8 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 37-38 - 12. September 2022 Die beiden Atomkraftwerke, die nach Ihrem Willen im Stand-by- Betrieb bleiben sollen – und alle Fachleute sagen Ihnen, dass es hochgradiger Unfug ist, das zu machen -, müssen die komplette Mannschaft vorhalten, bleiben am Netz, sollen hochgefahren werden, wenn wir ein Problem in Deutschland haben. Ich sage Ihnen: Wir werden nicht nur ein Problem haben. Herr Habeck, Sie haben vor ei- nigen Wochen mal gesagt, wir hätten kein Stromproblem, wir hätten ein Gasproblem. Wir sind mittendrin in einem massiven Stromproblem in diesem Land, und Sie haben offensichtlich bis heute nicht verstanden, dass es so ist. Wenn Sie dafür sorgen wollen, dass die Preise in Deutschland runtergehen, dass die Hilfsmaßnahmen, die wir gemeinsam vielleicht ergreifen müssen, nicht überborden und den Haushalt überstrapazieren, dann muss man auf der Ange- botsseite alles tun, damit genug Strom, damit genug Energie in diesem Lande verfügbar ist. Das ist keine Frage der Netzstabilität, die Sie haben prüfen lassen. Das ist eine Frage der Stromerzeu- gungskapazitäten in Deutsch- land. - Nun regen Sie sich mal nicht auf. Die Parlamentsärztin ist da; wenn Sie wollen, gehen Sie gleich hin. Ich will noch eines zu Ihnen sagen: Wenn Sie mit Ihrer Fraktion der Meinung sind, die Probleme, die wir jetzt ha- ben, zum Gegenstand von Ausei- nandersetzungen auf den Stra- ßen in Deutschland machen zu wollen, dann werden wir Ihnen mit allem, was wir haben, und notfalls mit allen anderen zu- sammen hier im Parlament ent- gegentreten. Wir werden es nicht zulassen, dass Sie dieses Land mit Ihrer Politik destabilisieren; das werden wir nicht zulassen. Und das machen wir dann not- falls mit allen anderen zusam- men, um zu verhindern, dass Sie Ihr braunes, dunkles Süppchen kochen. Herr Bundeskanzler, ich will es Ihnen ausdrücklich sagen: Auf Zeit muss diese Kapazität am Netz bleiben. Damit senken wir die Preise. Damit senken wir die Kosten für die Unternehmen. Damit schaffen wir Planungssi- cherheit für die Unternehmen in Deutschland. Olaf Scholz, Bundeskanzler: »You’ll never walk alone«, das ist das Motto dieser Regierung – etwas, auf das niemand anders sich vorbereitet hat. Wir haben zum Beispiel ent- schieden – um mit dieser Bedro- hung klarzukommen -, dass wir an den norddeutschen Küsten Flüssiggasterminals bauen, dass wir die Pipelines bauen, die dazu notwendig sind, damit wir unab- hängig von Russland Gas nach Deutschland importieren können. Wir haben die Kapazitäten aus den Niederlanden, aus Belgien, jetzt aus Frankreich erweitert, weil wir ein Problem bedacht und uns vorbereitet haben, über das Sie da- mals noch nicht mal gesprochen haben. In einem Tempo, zu dem keine CDU-geführte Regierung in diesem Land je fähig gewesen ist, werden wir es schaffen. Im Januar werden die ersten dieser Terminals ihren Betrieb aufnehmen. Das ist eine Gemeinschaftsleistung in Deutschland. Während CDU-geführte Minis- terien überhaupt kein Problem darin fanden, dass die Speicher für Gas in diesem Land im letzten Jahr leer waren, haben wir mit Ge- setzen und Regelungen, die wir auf den Weg gebracht haben, da- für gesorgt, dass sich das ändert. Sie haben es noch nicht mal fer- tiggebracht als Opposition, das ei- gene Versäumnis der neuen Regie- rung als Problem unterzuschie- ben. Wir hatten es schon gelöst, bevor Sie überhaupt mitbekom- men haben, dass da eins war. Das ist die Wahrheit, über die wir re- den müssen. Wären wir mit den Speichern für Gas in Deutschland so unver- antwortlich umgegangen, wie das die vorher verantwortlichen – der vorher verantwortliche Minister und die Regierung gemacht ha- ben, dann – das will ich Ihnen ausdrücklich sagen – hätten wir jetzt nicht 85 Prozent Speicherka- i g n ö K n a i l i m i x a M © Olaf Scholz (*1958) Wahlkreis 61 Verehrter Herr Kollege Merz, ich habe Ihnen eben sehr genau zugehört. Ich will Ihnen eins antworten: Unterschät- zen Sie unser Land nicht! Unter- schätzen Sie nicht die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes! In schweren Zeiten wächst unser Land über sich selbst hinaus. Wir haben eine gute Tradition, uns un- terzuhaken, wenn es schwierig wird: Bund, Länder und Kommu- nen, Politik, Zivilgesellschaft, Ar- beitgeber und Betriebsräte, Unter- nehmen und Gewerkschaften. Wer Spaltung herbeiredet, der gefähr- det den Zusammenhalt in diesem Land, und das ist jetzt das Falsche. Außerdem ist es so, dass wir in einer Situation sind, in der die Union die meisten Probleme schon als gelöst vorgefunden hat, bevor sie sie überhaupt erörtert hat. Ich will das mal ganz klar sa- gen: Bereits im Dezember habe ich die zuständigen Minister ge- fragt: Was ist eigentlich, wenn wir Schwierigkeiten kriegen mit Liefe- rungen aus Russland? Wir haben uns bis zum Kriegsausbruch sorg- fältig darauf vorbereitet, um dann in dieser Situation Entscheidun- gen zu treffen, die weitreichend sind und die weitreichend auch jetzt schon umgesetzt worden sind Die Lage spitzt sich in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten möglicherweise dra- matisch zu. Und Sie wissen das; Sie haben die Gesprächspartner, die Ihnen das gesagt haben. Das dürfte alles andere als eine Übertreibung sein. Ich sage Ih- nen, Herr Bundeskanzler: Stop- pen Sie diesen Irrsinn aus Ihrer Koalition, solange wir die Zeit dafür noch haben! Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU) Deutschland noch gar kein so gro- ßes Problembewusstsein da war, sind wir jetzt in der Lage, dass wir tapfer und mutig in diesen Winter hineingehen können und dass un- ser Land das überstehen wird. Das ist die Sache, die wir gemacht ha- ben. Insofern sind Sie also schief gewickelt, wenn ich das mal so sa- gen darf. Sie haben einfach an dem Thema vorbeigeredet, das un- ser Land wirklich umtreibt. Wir sind jetzt dabei, die nächs- ten Dinge zu tun, die notwendig sind, damit die Bürgerinnen und Bürger und unsere Wirtschaft durch diese Situation kommen. Wir haben bereits zwei Entlas- tungspakete beschlossen, und jetzt kommt das dritte, weil wir ganz konkret gucken, was zu tun ist, wie wir es schaffen können, dass die Bürgerinnen und Bürger, dass die Unternehmen dieses Landes, sowohl der Mittelstand als auch die großen Unternehmen, die Möglichkeiten haben, die sie brauchen, damit sie weiter produ- zieren können, damit die Arbeits- plätze erhalten bleiben, damit man sich das Leben leisten kann. Ich finde, es ist richtig, dass wir das getan haben. Wir haben zwei erste Pakete von knapp 30 Milliar- den Euro bereits beschlossen, jetzt kommt noch eins dazu, das knapp 65 Milliarden Euro umfasst – alles zusammen eine ziemlich große Summe. Es dient dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger durch diese Zeit kommen, dass die Un- ternehmen durch diese Zeit kom- men und dass die Arbeitsplätze gesichert werden. „You’ll never walk alone“, das ist das Motto die- ser Regierung. Ich bin sicher: Unser Land wird sich hinauswachsen. Wir über werden zusammenhalten. Wir werden die Herausforderungen bestehen, vor denen wir jetzt ste- hen. Und wir werden die Proble- me lösen, die wir miteinander ha- ben, weil wir niemanden alleinlas- sen mit seinen Herausforderun- gen. Dazu dienen auch all die Ent- scheidungen, die wir jetzt getrof- fen haben, zum Beispiel die Ent- scheidung, zu sagen, dass, nach- dem in diesem Monat die Energie- damit überall Und wir haben ein Gesetz ge- macht, wir haben die gesetzlichen Regelungen für Fuel Switch ge- schaffen, in Deutschland Betriebe und Unter- nehmen Entscheidungen treffen können, dass sie nicht auf Gas zu- rückgreifen müssen, sondern an- dere Anlagen betreiben können, damit wir gemeinsam Gas sparen und durch diesen Winter kom- men. Auch das haben wir schon gemacht. Sie haben es noch nicht einmal gefordert. Ja, ich weiß, es ist für Sie sehr enttäuschend, weil Sie sich so sehr auf das Thema Kernenergie kon- zentriert haben. Aber das, was wir jetzt vorbereiten, ist, dass die Möglichkeit besteht, dass wir die Kernkraftanlagen, die Atomanla- gen im Süden Deutschlands, be- treiben, damit es niemals einen Strommangel in Deutschland gibt, falls das in diesem Winter, im Ja- nuar, Februar und März, notwen- dig ist. Das ist vorbereitet, und das ist die Grundlage dafür, dass das Ganze, was Sie sich schon vor zwei Wochen als rhe- torisches Konzept überlegt haben, hier heute gescheitert ist. Sie reden einfach am Thema und an den Problemen die- ses Landes vorbei. Das ist wirklich ein ganz, großes Problem. Und wenn andere die Probleme lösen, die Sie noch nicht einmal erkannt haben, dann reden Sie auch noch drumherum. ganz pazität, sondern quasi nichts, so wie im letzten Jahr. Das ist der Unterschied zwischen der Union und den Parteien, die jetzt das Land regieren. Sie haben noch nicht mal gefordert, dass wir dafür sorgen sollen, dass die Speicher voll sind, da haben wir die Geset- ze schon gemacht. Sie könnten auch mal sagen, dass Sie das für eine beeindruckende Leistung hal- ten, Herr Merz. Dann gibt es noch ein Thema, auf das Sie gar nicht gekommen sind, über das Sie nie geredet ha- ben, wo Sie nichts gefordert ha- ben, als es darauf angekommen wäre. Wir haben Gesetze auf den Weg gebracht, die dafür sorgen, dass Kohlekraftwerke in diesem Land in den Be- trieb gehen kön- nen, dass sie ge- nutzt werden kön- nen, dass sie nicht abgeschaltet wer- den. Alles das ha- ben wir auf den Weg gebracht. Das war eine notwen- dige Leistung mit großer Geschwin- digkeit und großem Tempo, die wir hier auf den Weg gebracht ha- ben. Sie haben ein- fach an dem Thema vorbei- geredet, das unser Land wirk- lich umtreibt. loslegen können, Und sogar solche Fragen wie die, die Sie hier nebenbei ange- sprochen haben, sind längst da- bei, gelöst zu werden, dass zum Beispiel natürlich die Kohlekraft- werke auch wenn sie nicht genügend gelagert haben. Dazu gehört auch die Tat- sache, dass die Biomasseanlagen, die Solaranlagen alle Kraft zeigen können, die sie haben. Das alles haben wir gesetzlich vorbereitet. Sie brauchen nur noch zuzug- ucken, wie das geschieht. Es ist schon erledigt, bevor Sie es ausge- sprochen haben. Im Übrigen sind wir jetzt anders als vor einem Jahr in einer Situati- on, in der wir, weil wir so viel ein- gespeichert haben, weil wir all diese Vorkehrungen getroffen ha- ben, weil wir all diese Entschei- dungen getroffen haben, sagen können: Wir kommen wohl durch, trotz aller Anspannung durch diesen Winter mit den Vor- bereitungen, die wir getroffen ha- ben. Das hätte niemand vor drei Monaten, vor vier Monaten, vor fünf Monaten, am Beginn des Jah- res sagen können. Und weil wir so in früh angefangen haben, als