Mein letzter Vorschlag für ein überparteiliches Gremium betrifft die Bürokratie. Jede Regie- rung nimmt sich Bürokratieabbau vor und scheitert in aller Regel. Das liegt daran, dass es immer einen Grund für irgendeine Rege- lung gibt. Wenn wir uns nicht an eine generel- le Reform herantrauen, wird sich an der Büro- kratie so gut wie nichts ändern. In diesem überparteilichen Gremium könnten wir darü- ber diskutieren, ob wir nicht in den meisten Fällen das Recht drehen sollten. Gegenwärtig ist es so, dass Bürgerinnen und Bürger, Unter- nehmen und andere Einrichtungen Anträge bei der zuständigen Behörde stellen und war- ten und warten und warten. Nach sechs Mo- naten können sie eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht erheben. Das ist schon deshalb besonders nützlich, weil sie vielleicht nach Ablauf eines Jahres den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung beim Gericht bekommen. Mit anderen Worten: So kommen wir nicht weiter. Was halten Sie von der Idee, in vielen Fällen – selbstverständlich muss es auch Ausnahmen geben – das Recht derge- stalt zu verändern, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller nachweisen muss, dass und wann er bei der zuständigen Behörde ei- nen Antrag gestellt hat, und wenn er nicht in- nerhalb von sechs Wochen einen schriftlich begründeten Widerspruch durch die Behörde erhält, gilt der Antrag als genehmigt? Es geht nicht um eine Postkarte, die man automatisch versenden kann, sondern um einen schriftlich begründeten Widerspruch. Die Behörde muss nachweisen, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller einen solchen Widerspruch er- halten hat. Was glauben Sie, wie genehmi- gungsfreundlich unser Staat plötzlich werden würde. In dem Gremium könnten wir diskutie- ren, in welchen Fällen diese Umkehr möglich ist und in welchen nicht, welche personellen Konsequenzen es hätte. Mit weiteren Vorschlägen zu überparteilichen Gremien möchte ich Sie heute nicht belästi- gen. Ich freute mich über diesen Beifall. Ich finde es gut, dass es gesetzliche Vorschriften über die Beschäftigung von Menschen mit Be- hinderung gibt. Wenn Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung die Quote nicht einhalten, müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen. Diese können sie aber von der Steuer absetzen. Damit ist die Wirkung gleich null. Außerdem klingt es auch etwas daneben, dass der Staat eine Abgabe anordnet und der- jenige, der sie bezahlen muss, sie wiederum von seinen Zahlungen an den Staat absetzen kann. Wir müssen bei der Gleichstellung von Men- schen weiterkommen. Weder die Hautfarbe noch die Nationalität noch die Religion noch die sexuelle Orientierung dürfen eine Rolle spielen. Ich bin dafür, die Diversen ins Grund- gesetz aufzunehmen, damit sie in ihren Grundrechten geschützt werden. Wichtig ist, was Menschen tun und unterlassen, welchen Charakter sie haben. Nur danach dürfen sie beurteilt und bewertet werden. Hinsichtlich der Nationalität begrüße ich, dass ein Vertre- ter der dänischen Minderheit wieder Mitglied unseres Bundestages geworden ist. Ich muss darauf eingehen, dass wir immer noch keine vollständige Einheit in Deutsch- land hergestellt haben. Die Demonstrieren- den in der DDR bewiesen Mut. Sie haben auf friedliche Art und Weise ihren Beitrag im Inte- resse einer Demokratisierung der Gesellschaft geleistet. Sie verdienen hohen Respekt. Auf der anderen Seite muss man aber auch zur Kenntnis nehmen, dass damals von den be- waffneten Kräften der DDR kein einziger Schuss abgegeben wurde. Aber es wird in Ost und West auch heute noch unterschiedlich gedacht, Sachverhalte werden unterschied- lich beurteilt, und es wird auch unterschied- lich gewählt. Ich glaube, das hat auch damit Das Parlament | Nr. 14-15 | 29. März 2025 gration für Menschen aus anderen Ländern geben. Das Wichtigste ist, dass es sofort eine Arbeitserlaubnis gibt. Auch wenn dann ein Asylantrag abgelehnt wird, schadet es über- haupt nichts, wenn die betreffende Person bis dahin schon arbeiten konnte. Übrigens kön- nen sie dann auch etwas für unsere Gesell- schaft leisten. Nun möchte ich Ihnen gerne überparteiliche Gremien für den Bundestag vorschlagen, in denen wir offen, ehrlich und ohne Öffentlich- keit bestimmte Fragen erörtern und im Falle von Ergebnissen diese dann der Öffentlichkeit vorstellen. Erstens brauchen wir ein solches Gremium für eine sichere künftige Rente. Es gibt Ideen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen oder mit der Rente an den Aktienmarkt zu gehen. Ich habe, wie Sie wissen, mehr als Bedenken; trotzdem kann und muss darüber gesprochen werden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Vor- schläge, dass alle Bürgerinnen und Bürger mit Erwerbseinkommen in die gesetzliche Ren- tenversicherung einzahlen sollen, das heißt auch Bundestagsabgeordnete, dass eine deutliche Erhöhung der Beitragsbemessungs- grenze eingeführt und der Rentenanstieg für Bestverdienende abgeflacht wird. Über Steu- ern auf Renten müssen wir auch sprechen. Über all diese Wege sollte in einem solchen Gremium geredet werden. Ein zweites Gremium sollte sich mit der Frage der Steuergerechtigkeit beschäftigen. Sie wis- sen, dass die Höchststeuer bei Lohn und Ge- halt bei 45 Prozent liegt. Sie wissen auch, dass die Höchststeuer bei Einkünften aus der Kapitalverwertung, also von Zinsen, Erträgen aus Fonds und Gewinnen aus Aktien, bei 25 Prozent liegt. Natürlich müssen die Kapitalge- sellschaften vorher schon Steuern zahlen, was die Gewinne reduziert. Aber Unterneh- men, die Menschen beschäftigen, müssen auch Steuern bezahlen, was ihre Gewinne und auch ihren Spielraum für Löhne und Gehälter ebenfalls reduziert. Das alles müsste einmal geprüft werden. Wenn es die gleichen Freibeträge und Steuern für Löhne, Gehälter und Einkünfte aus der Ka- pitalverwertung gäbe, hätten wir die Chance, endlich die Mitte zu entlasten. Es gibt einen Steuerbauch für die mittleren Einkommen. Dieser muss überwunden wer- den. Die Mitte der Gesellschaft bezahlt bei uns den größten Anteil der staatlichen Einnah- men. Eine Studie des Netzwerks Steuerge- rechtigkeit stellte fest, dass eine Mittelstands- familie bei uns 43 Prozent Steuern und Abga- ben auf ihre Einnahmen zahlen muss, wäh- rend eine Milliardärsfamilie nur 26 Prozent der Einnahmen abführt. Wenn wir die Mitte kaputtmachen, können wir denen unten nicht mehr helfen und die oben können dann auch nicht mehr existieren. Der Bundestag sollte al- so mehr Mut entwickeln, die besonders Rei- chen und die Konzerne angemessen und ge- rechter heranzuziehen. Ich möchte noch ein nettes Beispiel für unse- ren Steuerwirrwarr nennen: Es gibt fünf ver- schiedene Umsatzsteuern für Weihnachtsbäu- me. Der künstliche Weihnachtsbaum zieht ei- ne Umsatzsteuer von 19 Prozent nach sich. Der gezüchtete Weihnachtsbaum aus dem Bau- und Gartencenter zieht eine solche von 10,7 Prozent nach sich. Der selbst geschlage- ne gezüchtete Weihnachtsbaum zieht eine Umsatzsteuer von 7 Prozent nach sich. Er- wirbt man direkt von der Forstwirtschaft ei- nen natürlich geschlagenen Weihnachts- baum, zieht das eine Umsatzsteuer von 5,5 Prozent nach sich. Dann gibt es noch die Mög- lichkeit, dass man rechtswidrig sich selbst ei- nen Baum im Wald schlägt. Das zieht gar kei- ne Umsatzsteuer nach sich. Aber in den ande- ren vier Fällen müsste es doch möglich sein, zu einer einheitlichen Regelung zu gelangen. In einer dritten überparteilichen Gruppe könnten wir uns mit unserem gesamten Kran- kenkassensystem auseinandersetzen. Die Kosten im Gesundheitswesen steigen. Meines Erachtens gehören Gesundheit und Pflege zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Ein Kranken- haus muss sich nicht in erster Linie rechnen, sondern für Gesundheit sorgen. Brauchen wir wirklich so viele gesetzliche Krankenkassen, wie es sie gegenwärtig gibt? Ist es wirklich richtig, dass Privatversicherte deutlich besser- gestellt sind als gesetzlich Versicherte? Geht es nicht bei jedem Menschen um die mög- lichst zügige und beste Behandlung und Be- freiung von Krankheiten, egal ob er mehr oder weniger verdient? Es gibt auch die Vorstel- lung, dass nicht nur von Löhnen und Gehäl- tern Beiträge in die Krankenkasse und Pflege- versicherung eingezahlt werden sollen, son- dern auch von den genannten Einkünften aus der Kapitalverwertung. All diese Fragen soll- ten in diesem überparteilichen Gremium dis- kutiert und untersucht werden. Vielleicht kommen wir dann zu besseren Lösungen als gegenwärtig. DEBATTENDOKUMENTATION 15 zu tun, dass bei der Herstellung der deut- schen Einheit zumindest ein schwerer Fehler begangen wurde. Selbstverständlich haben die Menschen im Osten an Demokratie, Frei- heit und Rechtsstaatlichkeit gewonnen. Sie haben seitdem eine Währung, die sie weltweit eintauschen können. Es sind viele Schlösser und Kirchen, Stadtzentren und Wohnungen saniert worden. An all das muss man erin- nern. Auf der anderen Seite aber wurde die DDR auf Staatssicherheit und Mauertote redu- ziert. Beides muss aufgearbeitet werden. Aber für das Leben in der DDR hat sich die damali- ge Bundesregierung bei der Herstellung der Einheit nicht interessiert. Hätte es dieses Inte- resse gegeben, wäre festgestellt worden, dass die DDR bei der Gleichstellung der Geschlech- ter noch nicht am Ziel, aber deutlich weiter war damalige Bundesrepublik Deutschland. Alleinerziehende Mütter und auch die selteneren alleinerziehenden Väter hatten immer die Möglichkeit zu verkürzter, aber auch zu voller Berufstätigkeit. Das lag daran, dass extrem kostengünstige und gut die als sichtigen sind. Ich bitte die neu zu wählende Kanzlerin bzw. den neu zu wählenden Kanz- ler, bei der Berufung von Bundesministerin- nen und Bundesministern daran zu denken, wie ich die Ministerinnen und Minister bitte, bei der Berufung von Staatssekretärinnen und Staatssekretären daran zu denken, wie ich auch andere Gremien bitte, bei der Berufung von Richterinnen und Richtern an oberste Ge- richte Ostdeutsche nicht zu meiden. Übrigens kommen mehr als die Hälfte aller Staatssekre- tärinnen und Staatssekretäre im Osten aus den alten Bundesländern. Stellen Sie sich bit- te einmal vor, dass mehr als die Hälfte aller Staatssekretärinnen und Staatssekretäre im Freistaat Bayern aus dem Osten käme! Was wäre da los? Lassen Sie mich noch zur extrem schwierigen internationalen Situation Stellung nehmen. – Ja, da müssen Sie einfach durch. Die Mehr- heit der US-Amerikanerinnen und -Amerika- ner hat Donald Trump zum Präsidenten ge- wählt; das haben wir zu respektieren. Histo- risch muss ich daran erinnern, dass die Sow- Ich wünsche uns einen Bundestag, der noch näher an die Menschen herantritt, die wir hier vertreten. GREGOR GYSI, ALTERSPRÄSIDENT ausgestattete Kindereinrichtungen existier- ten, was heute von der Wissenschaft aner- kannt wird. Es war auch ein Fehler, 2Ê623 Kilo- meter Bahnstrecke stillzulegen und 300Ê000 Wohnungen abzureißen. Heute vermissen wir beides. Und dann war die DDR schon zu die- sem Zeitpunkt eine Behalte- und keine Weg- werfgesellschaft wie die Bundesrepublik. Sie war das zwar nicht aus ökologischen, sondern aus ökonomischen Gründen, aber sie war es halt. Übernommen hat man aus der DDR nur das Sandmännchen, das Ampelmännchen und den grünen Abbiegepfeil. Damit sagte man aber den Ostdeutschen, dass sie außer diesen drei Punkten nichts geleistet hätten. Wäre das andere übernommen worden, hätte die ost- deutsche Bevölkerung nicht ein solches Ge- fühl der Demütigung entwickelt. Man wäre davon ausgegangen, dass man zwar im fal- schen System lebte, aber solche Leistungen vollbracht hatte, die es wert waren, für ganz Deutschland übernommen zu werden. Die Menschen in den alten Bundesländern hätten erlebt, dass durch das Hinzukommen des Os- tens sich in einigen Punkten ihre Lebensquali- tät erhöhte. Beides hätte zu deutlich mehr in- nerer Einheit geführt. Ich finde, dass die neu zu wählende Kanzlerin oder der neu zu wählende Kanzler in der ers- ten Regierungserklärung diesen Fehler ein- räumen und sich dafür entschuldigen sollte. Das gäbe einen wirklichen Ruck bei der Her- stellung der inneren Einheit. Außerdem brauchen wir natürlich endlich ei- ne Gleichstellung von Ost und West. Es muss Schluss sein mit unterschiedlichen Tarifver- trägen. Alle Menschen in Deutschland haben das Recht, für die gleiche Arbeit bei gleicher Arbeitszeit auch gleich entlohnt zu werden. Sie haben auch Anspruch darauf, für die glei- che Arbeit die gleiche Rente zu beziehen. Wenn wir hier keine Gerechtigkeitszuschläge einführen, hieße das, dass Menschen aus dem Osten noch in 30 Jahren für die gleiche Arbeit bei längerer Arbeitszeit eine geringere Rente bezögen, weil ja geringere Beiträge von ihnen und für sie bezahlt wurden. Und ich darf da- ran erinnern, dass nach Artikel 36 des Grund- gesetzes alle Länder angemessen bei der Ver- tretung von Führungspositionen zu berück- jetunion, die USA und Großbritannien in Jalta während des Zweiten Weltkrieges unter- schiedliche Einflusssphären – einmal für die Sowjetunion und zum anderen für die USA und Großbritannien, später noch für Frank- reich – festlegten. Diese Einflusssphären gal- ten selbstverständlich nicht mehr, als die Sowjetunion zusammenbrach. Die meisten sozialistischen Länder Europas bekamen ei- nen völlig neuen Charakter, entschieden sich für kapitalistische Strukturen, führten aber auch Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat- lichkeit ein. Das westliche Bündnis wurde er- weitert. 35 Jahre nach diesem Vorgang ist US- Präsident Trump dabei, seine wirtschaftlichen und militärischen Bündnispflichten aufzukün- digen. Er sieht nicht mehr ein, für die Sicher- heit Deutschlands zu haften. Er meint es ernst, wenn er davon spricht, sich völker- rechtswidrig den Panamakanal einzuverlei- ben. Zu seiner Absicht, Kanada zu einem Bun- desstaat der USA zu machen, kann ich nur hoffen, dass er sie nicht ernst meint. Wenn er aber tatsächlich Grönland und damit einen Teil Dänemarks angriffe, könnten wir uns, im Unterschied zu den anderen genannten Fäl- len, nicht neutral verhalten. Wir müssten Dä- nemark unterstützen. Dann aber wäre die NATO tot. Ich war immer für eine europäische Initiative für einen Waffenstillstand und einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine, auch weil ich befürchtete, dass Trump zum Präsi- denten gewählt wird. Und jetzt wird es wohl einen Waffenstillstand und einen Frieden ge- ben, der aber mehr zum Nachteil der Ukraine gereichen wird als der, den wir hätten errei- chen können. Der Teil der Eliten in den USA, der Präsident Trump unterstützt, sieht nicht in Russland die Herausforderung, sondern in China. Er fürchtet, dass China Weltmacht Nummer eins werden könnte. Das eigentlich Gefährliche ist aber, dass sie glauben, dass China schneller und effizienter ist, weil es au- toritäre Strukturen besitzt. Deshalb versu- chen sie, die Demokratie in den USA abzubau- en. Präsident Trump möchte weder von Parla- menten noch von Gerichten belästigt werden. Wir müssen beweisen, dass Demokratie, Frei- heit und Rechtsstaatlichkeit auch zu Effizienz fähig sind. Selbst wenn dies nicht gelänge, sind diese Grundlagen unserer Gesellschaft wesentlich menschenwürdiger als jede auto- ritäre Struktur. Wir haben also die Weltmacht Nummer eins, die USA, die Weltmacht Nummer zwei, China, und mit Abstand folgt dann auch Russland. Wenn die Europäische Union wirklich funktio- nierte, könnte sie eine Art vierte Weltmacht werden. Ich habe aber meine Zweifel, dass sich alle Mitglieder darauf einlassen werden. Trotzdem müssen wir daran arbeiten; viel- leicht müssen einige Staaten voranschreiten. Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit waren ein gewichtiges Argument der führen- den westlichen kapitalistischen Staaten ge- genüber den sozialistischen Ländern. Da es aber Letztere nicht mehr gibt, hat das Ge- wicht dieses Arguments abgenommen. Wir haben auch bei uns im Inneren eine Bewe- gung, die Demokratie, Freiheit und Rechts- staatlichkeit anzweifelt. Das heißt, wir stehen von außen und von innen unter Druck. Die große Mehrheit der Mitglieder des Bundesta- ges muss deshalb gemeinsam Anstrengungen unter- nehmen, um die genannten Grundlagen zu schützen und zu verteidigen. Im Interesse der Demokratie sind Anfragen zu NGOs, die sich gegen die Ausbreitung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemi- tismus wenden, kein richtiger Schritt. So wird demokratisches Engagement infrage gestellt, statt es zu unterstützen. Auf europäischer, Landes- und Kommunalebene haben wir Volksentscheide, nur im Bund nicht. Im Inte- resse der Nähe zu unserer Bevölkerung soll- ten wir über eine Einführung nachdenken. Ich bitte Sie, Herr Bundespräsident Dr. Stein- meier, ein Gremium einzusetzen, das sich mit der Frage der Sicherung von Demokratie, Frei- heit und Rechtsstaatlichkeit auseinander- setzt. In dieses Gremium könnten Sie eine Auswahl von demokratischen Vertreterinnen und Vertretern zum Beispiel aus dem Europa- parlament, dem Bundestag, den Landes- und Kommunalparlamenten und ebenso aus den Gewerkschaften, den Unternehmerverbän- den, den christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, aus der Justiz, den Medien, der Kunst und Kultur, der Wissen- schaft und Forschung benennen. Es muss uns trotz des genannten gewaltigen Drucks im In- teresse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gelingen, die Grundfesten unseres Grundgesetzes für alle Zeiten zu sichern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, in diesem Jahr begehen wir den 80. Jahrestag der Befreiung von der Hitlerdiktatur und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Richard von Weizsäcker hat als Bundespräsi- dent als Erster im Bundestag erklärt, dass es sich um eine Befreiung auch des deutschen Volkes handelte. Jetzt sieht es die übergroße Mehrheit unserer Bevölkerung so. Deshalb schlage ich vor, den 8. Mai – zumindest in die- sem Jahr, aber eigentlich generell – zu einem bundesweiten gesetzlichen Feiertag zu erklä- ren. Und der Frauentag, der 8. März, der bis- her nur in Berlin und Mecklenburg-Vorpom- mern ein gesetzlicher Feiertag ist, sollte auch zu einem bundesweiten werden. Wir Männer würden an diesem Tag immer daran erinnert werden, dass auch wir verpflichtet sind, uns für die Gleichstellung von Frauen einzusetzen, zumal der Frauenanteil im neuen Bundestag im Vergleich zum vorhergehenden noch ein- mal prozentual gesunken ist. Denjenigen, die erstmalig einen Zweitwohnsitz in Berlin, das heißt in unserer Bundeshauptstadt, beziehen, möchte ich nur eins sagen: Ich weiß, wir Berli- nerinnen und Berliner sind oft brummelig, aber im Kern praktisch und im Herzen immer solidarisch. Wir freuten uns übrigens, wenn die gesamte Regierung in Berlin säße. Ich wünsche unserer Bevölkerung und uns ei- nen lebendigen Bundestag, in dem ohne Be- leidigungen, ohne Beschimpfungen, ohne Un- fairness durchaus hart gestritten, diskutiert und entschieden wird, und ich wünsche uns einen Bundestag, der noch näher an die Men- schen herantritt, die wir hier vertreten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- tages sprachen zudem die Abgeordneten: Dr. Bernd Baumann (AfD), Thorsten Frei (CDU), Katja Mast (SPD), Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/ Die Grünen), Christian Görke (Die Linke), Ale- xander Hoffmann (CSU), Stephan Brandner (AfD), Dr. Johannes Fechner (SPD), Dr. Irene Mi- halic (Bündnis 90/Die Grünen), Christian Görke (Die Linke) und Stefan Seidler (fraktionslos). Zur Wahl der Präsidentin verbunden mit Na- mensaufruf und Feststellung der Beschlussfä- higkeit sprach Friedrich Merz (CDU). Als Alterspräsident eröff- net Gregor Gysi (Die Lin- ke) die Sitzung und ap- pelliert, politischen Dif- ferenzen zu akzeptieren und ohne Diffamierun- gen auszutragen. © DBT/Thomas Köhler/photothek