Der gute Mensch von Bremen
Memoiren Willi Lemke über sein Leben zwischen Politik und Fußball
Scheinagent für den KGB, Werder-Manager, Bremer Senator, UN-Sportberater: Wer so viel erlebt hat wie Willi Lemke, darf das ruhig mal zu Papier bringen - das Buch zum Mann. Der 63-jährige Sozialdemokrat präsentiert sich in seinem Erstlingswerk als guter Mensch von Bremen: Er habe ein "inneres Bedürfnis", sich "für die Schwachen" einzusetzen.
Schon früh sah er sich als Brückenbauer: Während des Sportstudiums baute er Kontakte zu DDR-Kommilitonen auf. Als dabei der Sowjet-Geheimdienst ihn anwerben wollte, spielte Lemke nach Absprache mit dem Verfassungsschutz mit. Angeblich verriet er nichts Schlimmes, und als er 1974 Bremer SPD-Geschäftsführer wurde, hängte er den Schlapphut an den Nagel.
Diese Geschichte ist längst bekannt. Neu ist manches über seine 18 Jahre als Werder-Manager und die neun Jahre im Bremer Senat. 1999 wollte der damalige Bürgermeister Henning Scherf (SPD) ihn für das Ressort Bau und Umwelt anwerben. Da der studierte Sportlehrer davon keine Ahnung hatte, wurde er doch lieber Bildungssenator. Als zeitweiliger Präsident der Kultusministerkonferenz durfte er sich selbst belohnen: In der KMK war es laut Lemke Tradition, dass der Chef als Arbeitsentschädigung "ein Reiseziel definieren" durfte für eine Delegationsfahrt mit "kultur- oder wissenschaftspolitischem Hintergrund". Lemke wünschte sich eine Woche Kuba und versuchte dort, ein geplantes Kulturabkommen voranzubringen.
2007 wollte er zum Bürgermeister aufsteigen, doch verlor er das SPD-interne Duell gegen Jens Böhrnsen. Loyal arbeitete er danach für ihn als Innensenator, dachte aber bald an Absprung. Schon 2008 bewarb er sich als "UN-Sonderberater für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden". Lemke schaltete dafür seine SPD-Genossen Peter Struck und Frank-Walter Steinmeier ein, und am Ende unterfütterte die damals schwarz-rote Bundesregierung seine Bewerbung mit 450.000 Euro für Büro- und Reisekosten. Das überzeugte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, und Lemke bekam seinen ehrenamtlichen "Traumjob".
Friedensprojekte
Seit zwei Jahren jettet Lemke nun um die Welt. Stolz wie Oskar besucht er Wettkämpfe bis hinauf zu den Olympischen Spielen und sonnt sich im Lichte von Präsidenten und Prinzessinnen, bei denen er um Geld für sportliche Friedensprojekte wirbt. Nur den Dalai Lama wollte er lieber nicht sprechen, um seinen "guten Draht" zur chinesischen Regierung zu behalten und weiter "mäßigend" auf sie einwirken zu können. Aber der Bremer besichtigt auch Slums, Flüchtlingslager und Sportcamps, um dort nach begabten Sportlern zu suchen - als Vorbilder für perspektivlose Jugendliche. In Südafrika stieß er auf ein pfiffiges Projekt: Jungen und Mädchen spielen gemeinsam Fußball. In der Pause gibt es Aids-Aufklärung und ein Quiz dazu. Jede richtige Antwort zählt wie ein Tor.
Im Nahen Osten würde Lemke gerne Israelis und Palästinenser auf den Fußballplatz schicken. So könnten sie Anstand und Respekt vor dem Gegner lernen. Aber bisher blieb es bei diesem Traum. Lemke räumt selber ein, dass er mit Sportprojekten nur "kleinste Schritte" anstoßen kann. Einmal brachte er einen Blauhelm-Kommandeur an der Elfenbeinküste dazu, einen Bolzplatz zu bauen, statt "schwer bewaffnet durch die Straßen zu fahren". Daher der Titel des Buches "Ein Bolzplatz für Bouaké".
Größer als seine äußere Wirkung scheint Lemkes innere Wandlung zu sein: Werder-Siege sind für ihn heute nicht mehr das Wichtigste im Leben.
Sein memoirenähnliches Buch wirkt manchmal zu detail- und selbstverliebt; teils klingt es wie "Mein schönstes Ferienerlebnis". Andererseits enthüllt es interessante Abläufe des Politik- und Sportbetriebs -ebenso wie Niederlagen und Ängste Lemkes. Ein Beispiel: Vor seiner ersten Videokonferenz mit Ban Ki-moon war er so aufgeregt wie einst vor der Aufnahmeprüfung zum Gymnasium.
Ein Bolzplatz für Bouaké.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010; 256 S., 19,95 €