2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 49-50 - 05. Dezember 2022 GASTKOMMENTARE BLEIBERECHT: MEHR CHANCE ALS RISIKO? Ein Anfang PRO Die alten Reflexe zucken noch. Geäu- t a v i r P © Malte Lehming, »Der Tagesspiegel«, Berlin ßert wird die Angst vor einer Verram- schung der deutschen Staatsbürger- schaft und einer Einwanderung in die Sozialsysteme. Aber diesmal sind es leise Töne, ge- messen an früheren Debatten. Das jetzt von der Koalition verabschiedete Chancen-Aufenthalts- recht soll den Weg bereiten für eine grundlegende Reform des Einwanderungsrechtes. Endlich wer- den die beiden Großthemen Einwanderung und Fachkräftemangel zusammengedacht. Verstanden wurde, dass Abschiebungen gut inte- grierter, aber abgelehnter Asylbewerber, die weder straffällig wurden noch falsche Identitätsangaben gemacht haben, irrsinnig sind. Auch soll langjährig geduldeten Ausländern ermöglicht werden, ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten. Berufserfah- rungen sollen wichtiger werden als oft nur schwer vergleichbare Abschlüsse. All das ist erfrischend unideologisch, vor allem aber pragmatisch. Denn da ist der dramatische Fachkräftemangel, im Handwerk, bei der Pflege oder der Gastronomie: Alle Initiativen, den Bedarf allein durch gezielte Zuwanderung zu decken, blieben unzureichend. Gering Qualifizierte werden ebenso gebraucht wie Hightech-Spezialisten. Für die, die als Ausländer bereits hier leben, bedarf es einer großen Qualifi- zierungs- und Integrationsoffensive. Für die ande- ren muss dieses Land attraktiver werden. Die Zeit der Dogmen ist vorbei. Jeder Arbeitsplatz, der besetzt ist, bedeutet Steuereinnahmen und Einzahlungen in die Sozialversicherungen. Es muss alles getan werden, damit Migranten, die zum Teil seit vielen Jahren in Deutschland leben, sowohl in den Arbeitsmarkt als auch in die Gesellschaft inte- griert werden. Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht ist ein Anfang gemacht. wenn jemand Möglichkeiten er- hält, die er vorher noch nicht hatte? Der Name „Chancen-Auf- enthaltsrecht“ reiht sich gefühlt ein in viele Geset- zesvorhaben, die gerade von der SPD schon mit wohllautenden Begriffen versehen wurden. Doch auch diesmal klingt das Projekt besser, als es ist. Seine Risiken sind nicht zu leugnen – trotz der gu- ten Absicht, Ausländern, die seit fünf Jahren ge- duldet sind, ein 18-monatiges Aufenthaltsrecht zu gewähren. In dieser Zeit sollen sie besondere Inte- grationsleistungen erbringen. Jene übrigens, die eigentlich ausreisepflichtig sind, von denen einige laut Behörden zu Identitätsverweigerern zählen. Abseits des humanitären Aspekts, der wichtig ist, dürfen die konkreten Folgen des Gesetzes nicht ignoriert werden. Es handelt sich um Personen, bei dem die Ämter zum Ergebnis kamen, dass ihnen weder Asyl noch Flüchtlingsschutz zusteht. Die Neuregelung könnte also eine Ermutigung sein und dazu führen, dass der Sinn des Asylrechts aus- gehöhlt wird. Das kann keiner wollen; auch wer vom hehren Ziel angetrieben wird, Integration und Migrationssteuerung kombinieren zu wollen. Zudem ist zu fragen, ob das deutsche System mit seinem Regelungsdickicht nicht schon genug Chancen bietet, den Betroffenen aufenthaltsrecht- liche Sicherheit zu geben. Die Kommunen dürfte ein weiteres Instrument indes noch näher an die Belastungsgrenze bringen. Übrigens bietet die Ge- setzeslage auch reichlich Wege, für das Verlassen des Landes zu sorgen, wenn dies der Rechtslage entspricht. Aber auf die von der Ampel versproche- ne Rückführungsoffensive zur Bekämpfung illega- ler Migration wartet man noch vergeblich. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Die Folgen sehen CONTRA W er würde es nicht begrüßen, t a v i r P © Hagen Strauß, »Saarbrücker Zeitung« Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. 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Dezember 2022 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG Kurhessenstraße 4– 6 64546 Mörfelden-Walldorf Leserservice/Abonnement Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 32 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 32 E-Mail: fazit-com@cover-services.de Anzeigenverkauf, Anzeigenverwaltung, Disposition Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 36 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 36 E-Mail: fazit-com-anzeigen@cover-services.de „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird Recycling-Papier verwendet. Herr Thomae, es gab gerade viel Streit um einen Gesetzentwurf des Bun- desinnenministeriums zum Staatsangehö- rigkeitsrecht, mit dem Einbürgerungen künftig erleichtert werden sollen. Auch aus Ihrer Partei wurde Kritik laut, ob- wohl mit dem Gesetzentwurf nur umge- setzt werden soll, was im Koalitionsver- trag steht. Was stört Sie denn an der Vor- lage? Die FDP möchte ein modernes Staatsange- hörigkeitsrecht, denn das gehört zu einem modernen Einwanderungsland. Da gibt es gar keinen Dissens. Wir haben aber im Ko- alitionsvertrag auch vereinbart, dass zu- nächst geprüft werden soll, welche Auswir- kungen die Vererbung einer Mehrstaatig- keit über mehrere Generationen hinweg haben kann. Da wäre auch ein Rechtsver- gleich interessant, um zu sehen, wie ande- re Länder mit dieser Frage umgehen. Und es ist uns wichtig, dass schnell ein Einwan- derungsgesetz mit klaren Regeln kommt, um Migration gezielt in den Arbeitsmarkt zu lenken. Wir sind durchaus offen, die Dinge parallel zu verhandeln, aber für uns hat die Arbeitskräfteeinwanderung Priori- tät. Aber das Kabinett hat doch vergange- ne Woche bereits ein Eckpunktepapier zur Fachkräfteeinwanderung verabschie- det. Die Verabschiedung des Eckpunktepapiers im Kabinett ist auf jeden Fall ein guter An- fang, man sieht, dass sich da etwas tut. Das ist für uns ein wichtiger Punkt. Aber das reicht nicht aus, beim Einwanderungsrecht müssen wir weiterdenken. Wir brauchen hier ein Gesamtpaket. War die Aufregung um den Gesetz- entwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht also aus FDP-Sicht dann nicht eher ein Sturm im Wasserglas? In vielen Punkten spiegelt der Referenten- entwurf aus dem Bundesinnenministerium den Koalitionsvertrag wieder. Es gibt aber ein paar Details, über die wir noch spre- chen müssen. Dazu muss aber zunächst das vereinbarte Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden. Das vergangene Woche im Bundestag von der Koalition beschlossene Gesetzes- paket zum 18-monatigen Chancen-Auf- enthaltsrecht enthält doch ebenfalls schon Maßnahmen, die dem Arbeitskräf- temangel in Deutschland entgegenwir- ken sollen. Das ist richtig. Wir stellen fest, dass sehr viele Menschen, deren Asylantrag abge- lehnt worden ist, die aber nicht ausreisen und nicht abgeschoben werden können, über einen sehr langen Zeitraum bei uns einen Duldungsstatus haben. Sie sind also eigentlich ausreisepflichtig, haben keinen Aufenthaltstitel, bleiben aber bei uns in den Sozialsystemen hängen. Um das zu verhindern, müssen wir diesen Menschen Wege eröffnen, um sie gezielt in den Ar- beitsmarkt zu bringen. In den sie jetzt nicht hineinfinden können? Viele würden gerne arbeiten, aber für Ar- beitgeber ist es nicht attraktiv, Menschen zu beschäftigen, die nur einen Duldungs- status haben. Denn man kann sich nie si- cher sein, ob sie nicht doch kurzfristig ab- geschoben werden. Da lohnt sich keine Ausbildung, keine Fortbildung, und man ist zurückhaltend, einen unbefristeten Ar- beitsvertrag anzubieten. Hier wollen wir jetzt einen Schnitt machen: Wenn diese Menschen straffrei sind, sich gut integriert haben und ihre Identität geklärt ist, ist es doch viel sinnvoller, dass sie bei uns arbei- ten, Steuern zahlen und etwas zum Gelin- gen dieser Gesellschaft beitragen können, anstatt dauerhaft Sozialleistungen empfan- gen zu müssen. »Einen Schnitt machen« STEPHAN THOMAE Der FDP- Innenexperte über das neue »Chancen-Aufenthaltsrecht« für geduldete Ausländer und den Streit über das Einbürgerungsrecht © Stephan Thomae/Sonja Thürwächter Das Chancen-Aufenthaltsrecht stößt auf verschiedenen Seiten der Opposition gleichfalls auf scharfe Kritik. Befürchtet wird beispielsweise, dass mit einer sol- chen Regelung für langjährig Geduldete weitere Migranten ermutigt werden, ille- gal nach Deutschland einzureisen oder ihrer Ausreisepflicht nicht nachzukom- men. Der Chancen-Aufenthalt ist ein befristetes Projekt und nur für Menschen gedacht, die in den vergangenen fünf Jahren in Deutschland gelebt haben. Er betrifft also vor allem diejenigen, die während der Flüchtlingskrise 2015/16 zu uns gekom- men sind. Das Projekt ist auf drei Jahre ausgelegt. Wer also in den nächsten drei Jahren die Chance ergreift, sich gut inte- griert, selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt sowie die eigene Identität klärt, der hat die Möglichkeit, einen Aufenthalts- titel zu bekommen. PARLAMENTARISCHES PROFIL Forderungen, auf die Stichtagsrege- lung zu verzichten, damit das Chancen- Aufenthaltsrecht auch künftig gedulde- ten Ausländern zugutekommen kann, lehnen Sie ab? Für die Zukunft wird keine Wirkung mehr entfaltet. Der Chancen-Aufenthalt ist ein Vorhaben, um in der Vergangenheit abge- schlossene Sachverhalte aufzuarbeiten, die in den letzten fünf, sechs Jahren nicht ge- löst werden konnten. Hier wollen wir ei- nen Schnitt machen, um diese Menschen, die schon so lange in Deutschland leben, dauerhaft zu integrieren. Die Linke beklagt, dass die Anforde- rungen für das Chancen-Aufenthalts- recht viel zu hoch seien und dass viel zu wenig Geduldete davon profitieren wer- den. Man bekommt einen Aufenthaltstitel na- türlich nicht geschenkt. Daran sind zeitli- che Anforderungen geknüpft, aber auch in- haltliche Kriterien: Gute Integrationsleis- tung, wirtschaftliche Selbständigkeit, Straf- freiheit, und die eigene Identität muss ge- klärt sein. als Ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat seine Kritik an dem Gesetzentwurf zum Einbürgerungsrecht auch damit be- gründet, dass es bisher keine Fortschritte bei der Rückführung gebe. Mit dem Ge- zum Chancen-Aufenthalts- setzespaket recht soll aber doch auch die Rückfüh- rung insbesondere von Straftätern und Gefährdern konsequenter bisher durchgesetzt werden. Das reicht aber nicht? Auch die Rückführungsoffensive haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt, und da ist bislang noch zu wenig passiert. Wir haben jetzt im ersten Migrationspaket aufgenom- men, dass die Abschiebehaft auf bis zu 28 Tage verlängert werden kann. Damit ha- ben die Behörden mehr Zeit, um eine Ab- schiebung durchzuführen und um sicher zu gehen, dass die abzuschiebende Person nicht untergetaucht ist und nicht aufgefun- den werden kann. Das ist schon mal ein Teil der Rückführungsoffensive, aber es müssen weitere folgen. Welche? Wir müssen Migrationsabkommen mit an- deren Ländern schließen. Solche Abkom- men würden es erheblich erleichtern, dass Menschen, die nicht in Deutschland blei- ben können, von ihren Herkunftsländern zurückgenommen werden. Das ist für uns ein wichtiger Punkt. Der Bundestag hat am Freitag auch die Einführung einer behördenunabhän- gigen Asylberatung beschlossen, die die Akzeptanz der Verfahren erhöhen soll. Glauben Sie wirklich, dass ein abgelehn- ter Asylbewerber deshalb den negativen Bescheid eher akzeptiert? Die Schweiz hat mit einer behördenunab- hängigen Asylverfahrensberatung gute Er- fahrungen gemacht. Diese Erfahrungen wollen wir uns zu Nutze machen und tes- ten, ob sie auch bei uns wirken. Wenn ein Asylbewerber in der Anhörung bereits gut informiert ist, welche entscheidungserheb- lichen Tatsachen er vortragen muss – die natürlich wahrheitsgemäß, aber auch voll- ständig sein müssen –, dann erhöht das die Chance, dass es zu einer richtigen und auch akzeptierten Entscheidung kommt. Das Gespräch führte Helmut Stoltenberg. Stephan Thomae, der dem Bundestag bereits von 2009 bis 2013 angehörte, ist seit 2017 erneut Mitglied des Parlaments. Der 54-jährige Rechtsanwalt aus Kempten ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion und sitzt im Innenausschuss. T Der Kommunalpolitische: Josef Oster V erwaltungserfahrung und Organisiertheit haben Fol- gen für einen Menschen. Zum Beispiel können sie sich auf die Sprache auswirken – jene von Josef Os- ter zum Beispiel kennt keine langen Monologe, eher kurze, aber inhaltsreiche Antworten; das macht ein Gespräch mit ihm angenehm. Auch, wenn es um Kontroverses geht, wie die Debatte um die geplante Reform des Staatsbürgerschafts- recht, bei dem er zu Beginn feststellt: „Mir fehlt der versöhnli- che Ton. Bei kritischer Sicht wird man allzu leicht in eine rassisti- sche oder undemokratische Ecke gestellt.“ Josef Oster jeden- falls, 51, CDU-Abgeordneter des Wahlkreises 199 (Koblenz), scheint Ruhe im Ton zu bevorzugen. Einen, der verbindlich klingt. Es ist Donnerstagnachmittag, gerade kommt er aus dem Plenum, es ging ums Thema, am Telefon sagt er: „Der deutsche Pass soll- te am Ende eines Integrationsbildungsprozesses stehen, nicht am Anfang.“ Die Pläne aus der Ampel-Koalition lehnt der Ob- mann der Unionsfraktion im Innenausschuss ab. Die sehen Er- leichterungen und Beschleunigungen vor, von denen Oster nichts wissen will. Er fordert auf dem Weg zur Staatsbürgerschaft An- sporn und sieht im Pass eine Belohnung, „das ist etwas Beson- deres“. Andere würden es den Aufbau von Hürden nennen. Dass zum Beispiel Ältere aus der sogenannten „Gastarbei- ter“-Generation, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, nur mündliche Sprachkenntnisse vorweisen sollen, reicht ihm nicht für die Staatsbürgerschaft. „Sprache ist ein Schlüssel zur Inte- gration. Das muss kein Abiturniveau sein, aber sich nur ver- ständlich machen reicht nicht.“ Auch nicht, wenn diese Leute seit 40 Jahren einen deutschen Alltag leben? „Ich frage mich dann schon, warum man sich über eine so lange Zeit mit der deutschen Sprache nicht beschäftigt hat.“ Oster kennt sich aus, was die Konsequenzen von in Berlin be- schlossenen Gesetzen vor Ort angeht, er ist Kommunalpolitiker durch und durch. Nach der Realschule absolvierte er eine Ausbil- ..................................................................................................................................................... »Der deutsche Pass sollte am Ende eines In- tegrationsbildungsprozes- ses stehen, nicht am Anfang.« r a a H a g n I / T B D © dung bei der Kreisverwaltung Cochem-Zell, „in meiner Familie war es gar nicht so gesetzt, dass man sofort Abitur macht. Mir hat dieser etwas längere Weg aber gutgetan“; der Vater war Handwerksmeister. Oster wurde Beamter, bildete sich stets fort, am Ende standen der Diplom-Verwaltungswirt und der Verwal- tungs- und Betriebswirt. „Ich war schon immer ordnungslie- bend, auch als Kind“, erinnert er sich. Also keine Probleme mit den Eltern wegen eines nicht aufgeräumten Zimmers? „Ich erin- nere mich an keine Konflikte.“ Und weil Oster als Bub organi- siert war, fungierte er seit der vierten Schulklasse stets als Klas- sensprecher. Er begann, sich als Elfjähriger für Politik zu interes- sieren, es waren die ersten Kanzlerjahre Helmut Kohls, sie riefen Widerspruch von Osters Lehrern hervor, und diese forderten den Schüler zu politischen Debatten und Interesse heraus. Oster, aus einem konservativen und katholisch geprägten Elternhaus, wi- dersprach dann wiederum ihnen. „Ich habe diese Debatten in der Schule in guter Erinnerung.“ Parteipolitik sei erst ins Spiel gekommen, als er in der Verwal- tung Parteimitglieder kennenlernte. Da nahm das Interesse an Politik Formen an. 2002 wurde Oster hauptamtlicher Bürger- meister der Verbandsgemeinde Bad Ems und Leiter der Verwal- tung. Irgendwann schien es dann mal gut gewesen zu sein. 2017 kandidierte er im Wahlkreis für den Bundestag, gewann ihn direkt. „Es war ein großer Reiz, die Seiten zu wechseln“, er- innert er sich. „Als Bürgermeister setzt man Gesetze um, mit all ihren Schwächen.“ Also wollte er dorthin, zu Gesetzen „mit we- niger Schwächen“. Die Basisnähe scheint ihm wichtig, auch, dass er direkt gewählter Abgeordneter ist. „Man merkt schon manchem Amtskollegen an, ob er einen Wahlkreis betreut oder nicht“, sagt er. Und ist dann wieder bei der Sprache, den Sätzen und ihrer Überprüfung auf lokaler Ebene. Seit 2019 sitzt er im Koblenzer Stadtrat. Sehnsucht nach den Wurzeln? „Damit ich nicht in der Berliner Blase verharre.“ Jan Rübel T