8 HAUSHALT 2024 Das Parlament - Nr. 37-38 - 9. September 2023 Der Patient Baerbocks Hader mit der Bremse AUSWÄRTIGES Kürzungen bei humanitärer Hilfe BUNDESWEHR Die Verteidigungsausgaben steigen auf einen Rekordwert – aber nur Dank des Sondervermögens Deutschlands Verteidi- gungsausgaben werden im kommenden Jahr mit rund 71 Milliarden Euro auf den höchsten Wert seit der deutschen Wie- dervereinigung im Jahr 1990 steigen. So sieht es der von der Bundesregierung vor- gelegte Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 vor. Erreicht wird diese Summe je- doch nur, weil dem regulären Wehretat (Einzelplan 14) von 51,8 Milliarden Euro weitere 19,2 Milliarden Euro aus dem Son- dervermögen Bundeswehr zufließen sollen. Gegenüber diesem Jahr kann Verteidi- gungsminister Boris Pistorius (SPD) in sei- nem regulären Etat somit ein Plus von 1,68 Milliarden Euro und bei den Mitteln aus dem Sondervermögen ein weiteres Plus von 8,41 Milliarden Euro verzeichnen. Da- mit stehe „im kommenden Jahr so viel Geld für unsere Bundeswehr zur Verfügung wie noch nie“, führte der Minister zum Auftakt der ersten Lesung seines Etats in der vergangenen Woche an. Euro 22,39 Milliarden Steigende Personalkosten So beeindru- ckend die rund 71 Milliarden Euro auch klingen, so können sie kaum die Schieflage im Wehretat verdecken. Die Erhöhung des Wehretats um 1,68 Milliarden reiche nicht einmal aus, um die steigenden Personal- und Betriebskosten der Bundeswehr auszu- gleichen, befand die CDU-Verteidigungspo- litikerin Kerstin Vieregge. Tatsächlich wird der Bund im kommenden Jahr mit insge- samt allein 1,76 Milliarden Euro mehr aufbringen müssen, um die Gehälter, Sozialabgaben und sonstigen Leistungen für seine 185.000 aktiven Soldaten und Reservisten sowie die 80.000 Zivilbeschäftigten zu bezahlen. Um die Personal- und Betriebskosten zu de- cken, wolle „die Ampelkoalition immer mehr Projekte ins Sondervermögen verla- gern“, monierte Vieregge. „Diese geplante Zweckentfremdung ist mehr als nur ein Wortbruch gegenüber dem Parlament. Es wäre laut Bundesrechnungshof sogar ein klarer Rechtsbruch.“ Auch der verteidi- gungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, warf der Ampelkoalition vor, sie verwässere die Kriterien für das Son- dervermögen und stopfe damit Löcher im regulären Haushalt. Kürzungen in Höhe von insgesamt 1,3 Milli- arden Euro, Einschnitte bei humanitärer Hil- fe und Krisenprävention: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machte am Mittwoch bei der ersten Beratung ihres Etats für das kommende Jahr keinen Hehl daraus, dass dies gerade mit Blick auf die „Lage, in der ein Krieg in Europa tobt“ auch aus ihrer Sicht „schmerzhaft“ sei. „Wir können uns die Schuldenbremse nicht wegwünschen. Trotz der Zeitenwende, so ehrlich müssen wir sein, gibt es schlichtweg hier im gesamten Deut- schen Bundestag nicht die nötige parlamen- tarische Zwei-Drittel-Mehrheit, um das zu ändern.“ Es gelte nun, „pragmatisch und ziel- gerichtet“ mit diesen Rahmenbedingungen zu arbeiten, sagte Baerbock und nannte als Schwerpunkte unter anderem die Fortset- zung der Unterstützung der Ukraine, Investi- tionen in globale Partnerschaften und ein trotz Kürzungen weiterhin schlagkräftiges Budget für die humanitäre Hilfe. Hart ins Gericht ging Johann David Wade- phul (CDU) mit der Koalition in Sachen Bundeswehr: Es sei völlig unklar, woher die geplanten 30 Milliarden Euro mehr für die Truppe in wenigen Jahren herkommen sol- len. „Sie arbeiten mit ungedeckten Schecks und das ist unverantwortlich.“ Wadephul kri- tisierte die Bundesregierung zudem dafür, dass sie zu spät Waffen an die Ukraine gelie- fert habe. „Das hat es den Russen ermöglicht, sich einzugraben und alles zu verminen, und darunter leidet jetzt die Ukraine in ihrer Kriegsführung.“ Auch im Falle des Abzugs der Bundeswehr aus Mali habe die Koalition Warnungen in den Wind geschlagen und ste- he nun vor dem „Trümmerhaufen“ ihrer Sa- hel-Politik. Wiebke Papenbrock (SPD) erinnerte an die schnelle Nothilfe Deutschlands nach dem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar: Das sei Teil deutscher Außenpo- litik und zeige, „dass wir sehr schnell reagie- ren können und dass wir da sind, wenn es darauf ankommt.“ Auch wenn der Etat des Auswärtigen Amtes im kommenden Jahr vo- raussichtlich kleiner klar: „Deutschland war immer verlässlich und wird es auch bleiben.“ Als Schwerpunkte für die weite- ren Haushaltsberatungen nannte Papenbrock unter anderem die Digitalisierung – etwa bei Krisenfrüherken- nung und der Visavergabe – sowie die Förderung der deutschen Sprache im Rah- men der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Michael Espendiller (AfD) lenkte den Blick auf anhal- tend hohe Energie- und Le- bensmittelpreise hierzulan- de, die auch eine Folge der deutschen Außen- politik seien. Die Sanktionen wegen des rus- sischen Angriffskrieges auf die Ukraine scha- deten nicht Russland, „sondern uns selbst, unserem Land, unserem Industriestandort und unserem Wohlstand“. Selbst die EU-Part- ner würden nun „mehr und mehr ihr eigenes Ding machen“, sagte Espendiller. So seien Spanien und Belgien nach China die größten Importeure von russischem LNG – trotz Sanktionen. „Da geht sie hin, Ihre Solidarität in der EU.“ Ab jetzt heiße es offenbar: Rette sich wer kann. Michael Georg Link (FDP) forderte deutli- chere Anstrengungen, „damit die Ukraine diesen Verteidigungskampf gewinnt“. Der Faktor Zeit sei hier entscheidend – ebenso wie zusätzliche Waffenlieferungen wie die ausfalle, sei des Marschflugkörpers Taurus. Mit Sorge blickte Link zudem auf die Erweiterung der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die zwar nicht ho- mogen sei, sich aber in eine „echte Gegenor- ganisation gegen die G7, gegen den Westen“ entwickeln könnte. Es müsse um eine noch kooperativere Außenpolitik gehen, um weni- ger Staaten der Einflussnahme aus China und Russland zu überlassen, sagte Link. Das werde aber nicht funktionieren, wenn „wir nur belehrend auftreten“. Gregor Gysi (Die Linke) unterstrich, dass es kein Zufall sei, dass BRICS Zulauf bekomme. Schon mit dieser ersten Erweiterung um sechs Staaten entstehe ein Bündnis mit mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung. „Diese Länder wollen keine Vasallen der USA sein.“ Sie könnten auch dem Moralismus der Nato, der EU, Bundesregierung und vor allem der USA nicht nachvollziehen, denn dieser Mo- ralismus galt auch nicht im Falle des völker- rechtswidrigen Kriegs der Nato gegen Ser- bien und der Abtrennung des Kosovo und auch nicht im Fall des völkerrechtswidrigen Kriegs der USA und anderer gegen den Irak, so Gysi. Einschnitte Das Auswärtige Amt soll laut Entwurf der Bundesregierung für den Bun- deshaushalt 2024 (20/7800) im kommenden Jahr mit Ausgaben in Höhe von 6,16 Milliarden Euro planen kön- nen, das sind rund 1,32 Mil- liarden Euro weniger als im laufenden Jahr (7,48 Milliar- den Euro). Das umfang- reichste Kapitel im Einzel- plan 05 ist die „Sicherung von Frieden und Stabilität“, hierfür soll Baerbocks Res- sort drei Milliarden Euro ausgeben können (2023: 4,39 Milliarden Euro). Da- von entfallen 707,09 Millionen Euro auf Leistungen an die Vereinten Nationen und im internationalen Bereich (2023: 923,74 Millionen Euro). Größere Kürzungen sind auch bei der humanitären Hilfe und der Kri- senprävention geplant, der Ansatz soll von 3,33 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro schrumpfen, die Mittel für humanitäre Hilfe allein um rund 978 Millionen Euro. Eine Milliarde Euro sollen für die Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland be- reitgestellt werden (2023: 1,07 Milliarden Euro). Ein Plus von 112,8 Millionen Euro sieht der Entwurf im Kapitel „Bundesminis- terium“ vor: Eingeplant sind 1,73 Milliarden Euro (2023: 1,62 Milliarden Euro), hier schlagen unter anderem geplante IT-Dienst- leistungen zu Buche. Alexander Heinrich T »Wir können uns die Schulden- bremse nicht weg- wünschen.« Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Sondervermögen Der FDP-Haushaltspo- litiker Karsten Klein wies diese Kritik zu- rück. Der von der Bundesregierung vorge- legte Formulierungsvorschlag für eine Än- derung der Zweckbindung des Sonderver- mögens widerspreche in „keiner Weise“ der in der Verfassung niedergelegten Formulie- rung. „Wir werden hier im Haus sehr in- tensiv diskutieren, in welchem Umfang und in welcher Art und Weise und ob überhaupt wir die Zweckbindung des Son- dervermögens ändern“, versprach Klein. Im Bundesgesetz zur Einrichtung des Son- dervermögens heißt es jedoch, es diene „zur Finanzierung insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und zur Ertüchtigung der Bundeswehr“. Bislang Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beobachtet Anfang August während seines Besuchs beim Sanitätsregiment 3 im baden- württembergischen Dornstadt eine Übung der Bundeswehr. © picture-alliance/DeFodi Images/Harry Langer war darunter vor allem die Beschaffung von militärischem Großgerät verstanden worden. Im kommenden Jahr soll erstmals auch die Beschaffung von Munition aus dem Sondervermögen finanziert werden. Rund 3,08 Milliarden Euro sind dafür vor- gesehen. Aus dem regulären Wehretat sol- len hingegen lediglich 467 Millionen bei- gesteuert werden. Überhaupt sind im Wehretat mit nur noch 2,7 Milliarden Euro rund fünf Milliarden Euro weniger für mi- litärische Beschaffungen eingeplant als noch in diesem Jahr. Die militärischen Be- schaffungen sollen zu 88 Prozent aus dem Sondervermögen finanziert werden. Die dadurch frei werdenden Gelder im Wehretat sollen verstärkt in die Materialer- haltung, Kasernen und andere militärische Liegenschaften investiert werden. So sollen die Mittel für den Materialerhalt um 1,6 Mil- liarden Euro auf insgesamt 6,45 Milliarden und die Mittel für Unterbringung um 1,4 Milliarden Euro auf insgesamt 7,73 Mil- liarden Euro erhöht werden. Doch Verteidi- gungsminister Pistorius weiß, dass das Son- dervermögen spätestens 2028 aufgebraucht sein wird. Dann müsse der Wehretat deut- lich erhöht werden. Die Union bezifferte die drohende Lücke im Wehretat gar auf 30 Mil- liarden Euro im Jahr. Zwei-Prozent-Ziel Widerspruch bei der Union rief die Ankündigung von Pistorius und den Abgeordneten der Ampelkoaliti- on hervor, Deutschland werde im kom- menden Jahr erstmals das zugesagte Nato- Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandpro- duktes für Verteidigung auszugeben, errei- chen. Dies schaffe die Bundesregierung aber nur, weil sie aus anderen Ressorts wei- tere 14 Milliarden Euro zu den verteidi- gungsrelevanten Ausgaben hinzurechne, kritisierte der verteidigungspolitische Spre- cher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), und fügte an: „All diese billigen fis- kalischen Taschenspielertricks helfen der Bundeswehr aber nicht, verteidigungsfähi- ger zu werden.“ Der Andreas Schwarz räumte denn auch ein, dass das SPD-Haushaltspolitiker Zwei-Prozent-Ziel durch die Ausgaben in anderen Ministerien und aus dem Einzel- plan 60 erreicht werde. Dort sind beispiels- weise vier Milliarden Euro für die „Ertüchti- gung von Partnerstaaten im Bereich Sicher- heit, Verteidigung und Stabilisierung“ ein- geplant, konkret geht es um die Militärhilfe für die Ukraine. Taurus-Marschflugkörper In der Debatte sprach sich die Grünen-Verteidigungspoli- tikerin Agnieszka Brugger dezidiert für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine im Rahmen dieser Militär- hilfe aus. Jede Waffenlieferung habe zwar ihre Risiken, aber „auch Verweigern und Verzögern“ könne letztlich zu einer „Eska- lation beitragen“. Die Haushaltspolitikerin Gesine Lötzsch (Linke) lehnte die Lieferung von Marsch- flugkörpern hingegen kategorisch ab. Die Bundesregierung müsse sich vielmehr ent- schlossen für einen sofortigen Waffenstill- stand zwischen Russland und der Ukraine einsetzen. Alexander Weinlein T Mehr Bedarf, weniger Mittel ENTWICKLUNG Für die Unterstützung armer Länder will die Bundesregierung trotz weltweiter Krisen in den kommenden Jahren deutlich weniger Geld ausgegeben »Dieser Haushalts- entwurf ist genau das Gegenteil von Zeitenwende.« Volkmar Klein (CDU) Der Rotstift macht 2024 auch vor der Ent- wicklungszusammenarbeit nicht halt. Aus- gaben für weltweite Krisenbewältigung und den Wiederaufbau von Infrastruktur? Sol- len um 22 Prozent auf 962 Millionen Euro sinken. Mittel für die Zusammenarbeit mit den Partnerländern? Will die Bundesregierung um 470 Millionen Euro auf 5,29 Milliarden Euro zu- sammenstreichen. Der Bei- zum „Europäischen trag Entwicklungsfonds“? Ist nur noch in einer Höhe von 329,28 Millionen Euro vorgesehen (2023: 432,18 Millionen Euro). Weniger Geld soll es unter anderem auch für die multilaterale Entwicklungszusammenar- beit und die vier Sonderini- tiativen des Ministeriums geben. 600 Millionen weniger Insgesamt soll das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Führung von Svenja Schulze (SPD) nur noch 11,52 Milliarden Euro statt bis- her 12,16 Milliarden Euro ausgeben dür- fen. Ein Minus von 600 Millionen Euro, obwohl die Preise auch in den Partnerlän- Finanzplanung dern stark gestiegen sind. Eine Moment- aufnahme in Zeiten des Sparzwangs? Of- fenbar nicht, denn die Bundesregierung will den Gürtel des aktuell zweitgrößten Geberlandes der Welt auch in den kom- menden Jahren enger schnallen: So sieht die bis 2027 ein Absinken des Etats auf rund 10,3 Milliar- den Euro für 2025 bezie- hungsweise von 10,4 Milli- arden Euro für die Folge- jahre vor. Auch die Ver- pflichtungsermächtigun- gen, also die Ausgabenfest- legungen, Entwick- lungsvorhaben für längere Zeit sollen, schmelzen bis 2029 ganz erheblich ab. Was das aus ihrer Sicht für die Entwick- lungspolitik der Bundesrepublik und die Partnerländer bedeutet, machte Ressortche- fin Schulze am Dienstag in der ersten Bera- tung des Entwurfs deutlich. Die Kürzungen würden Deutschlands Handlungsspiel- raum deutlich einschränken, warnte sie. Dabei wirke Entwicklungspolitik durch Langfristigkeit. „Es geht darum, bestehende Strukturen nachhaltig zu verändern, damit Krisen vorgebeugt wird, damit Wandel ge- absichern die lingen kann.“ Als Beispiel nannte Schulze Programme, die auf soziale Sicherheit ab- zielten. „Wenn Menschen sozial abgesi- chert sind, etwa gegen Krankheit oder Ar- mut, stärkt das Gesellschaften wirtschaft- lich und auch politisch.“ Die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken sahen das genauso. „Wenn die glo- balen Herausforderungen wachsen, müs- sen wir unser Engagement verstärken“, sag- te Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grü- nen). Jedes Versäumnis könne in der Zu- kunft einen viel höheren Preis kosten. Brugger verwies auf die Eins-zu-eins-Rege- lung im Koalitionsvertrag der Ampel, wo- nach für jeden Euro, der für Verteidigung ausgegeben wird, ein Euro mehr für Ent- wicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe oder Diplomatie investiert werden soll. „Davon sind wir im Regierungsent- wurf zum Haushalt leider weit entfernt“, sagte die Grünenabgeordnete. Volkmar Klein (CDU) sprach von einem „riesigen Kontrast zu früheren Zeiten“ un- ter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), als der Entwicklungsetat fünfzehn Mal in Folge gestiegen sei. Auch sei die von der Ampel angekündigte Zeitenwende nicht er- kennbar. „Zeitenwende bedeutet doch: Wir brauchen eine andere Reaktion auf die au- ßenpolitische Realität“, sagte Klein. Dazu gehöre ein Mehr an internationaler Part- nerschaft und Geld. Cornelia Möhring (Die Linke) warf der Mi- nisterin vor, Vertrauen zu zerstören. Immer wieder habe sie von globaler Verantwor- tung und von der Verlässlichkeit Deutsch- lands für die Länder des globalen Südens gesprochen. Doch mit diesem Haushalt er- reiche sie das Gegenteil. Die Bundesregie- rung, urteilte Möhring, kürze „auch auf globaler Ebene nur an einer Stelle, nämlich auf dem Rücken der Schwächsten“. Schulzes Parteikollegin Sanae Abdi (SPD) räumte ein, „vor einer eigentlich unlösba- ren Aufgabe“ zu stehen: Einerseits habe sie Verständnis dafür, dass die herausfordern- den Zeiten eine Anpassung der finanzpoli- tischen Prioritäten erfordere. „Andererseits kann ich als Entwicklungspolitikerin mit der Ausstattung unseres Einzelplans vor al- lem auf lange Sicht nicht zufrieden sein.“ Sie werde Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beim Wort nehmen, der bei der Vorstellung des Regierungsentwurfs be- tont habe, dass die neue geopolitische Rea- lität auch mit finanziellen Mitteln unter- legt werden müsse. Claudia Raffelhüschen (FDP) verteidigte indes den Sparkurs des Ministers. „Wir müssen lernen, weltweit mehr Brände zu löschen, ohne auf Kosten nachfolgender Generationen einfach nur die Wassermen- ge zu erhöhen.“ Der Entwurf mache aus ih- rer Sicht „das Bestmögliche“ aus den vor- handenen Mitteln. Wichtig sei ein Höchst- maß an Transparenz bei der Mittelverwen- dung, ohne dabei die praktische Arbeit in Bürokratie zu ersticken. Lob für den schmaleren Etat kam einzig aus der AfD-Fraktion. Michael Espendiller befand, es sei „ein offenes Geheimnis, dass Entwicklungshilfe größtenteils wirkungslo- ser Nonsens ist“. 11,5 Milliarden Euro seien daher immer noch „viel zu viel Geld“. Er kündigte an, seine Fraktion werde im Zuge der Haushaltsberatungen Kürzungen um mindesten 50 Prozent beantragen. Kritik von NGOs Entwicklungsorganisatio- nen hatten die Kürzungspläne der Bundes- regierung schon im Vorfeld heftig kritisiert. Die Entwicklungszusammenarbeit dürfe nicht wegen höherer Verteidigungsausga- ben gekürzt werden, warnte etwa die Präsi- dentin von „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin. Für sie steht der Haushaltsentwurf im Widerspruch zur Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, für die auch Entwick- lungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe eine wichtige Rolle spielen. Die Kür- zungen bei humanitärer Hilfe und Krisen- prävention sollen jedoch ganz besonders drastisch ausfallen: Statt 3,33 Milliarden Euro in diesem Jahr stehen 2024 nur noch 2,2 Milliarden Euro im Etat des Auswärti- gen Amtes (siehe Text oben rechts). Das BMZ kann nur an wenigen Stellen mit einem geringfügigen Mehr an Mitteln rech- nen: bei den Ausgaben für die Vereinten Nationen zum Beispiel und bei den multi- lateralen Hilfen zum weltweiten Umwelt- schutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz. Letzteres ist bedeutend, weil 85 Prozent des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung aus dem BMZ-Etat stammen. Johanna Metz T