Ein enges Verhältnis - mit vielen Spannungen
Kirchen 20 Prozent der gesamten Kirchensteuern und Vermögenserlöse fließen in die Kulturförderung
"Die Welt, in der wir leben, braucht Schönheit, um nicht in Verzweiflung zu versinken. Sie braucht Künstler!" Die Worte, die Papst Benedikt XVI. am 21. November 2009 in der Sixtinischen Kapelle an eingeladene Künstler richtete, machten erneut klar: Die Kirche braucht Künstler - und die Kunst.
Das Verhältnis zwischen beiden ist allerdings seit jeher von Spannungen geprägt: "Viele Jahrhunderte lang war die Kunst der Kirche untergeordnet, sie diente lediglich dazu, die Botschaft Gottes zu verkünden und kirchliche Sichtweisen zu verdeutlichen", sagt Pfarrer Werner Holter. "Aber diese Zeiten sind vorbei, heute ist Kunst autonom und hat eigene Perspektiven."
Mit Spannungen kennt Werner Holter sich aus: Seit anderthalb Jahren leitet er die Kunst-Station in der Jesuitenkirche Sankt Peter in Köln. Unter seinem Vorgänger Friedhelm Mennekes, der die Kunst-Station 1987 gegründet hatte, entwickelte sie sich zu einem der bedeutendsten kirchlichen Zentren für zeitgenössische Kunst, Musik und Literatur. In der gotischen Kirche aus dem 16. Jahrhundert werden in wechselnden Ausstellungen moderne Kunstwerke präsentiert, Konzerte Neuer Musik aufgeführt und Lesungen abgehalten. Mit den erhaltenen Renaissance-Farbfenstern und der Kreuzigung Petri von Peter Paul Rubens als metergroßem Hauptaltarbild verfügt Sankt Peter dauerhaft über bedeutende Kunstwerke. Finanziert wird die Kunst über die angeschlossene Rubens-Gesellschaft sowie durch Kooperationen mit Galerien und Künstlern, dem WDR, dem Deutschlandfunk sowie der Stadt Köln. "Unser Kirchenraum soll auch ein Ort für einen konstruktiven Dialog zwischen Kirche, Kunst und Welt sein", erklärt Pfarrer Werner Holter.
Dieser Dialog gestaltet sich manchmal allerdings schwierig: Als im Jahr 2000 ein vom baskischen Bildhauer Eduardo Chillida gefertigter Altar in Sankt Peter für die Eucharistie genutzt wurde, intervenierte die vatikanische Kongregation für das Gottesdienstwesen, verbot die weitere Nutzung und forderte den Erzbischof von Köln Kardinal Meisner auf, den Altar zu entfernen. Dessen Kunstkommission hatte den Steinblock zuvor genehmigt. Die Kririk aus Rom: Nach kirchlichem Gesetzbuch muss ein Altar wie ein Tisch aussehen, die Altarplatte aus einem Stück gefertigt sein. "Der Altar steht heute noch im Seitenschiff unserer Kirche, er wird allerdings nicht mehr liturgisch genutzt", erklärt Werner Holter.
Finanzierung auf breiter Basis
Inzwischen nimmt die Kulturförderung bei der katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche Deutschland eine zentrale Stellung ein. Pro Jahr investieren sie rund 4,4 Milliarden Euro in diesen Bereich, das sind etwa 20 Prozent der gesamten Kirchensteuern und Vermögenserlöse. Neben dem Staat sind sie der größte Kulturförderer in Deutschland, die Zahl kulturell ausgerichteter Kirchen wie Sankt Peter nimmt stetig zu.
Die Kirchen fördern Kultur jedoch noch auf einer breiteren Basis: In kirchlicher Trägerschaft befinden sich insgesamt rund 400 wissenschaftliche Bibliotheken und Archive. Es existieren 3.864 katholische und 1.030 evangelische öffentliche Büchereien. In den 26.139 Kirchenchören, die das Musikinformationszentrum verzeichnet, singen knapp 650.000 Menschen. Auch die Pflege der etwa 30.000 Friedhöfe, der Kirchengebäude und der rund 20.000 denkmalgeschützten Glocken deutschlandweit gehört zu den Kulturausgaben der Kirchen. "Die Aufwendungen im Bereich der Denkmalpflege und der Architektur zählen nicht als reine Bauunterhaltskosten, sondern als Kulturfinanzierung, da kirchliche Bauwerke in der Regel herausragende Architekturen mit besonderem kulturellen Stellenwert sind", begründet Nina Schmedding, Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz.
Kultur und Kirche sind also eng verbunden, doch ihr Verhältnis zueinander muss ständig neu ausgelotet werden - wie auch Bischof Wolfgang Huber, bis 2009 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, findet: "Ohne den Dialog mit der Kultur der eigenen Gegenwart kann sich auch die Kultur des Glaubens nicht entfalten."