Keine Sonderwelten, normale Umgebung
SOZIALES Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention soll im Juni kommen
Seit März 2009 gilt auch in Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Sie sieht eine Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an allen Lebensbereichen vor: Soweit möglich, sollen sie nicht in Sonderschulen unterrichtet, in Heimen untergebracht und in besonderen Werkstätten beschäftigt werden. Statt dessen sollen "normale" Schulen, Arbeitsplätze und Wohnungen so ausgestattet werden, dass Menschen mit Behinderungen dort lernen, arbeiten und leben können.
Im Juni 2011 will die Bundesregierung einen nationalen Aktionsplan vorlegen, wie die UN-Konvention in Deutschland verwirklicht werden kann. Am vergangenen Freitag debattierte der Bundestag erstmals über entsprechen Anträge der Koalition (17/4862) und der Linksfraktion (17/4911, 17/5043).
Der Parlamentarischer Staatssekretär im Arbeitsministerium, Hans-Joachim Fuchtel, (CDU), betonte, zusammen mit Verbänden der Behindertenhilfe habe bereits eine "überwältigende Zahl an guten Ideen" für den Aktionsplan gesammelt. Auch die FDP-Sozialexpertin Gabriele Molitor lobte die bisherige Arbeit am Aktionsplan. Die Tatsache, dass sich die Vorstellung des Aktionsplans verzögere, zeige vor allem, dass es der Regierung "auf die Qualität ankommt". Die CDU-Abgeordnete Maria Michalk kritisierte die Kluft zwischen guten gesetzlichen Regelungen und ihrer Anwendung. Hörbehinderte Jugendliche hätten beispielsweise die Möglichkeit, ihre Ausbildung bei einem regulären Betrieb und nicht in einer Sondereinrichtung zu absolvieren; viele Betroffenen scheiterten jedoch daran, angesichts einer Vielzahl zuständiger Behörden die richtigen Zuschüsse zu beantragen.
Die SPD-Sozialexpertin Gabriele Hiller-Ohm sah die Verzögerungen beim nationalen Aktionsplan weniger gelassen. "Drücken Sie endlich auf die Tube", rief sie den Regierungsfraktionen zu. Den Antrag von Union und FDP kritisierte sie als zu wenig konkret.
Kritik an Finanzierungsvorbehalt
Für die Linksfraktion warf die Abgeordnete Martina Bunge der Regierung vor, auf Bundesebene bislang "nichts" für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention getan zu haben. Behinderte Menschen müssten selber entscheiden dürfen, ob sie alleine oder in einem Heim wohnen wollen - auch wenn ihre Entscheidung Mehrkosten für die Kommunen verursache. Bislang können Städte und Gemeinden die Übernahme dieser Kosten ablehnen.
Der Grünen-Abgeordneter Markus Kurth kritisierte vor allem, dass die Vorschläge im Antrag der Koalitionsfraktionen unter einem Finanzierungsvorbehalt stünden. "Die Ausübung von Menschenrechten darf nicht von den Kosten abhängig gemacht werden", forderte er. Auch andere Grundrechte wie das Recht auf Versammlungsfreiheit würden zu Millionenkosten führen - beispielsweise wenn Polizeibeamte Demonstrationen absichern müssten.