4 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 46-47 - 14. November 2022 Eine Überraschung ist der Be- schluss des Bundestages für die Belegschaften in den drei letz- ten deutschen Atomkraftwer- ken mit Sicherheit nicht: Mo- natelang diskutierte die Politik schließlich über das Für und Wider eines möglichen Weiterbetriebs der Meiler. Spä- testens aber seit der Entscheidung von Bun- deskanzler Olaf Scholz (SPD) Mitte Okto- ber, die Reaktoren nicht zum Jahresende ab- zuschalten, sondern aufgrund der ange- spannten Lage auf dem Gas- und Strom- markt befristet weiterlaufen zu lassen, rich- tet man sich in den AKW Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 auf eine Verlänge- rung ein. Dabei stand seit dem Beschluss zum Atomausstieg 2011 elf Jahre lang fest, dass der Silvestertag 2022 dort der letzte Tag im laufenden Betrieb sein würde. Atomgesetzänderung Nun ist klar: Die drei AKW laufen weiter – allerdings nur bis zum 15. April 2023. Der Bundestag, der in der vergangenen Woche den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Atomgesetzes (20/4217) im Eilverfahren beriet, hat dieser befristeten Laufzeitverlän- gerung zugestimmt. Für die Änderung stimmten von den 661 Parlamentariern, die an der namentlichen Abstimmung am Freitag teilgenommen hatten, 375 Abge- ordnete dafür. 216 votierten dagegen, 70 enthielten sich der Stimme. Nicht durchsetzen konnte sich die Union, die mit einem eigenen Gesetzentwurf vor- geschlagen hatte, die Laufzeiten bis Ende 2024 zu verlängern (20/3488). Auch zwei Anträge der AfD zur Atomkraftnutzung in Deutschland (20/32, 20/4062) lehnte das Parlament ab. Zum Auftakt der Beratungen warb Bundes- umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am vergangenen Mittwoch für den Kom- promiss einer befristeten Laufzeitverlänge- rung. Die Bundesregierung entscheide sich in einer durch den Ukrainekrieg ausgelös- ten Krise dafür, die drei deutschen AKW am Netz zu lassen, um damit die Stromver- sorgung in Deutschland zu stabilisieren. Die Reaktoren könnten einen Beitrag leis- ten, um über den Winter zu kommen. Auch wenn dieser Beitrag nur klein sei, so sei es doch „fahrlässig“ darauf zu verzich- ten, räumte Lemke ein. Zugleich machte sie deutlich, dass der Atomausstieg damit nicht in Frage gestellt werde. „Es bleibt beim Ausstieg. Punkt.“ „Minimalkonsens“ Dies sei ein völlig un- zureichender „Minimalkonsens“, kritisierte hingegen Steffen Bilger (CDU) in der ab- schließenden Beratung am vergangenen Freitag. Ein dreieinhalbmonatiger Streck- betrieb bringe zu wenig: Er helfe kaum, die Strompreise zu dämpfen und die Verbrau- cher zu entlasten. Zudem biete er keine Lö- sung für den Winter 2023/24. Ganz anders der Gesetzentwurf der Union: Dieser finde eine „angemessene und maßvolle“ Antwort auf die gegenwärtige Energiekrise, meinte Bilger. Auch die Union halte am Atomaus- stieg fest, versicherte er, aber die Laufzeiten würden bis Ende 2014 verlängert. Das schaffe Versorgungssicherheit, senke die Strompreise spürbar und „erspare der At- mosphäre viele Millionen Tonnen CO2“. Thomas Ehrhorn (AfD) warf der Bundesre- gierung eine völlig verfehlte Energiepolitik vor. Mit den Sanktionen gegen Russland habe sie die Gasknappheit provoziert, mit der Energiewende zerstöre sie die „Indus- Streckbetrieb ATOMKRAFT Um die Stromversorgung zu stabilisieren, laufen die deutschen Meiler über den Winter weiter. Ob das reicht, bleibt im Bundestag umstritten Weiter unter Dampf: Dreieinhalb Monate länger, bis 15. April 2023, bleiben die drei AKW Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 (im Bild) im gestreckten Leistungsbetrieb am Netz. Das hat der Bundestag nun beschlossen. © picture-alliance/dpa/Armin Weigel trienation Deutschland“ und riskiere die „Verarmung der Bevölkerung“, so der Abge- ordnete. Ein zeitlich begrenzter Streckbe- trieb bringe Deutschland nicht weiter, meinte auch er. Es brauche weiterhin grundlastfähige Atomkraftwerke. Völlig konträr dazu die Position von Ralph Lenkert (Linke), der jede Laufzeitverlänge- rung für Atomkraftwerke ablehnte. Ihre Nutzung bleibe ein unkalkulierbares Risi- ko: Menschliches Versagen, Materialver- schleiß – die Technik sei nicht vollends be- herrschbar, argumentierte er. Mit dem Ukrainekrieg bestehe nun auch noch die Gefahr eines atomaren „Super-GAU“. Seine Meinung sei klar: Es brauche die Atomkraft nicht. Für hohe Strompreise seien ohnehin vor allem „falsche Marktregeln und Speku- lation“ verantwortlich. Auch Harald Ebner (Grüne) verwies auf die Gefahren der Atomkraft, die durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wor- den seien: „Jeder Tag mit Atomenergie ist ein Tag zu viel“, sagte Ebner. Seine Frakti- on hätte deshalb die deutschen AKW lieber nur als „Notfallreserve“ behalten, nicht im Leistungsbetrieb. Trotzdem werde die Grü- nen-Fraktion die Entscheidung über den Streckbetrieb der Meiler mittragen. Keine neuen Brennstäbe Entscheidend sei, das betonte neben dem Grünen auch die SPD, dass kein neuer Brennstoff ge- kauft und so keine Möglichkeit zu weiteren Laufzeitverlängerungen gegeben werde. Mit der geplanten Atomgesetzänderung schaffe die Ampel die nötige rechtliche Grundlage, damit die restlichen Brennstäbe „ertüchtigt“ und bis zum Frühling aufge- braucht werden könnten. Um „nicht mehr und nicht weniger“ gehe es, formulierte es Carsten Träger (SPD). Am 15. April schlie- in ße sich das Kapitel der Atomkraft Deutschland „unwiderruflich.“ Eine solche Festlegung umging Carina Konrad (FDP) geflissentlich: Hatten andere Liberale bis zuletzt offen dafür plädiert, sich eine Laufzeitverlängerung bis 2024 of- fenzuhalten und dafür auch neuen Brenn- stoff zu beschaffen, bezeichnete Konrad nur den Streckbetrieb bis zum Frühjahr als „unumgänglich“. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass es noch weiterer Entschei- dungen bedürfe, um Deutschland gut durch die Krise zu bringen: Damit die Grundlage des Wohlstands, nämlich Indus- trie, Handwerk und Mittelstand, geschützt werde, brauche es eine sichere und bezahl- bare Stromversorgung, betonte Konrad und thematisierte sogleich das nächste energiepolitische Streitthema der Koaliti- on: Fracking. Über das Verbot werde man noch reden müssen. Sandra Schmid T Technologien als Schlüssel ENERGIEPOLITIK Union vermisst Wissenschaftsstrategie Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Technologieagenda Neue Energien – Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung stärken“ (20/4315) vorge- legt, den der Bundestag am vergangenen Freitag in knapp 70-minütiger Debatte be- riet. Der Union fehlt in der Energie- und Klima- krise eine technologische Strategie der Re- gierung. Diese solle sich ein Beispiel daran nehmen, dass in der Hochphase der Coro- na-Pandemie neben einem Konjunkturpa- ket auch ein großes Zukunftspaket ge- schnürt wurde, das mit über 15 Milliarden Euro erhebliche Investitionen in Schlüssel- technologien ermöglichte, heißt es in dem Antrag. Die Bundesregierung sollte darauf drängen, die damals beschlossenen Investi- tionen, etwa im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie, zügig in die Tat umzu- setzen. Für den Umgang mit den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine und im Kampf gegen die Energiekrise seien 300 Milliarden Euro bereitgestellt worden, stellte Thomas Jarzombek (CDU) in der Debatte fest. Dabei sei es bisher um Hilfen und Entlastungen gegangen, um eine Di- versifizierung der Gaslieferanten – was er aber in der Diskussion vermisse, sei die Frage, wie das Problem auch mit Technolo- gie angegangen werden könne. „Warum sollten unsere Ingenieure und Ingenieurin- nen, unsere Wissenschaftler und Wissen- schaftlerinnen nicht in der Lage sein, auch für diese Krise Lösungen zu finden“, fragte Jarzombik. Der Ampelkoalition fehle aber eine wissenschaftsbasierte Technologiestra- tegie. Als „Service-Opposition“ helfe die Union der Regierung gerne mit einer aus. Die Reaktion der Koalitionsvertreterinnen lief zusammengefasst auf die Antwort hi- naus: Nicht nötig - haben wir schon. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen. mis T Mehr Trinkwasserbrunnen HITZEVORSORGE Wasserhaushaltsgesetz wird geändert Besserer Zugang zu Trinkwasser im öffentli- chen Raum – darauf zielt die zweite Novel- le des Wasserhaushaltsgesetzes (20/3878), die der Bundestag am vergangenen Don- nerstag beschlossen hat. Kommunen sind nun verpflichtet, zur Hitzevorsorge künftig mehr Trinkwasserbrunnen etwa in Parks, Fußgängerzonen und Einkaufspassagen aufzustellen. Die Bereitstellung von Lei- tungswasser an öffentlichen Orten werde damit Teil der öffentlichen Daseinsvorsor- ge, erklärte Jan-Niclas Gesenhues (Grüne). Die Neuregelung, mit der die EU-Trinkwas- ser-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werde, leiste angesichts der Klimakrise ei- nen Beitrag zur Klimaanpassung, schaffe mehr Gerechtigkeit, weil sie etwa für Woh- nungslose den Zugang zu Trinkwasser ver- bessere und stärke überdies durch Regelun- gen zum Risikomanagement rund um Ent- nahmestellen auch den Wasserschutz, so der Abgeordnete. Zustimmung zum Entwurf in seiner Aus- schussfassung signalisierte Astrid Damerow (CDU): Die vorgesehene Regelung sei ins- gesamt „verhältnismäßig“. Anders das Ur- teil von Andreas Bleck (AfD): Er kritisierte den Entwurf als unnötig und „anmaßend“. Nahezu alle Haushalte in Deutschland sei- en an die öffentliche Trinkwasserversor- gung angeschlossen. Zudem könnten die Kommunen den Bedarf vor Ort selbst ein- schätzen. Für die Gesetzesänderung stimm- te schließlich neben den Koalitionsfraktio- nen auch die Union. Dagegen votierte die AfD, die Linksfraktion enthielt sich. Redner von SPD, FDP und Linken hatten ihre Reden zu Protokoll gegeben. sas T Grüner Strom in der Stadt BAUEN Regierung will Schub für erneuerbare Energien Die Bundesregierung will die Rahmenbe- dingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht verbessern und damit unter anderem den Ausbau von Windener- gie- und Photovoltaik-Anlagen beschleuni- gen. Einen dazu vorgelegten Gesetzentwurf (20/4227) hat der Bundestag vergangene Woche an den federführenden Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen überwiesen. Die Ampelkoalition will danach auch die Produktion von Wasserstoff aus erneuerba- ren Energien unterstützen und die Nut- zung von Biomasse verbessern. Die beste- hende Kapazitätsgrenze für Biogasanlagen im Außenbereich soll bis Ende 2024 ausge- setzt sowie die Anforderungen an die Her- kunft der Biomasse gelockert werden. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass bestehende Bioenergieanlagen kurzfristig dazu beitragen könnten, energiepolitisch unabhängiger zu werden. Die Änderungen sollen es zudem erleich- tern, überschüssigen Strom von Windener- gieanlagen mittels so genannter Elektroly- seure zur Produktion von Wasserstoff zu nutzen. Der Fall trete ein bei hohem Wind- aufkommen, erklärt die Bundesregierun. Dann könnten Netzengpässe auftreten, die es erforderlich machten, Windenergieanla- gen für einen begrenzten Zeitraum abzu- schalten. Im Ergebnis könne die ganze Er- zeugungskapazität aus technischen Grün- den nicht ausgenutzt werden. Am 28. November 2022 veranstaltet der Bauausschuss mit zahlreichen Sachverstän- digen eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf. joh T Beschleunigter Ausstieg »Wir gehen voran« Kritik am Verbrenner-Aus RHEINLAND Bundestag berät über Zukunft der Kohle COP27 Bundestag debattiert zur Klimaschutzkonferenz E-FUELS Union und AfD scheitern mit Anträgen „Wir leben in einer Zeit der Widersprü- che“, stellte Bundeswirtschafts- und Klima- schutz-Minister Robert Habeck (Grüne) fest, als er am vergangenen Freitag die erste Lesung zweier Gesetze im Bundestag ein- leitete: In Deutschland sei die Energiesi- cherheit das große Thema, die Frage: Wie kommen wir durch den Winter? Und ein Teil der Antwort seien längere Laufzeiten für einige Kohlekraftwerke. Zur gleichen Zeit finde in Ägypten der 27. Weltklima- gipfel statt, der auf Dekarbonisierung drän- ge. Mit dem „Gesetzentwurf zur Beschleu- nigung des Braunkohleausstiegs im Rheini- schen Revier“ (20/4300) liege der Versuch vor, den Gegensatz in einem Gesetz aufzu- lösen: Um den Kohleausstieg im Rheini- schen Revier auf das Jahr 2030 vorzuziehen und die Versorgungssicherheit zu stärken, haben das Bundesministerium, das Minis- Industrie, Klima- terium für Wirtschaft, schutz und Energie des Landes Nordrhein- Westfalen und die RWE am 4. Oktober 2022 eine politische Verständigung getrof- fen. Darin wurde vereinbart, dass die Still- legung der Kraftwerksblöcke Niederaußem K, Neurath F (BoA 2) und Neurath G (BoA 3) jeweils vom 31. Dezember 2038 auf den 31. März 2030 vorgezogen wird – zugleich wurde eine Verlängerung der Laufzeit der Kraftwerksblöcke Neurath D und Neurath E über den 31. Dezember 2022 hinaus bis zum 31. März 2024 vereinbart, um Gas in der Stromerzeugung zu sparen. Anne König von der Union erinnerte da- ran, dass der Ausstieg für das Revier eine große Herausforderung darstelle. Es sei un- abdingbar, Ausstieg und Strukturwandel zusammenzudenken. SPD-Politikerin Nina Scheer sagte, die aktuelle Entwicklung in der Energiekrise mache das Vorhalten von Reserven nötig - aber, betonte Scheer, nur temporär. Perspektivisch gehe es darum, die Energiewende hin zu Erneuerbaren vo- ranzutreiben. Steffen Kotré von der AfD rief dem Minis- ter zu, wer aus Kohle und Atomkraft aus- steige, dem gehe es offensichtlich nicht um Versorgungssicherheit. FDP-Vertreter Michael Kruse hielt dem ent- gegen, die Ampelkoalition habe in Sachen Energiepolitik und -sicherheit mehr auf den Weg gebracht als die drei vorangegan- genen Regierungen zusammen. Ralph Lenkert erneuerte die Forderung der Linken, die Energieversorgung zu vergesell- schaften. Angesichts der weiter angespannten Lage auf den Energiemärkten halten die Koaliti- onsfraktionen von SPD, Grünen und FDP weitere Maßnahmen für erforderlich. Dazu soll das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) erneut angepasst, sowie weitere energie- rechtliche Vorschriften ergänzt werden, die unter anderem die Enteignung beweglicher Güter – Daten und Pipeline-Röhren zum Beispiel – zu ermöglichen (20/4328). Zudem seien die im Energiesicherungsge- setz aus den 70er Jahren stammenden Re- gelungen zur Entschädigung und zum Här- teausgleich an die Fortentwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts anzupassen, heißt es in dem Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschrif- ten“ (20/3497). Alle Vorlagen wurden zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Michael Schmidt T Über mehr Tempo und mehr internationa- le Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen hat der Bundestag vergangene Woche abgestimmt. Vor dem Hintergrund der 27. UN-Klimakonferenz (COP27), die derzeit in Ägypten stattfin- det, standen am Freitag zwei Anträge zur Debatte. Zum einen hatten die Koalitions- fraktionen von SPD, Grünen und FDP mit ihrem Antrag „1,5-Grad-Pfad beschreiten – Verlust und Zerstörung aufgrund der Kli- makrise ernst nehmen“ (20/4330) Maß- nahmen gegen die Klimakrise vorgelegt. Zum anderen forderte die CDU/CSU-Frak- tion in ihrem Antrag „Klimaschutz interna- tional, europäisch und in Deutschland vo- rantreiben“ (20/4312) mehr Nachdruck bei der Umsetzung globaler Klimaziele. Während der Antrag der Ampel-Fraktionen mit den Stimmen der Antragsteller, bei Ab- lehnung durch Union und AfD und Ent- haltung der Linke, angenommen wurde, fand der Antrag der Unionsfraktion keine Mehrheit. Im Antrag der Ampel-Fraktionen wird die Bundesregierung unter anderem dazu auf- gefordert, Maßnahmen gegen die Klimakri- se zu ergreifen und zeitnah eine Strategie für Klimaaußenpolitik vorzulegen. Die Unionsfraktion fordert, sich für einen weltweiten Emissionshandel und einen globalen CO2-Preis einzusetzen. Dazu wird die Gründung eines „Klimaclubs“ vor- geschlagen, für CO2-Emissionen Preise und Mechanismen festlegen – dies solle mit möglichst vielen internationalen Partnern umgesetzt wer- den. Zudem sollten die bereits gemachten Finanzierungszusagen der Industriestaaten in Höhe von 100 Milliarden Dollar jährlich in dem die Mitglieder auch tatsächlich eingehalten und umge- setzt werden. „Die Klimakrise ist das größte Sicherheits- risiko dieses Jahrhunderts“, sagte Bundes- außenministerin Annalena Baerbock (Grü- ne) und machte deutlich, wie wichtig es sei, dass es bei er COP27 zu konkreten Zielvereinbarungen kommt. Die Bundesre- gierung sei deshalb mit einer gemeinsa- men Strategie in die Konferenz gegangen. Baerbock verdeutlichte, dass die COP27 als Konferenz der „Implementation“, als Gip- fel der Umsetzung in die Geschichte einge- hen soll. Thomas Gebhart (CDU) kritisierte das Vor- gehen der Bundesregierung und forderte „ein Sofortprogramm für den Klima- schutz“. Zudem schlug er vor, einen Ener- giesparpakt zu entwickeln, die Bioenergie stärker zu nutzen sowie die drei verbliebe- nen Atomkraftwerke weitere drei Jahre am Netz zu lassen. Adis Ahmetovic (SPD) nannte die Klimakrise „eine Jahrhundert- aufgabe“, die ausschließlich international gelöst werden könne. Auch für Olaf in der Beek (FDP) sind die Aufgaben, die die Klimakrise mit sich bringt, nur auf internationaler Ebene lös- bar. Deutschland solle dabei technologie- offene Konzepte einbringen. „Kooperatio- nen mit anderen Ländern“ seien der richti- ge Weg. „Wir gehen voran“, sagte der Libe- rale. Thomas Lutze (Linke) mahnte, den Verkehrssektor stärker im Blick zu behal- ten. Seiner Meinung nach sei der Umstieg vom Verbrennermotor auf E-Autos nicht die Lösung. Karsten Hilse (AfD) nannte die COP27 „einen Klimarummelplatz“, seiner Meinung nach sei nicht belegt, dass es überhaupt einen Klimawandel gebe. nki T Eigentlich gilt das Schicksal des Verbren- nungsmotors als besiegelt: Denn spätestens seit die EU Ende Oktober im Trilog zwi- schen Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament beschlossen hat, ab 2035 nur noch emissionslose Fahrzeuge neu zuzu- lassen, ist klar, dass Diesel- und Ottomoto- ren keine Zukunft haben. Doch ein Hinter- türchen existiert: Wenn 2026 die beschlos- senen Regelung noch einmal überprüft wird, kann die EU-Kommission auch prü- fen, ob der Einsatz von sogenannten E-Fu- els für Autos in Frage kommt. Dafür hatte sich in der Bundesregierung vor allem die FDP eingesetzt, und damit auch den Kon- flikt mit Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in Kauf genommen, die sich für ein klares Verbrenner-Aus positioniert hat- k c a T . J / e c n a i l l a e r u t c i p © Von 2035 an sollen in der EU nur noch emis- sionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden. te. Im Ergebnis nicht genug, finden Union und AfD: Ihre Anträge, in denen sich Erste- re gegen den Ausschluss klimaneutraler Antriebe wie E-Fuels (20/2555) und Letz- tere (20/2350) gegen ein Zulassungsverbot für Diesel- und Benzinmotoren gewandt hatten, lehnte der Bundestag am vergange- nen Donnerstag zwar ab, doch die Diskus- sion um synthetische Kraftstoffe ist damit nicht beendet. Daran ließen deren Fürspre- cher keinen Zweifel: Christian Hirte (CDU) kritisierte die „technologische Ver- engung“ auf die E-Mobilität: Auch nach 2035 würden noch Verbrenner auf den Straßen unterwegs seien. Mit E-Fuels ließen auch sie sich klimafreundlich betreiben. Dirk Spaniel (AfD) geißelte das Aus für den Verbrennungsmotor als „fatalen Feh- ler“. Überall auf der Welt würden sie wei- terhin gebaut und genutzt. Für die deut- sche Industrie sei das ein „Desaster“, für die Menschen ein Problem: Weil es einer privaten bedürfe, könnten sich künftig nur noch „Funktionä- re und Millionäre“ ein Auto leisten. Dem widersprach Tessa Ganserer (Grüne): Die Herstellung von E-Fuels sei teuer und ineffizient, daher sollten sie nur dort ge- nutzt werden wo es keine Alternativen gebe – im Luftverkehr etwa. Dunja Kreiser (SPD) lobte den EU-Beschluss zum Verbrenner- Aus: Den Unternehmen bringe er Planungs- sicherheit. Ähnlich äußerte sich Bernd Rie- xinger (Linke), der zugleich mahnte, ein An- triebswechsel sei noch keine „nachhaltige Verkehrswende“. (FDP) führte schließlich noch ein Argument für E-Fuels an: Während es an Infrastruktur für die E-Autos fehle, sei sie bei Verbrennern be- reits da. Das sei ein Kostenvorteil. sas T E-Ladeinfrastruktur Judith Skudelny