2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 1-3 - 30. Dezember 2023 GASTKOMMENTARE HATTE DER „CLUB OF ROME“ RECHT? Club of Weitsicht s u a r K x e A © l Joachim Wille, »Frankfurter Rundschau« PRO n e o h c S l e x A © Birgit Marschall, »Rheinische Post« CONTRA Vorerst widerlegt Natürlich hat der Club of Rome Recht ge- habt. Es gibt in einer endlichen Welt „Grenzen des Wachstums“, solange das Wachstum nicht vom Verbrauch von Res- sourcen entkoppelt ist – und das ist bisher nirgendwo erreicht worden. Die „Grenzen“ schlugen 1972 gewal- tig ein, keine andere wissenschaftliche Studie hatte bis dahin in der Öffentlichkeit eine solche Beachtung gefunden. Es war eine historische Leistung. Als 1973 die erste Ölkrise kam, ausgelöst durch einen Beschluss der Opec-Ölländer, schien das die Ressourcen- Schwarzseher vom Club of Rome zu bestätigen. Dabei hatten die Forscher um Dennis Meadows vom Massa- chusetts-Institute of Technology (MIT) ein so schnelles Knappwerden der Energiereserven gar nicht vorausge- sagt. Trotzdem prägte der Ölkrisen-Schock die Wahr- nehmung der MIT-Studie. Kritiker höhnten später: Der „Club“ habe unnötig Kassandra gespielt. Motto: Seht her, das Öl ist ja gar nicht knapp geworden. Die Leistung von Meadows und Co. war eine ganz an- dere. Sie lehrten, die Welt als eng verwobenes Ganzes zu betrachten und in längeren Zeiträumen zu denken. Sie warnten, die Wachstumsgrenzen drohten im Laufe des nachfolgenden Jahrhunderts erreicht zu werden, und zwar mit katastrophalen Folgen, falls die Ausbeu- tung natürlicher Rohstoffe unvermindert anhält. Die Welt ist auf diesem Weg gefährlich weit gediehen. Ak- tuell sind der Ressourcenhunger und Schadstoffe-De- poniebedarf der rund 200 Länder auf dem Globus so groß, dass es rechnerisch fast zwei Erden bräuchte, um sie abzudecken. Und dass die Welt inzwischen auf Drei-Grad-Erwärmungskurs tolerable 1,5 Grad ernsthaft anzupeilen, passt dazu. Das kann, das begreift jeder, nicht lange gut gehen. Denn es sprengt die Grenzen des Wachstums. statt ist, Es ist 51 Jahre her, da machten „Die Gren- zen des Wachstums“ Karriere. Die Ver- dienste dieses Bestsellers sind unbestrit- ten. Die Autoren machten der Menschheit erstmals klar, dass das kapitalistische Wirtschaften die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Schon damals warnten die Ökonomen vor der Gefahr des Klimawandels durch den CO2-Ausstoß. Was sie aber nicht voraussahen, war der Erfindungsgeist etwa bei der Energieerzeugung. Das Wirtschafts- wachstum wird eben doch nicht, wie damals prog- nostiziert, durch Ausschöpfung aller fossilen Res- sourcen gebremst, sondern Strom aus Wind und Sonne sorgt heute dafür, dass es weitergeht. Wirt- schaftswachstum ist kapitalistischen Systemen im- manent: Unternehmen stehen im Wettbewerb, su- chen neue Produkte, streben nach Gewinnen, um Teile davon zu reinvestieren. Sie schaffen Jobs, mehr Beschäftigte zahlen Steuern, so hat der Staat mehr Geld für die Umverteilung. Wohlstand ohne Wachstum ließe sich nicht auf Dauer sichern. Ohne Wachstum wären Zukunftsinvestitionen auch kaum finanzierbar. Regulierung drosselt das ungehemmte Wachstum, etwa in Deutschland. Staatskapitalistische oder planwirtschaftliche Län- der achten im Übrigen viel weniger auf Sozial- und Umweltstandards. Dennoch ist die Frage nach den Grenzen des Wachstums berechtigter denn je. Die exzessive Art, wie wir wirtschaften, belastet den Planeten. Die Erderwärmung wischt bald gan- ze Länder von der Weltkarte, über die Hälfte aller Arten ist vom Aussterben bedroht, die Meere mit Plastik verseucht. Ökonomen diskutieren über Auswege. Die wohl beste Lösung wäre die Inter- nalisierung aller Umweltkosten in die Marktpreise. Der internationale CO2-Preis wäre nur der Anfang. Mehr zum Thema auf den Seiten 1 bis 12. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. 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Herr Dullien, die einen fordern „Greengrowth“, die anderen „Degrowth“, wieder andere meinen, grüner Sozialis- mus sei der richtige Weg. Welchen Weg halten Sie für richtig? Unumstritten ist: Wir müssen weniger Res- sourcen verbrauchen als heute. Es ist aus meiner Sicht aber nicht zwingend, dass es damit kein Wirtschaftswachstum mehr ge- ben wird. Und es ist auch nicht zielfüh- rend, Ressourceneinsparungen durch ein forciertes Schrumpfen der Wirtschaft her- beizuführen. Betrachtet man die histori- sche Erfahrung mit verschiedenen Wirt- schaftssystemen, so scheint mir klar: Das beste System für die Dekarbonisierung ist eine soziale Marktwirtschaft mit einem stark lenkenden Staat. Ohne eine soziale Flankierung der Klimawende wird die poli- tische Unterstützung durch die Bürger nicht stabil sein. Außerdem ist der stark lenkende Staat notwendig, weil die Zeit drängt. Die Marktkräfte allein sind nicht zielgenau genug, um die Dekarbonisierung umzusetzen, der Staat kann die richtigen Preissignale setzen sowie nötige Innovatio- nen und Investitionen anstoßen. Gibt es während der Phase der De- karbonisierung noch genug Wachstum? In weiten Teilen der Welt leben nach wie vor sehr viele Menschen in absoluter und in relativer Armut. Es ist kaum vorstellbar, wie diese Armut allein durch Umverteilung und ohne Wirtschaftswachstum zu über- winden ist. Gleichzeitig muss das Wirt- schaftswachstum in den planetaren Gren- zen bleiben. Das ist ein Dilemma. Positiv stimmt, dass gerade in den ärmeren Län- dern oft sehr viel Potenzial besteht, mit neuen Technologien Ressourcen einzuspa- ren, parallel zu einer Modernisierung und zu Wirtschaftswachstum. Ökonomen setzen auf Wachstum, Ge- werkschafter auf Umverteilung, was hal- ten Sie als Gewerkschaftsökonom für wichtiger? Ich glaube, da besteht nicht wirklich ein Widerspruch. Gewerkschaften verstehen meiner Einschätzung nach sehr gut, dass ein wachsender Kuchen, der gerecht verteilt wird, mehr bringt als Umverteilung einer unveränderten Wirtschaftsleistung. Und Ökonomen erkennen, dass ungerechte Ver- teilung Gesellschaften spaltet und am Ende auch das Wachstum ausbremst. Von daher bin ich für gerecht gestaltetes Wachstum. Welche Möglichkeiten gibt es für ein „grünes Wachstum“, das den Wohlstand erhält, und wie viel Verzicht bringt das mit sich? Viele Produkte und Dienstleistungen müs- sen umweltfreundlicher werden. Das fängt beim Heizen an. Ein Haus mit guter Isolie- rung und mit einer Wärmepumpe ist nicht nur wesentlich ökologischer, sondern auf lange Sicht auch kostengünstiger als eines mit Einfachfenstern und Ölheizung. Das zweite ist die Veränderung von Konsum- mustern. Zum Beispiel? Einwegplastik lässt sich oft ersetzen, und wir verlieren nichts an Wohlstand. Be- stimmte Konsummuster, wie zum Einkau- fen oder zum Kurzurlaub ins Ausland zu fliegen, sind überhaupt nicht nachhaltig, aber man kann seine Freizeit auch anders gestalten und trotzdem Wohlstand haben. Lässt sich Wachstum politisch über- haupt steuern? Natürlich. Die Politik kann mit ihren Ge- setzen und Vorschriften Wachstum dämp- fen, ankurbeln oder verändern. Wir haben Mehrheiten für Klimaschutz. Die Bundes- regierung hat mittlerweile zahlreiche Kli- maschutzmaßnahmen verabschiedet, das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 2021 in seinem Urteil wirksamen Kli- »Kein System- wechsel« SEBASTIAN DULLIEN Der Direktor des Instituts für Makro- ökonomie und Konjunktur- forschung über Wachstumsfragen © picture-alliance/SZ Photo/JensSchicke maschutz eingefordert. Das Umdenken bei vielen Bürgern hat längst eingesetzt. Aller- dings muss der Transformationsprozess durch Eingreifen der Politik flankiert wer- den. Wie müsste das Eingreifen konkret aussehen? Es braucht eine Kombination von Be- schränkungen und preislichen Maßnah- men für Umweltverbrauch sowie Unter- stützungen für jene, die sich die notwendi- gen Investitionen, um weiter Wohlstand zu haben, nicht allein leisten können. Damit kann die Dekarbonisierung vorankom- men, und die notwendige Unterstützung der Bevölkerung bleibt erhalten. Wie würde ein Wirtschaftssystem aus- sehen, das auf weniger Wachstum setzt? Zu versuchen, jetzt ein neues, fundamental anderes Wirtschaftssystem zu etablieren, scheint mir der falsche Weg. Versuche mit nicht-marktwirtschaftlichen Systemen ha- ben keine gut funktionierende Alternative hervorgebracht. Der real existierende So- zialismus Ende der 1940er bis Ende der 1980er Jahre etwa war für die Umwelt alles andere als vorteilhaft. Und: Wir haben kei- ne Zeit für Experimente mit grundsätzlich anderen Wirtschaftssystemen. Es gibt kei- nen Grund anzunehmen, dass wir in der sozialen Marktwirtschaft die Dekarbonisie- rung nicht hinbekommen würden. Wichtig ist die richtige Priorität: Die Politik muss die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Wirtschaft in ihren planetaren Grenzen bleibt. Wenn es dann eine Phase schwa- chen oder fehlenden Wachstums gibt, dann muss bestehender Wohlstand ent- sprechend stärker umverteilt werden. Für all das braucht es keinen Systemwechsel! Seit Jahren wird daran gearbeitet, dass auch Faktoren wie Umwelt und so- ziale Gerechtigkeit gemessen werden müssten und nicht nur die BIP-Entwick- lung berücksichtigt wird. Das Wirt- schaftsministerium stellt bei der Präsen- tation des Jahreswirtschaftsberichtes nun auch Indikatoren zur gesellschaftlichen Entwicklung vor. Wie wichtig sind die Versuche, das BIP zu ergänzen, und wie müsste ein Alternativindex aussehen? Es ist sehr wichtig, dass alternative Maß- zahlen entwickelt werden, um zu zeigen, dass das BIP kein abschließendes Maß für unseren Wohlstand ist. Allerdings gibt es noch keine gute Antwort darauf, wie so ein Index aussehen und was er beinhalten soll- te. Zum einen wird versucht, einen ganz- heitlichen alternativen Index zu schaffen, zum anderen versucht man einen soge- nannten Dashboard-Ansatz. Das ist wie beim Auto-Armaturenbrett, wo verschiede- ne Informationen abgebildet werden. Dort würden dann auch Kategorien wie Um- weltverschmutzung oder Lebenserwartung angezeigt. Das Problem bei einem einheit- lichen Alternativindex ist, dass man alles in Geldwert darstellen müsste. Man müsste beispielsweise bepreisen, was eine Vogelart wert ist. Das ist schwierig und angreifbar. Beim Dashboard-Ansatz können die Abbil- dungen sehr komplex und unübersichtlich werden. Die gesamten Versuche sind wert- volle Ergänzungen zum BIP, aber sie kön- nen es bislang nicht ersetzen. Führt ein neuer Indikator tatsächlich zu mehr sozialer Gerechtigkeit und mehr ökologischer Nachhaltigkeit? Das Messen allein löst die Probleme nicht, aber Dinge, die nicht gemessen werden, werden oftmals komplett vernachlässigt. Nutzt die Bundesregierung die richti- gen Maßnahmen, um das angestrebte Ziel einer „sozial-ökologischen Markt- wirtschaft“ zu erreichen? Viele der Dinge, die seit dem Amtsantritt der Bundesregierung vor zwei Jahren pas- siert sind, gehen durchaus in die Richtung einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Der Mindestlohn wurde erhöht, es gab Ver- besserungen beim Bürgergeld, da bemüht sich die Regierung um die soziale Absiche- rung. Und zugleich sind zahlreiche Maß- nahmen für die Dekarbonisierung auf den Weg gebracht worden. Die Frage ist, wie es nach dem Urteil des Bundesverfassungsge- richts damit weitergeht. Ich sehe die Ge- fahr, dass jene Elemente, die für die sozial- ökologische Marktwirtschaft wichtig sind, dem Rotstift zum Opfer fallen, wenn die Bundesregierung auf das Urteil mit Kür- zungen reagiert. Das Gespräch führte Nina Jeglinski T Sebastian Dullien ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) bei der Hans-Böckler-Stiftung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. PARLAMENTARISCHES PROFIL Der Dompteur: Kay Gottschalk Draußen vor seinem Büro, auf einem Tisch im Flur des Abgeordnetenhauses in der Wilhelmstraße, liegt ein Buch. Für die Wartezeit, von irgendjemand abgelegt. Auf Seite 394 steht: „Je größer die wirt- schaftliche Freiheit, desto größer ist das Bedürfnis nach klaren gemeinschaftlichen Spielregeln und einer effizienten Behörde, um sie durchzusetzen.“ Ein Satz aus den Memoiren des frühe- ren EU-Kommissars Karel van Miert, der Kay Gottschalk gefällt. „Kann ich unterschreiben“, sagt er und rührt seinen Kaffee um. „Einen Raubtierkapitalismus möchte eigentlich niemand. Ich bin ein Freund der Marktwirtschaft, aber sie braucht Leitplan- ken und Grenzpfähle.“ Er mache Politik, sagt er, damit es allen gut gehe. Das klingt recht sozialdemokratisch. Und Gottschalk, 58, bekennt sich sogleich als Anhänger von Helmut Schmidt, er- zählt, wie er als Saalordner am 17. Februar 1983 in Hamburg ein Autogramm von ihm erhielt – und sich auf dessen Rückseite eines von Björn Engholm geben ließ. Nur liegt das sozialdemokratische Engagement als Parteimit- glied hinter ihm. Gottschalk ist Bundestagsabgeordneter der AfD, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion. „Die sozialdemo- kratische Prägung ist mir geblieben“, sagt er, „es muss fair zu- gehen.“ Gottschalk legt beim Reden leicht nach vorn gebeugt die linke Hand unters Kinn, der rechte Arm ruht auf dem Schoß. „Kapitalismus, das war in den USA bis zu den vorigen Dreißi- gern das Ausnutzen von Menschen und Freiheiten. Da wurde eine Grenze überschritten, welche die Gesellschaft verteidigen muss.“ Gottschalk weiß, wovon er spricht. Nach einer Ausbil- dung im Bankwesen absolvierte er ein Doppelstudium in Be- triebswirtschaftslehre und Jura, „eine eindrucksvolle Leistung“, wie er auf seiner Website schreibt. „Ich sehe die AfD als konser- vative SPD“, sagt er. Davon wird er in seiner Partei nicht alle überzeugen, es zeugt aber von den Unterschieden innerhalb der AfD. Wie kam es bei ihm zum Wechsel, weg von der SPD zur AfD, gab es eine Entwicklung? „Die SPD legte auch einen Ent- ..................................................................................................................................................... »Einen Raubtierkapitalismus möchte eigentlich niemand. Ich bin ein Freund der Marktwirtschaft, aber sie braucht Leitplanken.« e c n a i l l a - e r u t c i p / a p d © wicklungsprozess hin“, antwortet Gottschalk. „Früher war sie eine klassische Arbeiterpartei, eine des gerechten Ausgleichs.“ Mit ihrer Klientel sei sie nicht mitgewachsen, „die SPD ist eine Lehrerpartei geworden“. Woran macht er das fest? „Zum Bei- spiel wurde die Pendlerpauschale seit 2004 nicht mehr erhöht, und in den Nullerjahren beerdigte die SPD den sozialen Woh- nungsbau.“ Außerdem hätten die Sozialdemokraten zu sehr auf die Friedensdividende und zu wenig auf Verteidigungsbereit- schaft gesetzt. „Hab‘ aber noch immer gute Kontakte zu ein paar Genossen.“ Es fällt auf, dass Gottschalk mehr über die SPD als über die AfD erzählt. Bei letzterer gibt es auch ein paar Klippen, etwa all jene Politiker dort, die viel rechter zu verorten sind als er selbst, die auf eine Äußerung von ihm wie „Ich bin kein Gegner einer bunten Stadt, in der sich alle an die Spielre- geln unseres Grundgesetzes halten“ mit Hautausschlag reagie- ren würden. Er sei anders groß geworden, in Hamburg, entgeg- net er. Vom Schreibtisch grüßt ein Wimpel des HSV. „Das Wort ‚Flüchtlinge‘ will ich heute nur einmal in den Mund nehmen.“ Gottschalks Vater war als Angestellter bei der Lufthansa und beim Flughafen Gewerkschaftsmitglied, die Mutter Chemiela- borantin. Der Junior hatte es früh mit Zahlen, schippte für fünf D-Mark den Schnee der Nachbarn, sammelte sein Taschengeld in einem blauen Miniaturtresor aus Plastik. Mit 18 begann er, mit Aktien zu spekulieren, und zwar so erfolgreich, dass er sich mit 21 eine eigene Wohnung kaufte. Nach dem Studium heuer- te Kay Gottschalk bei mehreren Versicherungskonzernen an, ar- beitete als leitender Angestellter. 2013 gehörte er zu den Grün- dungsmitgliedern der AfD, der Finanzexperte eckte indes mit den damaligen Sprechern Bernd Lucke und Jörg Meuthen an, welche die Grenzen der Marktwirtschaft verschieben wollten. 2017 dann der Einzug in den Bundestag. Was noch kommen wird? „Ach“, sagt Gottschalk, „auf jeden Fall auch ein Leben nach der Politik.“ Jan Rübel T