Nato. Die Nato ist so attraktiv, dass immer neue Staaten hineindrängen, und sie hat Strukturen, die von Nicht-Nato-Staaten respektiert werden. Nun ist auch die Nato schon bürokratisch genug – so wie jedes überstaatliche Gebilde sich stets in ei- nen Suppenkessel widerstreitender Interessen und Verwaltungsauswüchse verwandelt. Irgendwann einmal mag es sinnvoll erschienen sein, einen zweiten, europäischen Kessel daneben zu stellen und zu schauen, wie er sich ebenfalls füllt. Inzwi- schen aber wirkt das unangemessen – um nicht zu sagen verrückt. Eine Nationalarmee wie etwa die Bundeswehr schafft es schlicht nicht, zwei solcher Systeme adäquat zu bedienen. Die Bundeswehr ist ja schon mit sich selbst überfordert. Wer meint, es sei inner- halb den nächsten hundert Jahre möglich, eine EU-Armee aufzubauen, schaue sich bitte an, was für unendliche Mühen notwendig waren und sind, um eine einzige EU-Battlegroup aufzustellen. Stattdessen gäbe es zur Profilierung einer europäi- schen Sicherheitspolitik ein lohnendes Ziel: Eine Stärkung der europäischen Stimme innerhalb der Nato. Das wäre in der Tat dringend nötig. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Frau Babst, erst hirntot, nun durch Russlands Überfall auf die Ukraine wie- derbelebt – teilen Sie diese Diagnose zum Zustand der Nato? Hinter dieser provozierenden Aussage des französischen Präsidenten Macron stand die Sorge, dass das Bündnis seinen strategi- schen Fokus verloren hätte. Den hat es nun wiedergefunden. Auf dem Gipfeltreffen in Madrid hat die Nato ihre verstärkte Ab- schreckungs- und Verteidigungsbereitschaft gegenüber Russland unterstrichen. Der Krieg in der Ukraine und die strategische Auseinandersetzung mit dem Regime in Moskau stehen nun im Mittelpunkt ihrer Agenda. Das ist gut und richtig. Leider aber hat die Allianz wenig Konkretes beschlos- sen, wie sie den Verlauf des Krieges in der Ukraine und die Sicherheit so vulnerabler Partner wie Moldau und Georgien aktiv beeinflussen will. Die Nato hat der Ukraine „so lange wie nötig“ Unterstützung im Kampf ge- gen Russland zugesagt. Das finden Sie zu wenig? Dieses Versprechen ist für die Ukraine na- türlich tröstlich, aber wenig konkret. Was soll das politische End Game sein? Der Kriegsverlauf wird weiter sehr dynamisch sein und die ukrainischen Streitkräfte sind in keiner guten Ausgangsposition. Die Nato müsste der Ukraine zumindest mit ei- nem militärischen Konzept helfen, um sich zielgerichtet auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Doch in Madrid ist es bei der vagen Beschreibung „So lange wie nö- tig“ geblieben. Das Argument, das politi- sche Endziel müsse die Ukraine selbst ent- scheiden, ist ja im Prinzip richtig, aber oh- ne westliche militärische Hilfe kann die Regierung in Kiew das nur bedingt tun. Mehrere Partner, darunter Deutsch- land, wollen noch mehr schwere Waffen liefern. Das geht für meinen Geschmack viel zu langsam voran. Mit der frühzeitigen Liefe- rung von Luft- und Raketenabwehrsyste- men, Distanzwaffen und Panzern hätten sich die Ukrainer schon im April, als die zweite russische Großoffensive begann, besser verteidigen können. Jetzt wird es je- den Tag schwieriger, diese Waffensysteme und Munition an Ort und Stelle zu brin- gen. Russland verfügt über effektive Aufklä- rungsmittel, und nutzt diese, um Versor- gungs- und Transportwege und Munitions- depots in der Ukraine anzugreifen. Die Sorge ist groß, durch Waffenliefe- rungen in einen direkten Konflikt mit Russland gezogen werden. Was ist falsch daran, eine Ausweitung des Krieges ver- hindern zu wollen? US-Präsident Joe Biden hat mit seiner Aus- sage Ende Februar, die Nato werde nicht direkt in den Krieg eingreifen, die poli- tisch-militärischen Parameter für den russi- schen Angriffskrieg gesetzt. Mit der glei- chen Begründung hat das Bündnis etliche Wünsche der Ukrainer abgelehnt: von ei- ner Flugverbotszone und den Schutz hu- manitärer Korridore bis zu einer Koordi- nierungsrolle bei Waffenlieferungen und Ausbildungsprogrammen. Das militärische Nichteingreifen der Nato ist zwar politisch nachvollziehbar, weil die Verbündeten um keinen Preis eine direkte militärische Aus- einandersetzung mit Russland riskieren wollen. Aber diese Politik hat auch ihren Preis. Der Krieg hat bereits Tausende Men- schenleben gekostet und Russland konnte nunmehr ein Fünftel des Territoriums er- obern. Uns muss klar sein, dass unsere Re- aktion in China, im Iran und anderen au- toritären Regimen genau beobachtet wird. Dort fragt man sich, ob wir einen langen Konflikt mit Russland politisch und wirt- schaftlich wirklich durchhalten können oder bereits jetzt eine „Ukraine fatigue“ eingesetzt hat. © Stefanie Babst ker ins Zentrum russischer Raketenangriffe rücken. Mit einiger Sorge blicke ich außer- dem auf den September. Dann will der Kreml sogenannte Referenden in den er- oberten Gebieten durchführen, um danach deren Zugehörigkeit zu Russland zu pro- klamieren. Was bedeutet das für den weiteren Verlauf des Krieges? In den kommenden Wochen und Monaten werden beide Kriegsparteien primär damit ihre Truppen aufzusto- beschäftigt sein, cken und sich neu zu sortieren. Die russi- schen Streitkräfte werden ihre Angriffe si- cherlich so lange fortsetzen, bis sie die ge- samte Region Donezk unter ihre Kontrolle gebracht haben. Überdies rechne ich da- mit, dass sie auch Städte im Süden wie Odessa oder Charkow im Norden weiter angreifen werden. Auch Kiew könnte stär- Wovon wird abhängen, ob die Ukrai- ne sich besser verteidigen oder sogar zu Gegenoffensiven übergehen kann? Davon, wie schnell sie ihre Truppenver- bände wieder auffüllen kann und wie Stefanie Babst ist strategische Beraterin und Publizistin. Bis 2020 war sie 22 Jahre lang in Führungspositionen für die Nato tätig, zuletzt leitete sie dort den Strategischen Planungsstab. Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. 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August 2022 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG Kurhessenstraße 4– 6 64546 Mörfelden-Walldorf Leserservice/Abonnement Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 32 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 32 E-Mail: fazit-com@cover-services.de Anzeigenverkauf, Anzeigenverwaltung, Disposition Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 36 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 36 E-Mail: fazit-com-anzeigen@cover-services.de „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird Recycling-Papier verwendet. PARLAMENTARISCHES PROFIL Die Durchstarterin: Marja-Liisa Völlers Dass sie ihren Vornamen nach einer finnischen Ski- langläuferin erhalten hat, verwundert. Schließlich verläuft der politische Lebensweg von Marja-Liisa Völlers derart, dass man dabei eher an Siebenmei- lenstiefel als an Langlaufski denken muss. Es ist acht Uhr in der Früh, sie nimmt einen Schluck Kaffee, ein bis zwei Liter trinkt sie davon fast jeden Tag. „Eines meiner größten Laster“, sagt sie. 2009 trat Völlers in die SPD ein, online am Abend der verlo- renen Bundestagswahl, 2015 saß sie im Unterbezirksvorstand im Landkreis Nienburg/Weser, 2017 wurde sie dort Vorsitzende – und im selben Jahr zog sie in den Bundestag ein. Dort startete sie als Bildungspolitikerin, doch wurde die 37-Jäh- rige wie alle vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine über- rascht und macht seit dem 24. Februar eigentlich nur noch Ver- teidigungspolitik. Sie sitzt nicht nur im Ausschuss und ist Vize- leiterin der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik ihrer Fraktion, sondern sie leitete auch die deutsche Delegation bei der Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der Nato in Vilnius. Anstelle der litauischen Hauptstadt war ei- gentlich Kiew als Tagungsort vorgesehen, aber das war vor dem Krieg. Was entgegnet die Niedersächsin jenen, die in diesem Krieg mitten in Europa etwas „Systemisches“ sehen, eine Mitschuld der Nato? „Für mich als ausgebildete Historikerin ist das eine sehr verkürzte Wahrnehmung der Geschichte“, sagt sie. Immer- hin bestätige das Verhalten des russischen Präsidenten Wladi- mir Putin die historischen Erfahrungen, die osteuropäische Län- der mit Russland früher gemacht hätten. „Die wollen in die Nato, weil sie um ihre Freiheit fürchten. Eine Mitschuld als um- worbene Organisation kann ich wirklich nicht erkennen.“ Denkt man an die Nato, entstehen Bilder von Spitzentreffen vieler Staatschefs in Brüssel, von Generälen im Obersten Haupt- quartier in Mons. Aber für Völlers ist die Parlamentarische Ver- sammlung alles andere als nur ein Feigenblatt. „Wir sind ja al- ..................................................................................................................................................... »Wir sind demokratische Staaten mit aktiven Parlamenten. Die Debatten der Nato müssen auch dort geführt werden.« s r e l l ö V o r ü B D © les demokratische Staaten mit aktiven Parlamenten“, sagt sie. „Dann müssen die Debatten der Nato auch dort geführt wer- den.“ Durch direkte Gespräche mit ihren Amtskollegen würden die Befindlichkeiten der jeweiligen Staaten anders gespiegelt, „deutlich authentischer“. Der Überfall Russlands macht in ihren Augen eine strategische Neuausrichtung der Nato notwendig. „Wer macht in der Nato was? Diese Frage ist zu stellen. Wir sollten raus aus eher kleinlichen industriepolitischen Debatten und hin zu einem lösungsorientierten Ansatz.“ Dass Völlers in die SPD gehen würde, schien klar. Schon ihre Großeltern wählten die Sozialdemokraten. Im Lehramtsstudium für Geschichte und Englisch an der Uni Bielefeld entdeckte sie ihre Leidenschaft für Reformpädagogik. Es folgten nach dem Referendariat fünf Jahre als Studienrätin an einer Gesamtschu- le in Stadthagen, nahe ihrer Heimatstadt Bückeburg. Überhaupt die Heimat – sie scheint es ihr angetan zu haben. „Ich hatte die Region nur fürs Studium verlassen.“ Zur Verteidigungspolitik kam die Lehrerin, weil in ihrem Wahlkreis Nienburg II – Schaumburg Bundeswehrstandorte sind. Ihr Büro ist pragmatisch eingerichtet, ein Kalender, ein Plakat mit den Köpfen aller Abgeordneten, hinter dem Schreibtisch ein Foto von Willy Brandt. Der Kalender dürfte voll sein: Allein 13 Mitgliedschaften und stellvertretende Mitgliedschaften hat Völ- lers in Gruppen und Ausschüssen des Bundestags und der Frak- tion. Hinzu kommen Mitgliedschaften im Kreistag und im Rat der Stadt Rehburg-Loccum und zwei Ehrenämter in der SPD. „Ich hab aber auch einiges abgegeben“, sagt sie, „im Ortsrat bin ich nicht mehr.“ Völlers räumt ein: „Das ist der Preis, den man zahlt.“ Der Tag habe ja nur 24 Stunden. Ihrem alten Hobby Tischtennis, das sie seit ihrem sechsten Lebensjahr im Verein spielte, frönte sie das letzte Mal vor vier Jahren. „Aber das passt schon. Als Lehrerin habe ich gelernt, Termine zu ökonomi- sieren.“ Sie lacht. Und geht in den nächsten. Jan Rübel T