2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 10-11 - 06. März 2023 GASTKOMMENTARE WEHRETAT DAUERHAFT ERHÖHEN? Radikal umsteuern PRO Die Lehre aus Russlands Überfall auf i o n a d r o G s a h t t a M © i Richard Herzinger, freier Publizist die Ukraine lautet: Demokratien kön- nen nur überleben, wenn sie gegen ihre diktatorischen Todfeinde ange- messen militärisch gerüstet sind. Gerade von Deutschland, das sich lange „von Freunden um- zingelt“ wähnte, fordert dies radikales Umsteuern. Um jahrzehntelange rüstungspolitische Versäum- nisse wettzumachen, reicht das im Zeichen der von Kanzler Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ bereitgestellte Sondervermögen nicht aus. Selbst wenn es – was bislang nicht der Fall ist – zügig und zielgenau investiert wird, lassen sich damit nur die gröbsten Ausrüstungslücken der Bundes- wehr füllen. Die sicherheitsstrategischen Anforderungen der kommenden Epoche sind gewaltig. Russland wird auf lange Sicht eine akute Bedrohung für das freie Europa bleiben. Um der Ukraine den Sieg über die Invasoren zu ermöglichen, der für den Fortbestand der europäischen Sicherheitsordnung im Ganzen unerlässlich ist, sind enorme Aufwendungen an weiteren Waffenlieferungen zwingend. Und auch danach benötigt die Ukraine massive Militärhilfe, um künftige Aggressionen abzuschrecken. Unsere Verteidigungskraft muss daher dauerhaft auf eine verlässliche Grundlage gestellt werden. Das geht nicht ohne Aufstockung des regulären Wehretats auf mindestens 60 Milliarden Euro. Nur so ist auch das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu er- reichen, dessen Einlösung durch Deutschland für den Zusammenhalt der Nato essenziell ist. Für all das braucht es einen Bewusstseinswandel in der deutschen Gesellschaft. Der Wille, die De- mokratie bewaffnet zu sichern, darf nicht reflex- haft mit „Militarismus“ verwechselt werden. Er ist vielmehr Ausdruck entschiedener Freiheitsliebe. krieg Russlands gegen die Ukraine die Sicherheitslage in Europa dauer- haft verändern wird, steht außer Fra- ge. Ebenso unbestritten wird damit auch die Bun- deswehr vor neuen Aufgaben stehen. Aber ein Grund, quasi nach Belieben in Gedanken Steuer- geld auszugeben, dürfte das eigentlich nicht sein. Schon das 100-Milliarden-Sondervermögen, das Kanzler Olaf Scholz drei Tage nach Russlands Ein- marsch in die Ukraine verkündete, hatte mit einem nachvollziehbaren Bedarf nichts zu tun. Wer hätte ihn auch in 72 Stunden berechnen sollen? Eine symbolische Zahl, eilig festgeschrieben in der Ver- fassung: Schon das hatte bei allem Verständnis für die akute Notsituation einen bösen Beigeschmack. Nun will der Verteidigungsminister festgestellt ha- ben, dass der Wehretat um zehn Milliarden Euro erhöht werden muss, die Wehrbeauftragte hat ver- lauten lassen, das Sondervermögen müsse auf 300 Milliarden verdreifacht werden, und das sind nur zwei von vielen Stimmen. Woher kommt dieses er- staunliche „Wissen“ um künftige Notwendigkei- ten? Hat jemand in die Zukunft geschaut und weiß, wie Europa nach dem furchtbaren Krieg im Verhältnis zu Russland dasteht? Gibt es hellseheri- sche Erkenntnisse zu der Frage, wann die EU end- lich ihre Rüstungsanstrengungen koordiniert, statt der teuren Methode „Jeder für sich“ zu folgen? Sicher, dieser Krieg erfordert von der Politik mehr als die gewohnten Routinen. Schnelle Entschei- dungen, etwa zu Waffenlieferungen, sind unum- gänglich. Aber nichts spräche dagegen, die Ausga- ben der Zukunft dann zu planen, wenn der Bedarf einigermaßen seriös prognostiziert werden kann. Der Glaubwürdigkeit der Politik würde es dienen. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Sind sie Hellseher? CONTRA Dass der völkerrechtswidrige Angriffs- s u a r K x e A © l Stephan Hebel, freier Journalist Frau Heinrich, vor einem Jahr hat Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen, seither ist hierzu- lande viel passiert: Deutschland legt zu bei der Verteidigung, unterstützt die Ukraine, liefert Waffen in ein Konflikt- gebiet, löst sich von russischer Energie- abhängigkeit. Wäre eine solche Zeiten- wende nicht schon 2014 angemessen ge- wesen? Deutschland hat die Anzeichen nicht rechtzeitig erkannt. Spätestens 2014 mit der Besetzung der Krim hätte sich die Po- litik sehr viel stärker damit beschäftigen müssen, in welche Richtung insbesondere der russische Präsident Wladimir Putin sein Land steuert. Das sage ich nicht nur mit Blick etwa auf das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2, sondern auch auf die Ko- härenz der Außenpolitik und zum Bei- spiel auch auf unser Verhältnis zum glo- balen Süden. Hier hätten wir früher die Wichtigkeit von belastbaren Partnerschaf- ten erkennen können. Frieden in Europa nur mit Russland, Wandel durch Annäherung, Gesprächs- kanäle offenhalten, daran hat die SPD länger als andere festgehalten. Ist die Zeitenwende, von der Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Jahr sprach, ins- besondere eine Zäsur für Ihre Partei? Es ist eine Zeitenwende für die SPD. An- dere Parteien betrifft das aber genauso. Ich schätze sehr, dass wir als SPD sofort nach dem 24. Februar 2022, dem Angriff Russlands auf die Ukraine, und der histo- rischen Rede des Kanzlers umgesteuert und angefangen haben, uns intensiv mit den Facetten der Zeitenwende zu beschäf- tigen: Was bedeutet sie für unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, für unser Verhältnis zu China, für Europa und die Rolle, die Deutschland darin ein- nimmt. Verteidigungsminister Boris Pistori- us möchte dauerhaft mehr Geld für die Bundeswehr, aus der SPD gibt es aber auch Rufe nach anderen Prioritäten: So- ziales, Entwicklung, Zivilschutz. Ist das ein Ringen um begrenzte Haushaltsmit- tel oder geht es hier um Prinzipielles? Im Grunde sind sich Verteidigungsminis- ter Boris Pistorius und Entwicklungsmi- nisterin Svenja Schulze einig, dass es nicht ausreicht, mehr Geld nur für die Bundes- wehr bereitzustellen. Genauso wichtig ist es, zusätzliche Mittel für Entwicklung, ge- rade auch für Konfliktprävention und hu- manitäre Hilfe aufzubringen. Die Heraus- in der Zeiten- forderung besteht darin, wende das umzusetzen, was wir uns als Fortschrittskoalition vorgenommen ha- ben. Auf der anderen Seite sind wir an ei- nem Punkt, an dem wir wissen, dass wir dafür nicht aus dem Vollen schöpfen kön- nen. Wenn wir als Koalition das Land zu- sammenhalten wollen, brauchen wir auch Mittel für Soziales, Klimapolitik, Energie- sicherheit und für Infrastruktur. Es ist ein Ringen. Aber ich vernehme nicht, dass je- mand anzweifelt, die Bundeswehr gut aus- zustatten. Stärker als die Koalitionspartner möchte die SPD die Türen für diplomati- sche Lösungen mit Russland offenhal- ten. Gibt es überhaupt eine echte Chan- ce auf Verhandlungen? Diplomatie bedeutet auch über Getreide- lieferungen aus der Ukraine zu verhan- deln, über Gefangenenaustausche und die Sicherheit im Kriegsgebiet. All das hat bereits stattgefun- den und wird fortgeführt. Deutschland unterstützt die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung nicht nur militärisch, etwa mit der Lieferung von Kampfpan- zern, sondern weit umfassender, nämlich finanziell, humanitär und beim schritt- weisen Wiederaufbau. Dass der Bundes- von Atomkraftwerken »Zeichen nicht erkannt« GABRIELA HEINRICH Die SPD-Fraktionsvize über Versäum- nisse in der Russlandpolitik und die Chancen auf Verhandlungs- lösungen im Ukrainekrieg Der Krieg ist ins Bewusstsein der Bevölke- rung getreten. Leider unterstützen sehr viele Russinnen und Russen diesen Krieg zumindest offiziell. Den in Russland ver- öffentlichten Umfragen würde ich trotz- dem nicht allzu viel Wert beimessen. Auch darf man nicht vergessen: Es gibt viele mutige Menschen in Russland, die sich gegen den Angriff Putins stellen. Das ist extrem gefährlich, horrende Strafen werden dafür verhängt. Andere sind in Nachbarländer wie und Georgien geflohen. Dazu kommen die Be- richte über Deserteure in der russischen Armee. Armenien hat Russland angekündigt, mit „New START“ den letzten verbliebenen nuklearen Kontrollvertrag zu suspendie- ren. Droht ein neues atomares Wettrüs- ten? Die Gefahr besteht, dass Russland atomar aufrüstet. Es war allerdings schon vor der russischen Ankündigung kaum mehr möglich, den Vertrag zu erfüllen. Die ver- einbarten wechselseitigen Beobachtungs- missionen zwischen den USA und Russ- land fanden aufgrund der russischen Ver- zögerungstaktik nicht mehr statt. Das Ab- kommen endet laut Plan 2026. Wir müs- sen abwarten, ob es gelingt, wieder in neue Verhandlungen zu treten. Entschei- dend dafür ist, wie lange der Krieg in der Ukraine dauert. Auch hier braucht es die Diplomatie als Mittel der Wahl, um ein nukleares Wettrüsten zu verhindern. Der damalige US-Präsident Donald Trump stand bereits kurz davor, das transatlantische Verteidigungsbündnis aufzukündigen. Muss Europa mehr für die eigene Sicherheit tun? Ja. Das geht allerdings nicht von heute auf morgen. Es gibt bereits gemeinsame Rüstungsprojekte, als Fernziel ist von manchem sogar die Rede von der Vision einer europäischen Armee. Dass der Kanzler bei der Entscheidung über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine die USA mit ins Boot geholt hat, war extrem wichtig. Russlands Krieg führt uns dramatisch vor Augen, dass die Nato kein Auslaufmodell und wichtiger denn je für unsere Sicherheit ist. Deshalb müs- sen wir ihre europäische Flanke stärken. Mein Eindruck ist, dass das viele in Europa verstanden haben. Perspektivisch wird das mit dem hoffentlich zügigen Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens auch gelingen. Der Satz von Egon Bahr, wonach die USA für uns unverzichtbar, Russland aber unverrückbar ist, gilt der weiter? Russland ist unverrückbar. Deshalb ist es schwierig, so strikt davon auszugehen, auf sehr lange Sicht Sicherheit nur gegen Russland zu organisieren – auch wenn dieser Ansatz im Augenblick der einzig Richtige ist. Russland wird nicht von der Landkarte verschwinden. Wenn dieser Krieg beendet ist, werden wir versuchen müssen, wieder eine Ebene mit Russland zu finden. Er richtet unglaubliche Zerstö- rung in der Ukraine an und lässt viele Menschen traumatisiert zurück. Die Viel- zahl an schweren Kriegs- und Menschen- rechtsverletzungen müssen aufgeklärt und aufgearbeitet werden. Es wird viele Jahre dauern, einen nachhaltigen Frieden in der Region zu organisieren. Der Ukraine und der Unterstützung durch die Weltgemein- schaft steht ein langer und steiniger Weg bevor. Das Gespräch führte Alexander Heinrich T Gabriela Heinrich (SPD) ist seit 2013 Mitglied des Bundestages und seit 2019 stellvertretende Fraktionsvorsitzende zuständig für Außenpolitik, Entwicklung, Verteidigung und Menschenrechte. © picture-alliance/dpa kanzler nach China gereist ist und die chi- nesische Führung im Ergebnis des Treffens deutliche Worte gefunden hat und heute nukleare Drohungen aus Russland zu- rückweist, ist eine wirklich erfolgreiche di- plomatische Initiative. dem Putin versteht, dass er seine Kriegs- ziele in der Ukraine nicht erreichen kann. So lange müssen die Unterstützer der Ukraine zusammenstehen und klar- machen, dass Russland diesen Krieg be- enden muss. Aber Verhandlungen über einen Waf- fenstillstand gibt es offenbar seit ver- gangenen Frühjahr nicht mehr. Den meisten ist klar, dass der russische Präsident derzeit nicht verhandeln will. Ebenso ist es die souveräne Entscheidung der Ukraine, ob sie in Verhandlungen tritt. Es wird einen Zeitpunkt geben, an Ist das eigentlich Putins Krieg? Oder verfängt zuhause seine Erzählung vom „kollektiven Westen“, der Russland spal- ten wolle? In Teilen der russischen Bevölkerung ver- fängt das. Dies ist auch der Propaganda in Russland geschuldet. Ich würde heute nicht mehr nur von Putins Krieg sprechen. PARLAMENTARISCHES PROFIL Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. 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Norddeutscher Bayer: Gerold Otten Im Politikerleben von Gerold Otten ist viel los. Am Wochenen- de kam er von einer zehntägigen Parlamentarierreise Südost- asien zurück, eine Reise in die USA zur Parlamentarischen Versammlung der Nato steht an – unterbrochen von der Sit- zungswoche im Bundestag; eine im Schatten des ersten Kriegsjah- res in der Ukraine, das zu Ende geht. Es ist auch ein Jahr Zeitenwende, die Kanzler Olaf Scholz ausrief. „Als ich seinen Worten im Plenum zuhörte, drehte ich mich zu meinem Kollegen um und fragte ihn: ‚Hab ich das richtig verstan- den?‘“, erinnert sich Otten. Denn 100 Milliarden Euro und das Ziel eines Verteidigungsetats in Höhe von zwei Prozent des Bruttoin- landsprodukts, „das war richtig“. Otten, 67, ist Abgeordneter der AfD. Der in der Nähe Bremens Aufgewachsene und nun im Wahlkreis München-Land Lebende hat von Geburt an keine Berührungsängs- te mit der SPD, war sein Vater doch 25 Jahre lang SPD-Bürger- meister des Örtchens Lübberstedt. Seine Mutter wählt immer noch die Sozialdemokraten, „aber sie freut sich trotzdem, wenn sie mich im Fernsehen sieht“. Und das Herumkommen kennt er von seinem früheren Beruf, war er doch Waffensystemoffizier für die Flugzeuge Phantom und Tornado der Bundeswehr mit über 2.000 Flugstunden und den letzten drei Berufsjahren in Großbritannien. Ein Gespräch mit ihm über den Krieg in der Ukraine führt zuweilen an Punkte heran, bei denen es nicht weitergeht. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin nennt er einen Aggressor, der einen Angriffskrieg führe, keine Frage. Aber man müsse seine Interessen definieren, sagt er. „Und unsere Interessen sind nicht derart be- rührt, dass man Waffen liefern muss.“ So hart es auch klinge, „aber es gibt auch andere Kriege in anderen Ländern, in die wir nicht eingreifen“. Aber was ist mit Moral und Humanismus als Kri- terien? „Man sollte keinen Krieg aus moralischen Gründen füh- ren.“ Außerdem würde die Ukraine nicht jene Waffen bekommen, die sie benötige, nämlich welche mit langer Reichweite, „das ist zynisch“. Und die Verweigerung der Solidarität über die Lieferung ..................................................................................................................................................... e c n a i l l a - e r u t c i p / a p d © »Anders als in Polen oder Tschechien stoße ich in Ostdeutschland andauernd auf Verständnis für das russische Vorgehen.« anderer Waffen, sei das nicht zynischer? Für Otten ist es das glei- che. Es ist nicht so, dass er nicht weiß, worüber er spricht. Noch hat er die Worte seiner Mutter im Ohr, die ihm vom Brandgeruch erzähl- te, der ihr in die Nase gestiegen war, als sie in den Endtagen des Zweiten Weltkriegs als Kind nach Fliegerangriffen aus dem Bunker nach oben kam. „Mir tun die Ukrainer wirklich leid.“ Klischees passen selten, und auf ihn erst recht nicht. Otten ist Be- fürworter der Nato, kämpft in seiner Partei einen harten Kampf dafür. Und schüttelt über manche Ansichten den Kopf. „Die AfD sollte kritischer gegenüber Putin auftreten.“ Einiges begreife er nicht. „Anders als in Polen oder Tschechien stoße ich in Ost- deutschland andauernd auf Verständnis für das russische Vorge- hen. Vielleicht ist es ein deutsches Phänomen, dass wir uns als Unterlegene stärker mit den Siegern identifizieren“, sagt er mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und die DDR mit ihrer Verbunden- heit mit der Sowjetunion sowie Westdeutschland mit den USA. In die AfD kam er frühzeitig. Nachdem er während seiner Zeit bei der Bundeswehr konservativer geworden sei und 1989 in die FDP eingetreten war, gehörte Otten 2013 zu den ersten AfD-Mitglie- dern. „Vor allem die Verstöße gegen die Maastricht-Kriterien und die damit verbundenen Rechtsbrüche wurmten mich.“ Otten, der nach der frühen Rente ob des Luftwaffenberufs beim Luft- und Raumfahrtkonzern DASA arbeitete, ist innerhalb der AfD eher ein Wertkonservativer, der meint, die AfD sei in den vergangenen Jah- ren nicht konsequent nach rechts gewandert. „Durch die Verwei- gerung der Teilhabe hat sich eine gewisse Wagenburgmentalität herausgebildet“, sagt er. „Die Kommunikation geht oft mehr nach innen als nach außen, da will man dann die Likes in der eigenen Blase abgreifen.“ Social Media und Otten, das sind zwei Gegen- sätze. Er wolle die Leute außerhalb dieser Echokammern errei- chen. Über ihm schaut grimmig Friedrich der Große von einem Ge- mälde herab. Jan Rübel T