2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 16-17 - 13. April 2024 GASTKOMMENTARE MACHT DER BUND GENUG FÜR BILDUNG? Soweit zuständig PRO Der Bund tut genug für Bildung – je- r e l z t i n h c S j a n a T © Uwe Jahn, ARD-Hauptstadtstudio j u g © Ursula Weidenfeld, freie Journalistin denfalls im Rahmen seiner Zuständig- keit. Er kommt für das BAföG auf, hat sich um den Kita-Ausbau gekümmert, den Digitalpakt mit Milliardenbeträgen angescho- ben, legt Schulbauprogramme auf. Jetzt initiiert er das Startchancenprogramm, mit dem er dafür sorgt, dass benachteiligte Schulen zusätzliches Geld bekommen. Und all das, obwohl ihn vieles davon eigentlich nichts angeht. Stichwort Bil- dungsföderalismus – das heißt: Zuständig für Bil- dung in Deutschland sind die Länder. Eifersüchtig passen sie auf, dass der Bund sich ja nicht einmischt. Alle Versuche des Bundes, die fö- derale Bildungspolitik besser aufeinander abzu- stimmen als die Kultusministerkonferenz: verge- bens. Der Nationale Bildungsrat, den einst Bil- dungsministerin Anja Karliczek (CDU) ins Leben rufen wollte: ins Leere gelaufen. Der Bildungsgip- fel, den die jetzige Bundesbildungsministerin an- gestrengt hat: versandet. Dabei gibt es angesichts der traurigen Ausgangslage, der Verluste bei allen Bildungsstudien, keine Ausreden mehr, warum die Länder wieder eine Initiative der Bundesregierung boykottieren. Die Klage, der Bund gebe oft nur Geld, wenn die Länder sich zur Hälfte beteiligen, wirkt dabei sehr selbstgerecht, gehen doch viele Pleiten und Pannen bei der schleppenden Umset- zung des Digitalpaktes aufs Konto der Länder. Im internationalen Vergleich der Bildungsausga- ben liegt Deutschland eher im Mittelfeld. Aber be- vor man einfach mehr Geld ins System pumpt, sollte man überlegen, wer es tut. Am besten ken- nen die Kommunen ihre Schulen. Sie benötigen mehr Mittel. Hier müsste der Bund dafür sorgen, dass die Kommunen den Schulen geben können, was diese brauchen. mehr Geld für Bildung in Schulen mit besonders benachteiligten Kindern – aber das heilt nicht das eklatant Ungerechte im Schulsystem. Denn Bildung ist nicht nur eine Frage von Geld. Es geht auch da- rum, wie das Geld eingesetzt wird. Und von wem. Geld kauft keine Noten und keinen Bildungserfolg. Den Unterschied machen die Lehrer. Nicht die Län- der mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben in der Bildung schneiden bei Schulvergleichen am besten ab, sondern die Länder und Schulen mit den bes- ten Schuldirektoren und den besten Lehrern. Die Lehrkräfte in Deutschland werden im internationa- len Vergleich exzellent bezahlt, sie haben lange Zeiten zur Regeneration. Am Geld liegt es nicht, dass sie überlastet, überfordert und oft genug rat- los sind. Es wäre langfristig und nachhaltig gut in- vestiertes Geld, die gescheitesten und sozialsten Schulabgänger für den Lehrerberuf zu werben und auszubilden. Es wäre richtig, sie für die Aufgabe zu begeistern, statt ihnen die Vorzüge von Beam- tenstatus und endloser Ferien auszumalen. Auch das neue Programm selbst hat Schwächen. Es investiert in Schulsozialarbeiter und moderne Klassenzimmer, verpflichtet Schulen und Lehrer aber nicht, mehr und bessere Deutsch- und Ma- thematikstunden zu geben. Es gibt den Grund- schulen mit besonders benachteiligten Schüler ei- ne bessere Ausstattung, den Kindergärten aber nicht. Verpflichtende Sprachförderung in der Kita, kostenlose Nachhilfe für gefährdete Schüler, Ganz- tagsbetreuung und Kurse in den Ferien haben für den Überraschungserfolg der Hamburger Schulen in den jüngsten Schulvergleichen gesorgt – klima- neutrale Klassenzimmer nicht so sehr. Nicht nur Geld CONTRA Nein, tut er nicht. Er gibt zwar jetzt Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Redaktion Dr. Stephan Balling (bal) Lisa Brüßler (lbr) Carolin Hasse (cha) (Volontärin) Claudia Heine (che) Nina Jeglinski (nki) Claus Peter Kosfeld (pk) Johanna Metz (joh) Elena Müller (emu) Sören Christian Reimer (scr) CvD Sandra Schmid (sas) Michael Schmidt (mis) Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Redaktionsschluss 12. April 2024 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG Kurhessenstraße 4 – 6 64546 Mörfelden-Walldorf Leserservice/Abonnement Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 32 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 32 E-Mail: fazit-com@cover-services.de Anzeigenverkauf, Anzeigenverwaltung, Disposition Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 36 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 36 E-Mail: fazit-com-anzeigen@cover-services.de Abonnement Jahresabonnement 25,80 €; für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 € (im Ausland zuzüglich Versandkosten) Alle Preise inkl. 7% MwSt. Kündigung jeweils drei Wochen vor Ablauf des Berechnungszeitraums. Ein kostenloses Probeabonnement für vier Ausgaben kann bei unserer Vertriebsabteilung angefordert werden. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Nachdruck nur mit Genehmigung Redaktion. Für Unterrichtszwecke können Kopien in Klassenstärke angefertigt werden. der „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbrei- tung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird Recycling-Papier verwendet. Frau Kraft, das Startchancenpro- gramm ist das größte Bildungsvorhaben der Ampelregierung. Monatelang wurde um dessen Ausgestaltung gerungen. Zum Schuljahr 2024/2025 soll es nun starten. Sind Sie mit dem Ergebnis zu- frieden? Ja, ich bin sehr zufrieden, weil es vorher noch nie ein derartig groß angelegtes und langfristiges Programm gab. Es handelt sich hier insgesamt um ein Budget von 20 Milliarden Euro, die der Bund und die Länder zusammen investieren. Das Pro- gramm war eine Idee der Grünen, die wir schon in der letzten Wahlperiode hatten. Dass wir es geschafft haben, das Projekt wesentlich mitzugestalten und umzuset- zen, ist toll. Außerdem ist das Startchan- cenprogramm gerade zur rechten Zeit ge- kommen – wir haben die Ergebnisse der PISA-Studie, der IGLU-Lesestudie oder des IQB-Bildungstrends gesehen. Sie zeigen: Es gibt ein massives Absenken der Basis- kompetenzen bei Schülerinnen und Schü- lern, besonders im Lesen, Schreiben und Rechnen. Das Startchancenprogramm kann ein riesengroßer Aufbruch sein. Ist das In Deutschland hängen die Bil- dungschancen von Kindern noch immer enorm von ihrem familiären Hinter- grund ab. Startchancenpro- gramm nun der erhoffte große Wurf, um die Herkunft vom Bildungserfolg zu ent- koppeln? Wir sehen, dass der Bildungserfolg in Deutschland einfach zu stark an die Her- kunft und das Einkommen der Eltern ge- koppelt ist. Mit dem Startchancenpro- gramm wollen wir erreichen, dass der Bil- dungserfolg von Kindern in unserem Land nicht mehr davon abhängt, bei wel- cher Postleitzahl sie wohnen. Das Pro- gramm ist ein Schlüsselelement dafür. Die Zielgruppe sind 4.000 allgemeinbildende und berufliche Schulen. Der Fokus liegt auf den Grundschulen, also den Schulen, die die Grundlagen für die Basiskompe- tenzen legen. Ich glaube aber, Bildung ist ein Thema, was man ganzheitlich denken muss. Daher möchte ich an dieser Stelle auch fürs BAföG werben – das ist auch ein wichtiges Chancengerechtigkeitsinstru- ment. Ganz elementar für mehr Bildungs- gerechtigkeit sorgen kann aber auch die Kindergrundsicherung. Die 4.000 Schulen, die gefördert wer- den sollen, sind etwa zehn Prozent aller Schulen in Deutschland. Was ist mit dem Rest, bleibt der auf der Strecke? Das Programm soll zuerst da unterstüt- zen, wo wir große Defizite sehen. Bei den 4.000 Schulen handelt es sich um solche, die in besonders schwierigen sozialen und herausfordernden Lagen sind. Dort gibt es besonders viele Kinder, die von Armut be- troffen oder armutsgefährdet sind. Ziel ist es, da reinzugehen. Denn wir wollen na- türlich, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben. Es geht aber nicht da- rum, dass jemand mehr oder weniger be- kommt. Deswegen finde ich es gut, dass wir ein anderes Finanzierungsinstrument ansetzen als den allseits bekannten König- steiner Schlüssel. Ich halte es für richtig, einen Sozialindex anzuwenden, also zu schauen, wo liegen die Probleme und wo müssen wir besonders hingucken. Das ist unser Auftrag als Staat und als Gesell- schaft. Der Fokus des Programms liegt auf einer Stärkung der Kompetenzen im Le- sen, Schreiben und Rechnen. Bis zum Ende des Programms soll die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Min- deststandards verfehlen, an den Start- chancen-Schulen halbiert werden. Wa- rum wurden nicht höhere Ziele gesetzt? Ich glaube nicht, dass das Ziel zu gering ist. Natürlich ist jedes Kind, was aus der »Da müssen wir ran« LAURA KRAFT Die Grünen- Abgeordnete über Bildungs- gerechtigkeit und ihre Hoffnungen in das Startchancenprogramm © Stefan_Kaminski Schule geht und die Basiskompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht erreicht, eins zu viel. Da müssen wir ran. Aber wenn wir sagen, wir halbieren die Zahl, dann ist das ein Erfolg. Hinter jeder Zahl steckt letzten Endes immer ein Kind, dem wir die Chance für einen erfolgrei- chen weiteren Bildungs- und auch Lebens- weg eröffnen. Der Bund will in einem Zeitraum über zehn Jahre jährlich eine Milliarde Euro in das Startchancenprogramm in- vestieren. Das hört sich gering an, ver- gleicht man die Zahl beispielsweise mit der Höhe des Wehretats. Der liegt allein in diesem Jahr bei 51,8 Milliarden Euro. Zusätzlich stellt der Bund ein Sonder- vermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Verfügung. Was sagen Sie dazu als Bildungspoliti- kerin? Ich halte nichts davon, einzelne Etats ge- geneinander auszuspielen. Es ist auch wichtig, dass wir unsere Bundeswehr und Verteidigung stärken. Das haben wir in der aktuellen Krisenlage gelernt. Den- noch sollten wir Bildung neu priorisie- ren. So sollten wir auch einen Bildungs- und Zukunftsinvestitionsfonds im größe- ren Stil auflegen. Ich bin der festen Über- zeugung, wenn man in Bildung inves- tiert, wird sich jeder Euro doppelt und dreifach in der Zukunft auszahlen. Des- wegen finde ich das Startchancenpro- gramm auch so gut, weil wir hier nicht in Beton investieren, sondern vor allem in die Köpfe. Wir investieren in die Zu- kunft unseres Landes. Geld allein reicht nicht, wenn es kei- ne Lehrerinnen oder Schulsozialarbeiter gibt, oder? Ja, wir haben einen Fachkräftemangel. Wir müssen schauen, wie wir es schaffen, dass vor allem armutsgefährdete Kinder und Schulen in schwierigen Lagen er- reicht werden. Das schaffen wir, weil wir ein breit angelegtes Konzept haben, was gut ausfinanziert ist. Bund und Länder müssen Hand in Hand miteinander ge- hen. Der Bund wird beim Startchancen- Geldgeber programm hauptsächlich sein. Reicht das, um die Bildungsgerech- tigkeit in Deutschland nachhaltig zu verbessern? Es geht bei dem Programm nicht nur da- rum, Geld zu geben. Insgesamt gibt es drei Säulen. Die erste Säule umfasst ein Investitionsprogramm für die Lernumge- bung. Damit sollen aber nicht die klassi- schen Sanierungsaufgaben übernommen, also keine Schultoiletten erneuert werden. Vielmehr geht darum, eine attraktive und förderliche Lernumgebung zu gestalten. In der zweiten Säule haben wir das Chancen- budget. Das steht Schulen zur Verfügung, um bedarfsgerecht Lösungen für neue Schul- und Unterrichtungsentwicklungen zu schaffen. Und wir haben die Säule drei, mit der wir das Personal stärken. Das be- deutet, wir haben drei verschiedene Ebe- nen, auf denen Handlungsbedarf besteht und die wir unterstützen. Wir nehmen viel Geld in die Hand, sodass wir struktu- rell helfen und die Schulen besser unter- stützen können. Darum ist es so wichtig und gut, dass das Programm wissen- schaftsgeleitet ist und regelmäßig evaluiert wird. Bräuchte der Bund mehr Einfluss, wenn es um bildungspolitische Themen geht? Ich bin der Ansicht, wir brauchen viel- mehr ein Kooperationsgebot anstatt eines Kooperationsverbots. Am besten müssen Bund und Länder Hand in Hand mitei- nander gehen. Denn die Herausforderun- gen in der Bildung sind groß. Und um diese gut und adäquat angehen zu kön- nen, brauchen wir Kooperationen. Zehn Jahre lang soll das Startchan- cenprogramm vorerst laufen. Wann ist das Programm Ihrer Meinung nach er- folgreich? Ich glaube, das Programm ist dann erfolg- reich, wenn wir es schaffen, dass mehr Schülerinnen und Schüler die Mindest- standards im Lesen, Schreiben und Rech- nen erreichen. Wir geben da auch viel Ver- antwortung in die Hand der Schulen, weil sie genau wissen, was sie vor Ort brau- chen. Ich bin überzeugt, dass wir Schüle- rinnen und Schülern bessere Chancen und einen guten Start in ihr Bildungsle- ben geben können. Das Gespräch führte Carolin Hasse. Laura Kraft (33) ist seit 2021 Mitglied des Bundestages. Die Grünen-Abge- ordnete ist Obfrau ihrer Fraktion im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. PARLAMENTARISCHES PROFIL Die Vielseitige: Daniela Ludwig Das Büro der Schatzmeisterin des FC Bayern Fanclubs im Bundestag ist nicht vollends in den Vereinsfarben eingerichtet, auf dem Boden ein entsprechender Fuß- abtreter und auf dem Regal hinterm Schreibtisch ein Trikot – aber eigentlich verrichtet Daniela Ludwig im vierten Stock des Paul-Löbe-Hauses andere Aufgaben. Zum Beispiel muss sie sich als Mitglied des Bildungsausschusses das geplante Startchancen- Programm vornehmen, immerhin hat es die zuständige Bundesmi- nisterin Bettina Stark-Watzinger als „größtes und langfristiges Bil- dungsprojekt der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ be- zeichnet. Und Ludwig? Sie lehnt sich auf dem Sofa zurück. Ver- schränkt die Arme. Holt tief Luft. Dann beugt sie sich vor: „Da hat jemand zu laut auf die Werbetrommel gehauen.“ Außerdem habe es zu lange gedauert. Warum? „Gute Frage, nächste Frage.“ Das Startchancen-Programm, welches Bund und Länder nun verab- schiedet haben, soll binnen zehn Jahren rund 20 Milliarden Euro Schulen zugutekommen lassen. Damit will sich die Politik gegen die schwindende Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern stemmen. Es startet am 1. August und berücksichtigt soziale Rah- menbedingungen; vor allem sogenannte Brennpunktschulen sollen avisiert werden. „Das ist richtig und wichtig“, bewertet Ludwig den Schwerpunkt, „aber so wird nur ein Bruchteil der Schüler adressiert“. Ludwig, 48, Abgeordnete der CSU aus dem Wahlkreis Rosenheim, würde sich mehr Geld für die Bildung wünschen. „Wir haben ein Bildungsproblem in diesem Land“, kommentiert sie das schlechte Abschneiden deutscher Schüler in internationalen Bil- dungsmonitorings. Aber halt, ist das nicht in erster Linie Ländersa- che? „Es braucht mehr Schulterschluss zwischen Bund und Län- dern. Ich spüre schon eine große Gesprächsbereitschaft.“ Ludwig ist Oppositionspolitikerin, da muss sie Kontra geben. Aber dass ihr der Hang zum Konstruktiven nicht abgeht, schimmert stets durch. Zwar bemängelt Ludwig, dass im Programm erstmal viel ge- baut werden solle („Davon wird kein Kind schlauer“), unterstreicht ..................................................................................................................................................... »Es braucht mehr Schulterschluss zwischen Bund und Ländern.« k e h t o t o h p / T B D © aber positiv, dass etwa die Schulsozialarbeit gestärkt wird. Tatsäch- lich ist Ludwig neu auf diesem Gebiet, obwohl sie seit 2002 im Bundestag sitzt. Sie schaut auf einen bewegten Parlamentarierweg zurück: Sie war Obfrau im Rechtsausschuss, arbeitete viel zu Ver- kehr, agierte als tourismuspolitische Sprecherin der Fraktion und firmierte als Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Und sie steht, nicht zu vergessen, dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immu- nität und Geschäftsordnung vor. Für 48 Jahre ist das eine Menge. In den Bundestag kam sie 2002, obwohl man bei ihrer ersten Kandidatur versicherte: „‘Nein, nein, auf keinen Fall kommst du rein. Soweit hinten zieht die Landesliste bestimmt nicht.‘“ Ludwig stand auf Platz 32, und als man sie in der Wahlnacht anrief und sagte, sie sei gewählt und solle zwei Tage später nach Berlin, dachte sie zuerst an einen Fake. Doch der da- malige Spitzenkandidat Edmund Stoiber von der CSU hatte mehr Zweitstimmen als erwartet geholt – und Ludwig ihr Berufsleben neu zu planen. Gerade hatte sie das Erste Staatsexamen in Rechts- wissenschaften absolviert. Aber da fügte sich etwas: Mit zwölf hat- te sie begonnen die Zeitung zu lesen, ihre Eltern mit Fragen gelö- chert, dann mit 13 wollte sie unbedingt zum Sarg des verstorbe- nen CSU-Granden Franz Josef Strauß („Er war sehr authentisch, ich mochte seine klare Aussprache“) und noch als Schülerin schrieb sie mit Leserbriefen in der Lokalzeitung gegen den Aufstieg der rechtsorientierten „Republikaner“ an; mit 18 wurde sie CSU-Mit- glied. Und dann der Bundestag. Ludwig scheint am richtigen Ort angekommen zu sein. Kandidierte 2005 für den Wahlkreis und gewann ihn seitdem. Den Vater, der sie 2002 zum ersten Flug nach Berlin zum Flughafen fuhr, machte das stolz. „Meine Eltern waren meine größten Stützen.“ Ihre Kindheit habe sie halb zwischen Büro und Werkstatt der Firma für Lüftungs- und Klimaanlagen verbracht, vom Vater aus dem Nichts heraus aufgebaut und mit der Mutter in Buchhaltung und Büro. Vom Ar- beitsethos scheint einiges auf die Tochter übergegangen: Der nächste Termin wartet bereits. Jan Rübel T