4 EUROPA UND DIE WELT Das Parlament - Nr. 25-26 - 15. Juni 2024 Emmanuel Macron kommt bei fast allen Terminen zu spät. Nach den Europawahlen war der französische Präsident al- lerdings einmal pünktlich. Um 21.00 Uhr begann er seine überraschend angesetzte Fernsehansprache, in der er vorgezogene Parlamentswahlen für den 30. Juni und 7. Juli ankündigte. „Die Herausforderungen verlangen nach Klarheit“, begründete Macron seine Ent- scheidung, die wie eine Bombe einschlug. Der Staatschef reagierte mit seiner Ankün- digung auf den überwältigenden Sieg des rechtspopulistischen Rassemblement Na- tional (RN), der bei den Europawahlen 31,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, doppelt so viel wie die Präsidentenpartei Renaissance. „Wir sind bereit, die Macht auszuüben“, erwiderte die Frontfrau des RN, Marine Le Pen, kurz nach der Anspra- che des Staatschefs. Ihr Spitzenkandidat Jordan Bardella hatte bei den Europawahlen das beste Ergebnis überhaupt seit 40 Jahren eingefahren. Nun will Le Pen den 28-Jährigen als Regierungs- chef ins Pariser Palais Matignon schicken. Dazu müsste ihr RN, der bisher 89 Abge- ordnete stellt, allerdings eine Mehrheit der 577 Mandate gewinnen. In der neuen As- semblée Nationale könnte der RN laut ei- ner Umfrage des Instituts Harris Interactive mit 235 bis 265 Sitzen rechnen. Das Präsi- dentenlager, das bisher eine relative Mehr- heit hatte, dürfte nur noch auf 125 bis 155 Parlamentarier (derzeit 249) kommen. Das Linksbündnis sieht das Institut bei 115 bis 145 Sitzen (derzeit 153) und die konserva- tiven Républicains (LR) bei 40 bis 55 Sit- zen (derzeit 74). »Nationaler Block« Die Bildung einer sta- bilen Mehrheit erscheint angesichts dieser Zahlen schwierig. Marine Le Pen bemüht sich deshalb um Verbündete, vor allem aus den Reihen der Konservativen. Deren Par- teichef Éric Ciotti kündigte gegen alle par- teiinternen Absprachen an, dass LR eine Allianz mit dem RN bilden werde, einen „nationalen Block“. Der 58-Jährige hatte sich bereits 2022 gegen Macron in Stellung gebracht, als er verkündete, er würde lieber den wegen Rassismus verurteilten Rechts- extremisten Éric Zemmour wählen als den Präsidenten. Nach seiner Entscheidung war Ciotti allerdings weitgehend isoliert: Der Vorstand schloss ihn einstimmig aus der Partei aus. „Sie haben einen Vorsitzenden, der einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist“, bemerkte Macron bei einer Pressekon- ferenz am Mittwoch. Der Staatschef warnte vor „Bündnissen gegen die Natur“, die sich an den beiden extremen Polen bildeten. Damit meinte er neben Ciotti die Allianz der Linksparteien, die sich am Montag zu einer Volksfront zusammengefunden hatte. Bereits 1936 hatte sich die Linke zu einem solchen „Front Populaire“ zusammenge- schlossen, um den Aufstieg des Faschismus zu stoppen. Der neuen Volksfront gehören Sozialisten, die Linkspartei La France In- soumise (LFI), Kommunisten und Grüne an. Ein ähnlicher Zusammenschluss der Linksparteien, der seit 2022 bestand, war nach dem Hamas-Angriff auf Israel zerbro- chen, weil LFI sich geweigert hatte, die At- tacke als Terrorismus zu verurteilen. Im Eu- ropawahlkampf fuhr der starke Mann von LFI, Jean-Luc Mélenchon, eine pro-palästi- nensische Kampagne mit antisemitischen Untertönen, die vor allem in den Problem- vorstädten verfing. Zweimal enthüllten LFI- Abgeordnete in der Nationalversammlung die Palästinenserflagge. Das neue Bündnis ist gerade wegen Mélen- chon umstritten. Der sozialistische Spit- zenkandidat bei den Europawahlen, Ra- phaël Glucksmann, lehnte die Volksfront ab, solange LFI dort den Ton angebe. Der 44-Jährige war bei den Europawahlen nach Bardella und Hayer mit fast 14 Prozent auf Macron will Klarheit FRANKREICH Der Präsident setzt Neuwahlen für das Parlament an. Gewinnerin des riskanten Manövers könnte die Rechtspopulistin Marine Le Pen sein Licht und Schatten bei der Durchsetzung MENSCHENRECHTE Experten ziehen gemischte Bilanz Die Allgemeine Erklärung der Menschen- rechte vor über 75 Jahren und die Unter- zeichnung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vor über 70 Jah- ren gelten als Erfolgsgeschichte. Doch wie steht es angesichts zunehmender Krisen und Kriege um die Durchsetzung der Men- schenrechte? Experten lenkten in einer An- hörung im Menschenrechtsausschuss am Mittwoch den Blick auf Schwächen des in- ternationalen und europäischen Men- schenrechtssystems. Wolfgang Kaleck vom European Center for Constitutional and Human Rights beklagte etwa, dass Staaten mit politischer und wirt- schaftlicher Macht sich oft nur an das Völ- kerrecht hielten, wenn es ihren eigenen In- teressen diene. Als problembehaftet beschrieb Rechtsan- walt Hartmut Emanuel Kayser die Verfah- ren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Beschwerden im Staatenbeschwerdeverfahren würden oft nicht eingereicht, weil Staaten eine „Re- tourkutsche“ befürchteten. Überlastetes Gericht Stefan von Raumer vom Deutschen Anwaltverein kritisierte, dass ein hoher Anteil von Fällen, über die der EGMR zu entscheiden habe, Fragen be- treffe, zu denen es bereits eine etablierte Rechtsprechung des Gerichtshofs gebe. Diese würden jedoch von den innerstaatli- chen Gerichten nicht berücksichtigt – ein „maßgeblicher Grund“ für die Überlastung des Menschenrechtsgerichts in Straßburg. Der Rechtsweg sei für den Einzelnen oft sehr mühsam, monierte Christian Mihr von Amnesty International Deutschland. Das Justizsystem stehe faktisch nicht allen Menschen gleichermaßen offen. Michael Windfuhr vom Deutschen Institut der Menschenrechte warb für eine Stärkung der zur Überprüfung wirtschaftlicher, so- zialer und kultureller Menschenrechte ge- schaffenen Gremien. Für die mangelnde Durchsetzung der EMRK machte Gerald Knaus, Vorsitzender der Denkfabrik Europäische Stabilitätsini- tiative, die Schwächung des Europarats ver- antwortlich. Der lasche Umgang mit Aser- baidschan und Russland, die sich durch „systematische Nichtachtung“ der EGMR- Urteile hervorgetan hätten, habe zu einer „Krise der Glaubwürdigkeit“ geführt. Günter Schirmer vom Menschenrechtsaus- schuss der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarats warnte davor, das „Gü- tesiegel“ der Mitgliedschaft zu verram- schen. Diese setze die Einhaltung von Min- deststandards wie Rechtsstaatlichkeit und Informationsfreiheit voraus. Auf die Formel „mehr Schatten als Licht“ spitzte schließlich die Rechtswissenschaft- lerin Angelika Nußberger von der Universi- tät Köln ihre Bewertung des europäischen Menschenrechtsschutzsystems zu. Ange- sichts des Ausgangs der Europawahl sprach sie auch von einer „Erfolgsgeschichte mit ungewissem Ausgang“. Die wachsende Europa-Skepsis betreffe nicht nur die EU, sondern auch den Europarat mit seinem Menschenrechtsschutzsystem. sas T Solarstrom für Dörfer in Afrika ENTWICKLUNG Aktivistinnen fordern mehr Investitionen Präsident Emmanuel Macron will auch bei einem Wahlsieg der Rechtspopulisten im Amt bleiben. © picture-alliance/dpa//F. Dugit dem dritten Platz gelandet. Macron um- warb in seiner Pressekonferenz die Glucks- mann-Wähler, die sicher keinen Regie- rungschef Mélenchon wollten. Für die Par- tei des unbeliebten Präsidenten ist es schwer, Verbündete zu finden. Ein Angebot von Parteichef Stéphane Séjourné, auf Kan- didaturen zugunsten anderer Bewerberin- nen und Bewerber des „republikanischen Lagers“ zu verzichten, blieb bisher unbe- antwortet. „Wenn am Tag danach die Extre- me gestärkt wären, dann würde das die Schwächung Frankreichs bedeuten“, räum- te Macron ein. Heikle Lage Im komplizierten französi- schen Wahlsystem kommen bei der Parla- mentswahl alle Kandidatinnen und Kandi- daten in die Stichwahl, die mehr als 12,5 Prozent der Stimmen der eingeschriebenen Wähler erhalten. In der zweiten Runde reicht dann eine relative Mehrheit aus. Im Falle von Dreierkonstellationen könnte ein Kandidat verzichten, um einen anderen zu unterstützen – beispielsweise gegen den Rassemblement National. Eine solche „re- publikanische Front“ war bis vor einigen Jahren noch üblich, brach aber spätestens 2022 zusammen. Auch deshalb ist die Le-Pen-Partei, die die „nationale Priorität“ für Franzosen gegen- über Eingewanderten fordert, bei den Par- lamentswahlen nun haushoher Favorit. Ei- ne absolute Mehrheit würde zu einer „Ko- habitation“, einer Zwangsgemeinschaft zwischen Macron und einer RN-Regierung, führen. Jeder Gesetzentwurf dürfte dann ein hartes Tauziehen zwischen Legislative und Exekutive werden, da Macron die Tex- te ablehnen und eine neue Debatte verlan- gen könnte. Der Präsident hat auch Rechte in der Außen- und Verteidigungspolitik, ist aber auf die Zustimmung der Regierung beispielsweise bei der Militärhilfe für die Ukraine angewiesen. Wahrscheinlicher als eine absolute ist eine relative Mehrheit für den RN. Bei jedem Gesetz müsste Bardella dann Allianzen mit anderen Parteien schmieden. Außer eini- gen Konservativen rund um Ciotti stehen allerdings bisher kaum Partner zur Verfü- gung. Das Regieren dürfte deshalb für Bar- della unmöglich werden. Eine dritte Mög- lichkeit wäre eine Dreiteilung der Assem- blée Nationale: Die drei Blöcke, RN, Links- parteien und Renaissance wären gleich stark. In einem solchen Fall wäre Frank- reich blockiert, denn Präsident Macron kann erst in einem Jahr wieder Neuwahlen ansetzen. „Wir würden in eine institutio- nelle und politische Krise stürzen“, warnt der Politologe Oliver Rouquan. Im Fall einer Blockade des Parlaments wird in Frankreich sogar ein Rücktritt des Präsi- denten nicht ausgeschlossen. Macron lehn- te einen solchen Schritt am Mittwoch zwar als „absurd“ ab. Falls es aber doch so weit kommen sollte, würde Senatspräsident Gérard Larcher Interimspräsident. Neu- wahlen könnten frühestens 20 Tage nach dem Rücktritt abgehalten werden. Macron könnte nicht wieder antreten. Er wäre dann Geschichte. Christine Longin T Die Autorin ist Korrespondentin in Paris. Finanzhilfen sollen der Zivilgesell- schaft vor Ort zur Verfügung gestellt werden. Deutsche Finanzhilfen zur Schaffung nach- haltiger Energiesicherheit in Afrika sollten nach Ansicht von Aktivisten statt den je- weiligen Regierungen den zivilgesellschaft- lichen Organisationen zur Verfügung ge- stellt werden. Dies forderten die Klimaakti- vistinnen Hilda Nakabuye aus Uganda und Hindou Oumarou Ibrahim aus dem Tschad im Ge- spräch mit Abgeordneten am Mittwoch im Entwick- lungsausschuss. Große Autos Zivilgesell- schaftliche Organisationen hätten keinen Zugang zu Ressourcen, „aber nachhal- tige Lösungen“, argumen- tierte Oumarou Ibrahim. Die Gemeinden bräuchten dringend Solarstrom. Deutschland verfüge über die entsprechenden Technologien. Das Problem sei jedoch: Fördergelder erreich- ten ländliche Gemeinschaften nicht. Weil mit den Regierungen verhandelt werde, fließe das Geld „in große Autos“ oder bes- tenfalls „in Energieprojekte großer Städte“, kritisierte die tschadische Aktivistin. Die Klimakrise sei nicht von Ländern wie ihrem, sondern von Ländern wie Deutsch- land mit verursacht worden, sagte die ugandische Klimaaktivistin Nakabuye. Auf Kosten der Natur und des menschlichen Lebens hätten sich die Industrienationen entwickelt „und tun dies immer noch“. So plane der französische Ölmulti Total Ener- gies „in einem der schönsten Naturparks der Welt“ den Bau der East African Crude Oil Pipeline, die über 40 Millionen Men- schen und die Biodiversität bedrohe. Es gebe aber Lösungen, um die Energie- und Klimakri- se in den Griff zu bekom- men: „Wir haben genügend Sonne“, sagte die ugandi- sche Klimaaktivistin. Benö- tigt würden gerechte und nachhaltige Energiesyste- me. Diese aufzubauen, sei nur mit mehr Investitionen möglich. Ölkonzerne müss- ten dazu verpflichtet wer- den, Fonds für Verluste und Schäden aufzulegen, verlangte Nakabuye. Für den Auf- und Umbau der Energiesyste- me in Afrika brauche es neben Mitteln der deutschen Entwicklungshilfe ebenso die „Mobilisierung von privatem Kapital“. Das sah der Staatssekretär im Entwicklungsmi- nisterium, Niels Annen (SPD), ähnlich. Dafür wiederum würden in den Partnerlän- dern ein verlässlicher regulatorischer Rah- men sowie Instrumente zur Risikominde- rung und Risikoteilung benötigt. hau T Investitionen unter russischem Raketenhagel UKRAINE Wiederaufbaukonferenz in Berlin bringt Hilfen für die Wirtschaft des angegriffenen Landes auf den Weg Fatale Fehleinschätzung AFGHANISTAN Chaos wegen falscher BND-Prognose Gleitbomben auf Kraftwerke, Drohnenan- griffe auf Umspannanlagen: Seit Monaten versucht Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine den Druck auf das Nachbarland weiter zu erhöhen. Es geht offenkundig da- rum, die Zivilbevölkerung zu zermürben, den politischen Willen der Ukrainerinnen und Ukrainer zu brechen, sich gegen den seit dem 24. Februar 2022 andauernden rus- sischen Großangriff zur Wehr zu setzen. Auf mittlerweile rund 460 Milliarden Euro schätzt die Weltbank die Kosten des Wieder- aufbaus in der Ukraine. Dem stehen knapp 90 Milliarden Euro für militärische, humani- täre und finanzielle Unterstützung durch EU und europäische Geber gegenüber sowie 67 Milliarden Euro durch die USA, wie das Kiel Institut für Weltwirtschaft mit Stand En- de Februar 2024 anführt. Deutschland hat nach Auskunft der Bundesregierung der Ukraine Hilfen im Gesamtwert von rund 34 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – als humanitäre Unterstützung, direkte Zahlungen oder in Form von Waffen. Kredite für Kleinfirmen Doch gilt es auch, die ukrainische Wirtschaft im Auge zu behalten, die Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens und der Verwaltung, auch in jenen Landes- teilen, die nicht unmittelbar unter dem Drohnen- und Raketenhagel aus Russland zu leiden haben. „Die Ukraine braucht eine starke Wirtschaft, um den Krieg zu überste- hen und das, was zerstört wurde, wiederauf- zubauen“, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) diese Woche bei der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in Berlin. Kredite für Kleinunternehmen, mehr Städ- tepartnerschaf- ten, Initiativen für Ausbildung: Schulze Laut sind mehr als Vereinba- 100 unter- rungen zeichnet wor- den. Darunter seien Absichtser- klärungen zwi- schen Unterneh- men und zwischen Regierungen sowie Ver- einbarungen für Allianzen und Initiativen. Gemeinsam mit zwölf weiteren Staaten und 17 Entwicklungsorganisationen haben Deutschland und die Ukraine eine Allianz zur Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auf den Weg ge- bracht. Sie gelten als Rückgrat der ukraini- schen Wirtschaft, tragen nach Angaben der Bundesregierung zu zwei Dritteln der Wert- schöpfung in der Ukraine bei und schaffen k e h t o t o h p / n o i t k a r F - D P S © »Die Ukraine braucht eine starke Wirtschaft, um den Krieg zu über- stehen.« Svenja Schulze (SPD) und mehr als 80 Prozent der Arbeitsplätze dort. Bei der neuen Allianz geht es unter ande- rem um günstige Kredite für solche Unter- nehmen. Zu den wirksamsten Hebeln für den Wiederaufbau gehörten vergünstigte Fi- nanzierungen für kleine und mittlere ukrai- nische Unternehmen, sagte Schulze. Die Gesamtzusagen beliefen sich auf über sie- ben Milliarden Euro für laufen- de neue KMU-Program- me. Von dieser Summe entfielen über 4,5 Milliar- auf den neue Program- me. Deutschland und mehr als 50 in- ternationale Organisationen, Staaten und Unternehmen starten außerdem eine Initia- tive zur Ausbildung von 180.000 Fachkräf- ten für den Wiederaufbau. „Egal wie oft Russland Stromleitungen, Krankenhäuser oder Gebäude zerstört, die Ukrainer werden das Wissen und die Fähigkeiten haben, sie wiederaufzubauen“, sagte Schulze. Die Mit- glieder der Fachkräfte-Allianz für den Wie- deraufbau werden dafür insgesamt mehr als 700 Millionen Euro bereitstellen. Euro Klar war auf der Konferenz auch: Mit jedem russischen Angriff steigen die Wiederauf- baukosten weiter. Das vordringlichste Ziel bleibt deshalb eine Friedenslösung für die Ukraine. Zwar hatte Russlands Präsident Pu- tin im Mai erneut Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Allerdings müsse man von den „Realitäten am Boden“ ausgehen. Soll hei- ßen: Die Ukraine soll die Annexion ukraini- schen Territoriums durch Russland hinneh- men, bevor verhandelt wird. Konferenz in der Schweiz Auf der in der Schweiz stattfindenden Friedenskonferenz mit Delegationen aus rund 80 Ländern soll am Wochenende Bewegung in die festgefah- rene Lage kommen. Die Ukraine hofft, neu- trale oder mit Russland befreundete Länder von der eigenen Position zu überzeugen. Dazu zählt China, das aber durchblicken ließ, dass es die Voraussetzungen für eine Teilnahme als nicht erfüllt sieht. Die wich- tigste: Eine Akzeptanz der Konferenz durch Russland und die Ukraine. Russland wird keine Delegation in die Schweiz entsenden. Der Gipfel sei ein „Ball der Satanisten“, hieß es im russischen Fernsehen. Warum der Ver- bündete China, der zu dem Zeitpunkt eine Teilnahme noch offenließ, auch ein „Sata- nist“ sein könnte, bleibt ein Geheimnis der Logik russischer Propaganda. ahe/dpa T Warum bremste das Bundesinnenministeri- um (BMI) andere Ressorts, als diese ihre af- ghanischen Ortskräfte vor den Taliban retten wollten? Das ist eine der wichtigen Fragen, die den 1. Untersuchungsausschuss Afgha- nistan beschäftigen. Am vergangenen Don- nerstag konnten Mitarbeiter des BMI einige Aspekte dieser Frage klären. Zunächst berichtete Ulrich Weinbrenner, Ab- teilungsleiter Migration, Flüchtlinge und Rückkehrpolitik im BMI, dass das Ministeri- um „bis zum Ende“ gegen eine pauschale Aufnahme der Ortskräfte gewesen sei. Grund: Migrationspolitisch habe man einen Präzedenzfall verhindern und aus Sicher- heitsgründen keine Personen ohne vorherige Sicherheitsprüfung ins Land lassen wollen. „Wir haben viele Fälle erlebt, wo Straftaten begangen wurden, und da fragte man sich, wie diese Personen reingekommen sind.“ Beim Ortskräfteverfahren (OKV) würden die Ressortbeauftragten individuelle Gefähr- dungsanzeigen prüfen und feststellen, ob die Anzeige plausibel sei. Bis 2021 habe das Auswärtige Amt (AA) 50 Prozent der Anträge abgelehnt. „Das zeigt, dass da durchaus eine Prüfung stattgefunden hat“ betonte der Be- amte: „Das Ortskräfteverfahren hat funktio- niert.“ Seine Kollegin Dagmar Busch, die ehemali- ge Leiterin der Abteilung, die im BMI für das Polizeiprojekt in Afghanistan und das OKV zuständig war, betonte zudem, dass das vom AA seit 2020 geforderte Verfahren „visa on arrival“ (VOA), bei dem es keine Vorprüfungen im Ausland gibt und das nach dem Fall Kabuls aus Not eingeführt wurde, keine wirklich passende gesetzliche Grundlage gewesen sei. Dieses Verfahren sei nur für Einzelfälle vorgesehen. Das BMI ha- be betont, dass VOA Ultima Ratio sei. Am Ende musste jedoch sehr schnell auf die Entwicklungen reagiert werden. Niemand habe vorhergesehen, dass Kabul kampflos fallen würde, so Busch. Der Bundesnach- richtendienst (BND) habe berichtet, dass man noch mindestens bis in den September Zeit habe. Warum der BND mit seiner Einschätzung derart danebengelegen hat, habe er sich gleich nach dem Wochenende nach dem Fall Kabuls gefragt, berichtete der Gruppen- leiter beim Bundeskanzleramt (BKAmt), der die Dienstaufsicht über den BND hat. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der BND zuverlässi- ge und gute Informationen geliefert, sogar das letztendlich real gewordene Szenario vorausgesagt. Nur die Geschwindigkeit des Eintretens habe der BND falsch einge- schätzt. Der Dienst habe sofort eine eigene Fehleranalyse durchgeführt. Das sei aber ein fortdauernder Prozess. Cem Sey T