2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 46 - 11. November 2023 GASTKOMMENTARE HAMAS-UNTERSTÜTZER AUSWEISEN? Nichts zu suchen PRO Die Barbarei der Hamas am 7. Oktober s b e r K s a e r d n A © Eva Quadbeck, Redaktionsnetzwerk Deutschland t a v i r P © Malte Lehming, »Der Tagesspiegel«, Berlin in Israel ist durch nichts zu relativie- ren. Wer solche Schandtaten öffent- lich feiert und als Zeichen seiner Freude Süßigkeiten verteilt, hat in Deutschland nichts zu suchen. Punkt. Wer solche Schandtaten feiert, steht diametral zu unserer Geschichte, zu unserer Demokratie, zu den Menschenrechten im Allgemeinen und zu unserer Staatsräson im Be- sonderen. Es gibt keinen einzigen Grund, warum wir ein solches Verhalten ertragen sollten, und vie- le gute Gründe, Hamas-Anhänger mit ihrem Ver- nichtungsantisemitismus in Deutschland nicht zu tolerieren. Da hilft es auch nicht, mit neuen politi- schen Bildungsprogrammen anzusetzen. Darüber lachen die Hamas-Anhänger nur höhnisch. Sofern rechtlich möglich, sollten Menschen, die sich derart auf unseren Straßen aufführen, aus Deutschland ausgewiesen werden. Wer es mit dem Schutz der Jüdinnen und Juden hierzulande ernst meint, kann sich nicht damit zufriedenge- ben, dass auf solchen Straftaten nichts oder eine geringfügige Strafe folgen. Auch der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch ein eige- nes Gesetz möglich, solange der Betroffene da- durch nicht staatenlos wird. Wenn es einen Grund gibt, dieses scharfe Schwert zu zücken, dann im Fall der radikalen Hamas-Anhänger, die ihren Hass in in Deutschland verbreiten. Dieser Hass bedroht jüdisches Leben in Deutsch- land unmittelbar. Es ist unsere historische Ver- pflichtung, Bedrohungen und Gewalt gegen Juden zu unterbinden. Zudem ist es für Deutschland in- ternational peinlich, dass man zwar beim Kampf gegen Antisemitismus gerne den Zeigefinger hebt, aber ihn im eigenen Land nicht im Griff hat. arabischstämmigen Bevölkerung der Selbstverständlichkeiten. „Die Hamas-Unterstützer sollen ausgewiesen werden, fordert die SPD. Das soll Härte demonstrieren und den Willen zu einer Innenministerin Nancy wehrhaften Demokratie. Faeser hatte Betätigungen für die Hamas verbo- ten. Deshalb bedeutet deren aktive Unterstützung eine Straftat. Wer sie begeht – ja, was ist dann? An dieser Stelle wird’s diffizil. Erinnert sei an an- dere deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden“ (Grundgesetz, Artikel 16). Doppelstaatlern darf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen wer- den, wenn sie dadurch staatenlos werden. Eine Einbürgerung kann nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung erwirkt wor- den war. Das Staatsangehörigkeitsrecht ist kein Er- satzstrafrecht und keine politische Waffe. All das ist auch eine Lehre aus der deutschen Geschichte. Nun leben in Deutschland rund 200.000 Palästi- nenser. Viele von ihnen kamen als Bürgerkriegs- flüchtlinge aus Syrien, Jordanien und dem Liba- non. Einige haben einen deutschen Pass und kön- nen daher nicht abgeschoben werden. Andere sind staatenlos oder besitzen einen Reiseausweis ihres Herkunftslandes, aber nicht dessen Staatsangehö- rigkeit. Auch bei ihnen dürfte eine Abschiebung schwierig bis unmöglich sein, zumal es dafür der Zustimmung des potenziell aufnehmenden Staates bedarf. Wer aber will schon militant-islamistische Hamas-Unterstützer bei sich aufnehmen? Da win- ken Israel und seine Nachbarstaaten dankend ab. Wie man es dreht und wendet: Die Forderung, Ha- mas-Unterstützer auszuweisen, mag von redlicher Absicht getragen sein, sie scheitert aber an den rechtlichen Möglichkeiten der Realität. Rechtliche Hürden CONTRA Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Redaktion Dr. Stephan Balling (bal) Lisa Brüßler (lbr) Carolin Hasse (cha) (Volontärin) Claudia Heine (che) Nina Jeglinski (nki) Claus Peter Kosfeld (pk) Johanna Metz (joh) Elena Müller (emu) Sören Christian Reimer (scr) CvD Sandra Schmid (sas) Michael Schmidt (mis) Denise Schwarz (des) Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Redaktionsschluss 10. November 2023 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG Kurhessenstraße 4– 6 64546 Mörfelden-Walldorf Leserservice/Abonnement Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 32 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 32 E-Mail: fazit-com@cover-services.de Anzeigenverkauf, Anzeigenverwaltung, Disposition Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 36 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 36 E-Mail: fazit-com-anzeigen@cover-services.de Abonnement Jahresabonnement 25,80 €; für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 € (im Ausland zuzüglich Versandkosten) Alle Preise inkl. 7% MwSt. Kündigung jeweils drei Wochen vor Ablauf des Berechnungszeitraums. Ein kostenloses Probeabonnement für vier Ausgaben kann bei unserer Vertriebsabteilung angefordert werden. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung nur mit übernommen. Nachdruck Genehmigung Redaktion. Für Unterrichtszwecke können Kopien in Klassenstärke angefertigt werden. der „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbrei- tung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird Recycling-Papier verwendet. »An der Seite Israels« MARCUS FABER Der FDP-Abge- ordnete und Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft über die Sicherheit Israels und Antisemitismus in Deutschland Herr Faber, Sie haben sich schon für die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine ausgesprochen, als der Bundes- kanzler in dieser Frage noch ziemlich zu- rückhaltend war. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sagte er jetzt in sei- ner Regierungserklärung vor dem Bun- destag, Unterstützungsbitten Israels wer- de die Bundesregierung unverzüglich prüfen und gewähren. Macht hier der Satz „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsraison“ den Unterschied aus? Ich bin mir nicht sicher, ob der Unter- schied so groß ist. Israel braucht das, was wir der Ukraine gewähren oder in Zukunft noch gewähren müssen, nicht. Israel kann sich glücklicherweise selbst verteidigen, und was es absehbar anfragt, sind im Ver- gleich eher Kleinigkeiten wie Verbandsma- terial oder ähnliches. Ich denke, der Bun- deskanzler hat das in seiner Aussage antizi- piert. Wie weit reicht der Satz „Die Sicher- heit Israels ist deutsche Staatsraison“? Waffenlieferungen an Israel – Stichwort U-Boote – gab es schon. Oder geht das weiter, gegebenenfalls bis zum Einsatz von Soldaten, etwa mit UN-Mandat? Wir müssen schauen, dass Israels Sicher- heit und Existenz gar nicht in Frage gestellt werden kann, von niemandem, auch nicht von Terrororganisationen wie der Hamas. Deutschland und Israel kooperieren sehr gut im Bereich Verteidigung: Einmal liefert Deutschland an Israel U-Boote, auf der an- deren Seite liefert Israel Luftverteidigung wie das Raketenabwehrsystem „Arrow 3“. Das geht also in beide Richtungen. Und wie weit das gehen kann? An den Punkt, an dem sich diese Frage stellt, sollte man am besten gar nicht erst kommen, weil dann ja die Sicherheit Israels existenziell gefährdet wäre. Ein solches Szenario möch- te ich mir nicht vorstellen. So laut. Nach dem Hamas-Überfall wurde weltweit, ob in Dagestan, Australien, den USA oder Europa, unverhohlener An- tisemitismus schlimm und furchtbar das ist – in Deutschland hat es noch eine andere Qualität, wenn hier Wohnungen von Juden mit Davidsternen am Hauseingang markiert werden, oder? Wir haben Vorfälle von Antisemitismus in Deutschland, auf jeden Fall. Sie haben ein Beispiel genannt, ein zweites Beispiel ist, dass Molotow-Cocktails auf Synagogen ge- worfen wurden. Das sind sehr deutliche Beispiele. Häufig geht es aber auch um Gleichgültigkeit oder Unkenntnis. Wenn zum Beispiel jetzt in Sachsen-Anhalt ein Eltern-Kuratorium der Meinung war, eine Anne-Frank-Kindertagesstätte umbenen- nen zu wollen, ist das nicht historisches Bewusstsein, sondern fehlende Sensibilität. An beidem muss man arbeiten. Das ist auch ein Bildungsauftrag, zumal die Zeit- zeugen des Holocaust immer weniger wer- den und man den historischen Aufarbei- tungsprozess anders angehen muss. Es wird oft beklagt, der Antisemitis- mus in Deutschland reiche bis in die Mit- te der Gesellschaft. Stellt sich denn der Bevölkerungsteil, der antisemitische Ein- stellungen ablehnt, entschieden genug an die Seite der Juden hierzulande? Mal so, mal so. Ich bin sehr stolz darauf, dass Zehntausende am Brandenburger Tor demonstrierten, als die deutsch-israelische Gesellschaft – deren Vizepräsident ich bin – dazu aufrief, und dass auch alle Parteien der demokratischen Mitte diesem Aufruf folgten. Andererseits ist vieles, was in Ber- lin oder anderen Großstädten geschieht, für Menschen im ländlichen Raum, insbe- sondere in Ostdeutschland, weit weg. Auch der Krieg, den die Hamas gegen Israel be- gonnen hat, wirkt für diese Menschen weit weg. Da fehlt die wahrgenommene persön- liche Betroffenheit. © Susanne Schmidt Gehen Polizei und Justiz entschieden genug gegen antisemitische Ausfälle vor? Das ist unterschiedlich. Nach dem An- schlag von Halle etwa haben Polizei und Justiz ihre Arbeit getan: Dieser Rechtsextre- mist wurde verurteilt und verlässt das Ge- fängnis hoffentlich nie wieder. Mit vielen kleineren Dingen, etwa antisemitischen Äußerungen auch von Jugendlichen, gehen Polizei und Justiz ab und an sehr sanft um. Da wehrt man dann nicht den Anfängen. Nein, dafür habe ich kein Verständnis. Wenn Kinder als Geiseln genommen wer- den oder an anderer Stelle auch brutal ent- hauptet werden, dann muss man auch im öffentlichen Raum darauf aufmerksam ma- chen können, dass so etwas nirgends Platz haben darf. Da darf man nicht aufgrund von Beschwichtigungen solche Plakate ab- nehmen. Man muss auch auf solche Grau- samkeiten aufmerksam machen, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Verstehen Sie, wenn die Polizei in Berlin Plakate mit Fotos israelischer Gei- seln der Hamas entfernt? Es kam nach dem Überfall der Ha- mas bei pro-palästinensischen Kundge- bungen hierzulande zu einer Reihe von Straftaten. Wie ist in Ihren Augen damit umzugehen? Solche Kundgebungen müssen unter Aufla- gen stattfinden, damit die Polizei definitiv die Kontrolle darüber behalten kann, falls es zu Straftaten kommt. Und wenn Strafta- ten durchgeführt werden, ob nun verbal oder durch andere Handlungen, müssen die Personalien festgestellt und diese Per- sonen dann auch zur Verantwortung gezo- gen werden. Das habe ich nach dem An- griff der Hamas auf Israel am Anfang ver- misst. Bei den pro-palästinensischen oder anti-israelischen Kundgebungen waren auch deutsche Gruppierungen aus dem linken Spektrum auf die Straße gegan- gen und dadurch verstärkt in den Fokus öffentlicher Kritik geraten. Gerät darü- ber der rechtsextreme Terror hierzulande in den Hintergrund, der sich sowohl ge- gen Muslime – siehe den Anschlag in Ha- nau 2020 – als auch gegen Juden richtet wie in Halle fünf Monate zuvor? Antisemitismus kommt von rechts, von links, es gibt islamistischen Antisemitis- mus, religiös bedingten Antisemitismus, den es auch im Christentum gab und in Teilen noch gibt. Ich war vor ein paar Jah- ren in Magdeburg mit einer Israel-Flagge auf einer Christopher-Street-Day-Parade, als mir vermummte Antifa-Leute mit einer körperlichen Auseinandersetzung drohten, wenn ich diese Fahne nicht einrolle. Sol- che Erlebnisse gibt es immer wieder in Deutschland. Sie sollten keinen Platz ha- ben, aber dazu gehört viel Aufklärungsar- beit. Sehen Sie da Änderungsbedarf? Es ist gut und wichtig, wenn wir etwa im Bundestag Gedenkstunden veranstalten, aber wir müssen uns fragen, ob wir damit die Masse der Bevölkerung erreichen und diejenigen, die gefährdet sind, solchen an- tisemitischen Ideologien zu folgen. Hier ist der Schwachpunkt, an dem wir arbeiten müssen. Es gab Kritik am Bundesinnenminis- terium und Ressortchefin Nancy Faeser, weil die vom Kanzler in der Regierungs- erklärung angekündigten Verbote der Hamas und des Samidoun-Netzwerks in Deutschland erst drei Wochen danach er- folgten, und dann ohne Durchsuchun- gen, ohne Razzien… Ich bin jetzt 23 Jahre politisch aktiv und habe in dieser Zeit schon einige Vereinsver- bote erlebt. Üblicherweise werden dabei die Vereinsstrukturen beschlagnahmt und das Vereinsverbot zeitgleich verkündet, da- mit dessen Mitglieder nicht noch Wertge- genstände oder Logistik wie Mitgliederlis- ten und Kontaktdaten in Sicherheit brin- gen können. So habe ich das in der Vergan- genheit erlebt, und so wäre es sicherlich auch am sinnvollsten gewesen. Auf Unverständnis und Kritik nicht nur von Israel stieß auch die deutsche Enthaltung in der UN-Vollversammlung bei der Verabschiedung einer Resolution für eine sofortige Waffenruhe in Gaza. Das war ein Abstimmungsprozess zwi- schen Auswärtigem Amt und Kanzleramt. Das Ergebnis ist aus heutiger Perspektive klar das falsche: Deutschland hätte mit Nein stimmen müssen. Ich hoffe, dass Deutschland künftig bei solchen Resolutio- nen, die sich klar gegen Israel richten, dem Opfer des Hamas-Terrors, an dessen Seite steht. Das gehört auch zur Staatsraison. Die Fragen stellte Helmut Stoltenberg. Marcus Faber (39) gehört dem Bundestag seit 2017 an. Der FDP-Abgeordnete ist Mitglied des Verteidigungsausschusses und des Vorstands der deutsch- israelischen Parlamentariergruppe. PARLAMENTARISCHES PROFIL Der Gelassene: Armin Laschet W itziges und Ernstes nah beieinander und den- noch authentisch zu halten, gehört zu Armin La- schets Eigenschaften. „Das muss von draußen kommen“, sagt er über den Hauch von Zigarillo im Büro. Es klingt nach Schalk. „Gut, ab und zu rauche ich einen auf dem Balkon“, schiebt er nach. Und wendet sich dem Thema des Tages zu, zu dem er mit einem komischen Magengefühl auf- gewacht ist, in der Früh auch im „Morgenmagazin“ interviewt wurde: das Gedenken an die Reichspogromnacht. „In den letzten Jahren beging man den Tag mehr mit Blick auf die Maueröffnung, jetzt aber ist es ganz klar“, sagt er, „jetzt ist alles wieder da“. An Wohnhäuser gesprühte Davidsterne zur Markierung, Ladeninha- ber in Angst. Armin Lachet, Bundestagsabgeordneter für die CDU aus Aachen, schüttelt sich. Die Bundesregierung hatte er vor ein paar Tagen kritisiert, weil sie sich bei einer UN-Resolution, welche die Massaker der Hamas an Israelis nicht erwähnte, enthielt. „Man muss die Leute an ihren eigenen Maßstäben messen“, sagt Laschet, „und da wurde die Chance zur Solidarität mittels einer Neinstimme nicht genutzt. Wir sind nicht Mittler. Es ist doch ganz klar, dass wir Partei sind. An der Seite Israels“. Eine klare Haltung, und dann mit allen reden – so fasst Laschet, 62, seine Auffassung von Außenpolitik zusammen. Seit 2021 sitzt er im Bundestag, im Auswärtigen Ausschuss. Aber da wiegt noch mehr. Bis dahin war er CDU-Parteivorsitzender, Ministerpräsident in NRW und Kanzlerkandidat. Bei letzterem hatte er klargemacht, nach Berlin zu gehen, auch im Falle einer Niederlage, wie es dann kam. Ihm indes Wehmut zu entlocken, fällt schwer. „Ich schaue gern zurück“, sagt er, als Landeschef eines Bundeslandes sei man auf Landesebene eine Mischung aus Bundespräsident und Kanz- ler, das habe ihm gefallen: Leute zusammenbringen, repräsentie- ren, Verantwortung zeigen. Im Wahlkampf mit Olaf Scholz von der SPD und Annalena Baerbock von den Grünen habe die drei etwas zusammengeschweißt, „wir wollten, dass es fair zugeht und die Gesellschaft nicht gespaltet wird – wie in den USA“. In den Sozia- ..................................................................................................................................................... a p d / e c n a i l l a - e r u t c i p © »Wir sind nicht Mittler. Es ist doch ganz klar, dass wir Partei sind. An der Seite Israels.« len Medien kriegte Laschet von den Dreien indes die meiste „Ha- tespeech“ ab, „das kam von allen Seiten“. Er war angreifbarer. Brachte Emotion und Menschelndes in die Politik. Und bezahlte dafür in einer Zeit, in der Politiker jede Sekunde beobachtet wer- den. Nun also nicht mehr erste Reihe. 1981 sei er erstmals in Israel ge- wesen, erzählt er, „das war meine erste große Auslandsreise über- haupt“, eine Pilgerfahrt der Freundesgruppe seiner Eltern. Da war die Wüste, der See Genezareth, das Osterfest in Jerusalem, das Beieinander der drei monotheistischen Religionen; die Ergriffen- heit blieb Laschet erhalten. In seiner Schulzeit schon war er „aktiv“, aber nicht im Parteisinne. Engagierte sich in der Schülerzeitung, gründete eine Nord-Süd- Gruppe mit Spendenaktionen für Entwicklungshilfe, war Betreuer in der katholischen Jugendarbeit; in seinem Büro steht ein Kreuz. Jemand in der CDU umwarb ihn, dreimal habe der das Anmelde- formular in seinen Briefkasten geworfen, „dann trat ich halt ein“. Die christliche Prägung habe ihn dazu gebracht, „die Grünen wa- ren mir damals in ihrer Gründungszeit zu linksradikal“. Laschet studierte Jura, absolvierte nach dem Ersten Staatsexamen ein Volontariat bei einem Radiosender, arbeitete fürs Fernsehen und wechselte halbtags als Redenschreiber ins Team von Bundes- tagspräsident Philipp Jenninger. Ein Jahr später wurde er Ratsherr im Aachener Stadtrat. 1994 dann der Bundestag, 1999 das Euro- päische Parlament, 2005 Landesminister, 2010 Landtagsabgeord- neter und 2017 Ministerpräsident – die Stationen wirken atemlos. Laschets Hemd strahlt im Büro irgendwie weißer als weiß. Nun, im Bundestag, schließt sich ein Kreis. Eines aber blieb: Hin- term Schreibtisch ein Gemälde, „Rheinisches Wolkenbild“; es hing schon in seinem Regierungsbüro in Düsseldorf. Er würde außenpo- litisch vieles so machen wie nun Kanzler Scholz, sagt er, ganz El- der Statesman. „Aber deutsch-französisch, europäisch macht er zu Jan Rübel T wenig.“ Der Rhein auf dem Bild funkelt graublau.