2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 18-19 - 02. Mai 2023 GASTKOMMENTARE INLANDSPOTENZIALE VERNACHLÄSSIGT? Mehr Abschlüsse PRO r e d ü L l e a h c i M © Margaret Heckel, freie Journalistin k e h t o t o h P © Alisha Mendgen, Redaktionsnetzwerk Deutschland K eine Frage, das Fachkräfteeinwande- rungsgesetz ist notwendig. Die nächs- ten Jahre wird sich der demografiebe- dingte Arbeitermangel verschlimmern. Doch die Konzentration auf Fachkräfteeinwande- rung vernachlässigt mindestens drei Gruppen, die schon in Deutschland leben und die freien Arbeits- plätze viel schneller füllen könnten: Frauen, Ältere und junge Erwachsene ohne Berufsabschluss. Bei Letzteren etwa meldet Deutschland Jahr für Jahr neue Negativrekorde. 2021 waren 17 Prozent der 20- bis 34-Jährigen ohne Berufsabschluss. Das ist knapp jeder Fünfte – und völlig inakzeptabel. Wie kann es sein, dass 2,5 Millionen junger Men- schen hierzulande keine Ausbildung haben? Wür- de nur jeder Vierte davon eine Ausbildung in den Mangelberufen machen, wäre die von den Ar- beitsämtern derzeit gemeldete Fachkräftelücke von im Jahresschnitt 630.000 Menschen locker zu füllen. Dummerweise hilft derartiges statistisches Aufrechnen in diesem Fall wenig. Was dagegen hilft, ist direktes und sehr intensives Mentoring für all die Jugendlichen, die schon in der Schule absehbar Probleme haben. Dazu gibt es viele gute Ehrenamtsprojekte und Menschen, die sich einsetzen. In der Breite jedoch reicht das nicht, sonst würde die Quote Ungelernter seit 2016 nicht Jahr für Jahr ansteigen. Besser, schneller und wahrscheinlich auch kosten- günstiger als die im Koalitionsvertrag geplante Ausbildungsgarantie wäre deshalb ein bundeswei- tes Mentorenprogramm für Jugendliche mit ab- sehbaren Ausbildungsproblemen schon in der Schule. Ältere, die sich dafür begeistern ließen, gibt es genug – allerdings nur, wenn sie die gesell- schaftliche Anerkennung bekommen, die ihnen da- für auch gebührt. wanderung geht, heißt es oft, man müsse nur das Potenzial im Inland ausschöpfen, um das Fachkräfteproblem zu lösen. Gewiss lässt sich im- mer mehr tun, um Menschen hierzulande in Arbeit zu bringen. Aber: Die Möglichkeiten, das inländi- sche Fachkräftepotenzial zu heben, sind begrenzt. So ist es eine Mär, dass ein Großteil der Langzeit- arbeitslosen 40 Stunden pro Woche arbeiten könn- te. Viele von ihnen sind aufgrund privater Heraus- forderungen oder psychischer Problemen ohne Job. Vorschläge, sie könnten etwa bei der Gepäck- abfertigung Vollzeit arbeiten, sind realitätsfern. Auch ist zu bezweifeln, ob sich das Frauener- werbspotenzial so umfassend heben lässt, wie nö- tig. Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit – nicht aus Spaß, sondern weil sie neben einem Job oft noch einen zweiten hat: die Kinderbetreuung. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen verbessert wer- den, damit alle Mütter mehr arbeiten können. Mehr Kitaplätze und Ganztagsbetreuung lösen aber nicht das Problem der sogenannten Care-Ar- beit, die vor allem Frauen leisten. Ein Hebel wäre, die Qualifizierung junger Men- schen zu steigern. Jährlich verlassen etwa 47.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. In einigen Jahren ist zu prüfen, ob das Weiterbildungsgesetz der Bundesregierung Schulabbrecher besser für den Arbeitsmarkt vorbereitet. Dagegen wollen schon jetzt Millionen qualifizier- ter Menschen im Ausland ihr Glück in einem ande- ren Land versuchen. Doch die Unternehmen, die sie hier anstellen möchten, verzweifeln an der deutschen Bürokratie, und die Ausländer fühlen sich nicht willkommen. Hier liegt großes Potenzial. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Geht nur begrenzt CONTRA W enn es um mehr Fachkräfteein- gerne Frau Ferschl, als das Bundeskabinett Ende März die Reform des Fachkräfteein- wanderungsgesetzes verabschiedete, warnten Sie vor einer Einwanderung in prekäre Beschäftigung. Weshalb? Weil der Fachkräftemangel nicht in dem Maße vorhanden ist, in dem er von der Ar- beitgeberseite propagiert wird. Schaut man sich das Verhältnis der offenen Stellen und der Bewerber an, die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sind, zeigt sich, dass in 82 Prozent aller Berufs- gruppen die Zahl der Bewerber höher ist. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es ei- in be- nen Fachkräftemangel gibt, der stimmten Branchen auch stärker ist. Aber gerade in Branchen wie Gastronomie, Bau, Pflege, in denen er vermeintlich auch so hoch ist, führen schlechte Löhne und Ar- beitsbedingungen dazu, dass die Menschen hierzulande sich etwas anderes suchen. Wenn dann mehr Menschen in einen zu regulierten Arbeitsmarkt kom- schlecht men, sinkt der Preis natürlich entspre- chend. Darum ist es wichtig, dass es gesetz- liche Regelungen und eine hohe Tarifbin- dung gibt, um Einwanderung in prekäre Arbeitsverhältnisse zu verhindern, wie sie die Westbalkanregelung ermöglicht... ...die Menschen vom Westbalkan für jede Beschäftigung einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt eröffnet. Genau. Das Problem ist, dass dafür nicht ei- ne Tarifbindung zwingende Voraussetzung ist. Wir haben die Zahlen auch hier abge- fragt: Danach wird ein sehr großer Teil der Menschen, die auf diesem Weg hier zu uns kommen, zu Niedriglöhnen beschäftigt. Ungefähr die Hälfte von ihnen arbeitet auf dem Bau, also einer der Branchen mit ver- meintlichem Fachkräftemangel. Und genau in dem Bereich haben die Arbeitgeber den Branchenmindestlohn gekündigt. Da stellt sich schon die Frage, ob man hier weiter nur für „billige Arbeitskräfte“ sorgen will. Deshalb wäre es wichtig, dass diese Men- schen nach Tarif bezahlt werden müssen. Die Tarifbindung ist aber schon seit langem rückläufig. Gerade Branchen wie die Gastronomie könnten dann weniger von solchen Regelungen profitieren, um ihrem Arbeitskräftemangel mit Dritt- staatsangehörigen zu begegnen. Unser Wunsch ist ja schon lange, dass Ta- rifverträge zum Beispiel in der Gastrono- mie für allgemeinverbindlich erklärt wer- den, damit sie flächendeckend gelten. Dann wäre natürlich auch dem Lohndum- ping Einhalt geboten. Ansonsten finde ich es richtig, dass Branchen, die für schlechte Arbeitsbedingungen bekannt sind, nicht von solchen Regelungen profitieren. Es ist gut, dass wir uns einer Fachkräfteeinwan- derung öffnen. Aber dabei müssen die Be- dingungen vor Ort stimmen, damit die Menschen, die zu uns kommen, ordentli- che Bedingungen vorfinden, und damit sie nicht dazu benutzt werden, durch ein hö- heres Arbeitskräfteangebot das Lohnniveau auch für die inländischen Beschäftigten ka- putt zu machen. Die Regierung sagt, es werde keine Einwanderung zur Lohndrückerei geben. Die Westbalkanregelung ist ein gutes Bei- spiel dafür, dass sie das nicht flächende- ckend geschafft hat. Zwar gibt es an etli- chen Stellen Regelungen, die das verhin- dern sollen, aber die sind nicht flächende- ckend. Das Problem insgesamt ist eben, dass wir eine viel zu niedrige Tarifbindung haben. Deshalb ist eine der Stellschrauben, die Tarifbindung wieder zu erhöhen, insbe- sondere durch eine Erleichterung der All- gemeinverbindlichkeitserklärung. Von anderer Seite wird mit Blick auf die Neuregelung vor einer Zuwanderung in die Sozialsysteme gesprochen. Sehen Sie diese Gefahr auch? »Nach Tarif zahlen« SUSANNE FERSCHL Die Linken- Fraktionsvize über die Notwendig- keit der Fachkräfteeinwanderung und die Gefahr des Missbrauchs © Deutscher Bundestag/Inga Haar Nein, die sehe ich nicht. Es gibt keine Ein- wanderung in die Sozialsysteme, weil diese Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfü- gung stehen müssen und die Regelungen ja auch so gestaltet sind, dass sie zur Einreise einen Arbeitsvertrag beziehungsweise ein konkretes Arbeitsplatzangebot nachweisen müssen. Nicht wegzuleugnen ist aber, dass es etwa im Bereich der öffentlichen Da- seinsvorsorge zu Konkurrenzen kommen könnte: Wir haben zu wenig Kita-Plätze, zu wenig Wohnungen, die Schulen sind in keinem guten Zustand – und in dem Maß, in dem Menschen zu uns kommen, ent- steht dann unter Umständen eine Konkur- renzsituation. Das ist aber nicht die Verant- wortung der Menschen, die zu uns kom- men, sondern es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, hier für ordentliche Bedingungen zu sorgen. Künftig soll zur Arbeitskräfteeinwan- derung ein ausländischer Abschluss und Berufserfahrung im Heimatland ausrei- chen. Ist das der richtige Weg? Positiv ist, dass die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen er- leichtert wird – das fordern wir schon lan- PARLAMENTARISCHES PROFIL ge. Problematisch ist dagegen, dass jetzt auch verstärkt die Einwanderung in Helfer- Berufe etwa im Pflegebereich ermöglicht wird, weil dort eben die Gefahr des Lohn- dumpings vorhanden ist. Die richtige Ant- wort in diesen vermeintlichen Mangelberu- fen in der Gastronomie, der Pflege, auf dem Bau wäre ja eigentlich, dass sich die Arbeitgeber bemühen müssen, die Arbeits- bedingungen zu verbessern. Das werden sie aber nicht tun, wenn sie weiterhin – überspitzt formuliert – billige Arbeits- kräfte zugeführt bekommen. Deswegen muss es hier Regularien geben, damit Men- schen nicht als Mittel zum Zweck benutzt werden. Derzeit kommen wieder mehr Flücht- linge ins Land, nicht nur aus der Ukrai- ne; trotzdem sucht Deutschland Fachkräf- te aus dem Ausland. Wie kommt das? Die Menschen, die aus humanitären Grün- den zu uns kommen, erhalten zum Teil ja gar keine Arbeitserlaubnis, obwohl Arbeit ein super Mittel zur Integration ist. Aber bei der Bundesregierung liegt der Fokus da- rauf, möglichst viele entweder gar nicht hierher zu lassen oder wieder wegzuschi- cken. Nach wie vor gibt es die absurde Si- tuation, dass Menschen aus einem beste- henden Arbeitsverhältnis heraus abgescho- ben werden. Stattdessen müsste der Spur- wechsel vom Asylsystem in den Arbeits- markt deutlich erleichtert werden. Könnte das die Bemühungen um die Fachkräfteeinwanderung ersetzen? Nein, das glaube ich nicht. Wir brauchen Fortschritte auf allen Baustellen. Dazu ge- hört, dass das eigene Potenzial stärker ge- hoben wird: die hunderttausend Jugendli- chen, die jährlich keine Ausbildung finden, die tausenden ohne Schulabschluss, oder auch die Frauen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Zweitens müs- sen wir denen eine Chance geben, die aus in einer Notsituation heraus zu uns kom- men und gerne hier arbeiten wollen. Aber wir brauchen als dritten Punkt auch Fach- kräfteeinwanderung. Die Bundesregierung schreibt in ih- rem Gesetzentwurf, ihr Ansatz solle auch den Interessen von Herkunftsländern die- nen und „brain drain“ vermeiden, also die Abwanderung von Fachwissen. Kön- nen Sie das erkennen? Nein. Dieser Punkt ist für mich nicht wirk- lich geregelt. Das ist natürlich gerade in Be- reichen ein Problem, in denen die Her- kunftsländer selbst in einer Mangelsituati- on sind. Es gab ja schon etliche Berichte insbesondere aus Osteuropa, von wo Pfle- gekräfte zu uns gekommen sind, weil sie hier ein besseres Einkommen haben, aber der Notstand sich dann in den Osten ver- schoben hat. Sie haben eine dauerhafte Bleibeper- spektive als eine Mindestvoraussetzung für Erwerbsmigration genannt. Verbaut das nicht Anreize, nach einiger Zeit wie- der in das Heimatland zurückzukehren und sich dort einzubringen? Ob sie wieder gehen, muss die Entschei- dung dieser Menschen sein. Es geht nicht, dass gesagt wird, wir „benutzen“ diese Menschen für vier Jahre und dann lassen wir sie fallen. Denken Sie an den Spruch „Wir rufen Arbeitskräfte, aber es kommen Menschen“ – Menschen mit Familien, die eine entsprechende Infrastruktur benöti- gen, und die selbst entscheiden können müssen, ob sie hier bleiben wollen oder nicht. . Die Fragen stellte Helmut Stoltenberg. Susanne Ferschl (50) gehört dem Bundestag seit 2017 an und ist stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke . Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Verantwortliche Redakteure Lisa Brüßler (lbr) Claudia Heine (che) Nina Jeglinski (nki) Claus Peter Kosfeld (pk) Johanna Metz (joh) Elena Müller (emu) Sören Christian Reimer (scr) CvD Sandra Schmid (sas) Michael Schmidt (mis) Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Redaktionsschluss 00. Monat 2023 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. 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Ist dies nun, wie von den Ampelparteien vorgetragen, das „modernste Einwande- rungsgesetz Europas“? Er seufzt. „Wir haben doch schon eines der modernsten Einwanderungsgesetze“, entgegnet er. Ja, es herrsche in Deutschland ein Fachkräftemangel, bei dem aufzu- passen sei, dass dieser nicht zu einer Wachstumsbremse führe. „Aber erstmal müssen wir unsere inländischen Wachstumspo- tenziale ausschöpfen“, sagt Stracke. Seit 2009 vertritt er den Wahlkreis Ostallgäu in Berlin. Der CSU- Abgeordnete sieht noch viele Innovationen etwa bei der Verbes- serung der Arbeitsabläufe, „und dann kommt auch noch die KI“, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Außerdem seien da noch die vielen Chancen zur Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen, „aber da schafft die Bundesregierung nicht den Wechsel weg von einem starren Blick auf einen Acht-Stunden-Tag und hin zu einem auf die ganze Woche“. Auch die Kinderversorgung müsse verbessert werden, zur Steigerung der Arbeitsflexibilität. Grundsätzlich kritisiert Stracke, 49, am geplanten Gesetz einen Paradigmenwechsel. „Bisher hatten wir einen Fokus auf die Qua- lifikation der ausländischen Fachkraft nach deutschem Vorbild. Dieses Niveau soll deutlich gesenkt werden.“ Dadurch entstün- den Risiken für den Arbeitsmarkt. Doch was sollte getan werden, um mehr Leute ins Land zu krie- gen, die dem Fachkräftemangel begegnen? Stracke schwebt eine Bundesagentur für Einwanderung vor. „Wir müssen schneller, di- gitaler und einfacher beim Einwanderungsverfahren werden“, ..................................................................................................................................................... e c n a i l l a - e r u t c i p / a p d © »Wir müssen schneller, digitaler und einfacher beim Einwanderungs- verfahren werden.« argumentiert er. „Eine Agentur würde den Service aus einer Hand bieten.“ Derzeit gestalte sich die Kompetenzlage zwischen Kommune, Land und Bund als komplex. Zu den Themen Arbeit und Soziales arbeitet Stracke nicht seit 2009. Im Bundestag fing er mit der Arbeit im Gesundheitsaus- schuss an, und da es innerhalb der CSU-Landesgruppe Verände- rungen gegeben habe, wechselte er in den Ausschuss Arbeit und Soziales. „Das ist im Grunde ein Wirtschaftsausschuss und sehr spannend“, stellt er fest. Ganz ursprünglich aber kommt Stracke aus dem Baurecht. Diese Spezialisierung bahnte sich im Jurastudi- um an, bei einem Anwaltspraktikum. Der Jurist ging zur Landes- baudirektion in München, wechselte als Abteilungsleiter ins Staat- liche Bauamt München 1 und wurde dann Oberregierungsrat im Innenministerium. In der Familie sei seine Entscheidung, für den Bundestag zu kandidieren, zuerst mit Skepsis aufgenommen wor- den. Der Vater, ein Gymnasiallehrer, und die Mutter mit einem kleinen Handwerksbetrieb fanden seine Stellung als oberer Beam- ter so gut, warum in die wechselhafte Politik wechseln? „Beruflich und politisch war ich das schwarze Schaf in der Familie“, sagt er. Aber es schien angelegt. Da war die Politisierung in der Schule durch eine Politik-AG und nach dem Abitur der Eintritt in die Jun- ge Union. 2005 dann der CSU-Ortsvorsitz in Kaufbeuren und 2007 der stellvertretende Kreisvorsitz im Ostallgäu. Für den Bundestag sei er gefragt worden, vom Oberbürgermeis- ter. „Das war ein echter Wettbewerb, mit am Ende sieben Kandi- daten in der internen Schlussabstimmung“, erinnert er sich. Die Faszination fürs Bauen und Baurecht ist bei ihm geblieben. „Noch immer schaue ich mir gern Hochneubauten an, hab ein Interesse an Architektur.“ In seine Arbeit im Bundestag fließt dies ein – als Mitglied im Ältestenrat in der Raum- und Baukom- mission. Doch vorerst warten seine Kernthemen auf ihn, die Sit- zung des Arbeits- und Sozialausschusses beginnt gleich. Stracke legt auf und läuft los. Jan Rübel T