2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 51-52 - 16. Dezember 2023 GASTKOMMENTARE SUBVENTIONEN FÜR CHIPFABRIKEN? Aus drei Gründen PRO r e g n U n e f f e t S - c r a M l / t t a b s l e d n a H © Thomas Sigmund, »Handelsblatt«, Düsseldorf A uf den ersten Blick scheinen die milli- ardenschweren Subventionen für die Chipfabriken gegen jeden wirtschaftli- chen Sachverstand zu verstoßen. Aus- gerechnet ein SPD-Kanzler bietet, etwas marxis- tisch formuliert, hochprofitablen Großkapitalisten aus den USA die Steuergelder ihrer hart arbeiten- den Wähler an. Was ließe sich nicht alles damit für den Mittelstand oder das Handwerk finanzieren. Doch bei näherem Überlegen lassen sich die In- vestitionen aus drei Gründen rechtfertigen. Erstens: Auch der Mittelstand profitiert von den Subventionen. Es entstehen große Wertschöp- fungsketten und alle, auch kleinere Unternehmen, Zulieferer und Dienstleister, können mitverdienen. Läuft es gut, könnte Deutschland zu einem der großen Halbleiter-Produktionsstandorte weltweit werden. Unternehmen wie Infineon oder Wolf- speed haben bereits in Deutschland investiert. Zweitens: Die Investitionen fließen in wirtschafts- schwache Regionen. Viele Menschen werden darin auch eine Zukunftsperspektive sehen. Und wählt dann der eine oder andere deshalb keine extre- mistische Partei, ist es umso besser. Drittens: Natürlich ist die Abhängigkeit von China bei der Chipproduktion nicht in Euro und Cent messbar, erst recht nicht in der Höhe der 9,9 Milli- arden Euro, die an den US-Chiphersteller Intel flie- ßen sollen. Doch der Gasmangel nach Beginn des russischen Angriffskriegs sollte uns eine Lehre sein. Die deutsche Wirtschaft leidet noch heute unter den hohen Energiepreisen. Was machen wir aber, wenn China Taiwan angreift? Kaufen wir dann Peking keine Halbleiter mehr ab? Erhält die deutsche Wirtschaft keine Mikrochips mehr, wird uns der Ausfall der Nordstream-Pipelines über- spitzt formuliert wie eine Petitesse vorkommen. tion beharrlich an Milliarden-Subventio- nen für neue Chipfabriken in Deutsch- land fest, vor allem die Zehn-Milliar- den-Euro-Hilfe für die Intel-Fabrik in Magdeburg. Die Regierung ist sogar bereit, sich massiven Är- ger mit Industrie, Landwirten und Verbrauchern einzuhandeln, die nach der Einigung zum Bundes- haushalt 2024 jetzt bluten sollen. Sie alle müssen höhere Energiepreise hinnehmen oder Kürzungen von Steuervorteilen, die ohne die Intel-Milliarden möglicherweise unnötig gewesen wären. Fragwürdig war die Intel-Hilfe jedoch ohnehin von Anfang an. Ja, Europa und Deutschland müssen unabhängiger von chinesischer Chipproduktion werden. Ja, andere Wirtschaftsblöcke subventio- nieren neue Fabriken ebenfalls massiv. Doch es gibt eine Fülle von Gegenargumenten. Neben Chi- na gibt es die freiere Chiphochburg Südkorea, die liefern kann. Grundsätzlich sollte eine Volkswirt- schaft ihre Rahmenbedingungen so verbessern, dass Investoren von allein kommen. Die Subventi- on für Intel ist riskant, weil der US-Konzern schwä- chelt. Verliert er den Konkurrenzkampf mit Taiwan oder Korea, wären die Milliarden verloren. Sie ist auch absurd hoch: Jeder der entstehenden 10.000 Arbeitsplätze wird mit einer Million Euro gestützt. Die zehn Milliarden wären für Bildung viel besser ausgegeben. Mittelständler reiben sich die Augen und fragen sich, warum sie mit noch höheren Energiekosten kämpfen müssen, während Konzernen Geld hinterhergeworfen wird. Der Staat sorgt einfach nicht für gleiche und faire Wettbe- werbsbedingungen. Und nicht zuletzt: Die Ampel züchtet Nachahmer. Andere Konzerne haben ihrer- seits längst Milliardenhilfen erpresst. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Fragwürdige Hilfe CONTRA T rotz knapper Kasse hält die Ampelkoali- n ö h c S l e x A © Birgit Marschall, »Rheinische Post«, Düsseldorf Herr Czaja, vor einem Monat, am 15. November, hat das Bundesverfassungsge- richt die Verlagerung von Kreditermäch- tigungen über 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für unzulässig erklärt. In Magdeburg und Dresden, wo mit Subventionen aus diesem Fonds hochmoderne Chipfabriken gebaut werden sollen, dürfte man in die- sem Moment die Luft angehalten haben. Nun hat sich die Koalition auf Korrektu- ren am Haushalt geeinigt und Wirt- schaftsminister Habeck hat angekündigt, dass durch das Karlsruher Urteil entstan- dene Lücken im KTF geschlossen würden. Ist damit die klimaneutrale Transforma- tion der deutschen Wirtschaft abgesi- chert? Zunächst einmal muss ich hier daran erin- nern, dass der Haushalt auf viel Trickserei aufgebaut war. Das Verfassungsgericht hat nun folgerichtig festgestellt, dass der Haus- halt dieser Regierung nicht nur verfas- sungswidrig, sondern nichtig ist. Das hat es so in der Geschichte noch nicht gegeben. Darauf hatten im Vorfeld viele Experten und auch wir hingewiesen. Das Zweite ist: Die Steuereinnahmen sind so hoch wie noch nie. Der Bundeshaushalt verfügt über deutlich mehr Milliarden, als die vergange- nen Regierungen jemals zur Verfügung hat- ten. Der Bundesfinanzminister weist ja im- mer darauf hin, dass Bund, Länder und Ge- meinden fast 1.000 Milliarden Euro Steu- ereinnahmen haben und man mit diesem Geld klarkommen muss. Das zeigt, wir ha- ben kein Einnahmen- sondern ein Ausga- benproblem. Mit dem Geld, das man hat, muss man auskommen und Prioritäten setzen. Und die Priorität muss sein, in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu inves- tieren. Und diese Prioritäten sind Ihrer Mei- nung nach mit dem, was die Koalition jetzt vorgelegt hat, nicht richtig gesetzt? Eindeutig nein, es ist eine Reihe von Einzel- maßnahmen, aber es ist keine Linie zu er- kennen. Aufgabe der Regierung und auch des Haushaltsgesetzgebers ist es, Prioritäten und Nachrangigkeiten zu benennen. Es geht hier nicht um 60 Milliarden Euro für ein Jahr, sondern um die Finanzplanung für die nächsten Jahre. Der Bundesfinanzminis- ter hat von 17 Milliarden Euro für das nächste Jahr gesprochen, für die an anderer Stelle Einsparungen erfolgen müssen. Bei ei- nem Haushaltsvolumen 2024 von über 450 Milliarden Euro. Wir glauben, dass das möglich ist, und haben einige konkrete Bei- spiele genannt, etwa die geplante Erhöhung des Bürgergeldes nicht vorzunehmen, noch nicht anerkannte Asylbewerber über das Sachleistungsprinzip zu finanzieren oder eben nicht 5.000 neue Stellen zu schaffen, nur um die Kindergrundsicherung über ein aufgeblähtes bürokratisches Konstrukt aus- zuzahlen. Und um auf die Eingangsfrage zu antworten: Es ist möglich, in die Transfor- mation der Wirtschaft zu investieren. Das bedarf dann aber auch der Haushaltsdiszip- lin an anderen Stellen. Nun haben Bundeskanzler und Wirt- schaftsminister betont, dass die Mittel, die für den KTF vorgesehen waren, er- setzt werden können und die vorgesehe- nen Subventionen etwa für die Chipfabri- ken oder die klimaneutrale Stahlerzeu- gung auf jeden Fall vorhanden sind. Scholz und Habeck bestätigen nur das, was wir in der Vergangenheit zum Ausdruck ge- bracht haben, dass natürlich solche Investi- tionen aus dem Kernhaushalt zu finanzie- ren sind, aber eben auch so sauber und transparent, dass man sich nicht heute schon heimlich darauf verständigt, in na- her Zukunft die Notlage auszurufen. Die jetzige Einigung deutet eher darauf hin, dass es sich um eine große Mogelpackung handelt, die die drei Regierungspartner miteinander verabredet haben. »Mit Scholz nicht zu machen« MARIO CZAJA Der Unions- politiker kritisiert den Kanzler für fehlendes Engagement bei der Unterstützung der Wirtschaft © Ulrich Brothagen Der KTF verfügt ja bisher auch schon über Eigenmittel aus dem CO2-Preis. Dieser soll nun stärker steigen, und zwar auf die Höhe, die die Koalition von Uni- on und SPD ursprünglich bereits geplant hatte. Ist das denn ein vernünftiger An- satz? Es ist ein richtiger Ansatz, marktwirtschaft- liche Instrumente anzuwenden. Dazu ge- hört der CO2-Preis. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder zum Aus- druck gebracht. Der CO2-Preis ist genau das richtige Instrument, um diese Transfor- mation zu gestalten und diejenigen zu be- lohnen, die durch Investitionen in die Transformation diese schneller hinbekom- men. Aber die Ampel hat auch hier Chaos geschaffen und beschädigt damit dieses In- strument. Der Zuschuss für den Kauf von Elek- troautos soll nun schneller als bisher vor- gesehen abgeschafft werden. Das dürfte bei der deutschen Autoindustrie, die oh- nehin bereits unter Druck steht, sicher keine Freudensprünge auslösen. PARLAMENTARISCHES PROFIL Das Problem dieser Bundesregierung ist, dass an unterschiedlichen Stellen die Pla- nungssicherheit einfach nicht gegeben ist. Sie sehen, dass etwa bei KfW-Förderungen in kürzester Zeit, teils schon nach wenigen Stunden, die Fördertöpfe leer sind. Solche Strohfeuer tragen dazu bei, dass es eine ho- he Verunsicherung gibt. Was Sie anspre- chen, für diese Sprunghaftigkeit und es verstärkt die Unsi- cherheit in unserem Land. ist ein neues Beispiel Als Bundeskanzler Scholz Anfang der Woche in einem Stahlwerk im Saarland verkündete, dass die Subventionen für klimafreundlichen Stahl gesichert seien, war der Jubel groß. Aber dann kam gleich der Hinweis aus der Belegschaft, dass man ohne günstigen Industriestrom- preis dennoch langfristig nicht wettbe- werbsfähig sei. Die Belegschaft war erneut deutlich schlau- er als die Bundesregierung. Denn natürlich ist es auch erforderlich, dass wir wettbe- werbsfähige Strompreise haben. Es wäre beispielsweise dringend erforderlich gewe- sen, den günstigen Atomstrom nicht vor- zeitig abzuschalten, sondern die zuletzt noch produzierenden Kraftwerke bis min- destens Ende 2024 am Netz zu behalten. Und es ist erforderlich, dass wir einen günstigen Industriestrompreis haben. Hier gab es ein Versprechen von Olaf Scholz, das bislang nicht eingehalten wurde. Die Subventionen, die etwa für kli- maneutrale Stahlwerke oder für Chipfa- briken vorgesehen sind, entsprechen ja nicht der reinen marktwirtschaftlichen Lehre. Aber sind sie nötig, um eine Dein- dustrialisierung zu verhindern? Es ist notwendig, der deutschen Industrie bei diesem Transformationsprozess zu hel- fen, damit die Arbeitsplätze in unserem Land erhalten bleiben und die internatio- nale Wettbewerbsfähigkeit nicht mutwillig zerstört wird. Dazu gehört ein günstiger Strompreis und dazu können auch Sub- ventionen an den richtigen Stellen beitra- gen. Dazu gehört aber eben auch Pla- für die Unternehmen. nungssicherheit Denn ohne Planungssicherheit führen Subventionen, da sie nur kurzfristig Pro- bleme überwinden, nicht dazu, dass die In- dustrie erhalten bleibt. Das ist es, was uns aktuell Sorgen bereitet. Bei der Vorstellung der Haushaltsei- nigung hat Finanzminister Lindner be- tont, dass die Mittel für das Wachstum- schancengesetz, also die steuerliche Ent- lastung von Unternehmen, im Haushalt erhalten geblieben seien. Und er hat Ihre Fraktion zur Zusammenarbeit für das anstehende Vermittlungsverfahren mit dem Bundesrat aufgerufen. Nun haben ja die Landesregierungen das Gesetz vor allem deswegen im Bundesrat abgelehnt, weil sie mehr Kompensation für Steuer- ausfälle fordern. Ist denn da eine Eini- gung überhaupt denkbar? Die Opposition kann man nicht nur dann ansprechen, wenn man eigene Unzuläng- lichkeiten überwinden muss. Ich kann nur dazu raten, die Vorschläge der Opposition ernst zu nehmen, denn wir haben dazu substanzielle Vorschläge auf den Tisch ge- legt. Wir fordern schon lange einen spür- baren Abbau der Bürokratie, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein wettbewerbsfähiges Unterneh- menssteuerrecht. All das ist mit Olaf Scholz nicht zu machen. Das war schon in der letzten Legislaturperiode eine schwere Bürde. Das Gespräch führte Peter Stützle. T Mario Czaja hat seinen Wahlkreis in Berlin-Marzahn-Hellersdorf. Der Wirtschaftspolitiker war bis Juli 2023 Generalsekretär seiner Partei. Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Redaktion Dr. Stephan Balling (bal) Lisa Brüßler (lbr) Carolin Hasse (cha) (Volontärin) Claudia Heine (che) Nina Jeglinski (nki) Claus Peter Kosfeld (pk) Johanna Metz (joh) Elena Müller (emu) Sören Christian Reimer (scr) CvD Sandra Schmid (sas) Michael Schmidt (mis) Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Redaktionsschluss 15. Dezember 2023 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. 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Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung nur mit übernommen. Nachdruck Genehmigung Redaktion. Für Unterrichtszwecke können Kopien in Klassenstärke angefertigt werden. der „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbrei- tung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird Recycling-Papier verwendet. Der Kreisläufer: Hannes Walter A n die Einigung für den Haushalt im Jahr 2024 tastet er sich heran wie ein Handballer vor den Gegenspielern an der Kreislinie. „Eher gemischt“, lautet Hannes Wal- ters erste Bilanz. „Eine Lockerung der Schuldenbremse wäre gerechtfertigt gewesen“, sagt der 39-jährige Sozialdemo- krat. Einerseits bestünden nun allgemeine Gewissheit und auch spezielle Sicherheit für die geplanten Milliardenhilfen zum Bau von Chipfabriken in Ostdeutschland. „Aber ich sehe andererseits noch nicht, dass wir die vielen Krisen, mit denen wir gerade kon- frontiert sind, überwunden haben.“ Es ist Donnerstagvormittag, im Modulbau der Adele-Schreiber-Krie- ger-Straße sitzt Walter aufrecht auf dem Stuhl. Der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses hatte mit seinen Sozialde- mokraten für mehr Schulden getrommelt. Aber die Abwehr der FDP stand. „Ich glaube nicht, dass wir das Thema diese Legislatur noch anpacken“, sagt er pragmatisch. „Obwohl uns die Klimakrise und die Transformation noch lange beschäftigen werden.“ Walter kommt aus dem Wahlkreis Elbe-Elster – Oberspreewald-Lau- sitz II in Brandenburg, den er 2021 direkt gewann und seitdem im Bundestag sitzt. Als ländlich und kleinteilig beschreibt er seine Re- gion – eine mit Herausforderungen: „Viele Inhaber gehen in Rente, da muss die wirtschaftliche Infrastruktur aufrechterhalten werden.“ Ohne Zuzug, fügt er hinzu, werde es nicht gehen. Sein politisches Engagement begann mit 18 Jahren, „da hatten wir jungen Leute den Eindruck, im Dorf macht man zu wenig für die Jugendlichen“. Walters Clique, nicht wenige wie er im lokalen Handballverein TSV Germania Massen aktiv, gründete den ersten SPD-Ortsverein. „Die CDU gab es schon, die war für uns nicht so interessant, auch schreckte damals die propagierte Herdprämie für Hausfrauen ab“, erinnert er sich. Bald zog er in den Gemeinderat ein. Das war im Jahr 2003, und es war auch ein Jahr großer Sorgen – mit denen Walter die Hartz-IV-Reformen verknüpft. Damals herrschte in sei- ner Region eine Arbeitslosigkeit von 20 Prozent; heute sind es 6,5 Prozent. „Viele Leute haben die Befürchtung, dass es wieder so ..................................................................................................................................................... »Eine Lockerung der Schuldenbremse wäre gerechtfertigt gewesen.« n o i t k a r F - D P S © schlimm wird wie vor 20 Jahren. Damals gab es eine Transformati- on, und heute spricht man wieder davon – das verunsichert.“ Walter ist keiner, der sich im Gespräch aufdrängt, sondern eher zu- rückhaltend bleibt, höflich. Sich Zeit nimmt. Neben ihm an der Wand hängt ein Plakat mit einem Mann am Steuerrad. „Fester Kurs für die Republik!“, steht dort geschrieben. „Wählt Otto Braun!“ „Er hat ein großes Land zusammengehalten, damit ist er ein Beispiel“, sagt Walter über den SPD-Ministerpräsidenten des Freistaats Preußen. Besonders viel über Politik habe man im Elternhaus nicht disku- tiert. „Mein Opa war aber viele Jahre in der Gemeindevertretung aktiv, vielleicht hab ich das Engagement von ihm.“ Der sei indes bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft gewesen, „meine SPD-Mitgliedschaft hat er so hingenommen“. Die Basisarbeit war erfolgreich. Mittlerweile stellt der 2003 ge- gründete Ortsverband den Bürgermeister. Walter hatte im Dorf die Realschule besucht und dann eine Ausbildung zum Kfz-Mechatro- niker absolviert. „Ich war damals etwas schulmüde“, sagt er. Dann aber habe er gemerkt, dass er doch noch anderes machen wolle. Holte seine Fachhochschulreife nach, studierte Betriebswirt- schaftslehre bis zum Bachelor und arbeitete als Recruiter sowie Personalberater in verschiedenen Unternehmen; dann das Master- studium. 2014 schließlich stieg er in den handwerklichen Famili- enbetrieb „Automobile Walter & Sohn“ in Massen ein, in der kaufmännischen Geschäftsführung für die Rechnungsstellung, Buchhaltung und Kundenbetreuung zuständig. Noch heute spielt Walter aktiv Handball im Verein – wie vor ihm Vater, Onkel, Tanten und die Großeltern. Und er trainiert auch mit einem Kollegen die erste Männermannschaft. Auf dem Schreib- tisch thront der rote Vereinsschal. Er ist Kreisläufer, also im An- griff, muss Lücken in der gegnerischen Abwehr schlagen. „Diese Erfahrungen haben fürs Abgeordnetenamt nicht geschadet“, scherzt er Jan Rübel T