2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 24 - 08. Juni 2024 GASTKOMMENTARE SOLL DIE EU MEHR SCHULDEN MACHEN? Kein Tabubruch PRO Die EU ist eine der drei größten Wirt- t a v i r P © Hannes Koch, freier Journalist n ö h c S l e x A © Birgit Marschall, »Rheinische Post«, Düsseldorf Der falsche Schritt CONTRA Der Kampf um die Wirtschafts- und Fi- schaftsmächte der Welt, neben den USA und China. Daran gemessen nehmen sich ihre finanziellen Mög- lichkeiten bescheiden aus. In der laufenden sie- benjährigen Finanzperiode stehen der EU-Kommis- sion aus ihrem Haushalt pro Jahr durchschnittlich rund 150 Milliarden Euro zur Verfügung – nur gut ein Drittel dessen, was die Bundesregierung allei- ne ausgeben kann. Damit ist Europa den weltpoli- tischen Herausforderungen nicht gewachsen. Der demokratische Staatenbund muss einen Krieg vor seiner Haustür bestehen, den die autokrati- sche Regierung Russlands in der Ukraine angezet- telt hat. Die Transformation zur Klimaneutralität erfordert hohe Investitionen, ebenso wie der Standortwettbewerb mit den USA und China. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni und Frank- reichs Präsident Emmanuel Macron plädieren des- halb für die Möglichkeit, mehr EU-Schulden auf- nehmen zu können. Bundesfinanzminister Christi- an Lindner (FDP) hat sich dagegen ausgesprochen. Mangels eigener Steuereinnahmen eröffnete ein neuer, permanenter Kreditrahmen der EU-Kommis- sion die Option, auf kurzfristige Anforderungen in Situationen zu reagieren, in denen die Mitglied- staaten nicht einig sind. So hätte Europa etwa während der monatelangen Blockade von US- Waffenlieferungen an die Ukraine einspringen können. Die EU-Kreditaufnahme würde nationale Budgets ergänzen – und müsste beschränkt wer- den. Nationale Vorbehalte dürfen das jetzt nicht blockieren. Weil die Kommission im Rahmen des Programms Next Generation EU bereits in größe- rem Umfang eigene Staatsanleihen ausgibt, wäre die zusätzliche Verschuldung kein Tabubruch. nanzpolitik in Brüssel beginnt, wenn die Wahllokale am Sonntag geschlos- sen sind. Hochverschuldete EU-Län- der, allen voran Frankreich und Italien, werden wieder versuchen, ihre Haushaltsprobleme auf Kosten anderer Länder zu lösen. Das ist vor allem Deutschland, dessen Schuldenquote nur etwa halb so hoch ist, das aber wirtschaftlich schwächelt, große Zukunftsprobleme lösen und viel mehr in seine Verteidigungsfähigkeit investieren muss. Schon jetzt ist Italien der mit Abstand größte Emp- fänger der vor allem von Deutschland garantierten Mittel des Wiederaufbaufonds, den die EU in der Corona-Krise aufgelegt hatte. Finanziert wird der 800-Milliarden-Euro-Fonds erstmals durch eigene EU-Anleihen am Kapitalmarkt. Die Südländer hof- fen, diesen Präzedenzfall zur Dauereinrichtung zu machen und der EU eine generelle eigene Ver- schuldungsmöglichkeit zu geben. Die Bundesre- gierung sollte das unbedingt verhindern, denn da- mit würde die Büchse der Pandora endgültig ge- öffnet: Die Nationalstaaten verlören die Kontrolle über die Finanzpolitik, der ohnehin ausgehöhlte Fiskalpakt wäre endgültig erledigt und Deutsch- land als Stabilitätsanker für die drohende deutli- che Ausweitung der EU-Schulden überfordert. Die EU muss aufhören, immer den zweiten Schritt vor dem wichtigeren ersten zu gehen: den Euro einführen, ohne vorher für Finanzstabilität und echte gemeinsame Finanzpolitik zu sorgen, die Binnengrenzen abschaffen, ohne vorher die Au- ßengrenzen zu sichern, EU-Gemeinschaftsschul- den auflegen, ohne vorher die Bankenunion und – die eigentliche Aufgabe – einen echten Staaten- bund zu etablieren. Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. Kontakt: gastautor.das-parlament@bundestag.de Herr Krichbaum, der französische Präsident Macron hat unlängst in seiner Sorbonne-Rede gesagt, wenn in Europa nicht die richtigen Entscheidungen ge- troffen würden, dann könne Europa auch sterben. Er sagte das angesichts des Er- starkens von Europa-Skeptikern, aber vor allem angesichts der Bedrohung durch Russland. Um damit zu beginnen: Hat das scheidende Europaparlament genug getan, um die Ukraine in ihrem Überle- benskampf zu unterstützen? Ich glaube, das Europäische Parlament hat fast alles getan, was in seiner Macht stand. Fraglich ist vielmehr, ob die Mitgliedstaa- ten der Europäischen Union getan haben, was in ihrer Macht stand. So stellt Ungarn ständig die Sanktionen gegen den Aggres- sor Russland in Frage. Die deutsche Bun- desregierung war immer wieder viel zu zö- gerlich. Dass der Bundeskanzler jetzt end- lich den Einsatz von aus Deutschland ge- lieferten Waffen gegen angreifende Trup- pen auf russischem Staatsgebiet erlaubt, war überfällig, weil so wichtige Nach- schubwege unterbunden werden können. Es geht beim Kampf der Ukraine um Frei- heit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Ein Frieden ohne diese Werte ist wertlos, denn hier stehen im wahrsten Wortsinn die europäischen Werte unter Feuer. Dafür kämpft die Ukraine, und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir die Ukraine un- terstützen. Man darf nie vergessen, dass ein Wladimir Putin wohl kaum aufhören wür- de, wenn er die Ukraine erst einmal unter- worfen hätte. Vielmehr würde der russische Präsident dann mit anderen Ländern wei- termachen. Tatsächlich geht es deshalb um die Zukunft Europas. Das Thema äußere Sicherheit wird auch im neuen EU-Parlament ganz oben auf der Agenda stehen. Dabei wird es auch um die gemeinsame Rüstungsbe- schaffung und die Stärkung der europäi- schen Rüstungsindustrie gehen. Für wie wichtig halten Sie die? Ich halte sie für sehr wichtig. Es ist ein An- liegen meiner Partei und Fraktion, dass wir die Position eines Verteidigungskommis- sars schaffen, der im Kern genau diese Auf- gabe hat. Wir brauchen dringend ein leis- tungsfähiges europäisches Beschaffungswe- sen und eine Bündelung von Verantwort- lichkeiten mit Verteidigungsbezügen in der Kommission. Wir haben in der EU knapp über 180 Waffensysteme, die Amerikaner kommen mit an die 30 aus. Da kann man sich ausmalen, was effizienter und damit auch günstiger ist. Ich begrüße daher aus- drücklich, dass die Europäische Kommissi- on mit der Strategie für die Verteidigungs- industrie (EDIS) und einem ersten Legisla- tivvorschlag zur Umsetzung dieser Strategie (EDIP) hier ambitionierte und konkrete Wege zur Verbesserung vorgeschlagen hat. Es geht aber nicht nur um einen Kommis- sar für Verteidigung, sondern wir müssen die europäische Verteidigungs- und Sicher- heitspolitik insgesamt stärken. Ein wichti- ges Mittel dafür ist die bessere Nutzung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO). Das Ganze ist natürlich auch eine Fi- nanzfrage, und da steht in nächster Zeit wohl die Entscheidung an, ob die EU da- zu, ähnlich wie in der Pandemie, eigene Schulden aufnehmen darf. Macron hat sich ja in diesem Sinn geäußert. Wie soll- te sich Deutschland dazu stellen? Die Covid-Pandemie und die nachfolgend geschaffenen Finanzierungshilfen durch den Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ waren eine Einmaligkeit. Damals war es eine richtige Ausnahme von der Regel, dass es auf EU-Ebene keine gemeinsamen Schulden geben darf. Schließlich ging es darum, die immensen wirtschaftlichen Fol- gen einer nie dagewesenen Pandemie ab- zumildern. Am Ende stellt sich die Frage, »Regierung war viel zu zögerlich« GUNTHER KRICHBAUM Der Europa-Experte über Versäumnisse der EU-Mitgliedstaaten beim Einsatz für Demokratie und den Reformstau in Brüssel. © picture-alliance/Hans Lucas/UnionEuropeenne welche Aufgaben die EU priorisiert. Wenn man die EU neu erfinden würde, würden wir sicher nicht mit der Landwirtschaftspo- litik beginnen, was es damals richtig war. Vielmehr stünden heute die Themen Si- cherheits- und Verteidigungspolitik, For- schung, Technologie und Innovation im Vordergrund. In diesem Zusammenhang müssen auch die bestehenden Kohäsions- fonds evaluiert werden. So existieren viele Programme, bei denen die Mittel bis zum heutigen Tage gar nicht vollständig abgeru- fen werden. Mit dem Krieg vor unserer Haustür hat auch das Thema EU-Erweiterung wie- der neue Brisanz bekommen. Neben der Ukraine und Moldau wollen auch mehre- re Westbalkan-Länder beitreten. Halten Sie die Aufnahme neuer Mitglieder bis zur nächsten Europawahl, also in den nächsten fünf Jahren, für möglich? Ich wehre mich immer dagegen, konkrete Daten zu benennen, denn nicht der Kalen- der erfüllt die Voraussetzungen für einen Beitritt, sondern die Reformen, die in den einzelnen Kandidatenländern umgesetzt PARLAMENTARISCHES PROFIL werden müssen. Am Ende dürfen die Bür- gerinnen und Bürger der jeweiligen Länder nicht um die Früchte eines Beitritts ge- bracht werden. Nur wenn die Reformen er- folgen, beispielsweise im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, haben auch die Men- schen wirklich etwas davon. Nur dann wird es auch gelingen, ausländische Di- rektinvestitionen anzuziehen, die Arbeits- plätze schaffen und wirtschaftliches Wachs- tum ermöglichen. Aber bis alle Kriterien zu hundert Prozent erfüllt sind, werden viele Jahre vergehen. Ob wir allerdings so viel Zeit haben, wage ich zu bezweifeln. Des- halb bin ich dafür, die Methodologie der Beitrittsverfahren zu ändern. Die Beitritte sollten in Zukunft stufenweise erfolgen, natürlich mit dem Ziel einer Vollmitglied- schaft. Zu einer entsprechend engeren An- bindung über Zwischenstufen gehört ins- besondere ein „phasing in“ in EU-Pro- gramme und EU-Politiken wie eine assozi- ierte Mitgliedschaft ohne Stimmrecht im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Si- cherheitspolitik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- Verteidigungspolitik (GASP/GSVP). und Wäre denn die EU ihrerseits über- haupt in der Lage, neue Mitglieder zu verkraften? In der Tat muss sich die Europäische Uni- on reformieren, um weiter aufnahmefähig zu sein. Wir haben erlebt, wie aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses ein ein- zelnes Land die gesamte EU aufhalten und seine Vetoposition für handfeste Erpres- sung nutzen kann. So haben Bulgarien und Griechenland die Aufnahme von Bei- trittsverhandlungen mit Nordmazedonien blockiert. Wir brauchen verbindliche Rege- lungen, die ausschließen, dass offene bila- terale Fragen während des Beitrittsprozes- ses für Erpressungsversuche instrumentali- siert werden, wie es bei Nordmazedonien der Fall war. Dafür muss der Europäische Rat künftig mit qualifizierter Mehrheit ent- scheiden können, ob eine Streitigkeit bila- teraler Natur ist oder ob sie die EU-Integra- tion insgesamt beträfe. Um noch einmal auf Präsident Ma- crons Sorbonne-Rede und seine Sorge zu- rückzukommen, dass Europa sterben könnte: Teilen Sie diese Sorge nicht? Ich schätze Emmanuel Macron sehr, vor al- lem, dass er auch immer wieder Ideen auf den Tisch legt, um Europa nach vorne zu bringen. Das zeichnet ihn aus. Aber mir fehlt dann das Echo aus Deutschland, gera- de aus der Bundesregierung. Andererseits haben schon andere den Totentanz für Europa eingeläutet. Ich erinnere an Josch- ka Fischer (Grüne) . Als er Außenminister war und die Europäische Verfassung durch ablehnende Referenden in Frankreich und den Niederlanden scheiterte, sah er Europa am Ende. Allerdings war es dem Mut des damaligen französischen Präsidenten Ni- colas Sarkozy zu verdanken, dass weite Tei- le dieser Verfassung in den späteren Vertrag von Lissabon überführt werden konnten. Trotz des gescheiterten Referendums mach- te er mit diesem Thema Wahlkampf – und gewann. Ich bin deshalb nicht ganz so schwarzseherisch. Aber man darf auch die Herausforderungen nicht unterschätzen, die wir im geopolitischen Rahmen zu be- stehen haben. Russland wurde angespro- chen, aber ich will auch China erwähnen. Wir wissen zudem nicht, wie die US-Wah- len im November ausgehen. Ein Grund mehr, dass sich Europa jetzt auf seine Stär- ken besinnt! Das Gespräch führte Peter Stützle T Gunther Krichbaum ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages, er ist europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Herausgeber Deutscher Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Fotos Stephan Roters Mit der ständigen Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte ISSN 0479-611 x (verantwortlich: Bundeszentrale für politische Bildung) Anschrift der Redaktion (außer Beilage) Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon (0 30) 2 27-3 05 15 Telefax (0 30) 2 27-3 65 24 Internet: http://www.das-parlament.de E-Mail: redaktion.das-parlament@ bundestag.de Chefredakteur Christian Zentner (cz) V.i.S.d.P. Stellvertretender Chefredakteur Alexander Heinrich (ahe) Redaktion Dr. Stephan Balling (bal) Lisa Brüßler (lbr) Carolin Hasse (cha) (Volontärin) Claudia Heine (che) Nina Jeglinski (nki) Claus Peter Kosfeld (pk) Johanna Metz (joh) Elena Müller (emu) Sören Christian Reimer (scr) CvD Sandra Schmid (sas) Michael Schmidt (mis) Helmut Stoltenberg (sto) Alexander Weinlein (aw) Redaktionsschluss 7. Juni 2024 Druck und Layout Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG Kurhessenstraße 4 – 6 64546 Mörfelden-Walldorf Leserservice/Abonnement Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 32 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 32 E-Mail: fazit-com@cover-services.de Anzeigenverkauf, Anzeigenverwaltung, Disposition Fazit Communication GmbH c/o Cover Service GmbH & Co. KG Postfach 1363 82034 Deisenhofen Telefon (0 89) 8 58 53-8 36 Telefax (0 89) 8 58 53-6 28 36 E-Mail: fazit-com-anzeigen@cover-services.de Abonnement Jahresabonnement 25,80 €; für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 € (im Ausland zuzüglich Versandkosten) Alle Preise inkl. 7% MwSt. Kündigung jeweils drei Wochen vor Ablauf des Berechnungszeitraums. Ein kostenloses Probeabonnement für vier Ausgaben kann bei unserer Vertriebsabteilung angefordert werden. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Nachdruck nur mit Genehmigung Redaktion. Für Unterrichtszwecke können Kopien in Klassenstärke angefertigt werden. der „Das Parlament“ ist Mitglied der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbrei- tung von Werbeträgern e. V. (IVW) Für die Herstellung der Wochenzeitung „Das Parlament“ wird Recycling-Papier verwendet. Der aus den Regionen: Markus Töns Schließlich hörte er doch auf den polnischen Gastdozen- ten. „Wollen Sie nicht nur schlau über Politik reden“, fragte er den jungen Studenten, „sondern auch welche machen?“ Es war das Jahr 1987, und Markus Töns wurde dann Parteimitglied – in der SPD. Heute sitzt der 60-Jährige seit 2017 im Bundestag, nach zwölf Jahren als Ab- geordneter des Landtags in NRW. Europa hatte er dabei immer im Blick. „Dieser Europa-Wahlkampf ist schon ein Stück weit anders als die früheren“, sagt Töns am Telefon. „Es gibt mehr Interesse, und die Veranstaltungen sind besser besucht.“ Der Gelsenkirchener kommt gerade aus dem Plenarsaal, nach diesem Gespräch noch ein Interview, dann geht es wieder zurück, die nächsten Abstim- mungen warten. „Die Leute treibt schon die Frage an, ob das Eu- ropäische Parlament nach rechts abdriftet“, sagt er. Und kritisiert Überlegungen aus der Union heraus, sich in der Arbeit Parteien wie den italienischen Fratelli d’Italia anzunähern. „Demokraten müssen sich schon überlegen, ob sie mit Nicht-Demokraten zu- sammenarbeiten wollen.“ Und die Partei der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verortet er bei letzteren: „Das ist eine rechtsradi- kale Partei. Meloni ist der Wolf im Schafspelz: Sie lässt gegen- über Europa nicht raus, was sie will. Aber allein der Rückbau des Sozialen in Italien reflektiert die faschistische Ideologie, aus der Meloni kommt.“ Vielleicht, fügt er an, hätte man Ursula von der Leyen nicht zur Kommissionspräsidentin machen sollen. „Sie hatte sich eben vorher kaum mit Europa beschäftigt.“ Moment, ist sie nicht in Brüssel aufgewachsen? „Das tat Boris Johnson zum Teil auch“, entgegnet Töns mit Blick auf den Ex- Premier, der Großbritannien in den Austritt aus der EU geredet hatte. Solche Äußerungen wie die von Johnson würde man von Töns niemals hören. „Die EU ist das Beste, das Deutschland passieren konnte. Gäbe es sie nicht, müsste man sie erfinden.“ Als er in Bundestag einzog, war klar, dass er in den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union geht. „Man ..................................................................................................................................................... k e h t o t o h P / n o i t k a r F - D P S © »Die EU ist das Beste, das Deutschland passieren konnte. Gäbe es sie nicht, müsste man sie erfinden.« hätte mich ansonsten gefragt, warum.“ Warum? „Ich hatte ei- nen gewissen Ruf.“ Töns vertrat als Landtagsabgeordneter zwi- schen 2012 und 2017 Nordrhein-Westfalen im Ausschuss der Regionen – der Versammlung der Regional- und Kommunalver- treter der EU. „Die Inputs aus den verschiedenen Regionen in- spirierten sehr“, sagt er. „Man schärft auch den Blick dafür, wie sich Politik in kleineren Bereichen darstellt.“ Als Vize-Vorsitzender des Europa-Ausschusses macht Töns indes eine gewisse Distanz im Bundestag aus. „Ich würde mir wün- schen, dass die Kollegen außerhalb des Ausschusses mehr über die Abläufe innerhalb der EU wissen.“ Da sei noch Luft nach oben. „Allein über Konsultationen könnte der Bundestag früher und intensiver in Debatten einsteigen und nicht abwarten, bis ei- ne Richtlinie kommt.“ Zu viel würde die Legislative der Bundesre- gierung überlassen. Töns kommt aus einem politisch interessierten Haushalt. Die Mut- ter Hausfrau, der Vater Betriebselektriker. „Ich schaute jeden Tag die ‚Tagesschau‘, und meine Lieblingssendung war der ‚Weltspie- gel‘“, erinnert er sich. Sein Vater sei zwar nie SPD-Mitglied gewe- sen, „dafür war er zu konservativ“, aber dafür Gewerkschafter in der IG Metall. Als Schüler sei er nicht der fleißigste gewesen, sagt Töns über sich, besuchte zuerst die Hauptschule. „Danach wollte ich es aber nochmal wissen. Ich war reifer geworden, hängte mich rein.“ Nach dem Abitur das Studium der Politologie – und die Be- gegnung mit dem polnischen Gastdozenten. Den Wahlkreis Gel- senkirchen gewann er direkt – wie sein Vorgänger Joachim Poß, dem dies 37 Jahre lang gelungen war. Klar, dass Lokalkolorit nicht fehlen darf. Töns ist Vorsitzender der Kuppelknappen, das ist der offizielle Fanclub des FC Schalke 04 im Bundestag. Für die Fußball- EM gibt er zu bedenken: „Deutschland hat nur dann einen Titel ge- wonnen, wenn ein Gelsenkirchener in der Mannschaft war.“ Was die Elf unter dem Gelsenkirchener Jung und Kapitän İlkay Gündo- ğan weit bringen könnte. Jan Rübel T