UN zeigen Härte gegen Gaddafi
FLUGVERBOT Libyen reagiert mit einer Feuerpause auf die Entscheidung - Bundestag streitet über Deutschlands Enthaltung
Die Drohung der Weltgemeinschaft gegen Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi scheint überraschend schnell Wirkung zu zeigen. Libyen verkündete wenige Stunden nach der Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, eine Flugverbotszone einzurichten, das Ende aller Kampfhandlungen. "Wir haben uns für eine sofortige Waffenruhe und einen sofortigen Stopp aller Militäraktionen entschieden", sagte Außenminister Mussa Kussa in Tripolis. Sein Land akzeptiere die UN-Resolution, die ein sofortiges Ende der Kämpfe vorsieht. Libyen habe ein großes Interesse am Schutz der Zivilisten. Kussa zeigte sich offen für einen Dialog mit allen politischen Seiten.
In der Nacht zum Freitag hat der UN-Sicherheitsrat zum Schutz der Zivilisten in dem von Gaddafis Truppen mit aller Härte geführten Machtkampf eine Flugverbotszone beschlossen. Erlaubt ist dabei militärisch fast alles - bis auf einen Einsatz von Bodentruppen. Vor der Entscheidung des Sicherheitsrates hatte Libyens Vizebotschafter Ibrahim Dabbashi vor einem Völkermord gewarnt. "Gaddafi hat den Verstand verloren. Er greift mit Kampfflugzeugen Zivilisten in dichtbewohnten Städten an". Dabbashi, der sich von Gaddafi losgesagt hat, betonte: "Wenn die Weltgemeinschaft nicht sofort handelt, dann wird es einen furchtbaren Völkermord geben."
Streit im Bundestag
Der Beschluss für eine Flugverbotszone über Libyen löste unter den Parteien im Bundestag einen heftigen Streit aus. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte am Freitag die Gründe für Deutschlands Enthaltung. In einer kurzfristig angesetzten Regierungserklärung sagte er: "Wir verstehen diejenigen, die sich aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärisches Eingreifen in Libyen ausgesprochen haben." In der Abwägung der Argumente sei die deutsche Regierung aber zum Ergebnis gekommen, dass die Risiken und Gefahren überwögen, sagte Westerwelle. "Die Alternative zu einem Militäreinsatz ist, den Druck zu erhöhen, ist auch Sanktionen zu beschließen." Westerwelle brachte einen möglichen deutschen Awacs-Einsatz ins Spiel. Awacs steht für Airborne Warning and Control Systems (luftgestützte Warn- und Kontrollsysteme). Die Flugzeuge können mit ihrem Radar einen Umkreis von bis zu 400 Kilometern überwachen, sowie Bilder in Echtzeit übertragen und Kampfeinsätze dirigieren.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU/CSU), sagte, die Enthaltung sei richtig. "Bündnis heißt nicht, dass Deutschland bei allem, was die Nato macht, dabei sein muss." Es sei eine berechtigte Frage, warum man in Libyen eingreife, aber nicht im Sudan oder in der Elfenbeinküste, sagte Polenz. Es müsse vermieden werden, dass die Antwort laute: wegen des Öls. Allen müsse klar sein, dass es bei Luftschlägen immer auch zivile Opfer gebe. Das sei eine der bitteren Lehren aus dem Balkan-Krieg.
Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sagte, die deutsche Enthaltung bewirke, dass es nun keine gemeinsame Position der Europäischen Union in punkto Flugverbotszone gebe. Deutschland sei "aus dem europäischen Geleitzug ausgeschert". Er gab zu bedenken, dass ein Ja nicht automatisch bedeutet hätte, dass sich Deutschland selbst militärisch beteiligt. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bezeichnete die Haltung der Koalition als "Schande". Sie empörte sich: "Gegenüber Despoten kann es keine Enthaltung geben." Die SPD wurde ihrerseits von der Linken scharf kritisiert. Der Abgeordnete Jan van Aken sagte: "Sie von der SPD sind hier im Moment die größten Kriegstreiber im Bundestag." Die Entscheidung zur Enthaltung sei richtig.
Die Grünen stützten den Beschluss des UN-Sicherheitsrats. Allerdings machte Fraktionschefin Renate Künast während der Debatte deutlich: "Da leidet es mitten durch die Grüne-Fraktion." Aber: "Wenn Gaddafi sein eigenes Volk beschießt, dann stehen wir in der Verantwortung." Weiter sagte Künast: "Wir sind in der Verantwortung, Menschenrechte zu verteidigen." Die Grünen übersähen nicht die Risiken: "Wir wissen am Ende alle, dass auch die Flugverbotszone umgesetzt werden muss, und dass das ein schwierige Weg ist."
Freiheitskämpfe
Auch in anderen arabischen Ländern kämpfen die Herrscher um ihren Machterhalt. Bei Angriffen auf Regierungsgegner im Jemen sind am Freitag mindestens 50 Menschen getötet und 240 weitere verletzt worden. Anhänger von Staatschef Ali Abdallah Saleh schossen von umliegenden Dächern auf Demonstranten, die auf einem Platz vor der Universität der Hauptstadt Sanaa kampieren. Sie fordern den Rücktritt von Saleh, der das Land seit 1978 regiert. In den vergangenen Wochen gab es in Städten des Landes immer wieder blutige Zusammenstöße zwischen Anhängern der Opposition und der Polizei. Der Präsident hatte angekündigt, auf eine erneute Kandidatur verzichten zu wollen. Zudem versprach er eine umfassende Reform der Verfassung. Der Opposition beharrt auf seinem Rücktritt.
Bahrein
Auch in Bahrain wurden Proteste vom Militär gewaltsam beendet. Mehrere Oppositionsführer wurden verhaftet. Die Regierung hatte Hilfstruppen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Land geholt, um Demonstrationen zu beenden. In Saudi-Arabien hat das Herrscherhaus Reformen und finanzielle Wohltaten beschlossen, um Proteste zu verhindern. Jeder arbeitslose Saudi soll ab sofort pro Monat 2000 Rial (377 Euro) Arbeitslosengeld erhalten. Für Einheimische wurde ein Mindestlohn in Höhe von 3000 Rial pro Monat festgelegt. König Abdullah befahl auch die Einrichtung einer Behörde zur Bekämpfung der Korruption, den Bau neuer Wohnungen sowie die Renovierung zahlreicher Moscheen. Aber auch die verhasste Behörde der islamischen Religionspolizei soll eine Finanzspritze erhalten.