ENTLASTUNG IN SICHT Bundestag beschließt Reform der Pflegeversicherung ENDE IN SICHT Die Bundeswehr soll sich bis 2024 aus dem Mali-Einsatz zurückziehen SEITE 9 SEITE 5 H eizu n gsg esetz d er W och e: Baustein derEnergiewende T h e m a Streit u m s Berlin, 30. Mai 2023 www.das-parlament.de 73. Jahrgang | Nr. 22-24 | Preis 1 € | A 5544 HEIZUNGSGESETZ Die FDP blockiert den Gesetzentwurf - die Union will trotzdem reden Auf Eis gelegt was als Heizungs- KOPF DER WOCHE Holpriger Start ins Rennen . l / d r o f f i l C R s a g u o D m o c . S S E R P A M U Z / a p d © Ron DeSantis Nach einem dank Twitter sehr holprigen Start ins Präsidentschafts- rennen 2024 schaltet der Gouverneur von Florida diese Wo- che in den Wahl- kampfmodus. Um seinen Anspruch auf die Nachfolge von Joe Biden im zu Weißen Haus untermauern, reist der 44-jährige Ex- Navy-Offizier und Staatsanwalt gera- de durch die Bun- desstaaten und in- szeniert sich als Kämpfer für Freiheit und Vernunft. DeSantis, Absolvent der Elite-Uni- versitäten Yale und Harvard, hat in Florida das Abtreibungsrecht verschärft, das Waf- fenrecht gelockert und Todesurteile erleich- tert und sich damit den Beinamen „Trump mit Hirn“ erarbeitet. Genau jener Ex-Präsi- dent ist zugleich sein größter Konkurrent im Kandidatenrennen der Republikaner: In Um- fragen liegt Trump weiter klar vorne. joh T ZAHL DER WOCHE 31,4 Billionen US-Dollar beträgt zurzeit die Schuldenober- grenze der Vereinigten Staaten. Dieser Wert wurde bereits im Januar erreicht. Im Kongress konnten sich Demokraten und Republikaner vor Pfingsten nicht auf eine mögliche Erhö- hung einigen. Der US-Regierung könnte damit Anfang Juni die Zahlungsunfähigkeit drohen. ZITAT DER WOCHE »Ein Zahlungs- ausfall ist keine Option.« US-Präsident Joe Biden signalisiert Kom- promissbereitschaft zur Kürzung staatlicher Ausgaben, sieht aber „erhebliche Mei- nungsverschiedenheiten“ mit den opposi- tionellen Republikanern in Bezug auf Steu- ererhöhungen für Spitzenverdiener. IN DIESER WOCHE INNENPOLITIK Arbeitszeiterfassung ist nun der Bundestag am Zug Nach EuGH-Urteil Seite 4 INNENPOLITIK Wartezeiten teeinwanderung im Weg Bürokratie steht Fachkräf- Seite 6 streit begann, droht sich zur Re- gierungskrise aus- zuwachsen. Der von der Ampelko- alition aus SPD, Grünen und FDP be- schlossene Entwurf (20/6875) zur Ände- rung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ist innerhalb der FDP zunehmend umstritten. So umstritten, dass die Partei nicht mehr nur, wie im Mai, nach eigenem Bekunden 101 Fragen an den Wirtschafts- und Klima- schutzminister Robert Habeck (Grüne) hat, sondern zuletzt eine komplette Über- arbeitung der Pläne zum Heizungstausch forderte. Vergangene Woche dann verhin- derten die Liberalen, dass das Gesetz wie geplant in erster Lesung im Bundestag de- battiert wird. Ob das Gesetz, wie ange- strebt, noch vor der Sommerpause am 7. Juli durch den Bundestag gehen kann, ist damit fraglich. Habeck warf der FDP „Wortbruch“ vor. Aktuelle Stunde Auf Antrag der Unions- fraktion befasste sich das Parlament darauf- hin in einer Aktuellen Stunde mit dem The- ma „Heizungspläne der Bundesregierung stoppen – Wärmewende technologieoffen und sozial verträglich neu starten“. „Man fragt sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wie konnten Sie bei so sub- stanziellen Bedenken diesem Gesetzentwurf im Kabinett zustimmen?“, sagte Jens Spahn (CDU) eingangs der Debatte. „Wir haben eine Rekordinflation. Viele wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen, und Sie ziehen hier seit Tagen so ein Schau- spiel ab.“ Spahn forderte die Ampel auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und „im Sinne des Klimaschutzes“ noch mal ganz von vorne anzufangen. Aber eigentlich gehe es um grundsätzliche- res, so Spahn. Es gehe um den Zustand dieser Regierung und was das mit dem Land mache: „Wo ist eigentlich der Kanz- ler? Politische Führung ist mehr denn je gefragt. Aber vom Kanzler gibt es besten- falls Durchhaltephrasen à la ‚You’ll never walk alone‘“, so Spahn. „Wenn Sie hier Führungslosigkeit anpran- gern“, entgegnete Sozialdemokrat Matthias Miersch, „muss gefragt werden: Wer hat denn die Versorgungssicherheit mit Energie im letzten Jahr gesichert? Wer hat die Be- zahlbarkeit von Energie in diesem Land ge- sichert? Es war die Ampel.“ Er würde sich wünschen, von der Union mal was in der Sache zu hören, zum Thema Wärme zum Beispiel. „Stattdessen“, warf Miersch der Union vor, „gibt es eine populistische Wärmepumpen sind Teil der Heizungstauschpläne der Regierung. Die FDP findet: ein zu großer Teil und fordert mehr Technologieoffenheit. © picture-alliance/SVEN SIMON/Frank Hoermann Kampagne, mit der Sie den Menschen et- was vormachen und übelst mit ihren Ängs- ten spielen.“ Marc Bernhard (AfD) hielt den Abgeordne- ten der Ampel vor: „Als ich Ihnen im April vorgerechnet habe, dass dieser Heizungs- hammer die Menschen 2.000 Milliarden Euro kos- ten würde, haben Sie mit dem Kopf geschüttelt. Jetzt haben ganz offensichtlich Sie von der FDP mal selbst nachgerechnet und kom- men sogar auf 2.500 Milliar- den Euro.“ Deshalb sei klar: Die Wärmewende sei nicht machbar“: Es gebe nicht ge- nügend Wärmepumpen, nicht genügend Handwer- ker, nicht genügend Strom, „und die Menschen haben schon gar nicht genügend Geld, um diesen Wahnwitz zu bezahlen“. Andreas Audretsch von den Grünen wurde grundsätzlich: „Eine Vereinbarung in der Politik sollte etwas wert sein“, stellte er fest. Und erinnerte daran, dass SPD, Grüne und FDP die Novelle zum GEG schon im Koalitionsvertrag vereinbart, im Koalitions- »Wo ist der Kanzler? Vom Kanzler gibt es bestenfalls Durchhalte- phrasen.« Jens Spahn (CDU) ausschuss bestätigt und im Bundeskabinett beschlossen haben. „Und ja, es gab an der Stelle eine Protokollerklärung“, sagte Au- dretsch - aber auch in der stehe: „Die Frak- tionen des Deutschen Bundestages werden im parlamentarischen Verfahren diesen Gesetzentwurf intensiv be- raten und auch weitere notwendige Änderungen vornehmen.“ Und genau darum gehe es ihm. „Das Gesetz muss hier beraten Au- werden“, dretsch.„Dies ist der Ort, wo es hingehört. Das ist Aufgabe von uns Parla- mentariern.“ forderte »Murks« Für Linkenpoliti- kerin Amira Mohamed Ali macht „das Desaster“ um das Heizungsgesetz „das ganze Unvermögen dieser Bundesregierung sichtbar“. Ja, es brauche die Wärmewende, aber nicht auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger, und nicht auf dem Rücken der klammen Kommunen. „Sie beschleunigen nicht die Wärmewende, sie beschleunigen Politikverdrossenheit, und das ist hochge- fährlich für unsere Demokratie. Mit diesem Murks spielen Sie den rechten Klimaleug- nern direkt in die Hände. Und damit meine ich übrigens Sie alle miteinander, auch die FDP, die sich plötzlich als Retterin des klei- nen Mannes inszeniert.“ Als Vertreter der so angesprochenen FDP trat als nächstes Lukas Köhler ans Rednerpult. Er hätte von der Union Antworten auf wichtige Fragen erwartet, sagte Köhler. Aber: „Das Einzige, was Sie hier gemacht haben, ist, zu sagen: Es gibt ein Ringen in der Regierung darum, was die beste Lösung ist. Und das finden Sie problematisch. Das finde ich ir- gendwie traurig.“ Es sei doch klar: Es brau- che eine Novelle zum Gebäudeenergiege- setz. Und es sei auch klar: So, wie der Ge- setzentwurf von der Regierung gekommen sei, werde er nicht durchs Parlament gehen. Es braucht eine Novellierung. Und: „Hier ist der richtige Ort, wo wir das diskutieren.“ Ein Satz, den Jens Spahn mit dem Zwischenruf quittierte: „Ja, wo ist denn das Gesetz?“ .Wichtiger, als ein schnelles Gesetz zu ma- chen, fuhr Köhler fort, sei es jedoch, ein gutes Gesetz zu machen. Das bedeute eben, „dass wir jetzt darum ringen müssen, eben weil es ein so breites, so großes Ge- setz ist“. Michael SchmidtT ED I TO R IA L Mut zur Beratung VON CHRISTIAN ZENTNER Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, so zeigen aktuelle Umfragewerte: die Ampel wäre abgewählt. Ein Grund könnte auch die öffentli- che Diskussion um die als „Heizungshammer“ bekannt gewordene Reform des Gebäudeener- giegesetzes von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) sein, bei der es in der vergangenen Woche darum ging, wann und wie sie im Bundestag beraten werden soll. In Deutschland wird ein Drittel der Energie für die Heizung verbraucht. Fast jeder zweite Haushalt in Deutschland nutzt dabei Erdgas, gefolgt von Erdöl, das in jeder vierten Heizung verbrannt wird. Wärmepumpen machen keine drei Prozent aus und sollen mit der Reform bald viele der fossilen Heizungen ersetzen. Das zeigt das Maß an Betroffenheit der Menschen ebenso auf, wie das Problem. Schaut man auf die hohe Lebensdauer von Heizungen, 20 Jah- re und länger, und will das Ziel beibehalten, bis 2045 klimaneutral zu sein, ist klar, dass sich bald was ändern muss. Nur wie? Regierungsverantwortung bedeutet, dort eine Lösung vorzuschlagen. In der Bundesregierung ist die Ampel dieser Verantwortung gerecht ge- worden und hat dem Bundestag einen Gesetz- entwurf vorgelegt. Der sorgt seit Wochen für Aufsehen und hat unter anderem zu einem An- sturm auf neue Gas- und Ölheizungen geführt; aus Sorge vor einem drohenden Verbot und kli- mapolitisch völlig kontraproduktiv. Es ist nur schwer erklärbar, dass der Bundestag nun mit einer Aktuellen Stunde zwar eine Debatte über die Reformpläne geführt, nicht aber auch die Beratungen begonnen hat. Es gab in der De- batte kaum einen Redebeitrag, der nicht be- tont hätte, man müsse im parlamentarischen Verfahren noch um die Ausgestaltung des Ge- setzes ringen. Und dennoch konnte sich die Ampel nicht darauf einigen, damit nun in den Ausschüssen zu beginnen. Als gelungener Bei- trag zur Versachlichung der Diskussion über- zeugt dieses Vorgehen nicht. Am Ende wird es eine Reform des Gebäu- deenergiegesetzes geben müssen und je weit- reichender diese sein wird, desto mehr politi- schen Mut braucht es, dafür bei den Menschen um Zustimmung zu werben. Ein gutes parla- mentarisches Verfahren kann dabei helfen. Trotzdem könnten am Ende die Umfragewerte unter dem neuen Gesetz leiden. Über die Not- wendigkeit einer Reform oder ihren Inhalt kann man streiten, eines aber steht fest: Am Sonntag ist keine Bundestagswahl. EUROPA UND DIE WELT Russland „Wagner“ auf die EU-Terrorliste? Soll die Söldner-Gruppe Seite 8 Neue Kampfpanzer und Haubitzen für die Truppe WIRTSCHAFT UND FINANZEN Klima soll bis 2030 gedrosselt werden Der deutsche Energieverbrauch Seite 10 MIT DER BEILAGE Das Parlament Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG 64546 Mörfelden-Walldorf 2 2 4 2 2 4 194560 401004 VERTEIDIGUNG Haushaltsausschuss bewilligt rund 716 Millionen Euro für Beschaffungsvorhaben Die Bundeswehr erhält 18 neue Kampfpan- zer vom Typ Leopard 2A8 und zwölf Pan- zerhaubitzen 2000. Sie sollen die aus Bun- deswehrbeständen an die Ukraine abgege- ben 18 Leopard 2A6 und 14 Panzerhaubit- zen ersetzen. Die entsprechenden Verträge wurden am vergangenen Donnerstag vom Bundesamt für Ausrüstung, Informations- technik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und den Herstellern Krauss- Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall unterzeichnet. Einen Tag zuvor hatte der Haushaltsaus- schuss des Bundestages eine entsprechende Vorlage des Bundesfinanzministeriums be- willigt. Die Waffensysteme sollen bis 2026 an die Truppe ausgeliefert werden. Für die Beschaffung der Leopard-Kampf- panzer sind rund 525 Millionen Euro und für die der Panzerhaubitzen rund 191 Mil- lionen Euro vorgesehen. Alle Rüstungspro- jekte mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro müssen vor Vertragsab- schluss vom Haushaltsausschuss geneh- migt werden. Da es sich um Nachbeschaffungen für das an die Ukraine gelieferte Gerät handelt, wird das Rüstungsvorhaben weder aus dem Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehr. © picture alliance/Associated Press/Martin Meissner regulären Verteidigungshaushalt noch aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr finanziert, sondern aus den Mitteln für die sogenannte Ertüchti- gungsinitiative der Bundesregierung für Partnerstaaten im Bereich Sicherheit, Ver- teidigung und Stabilisierung, die im Ein- zelplan 60 des Bundeshaushaltes veran- schlagt sind. Zuletzt hatte die Wehrbeauftragte des Bun- destages, Eva Högl, anlässlich der Vorstel- lung ihres Jahresberichts Mitte März ein zügige Nachbeschaffung für die an die Ukraine abgetretenen Kampfpanzer und Panzerhaubitzen gefordert. Beim Leopard 2A8 handelt es sich um die aktuell modernste Version des Kampfpan- zers, der ab Ende der 1970er Jahre bei der Bundeswehr eingeführt wurde. Derzeit ver- fügt die Truppe über rund 310 Leopard- 2-Panzer der Entwicklungsstufen A5, A6 und A7. Ausgestattet werden soll der Leo- pard 2A8 auch mit dem Waffensystem Tro- phy zur Bekämpfung von Panzerabwehrge- schossen aller Art. Nach der Lieferung von Leopard-2-Panzern soll die Ukraine bis 2024 zudem mehr als 100 ältere Leopard-1A5 aus Beständen des Herstellers Rheinmetall erhalten. Dies hat- te Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei seinem Ukraine-Besuch Anfang Februar angekündigt. Die ersten Panzer sollen bis zum Sommer geliefert werden. Die Zusage umfasst wie bei der Lieferung der Leopard-2-Panzer auch die Ausbildung ukrainischer in Deutschland. Bei der Bundeswehr wurde die letzten Leopard-1-Panzer vor 20 Jahren ausgemustert. Alexander Weinlein T Panzerbesatzungen Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper