8 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 40-41 - 30. September 2023 M it generativer Künstli- cher Intelligenz (KI) könnte eine Arbeit- nehmerin oder ein Arbeitnehmer in Deutschland zukünf- tig rund 100 Stunden im Jahr sparen. Denn KI könnte eigenständig Dokumente verfas- sen oder Daten analysieren. Das hat kürzlich eine Studie des Forschungsinstituts IW Con- sult im Auftrag von Google herausgefunden. Angestellte könnten die frei werdende Zeit für produktivere Tätigkeiten nutzen. Insbe- sondere in Zeiten des Fachkräftemangels werde KI daher entscheidend sein, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland zu sichern. Mit der 2018 verabschiedeten KI-Strategie schlug die damalige Bundesregierung den Weg ein, Künstliche Intelligenz „Made in Germany“ an der Weltspitze zu etablieren. Dafür hatte sie bis zum Jahr 2025 insgesamt fünf Milliarden Euro bereitgestellt. Auch hatte der Bundestag in der vergange- nen 19. Wahlperiode (2017-2021) eine En- quete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirt- schaftliche, soziale und ökonomische Poten- ziale“ einberufen, die den zukünftigen Ein- fluss der Künstlichen Intelligenz untersuchen sollte. Am Ende kam die Kommission unter anderem zu dem Ergebnis, dass die KI-For- schung mit mehr Ressourcen ausgestattet und der Transfer von Forschung in die An- wendung verbessert werden müsse. Seit der Veröffentlichung des Abschlussbe- richts der Enquete-Kommission im Jahr 2020 und dem Beschluss der deutschen KI- Strategie 2018 hat sich viel verändert; KI-An- wendungen haben sich rasant entwickelt. Spätestens seit der Chatbot ChatGPT im No- vember 2022 für die breite Öffentlichkeit zu- gänglich wurde, ist KI in aller Munde und hat bereits in vielen Unternehmen adminis- trative Routinetätigkeiten übernommen. »Update« geplant An die neuen Entwick- lungen und Bedarfe wurde auch die KI-Stra- tegie der Bundesregierung angepasst, zuletzt im Dezember 2020. Jetzt soll diese Strategie ein „Update“ bekommen: den KI-Aktions- plan. Mit diesem will die Bundesforschungs- ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz in Deutschland einen „neuen Schub“ geben, so sagte sie es bei der Vorstellung des Aktions- plans am 23. August. Bisher ist nur eine Zu- sammenfassung der wichtigsten Eckpunkte des Aktionsplans öffentlich. Fest steht be- reits, dass allein das Forschungsministerium in dieser Legislatur rund 1,6 Milliarden Euro in KI investieren will. Ziel sei es, dass Deutschland eine Spitzenposition in der Welt im Bereich KI einnehme. Doch die Bestrebungen der Bundesregierung gehen der CDU/CSU-Fraktion nicht weit ge- nug. Der angekündigte Aktionsplan zeige zwar viele Handlungsfelder auf, doch die Fi- nanzierung bleibe unklar. Das schreibt die Fraktion in einem Antrag (20/8414) mit dem Titel „Künstliche Intelligenz als Schlüs- seltechnologie für Deutschlands Zukunft stärken“. In dem Antrag fordert die Union die Bundesregierung auf, einen Strategiepro- zess für die Förderung von Open-Source-KI aufzusetzen. Ferner müsse die Regierung, durch den Ausbau und die Erweiterung der vorhandenen Supercomputing-Infrastruktur in Deutschland die Voraussetzungen dafür schaffen, „geeignete Rechenkapazitäten be- reitzustellen für die Erstellung großer KI-Mo- delle“. Beim Thema KI müsse eindeutig mehr ge- macht werden, betonte Thomas Jarzombek (CDU) am Donnerstag im Plenum, als der Bundestag erstmals über den Antrag beriet. Der Staat müsse „Ankerkunde“ sein, junge Technologien mit Aufträgen versehen und nicht nur bei den „amerikanischen Gigan- ten“ einkaufen. Die Bundesregierung dürfe keine weiteren Mittel für neue Technologien Förderung geöffnet SOZIALE INNOVATIONEN Regierung legt Strategie vor Von einer Strategie, „die es vorher noch nicht gab“, sprach Melis Sekmen (Bündnis 90/Die Grünen); einen „Zugang, wo vorher keiner war“, nannte es Bundesbildungsmi- nisterin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Im Plenum wurde am Freitagmorgen die Un- terrichtung (20/8372) der Bundesregierung zur Nationalen Strategie für soziale Inno- vationen und gemeinwohlorientierte Un- ternehmen debattiert. Diese sollen künftig besser unterstützt werden und leichteren Zugang zu Förderprogrammen bekom- men. So sollen zum Beispiel ab November zwölf Millionen Euro für „frische Ideen“ von Studierenden und Postdocs bereitge- stellt werden, kündigte Stark-Watzinger im Plenum an. „Wir wollen mehr soziale Start-ups.“ Dafür sei die Strategie ein „Fort- schrittmacher“, sagte die Ministerin. Neue Konzepte gewünscht Unter sozia- len Innovationen versteht die Bundesregie- rung vor allem neue soziale Praktiken und Organisationsmodelle, die zu tragfähigen und nachhaltigen Lösungen für die He- rausforderungen der Gesellschaft beitra- gen. Dazu zählten beispielsweise neue Pflegekonzepte, neue Anwendungsoptio- nen von technischen Geräten, neue Netz- werke oder neue Mobilitätskonzepte. Ge- meinwohlorientierte Unternehmen sind laut Strategie solche, für die das soziale oder ökologische, gemeinwohlorientierte Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätig- keit darstellt. „Soziale Innovationen erhalten bei Unter- nehmensneugründungen einen beachtli- chen und wachsenden Stellenwert und leis- ten so einen wichtigen Beitrag zur Entwick- lung unserer sozial-ökologischen Markt- wirtschaft und zur Wettbewerbsfähigkeit des Innovationsstandortes Deutschland“, heißt es in der Unterrichtung weiter. Nicole Bauer (FDP) nannte die Strategie einen Weg, der es Gründern ermögliche, eine bes- sere Zukunft zu bauen: „Im Mittelpunkt steht der positive Impact auf unsere Wirt- schaft, denn sogenannte Social Entrepre- neurs schaffen Arbeitsplätze und Wachs- tum.“ Sabine Poschmann (SPD) machte deutlich, dass die Strategie längst überfällig sei: Deutschland hinke im europäischen Ver- gleich bei der Förderung sozialer Innova- tionen hinterher, man müsse deshalb zügig an der Umsetzung der Strategie arbeiten. Besonders Frauen, die im Segment der ge- meinwohlorientierten Unternehmen über- durchschnittlich vertreten seien, sollen künftig gefördert werden, berichtete die Grünenpolitikerin Sekmen. Von der Linksfraktion kam Zustimmung: „Wir begrüßen, dass Sie Genossenschaften das Leben erleichtern wollen“, sagte Petra Sitte in der Debatte. Gemeinwohlorientier- te Unternehmen verdienten einen leichte- ren Zugang zu Förderung. „Zu viele Absichtserklärungen und Prüfauf- träge“, monierte hingegen Nadine Schön (CDU) an dem Papier. Sie fragte, warum die Bundesregierung nicht mehr Mut zeige, bei dem Thema größer zu denken: „Wir brauchen ein ganzes Ökosystem für dieses Thema, ein Gesamtkonzept.“ Die AfD-Fraktion sah in der Strategie den Versuch, die deutsche Wirtschaft zu einer „Planwirtschaft“ und zum „Ökosozialis- mus“ umzubauen. „Sie werden jedoch scheitern mit dieser Strategie“, kündigte der Abgeordnete Malte Kaufmann an. Im Anschluss an die Debatte wurde die Unterrichtung zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen. emu T Starthilfen für Gründer START-UP-STRATEGIE Ampel: 40 Prozent umgesetzt Mehr als 40 Prozent der 130 Maßnahmen der Startup-Strategie, die die Bundesregie- rung im Juli 2022 beschlossen hat, sind laut einem Zwischenbericht der Regierung bereits umgesetzt worden. „Das ist eine gute Bilanz und das ist ein gu- tes Signal für die Start-ups, die auf uns bau- en können“, sagte Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) in der Debatte zu der Vorlage (20/8450) am Mittwoch. Christmann zitierte den Anfang der Woche veröffentlichten „Deutschen Startup Moni- tor“, demnach acht von zehn Start-ups sa- gen, dass sie wieder in Deutschland grün- den würden: „Das zeigt: Wir sind ein star- ker Standort“, so die Beauftragte des Bun- desministeriums für Wirtschaft und Klima- schutz für die Digitale Wirtschaft und Start-ups. Mehr Kreativität gefordert Den „Startup Monitor“ führte auch Klaus Wiener (CDU) an, er nutzte die Umfrage jedoch, um Kri- tik an der Wirtschaftspolitik der Ampelre- gierung zu üben: „Nur noch 58 Prozent be- werten das Start-up-Ökosystem als positiv. Vor einem Jahr waren es noch zehn Pro- zentpunkte mehr, also ein deutlicher Un- terschied.“ Aus der AfD-Fraktion kamen weitere Zah- len, die zeigen sollen, dass die Startup- Strategie der Bundesregierung nicht funk- tioniert: „70 Prozent der Start-ups in Deutschland überleben die ersten drei Jah- re nicht. Fast 80 Prozent der bestehenden Start-ups wissen nicht, wie sie die kom- menden zwei Jahre überbrücken sollen. 34 Prozent überlegen, wegen des Kapitalman- gels ihren Sitz ins Ausland zu verlegen“, listet Enrico Komning auf. Für Schulter- klopfen für das vermeintlich Erreichte be- stehe daher kein Anlass, sagte der AfD-Ab- geordnete. Lena Werner (SPD) hatte einen Vorschlag, wie der Staat Start-ups künftig noch besser unterstützen könnte: „Die öffentliche Hand kann aber mehr tun, als nur Geld zur Verfügung zu stellen. Gerade bei der öf- fentlichen Vergabe werden Start-ups aktuell nicht ausreichend berücksichtigt“, sagte Werner im Plenum. Für mehr Experimentierfreude sprach sich Gerhard Ulrich von der FDP-Fraktion aus. Transformationsprozesse werde man nicht bewältigen können, wenn man in festge- fahrenen Strukturen denke: „Deshalb sollte beim Experimentieren nicht nur die Wirt- schaft angesprochen werden, sondern auch die Verwaltung und vor allen Dingen die Regulierung.“ Was in dem Bericht völlig fehle, sei, dass Start-ups, die nach wenigen Jahren schon Hunderte oder gar Tausende Beschäftigte haben, oftmals noch keinen Betriebsrat und keine Mitbestimmung hätten, kritisier- te hingegen Alexander Ulrich (Die Linke). Es brauche eine vielfältigere Gründerszene und damit gezielte Angebote für Frauen, sagte Melis Sekmen (Bündnis 90/Die Grü- nen). Sie plädierte für Haushaltsmittel für den Exist-Women-Fonds, der gezielt Grün- derinnen fördern soll. emu T Blick in die Zukunft KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Unionsfraktion fordert, Deutschland an die Weltspitze zu bringen KI wird als Schlüsseltechnologie der Zukunft angesehen. © picture-alliance/SZ Photo/Robert Haas wie KI kürzen. Maximilian Funke-Kaiser (FDP) erwiderte, dass die Forschungsminis- terin 1,6 Milliarden Euro allein in KI inves- tiere. Das sei mehr als jede Vorgängerregie- rung zuvor. Die Bundesregierung sorge so dafür, dass Deutschland als „voll industriali- siertes Hochtechnologieland“ die Entwick- lung von KI mitgestalten könne. Funke-Kai- ser kritisierte, dass der Antrag der Union nicht einmal in einem Nebensatz digitale Bürgerrechte anspreche. Da sei die Bundesre- gierung bereits weiter, schließlich arbeite sie auf europäischer Ebene an einer KI-Verord- nung mit. Linke warnt vor Risiken Dass der Unions- antrag eine sinnvolle Balance zwischen tat- sächlichen Chancen und Risiken der Techno- logie vernachlässige, betonte auch Petra Sitte (Die Linke). So könne KI erhebliche Proble- me für die Gesellschaft, Menschen und die Natur hervorbringen. In der kommenden eu- ropäischen KI-Verordnung würden Unter- nehmen weiterhin Ausnahmeregeln erhal- ten, während Schulen und Behörden streng in die Pflicht genommen würden. Das dürfe die Bundesregierung nicht hinnehmen. Auch Holger Becker (SPD) äußerte sich zur europäischen KI-Verordnung, die den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der EU normieren soll. Geplant sei, dass die Regelungen noch Ende des Jahres verabschiedet werden. Die Forderung der Union, Deutschland müsse zusammen mit Europa seine Souveränität im Bereich KI stärken und einen starken euro- päischen Rechtsrahmen entwickeln, setze die Bundesregierung bereits um. Dass man schon weiter sei als die Unions- fraktion, betonte auch Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grüne). Zudem würden in dem Antrag viele wichtige Aspekte hinsicht- lich KI fehlen. Beispielsweise dürften Arbeits- plätze nicht durch den Einsatz von KI ver- schwinden, sondern lediglich verbessert wer- den. Der Antrag der Unionsfraktion habe noch „Luft nach oben“, sagte auch Barbara Benk- stein (AfD). In Deutschland brauche es mehr digitale Souveränität, um von den großen Techkonzernen weniger abhängiger zu sein. Im Anschluss an die rund 40-minütige Aus- sprache wurde der Antrag zur weiteren Bera- tung an die Ausschüsse überwiesen. Die Fe- derführung liegt beim Ausschuss für Bildung und Forschung. Carolin Hasse T > STICHWORT Künstliche Intelligenz (KI) > Generative KI Dies ist eine Technologie der Künstlichen Intelligenz, die selbst In- halte wie Bilder oder Texte erzeugen kann. Dafür nutzt die Technologie gesammelte Informationen aus dem Internet. ChatGPT ist beispielsweise eine generative KI. > Open Source KI Dabei handelt es sich um Technologien der Künstlichen Intelli- genz, deren Quellcode der Öffentlichkeit frei zugänglich ist. Andere Entwickler kön- nen so auf den Code zugreifen, selbst nut- zen, anpassen oder verbessern. Aufholjagd soll starten Der Preis des Mülls DATEN Die Regierung möchte mehr Daten in höherer Qualität – die Opposition findet die Strategie zu unkonkret EINWEGPLASTIK Abgabesätze für Hersteller beschlossen Das Nutzen und Teilen von Daten muss der Normalfall werden – so skizziert Da- niela Kluckert (FDP), Staatssekretärin im Digitalministerium von Volker Wissing (FDP)´, die Vision für den künftigen Um- gang mit dem Thema. Bedenken sollten nur dann berücksichtigt werden, wenn die- se begründet seien, erklärte sie den Kultur- wandel in der Datenstrategie (20/8260), die am Donnerstag erstmals im Bundestag debattiert wurde. Die weitere Beratung übernimmt der Digitalausschuss. Die Strategie bereite zwar den Boden für die Aufholjagd beim Thema Daten, nötig sei aber die Mitarbeit aller, sagte die Staats- sekretärin weiter. Mit der Strategie möchte die Bundesregierung erreichen, dass Daten in größerem Umfang und besserer Qualität zur Verfügung stehen. Diese seien zentral für die digitale und ökologische Transfor- mation von Wirtschaft, Wissenschaft, öf- fentlicher Hand und Gesellschaft, heißt es in dem 17-seitigen Dokument. Definiert wird in der Strategie eine Roadmap bis En- de 2024: Danach sollen noch in diesem Jahr etwa ein Gesundheitsdatennutzungs- gesetz und eine Änderung im Bundesda- tenschutzgesetz vorgelegt werden. Für 2024 sind das Mobilitätsdatengesetz, das For- schungsdatengesetz, der Rechtsanspruch auf Open Data und das Bundestranspa- renzgesetz als Vorhaben aufgeführt. Ent- scheidend sei, dass datengetriebene Inno- vationen und Schutzrechte zusammenge- bracht werden und das Vertrauen von Bür- gern und Unternehmen für den Austausch von Daten gestärkt werde, anstatt auf die- sen zu sitzen, so Kluckert. Unterstützung bekam sie von Volker Redder (FDP), der betonte, dass die meisten Datensammlungen mithilfe von Steuergeldern entstan- den seien. Es sei nur „fair und gerecht“, diese Wirt- schaft und Bürgern als neue Möglichkeiten der Wert- schöpfung zur Verfügung zu stellen. Zu wenig konkret Die Strategie komme reichlich spät und enthalte keine Maßnahmen, konkreten kritisierte Nadine Schön (CDU) für die Unionsfraktion. Die Über- schrift biete zwar einen positiven Zugang zum Thema Daten, allerdings sei die Frage, ob auch die Maßnahmen diesen „optimis- tischen Geist“ tragen. Der Zugang zu Da- ten in allen Bereichen sei essenziell sagte Schön und verwies auf Forscher, die oft- mals Daten aus dem Ausland nutzen müss- ten oder die direkt ins Ausland gingen, um forschen zu können. Mit Blick auf das für 2024 angekündigte Forschungsdatengesetz bemängelte sie: „Deutschlandtempo ist das nicht.“ Kritik kam auch von der Linken: Anke Domscheit-Berg nannte die Strategie „noch schlechter als die der Großen Koalition“: Es fehle an Priorisierung, Konkretion und Festlegun- gen bei der Zuständigkeit. Auch dazu, wie teuer die Vorhaben werden und wel- ches Monitoring stattfinde, fehlten „Der Zeitplan ist ein schlechter Witz“, sagte sie mit Blick auf das für 2024 angekün- digte Transparenzgesetz und das Recht auf Open Data. Zudem vermisse sie in der Strategie ein KI-Re- gister. Angaben. Es sei bemerkenswert, dass die Bundesre- gierung in der Strategie nur einmal von der Stärkung der Souveränität Deutschlands und Europas spreche, kritisierte Steffen Ja- nich für die AfD. Seine Fraktion begrüße die Erweiterung des Zugangs und den Rechtsanspruch auf Open Data. Mit Blick auf die Datenschutzgrundverordnung plä- »Der Zeitplan ist ein schlechter Witz.« Anke Domscheit-Berg (Die Linke) diere er für eine Überarbeitung zugunsten von Bürgernähe und Transparenz. Kultur des Datenteilens Unterstützung für die Strategie kam von BMI-Staatsekretär Johann Saathoff (SPD), der betonte, es brauche eine optimistischere Haltung. Man müsse „mehr Datennutzung wagen“, sagte er in Anspielung auf die Worte Willy Brandts. Eine Kultur des Teilens von Daten, nicht der Datensparsamkeit sei wichtig, denn „gute Daten führen zu guten Ent- scheidungen“, so Saathoff. Der Zugang sei eine Gerechtigkeits- und Machtfrage und eine Frage der Daseinsvorsorge, denn offe- ne Daten böten neue Möglichkeiten für Bildung und soziale Teilhabe. Neben der intelligenten Datennutzung sei allerdings auch mehr Datenkompetenz in der Verwal- tung und bei den Bürgern entscheidend. Tobias B. Bacherle (Grüne) verwies darauf, dass die Europäische Union mit dem Data Act bereits eine gute Linie vorgebe, bei der die Datensouveränität im Mittelpunkt ste- he. „Das sollte auch die Leitlinie für unsere Datenpolitik sein“, sagte er. Datenbasierte Innovationen könnten nicht nur zu guter Künstlicher Intelligenz führen, sie könnten auch faktenbasierte Entscheidungen er- leichtern und damit den Fortschritt für alle, sagte Bacherle. Lisa Brüßler T Tüten, Getränkebecher, Folienverpackun- gen: Hersteller von Einwegkunststoffpro- dukten müssen ab 1. Januar 2024 durch eine Abgabe in einen Fonds die Kosten der Plastikmüllbeseitigung aus dem öf- fentlichen Raum mittragen, das ist seit Mai Gesetz. Am Donnerstag nahm das Parlament nun auch eine Verordnung der Bundesregierung (20/8128) an, welche die Höhe der Abgabesätze sowie das Punkte- system für Auszahlungen aus dem Einweg- kunststofffonds an die Kommunen festge- legt. Für die Verordnung stimmten die Koaliti- onsfraktionen, dagegen Union und AfD. Die Linke enthielt sich. Damit zahlen Her- steller künftig etwa für ein Kilogramm in Verkehr Getränkebecher 1,24 Euro als Abgabe, für Lebensmittelbe- hälter 18 Cent, für Tüten- und Folienver- packungen 88 Cent. gebrachte »Marktversagen« In Summe werde so „eine halbe Milliarde Euro pro Jahr“ zu- sammenkommen – Geld, das die Kom- munen als Träger der Müllentsorgung dringend bräuchten, erklärte Jan-Niclas Gesenhues (Grüne) in der Debatte. Man korrigiere so ein „Marktversagen“. Es müs- se Schluss sein damit, dass Hersteller die Einnahmen einstrichen, aber die Kosten der Vermüllung der Gesellschaft aufbür- deten. Die Verordnung sei „gut aufge- stellt“, die Abgabesätze faktenbasiert und transparent ermittelt, betonte Michael Thews (SPD). Um sie zu regelmäßig zu überprüfen, sei alle drei Jahre eine Evalua- tion geplant. Sonderweg« Kritik »Kostenintensiver kam von der Opposition: Die Regierung habe mit der Schaffung des Einwegkunst- stofffonds einen „kostenintensiven Son- derweg“ eingeschlagen, monierte Björn Si- mon (CDU). Die Ampel schaffe mehr Bü- rokratie und belaste Bürger doppelt. Zu er- warten sei nämlich, dass die Hersteller die Mehrkosten weiterreichten und die Kom- munen ihre Abfallgebühren nicht senkten, warnte auch Andreas Bleck (AfD). Judith Skudelny (FDP) nannte solche Vor- würfe „Mumpitz“. Auch privatwirtschaftli- che Lösungen hätten Kosten erzeugt. Zu- dem stünde es den Abgeordneten frei, sich in Stadt- und Gemeinderäten für eine Ab- fallgebührensenkung einzusetzen. „Lächerlich“ nannte schließlich Ralph Lenkert (Linke) angesichts der Umwelt- schäden die niedrigen „Ablasszahlungen“ für die Hersteller. Die EU fordere eine hö- here Einwegplastiksteuer, doch die zu kas- sieren traue sich die Ampel nicht. sas T