Bayern : Alles super oder was? Seehofer sortiert neu
Das CSU-Kabinett steht. Alle Ressortchefs sind wiederberufen, aber mit neuen Aufgaben. Söder, Aigner, Haderthauer und Spaenle bekommen "Superministerien"
Ein "Super-Horst" braucht auch ein Super-Kabinett. Nach seinem Triumph bei der Landtagswahl, bei der die CSU die absolute Mehrheit in Bayern zurückerobert hatte, brütete Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer tagelang über Namen und Aufgaben. Herausgekommen ist ein Kabinett, in dem es nur so wimmelt von Superministern. Zwar hatte Seehofer bei der Suche nach seiner neuen Regierungsmannschaft aufs Tempo gedrückt - gerade einmal dreieinhalb Wochen nach der Landtagswahl wurde das Kabinett schon vereidigt. Doch er machte es bis zum Schluss spannend. Tagelang sickerte so wenig durch wie selten zuvor, auch weil der Parteichef der CSU strikte Verschwiegenheit verordnet hatte - und es sich niemand mit ihm verderben wollte.
Musste er sich vor fünf Jahren noch mit dem Koalitionspartner FDP herumschlagen, so konnte Seehofer die Ressortverteilung dieses Mal im Alleingang vornehmen. In der eigenen Partei darf er gegenwärtig ohnehin nach Belieben schalten und walten: Nie war Seehofer mächtiger als in diesen Wochen. Seine Überlegungen vertraute er eigenen Angaben zufolge nur einem kleinen Zettel an, den er stets in der Brusttasche trug und niemandem zeigte. Erst eineinhalb Stunden vor Beginn der entscheidenden CSU-Fraktionssitzung wurden Namen und Posten publik.
Kronprinzen aufgewertet
Mit Spannung erwartet wurde vor allem die Antwort auf die Frage, welche Rolle der Regierungschef den beiden aussichtsreichsten Kandidaten auf seine Nachfolge im Jahr 2018 zuteilen würde, dem bisherigen Finanzminister Markus Söder und der ehemaligen Bundesagrarministerin Ilse Aigner. Beiden überließ Seehofer Superministerien - und bemühte sich, den Eindruck zu vermeiden, er gebe einem von beiden den Vorzug. Auf beide warten sehr schwere Aufgaben. Söder bleibt Finanzminister, ist aber zusätzlich für Landesentwicklung und Heimat zuständig. Sein erweitertes Ministerium bekommt einen zweiten Staatssekretär und eine Außenstelle in Söders Heimatstadt Nürnberg. Ein solches Heimatministerium hatte Seehofer schon vor Monaten angekündigt, es soll auch in den entlegenen Regionen des Freistaats für eine hohe Lebensqualität sorgen.
Söder steht vor der schwierigen Aufgabe, auf einen ausgeglichenen Haushalt zu achten und zugleich möglichst viel Geld in den ländlichen Raum zu pumpen. Aigner wiederum übernimmt das Wirtschaftsministerium, dessen Aufgabenbereich um Energie, Technologie und Medien erweitert wird. Die frühere Bundesministerin ist damit für die Herkulesaufgabe Energiewende verantwortlich. Bisher war die Zuständigkeit auf mehrere Ministerien verteilt. Zugleich ist Aigner - und das könnte Söder durchaus einen Stich versetzt haben - neue stellvertretende Ministerpräsidentin. Doch die Frage, ob dies als Vorentscheidung zugunsten Aigners zu werten sei, verneinte Seehofer und fügte vielsagend an: "Auch Martin Zeil war Stellvertreter." Dem behäbigen FDP-Wirtschaftsminister war es nie gelungen, sich in Seehofers Schatten zu profilieren. Jetzt sitzt er nicht einmal mehr im Landtag.
Neuer Zuschnitt
Auch Ludwig Spaenle darf sich mit dem Etikett Superminister schmücken. In seinem Kultusministerium werden nun zusätzlich die Bereiche Wissenschaft und Kunst angesiedelt. Damit werden zwei Ministerien zusammengelegt - laut Seehofer einer der größten Schritte der Kabinettsreform: "Die gesamte Bildungspolitik kommt künftig aus einer Hand." Spaenle soll so die Durchlässigkeit des Bildungssystems stärken.
Wenn von Seehofers Kronprinzen die Rede ist, sollte auch der Name Christine Haderthauer nicht unerwähnt bleiben. Solange Aigner vorwiegend auf der bundespolitischen Bühne unterwegs war, galt die bisherige Sozialministerin als Söders schärfste Konkurrentin. Ihr Stern verblasste zuletzt zwar, auch weil ihr vor zwei Jahren die schon sicher geglaubte Ernennung zur Finanzministerin verwehrt blieb. Jetzt hat der Ministerpräsident Haderthauer wieder aufgewertet: Sie zieht als Staatskanzleichefin in Seehofers Machtzentrale und darf sich zudem Staatsministerin für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben nennen. "Wenn Sie von einem Superministerium reden wollen, dürfen Sie auch dort davon reden", gab der CSU-Chef den Journalisten eine praktische Handreichung. Alles in allem hat Seehofer sein Kabinett ordentlich durcheinandergewirbelt: Er hat Minister von einem ins andere Haus versetzt, ihnen hier ein paar Kompetenzen weggenommen und dort wieder andere gegeben, er hat Ministerien erweitert und andere beschnitten. Zufrieden lobte er sich selbst für die "größte Veränderung der Geschäftsbereiche in den letzten Jahrzehnten".
Ministerriege kaum verändert
So stark Seehofer die Ressortzuschnitte neu gestaltet hat, so wenig erneuert hat er die Ministerriege. Hatte er vor fünf Jahren noch eine Reihe verdienter CSU-Minister aussortiert (alle über 60-Jährigen), so schafften es dieses Mal alle bisherigen Ressortchefs erneut in die Regierung. Selbst Beate Merk, deren Ministersessel im Justizministerium wegen der Affäre Gustl Mollath heftig gewackelt hatte, darf weiterhin am Kabinettstisch Platz nehmen, wenn sie auch mit dem Europaministerium nun das unbedeutendste Ressort verantwortet. Nur drei neue Minister gehören der Regierung an, wobei Aigners Berufung längst klar war und die neue Gesundheitsministerin Melanie Huml dem Kabinett bislang schon als Staatssekretärin angehört hatte. Einzig mit der Ernennung des weitgehend unbekannten Abgeordneten Winfried Bausback zum Justizminister ist Seehofer eine Überraschung gelungen. In mehreren Ministerien ändert sich personell überhaupt nichts. So kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher im Landtagsplenum denn auch Seehofers "personalpolitisches Weiter-so". Es gebe keinen frischen Wind, vielmehr verteilte der Ministerpräsident "persönliche Zugeständnisse an einzelne Kabinettsmitglieder wie Bonbons und Süßigkeiten an kleine Kinder".
Spott der Opposition
Besonders an den sogenannten Superministern arbeiteten sich die Oppositionsspitzen ab. Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger spottete über "Super-Markus", die "Super-Ilse" und die ganze Debatte, "wer super-superer ist als der andere". Es dränge sich der Eindruck auf, dass der Kabinettszuschnitt auch darauf abziele, "ein paar Leute gegeneinander zappeln zu lassen, damit nicht der eine oder die andere zu schnell Überhand bekommt". Aus Seehofers großer Ankündigung, ein Heimatministerium zu schaffen, sei am Ende "eine Außenstelle für die Selbstdarstellung von Herrn Söder geworden", beklagte Aiwanger. Vielleicht sei es aber auch nur Seehofers Hinweis an Söder: "Lieber Markus, richte Dir Dein Nest in Nürnberg ein, in München sitzt schon eine Kronprinzessin." Auch Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann kritisierte, Seehofer sei es vor allem darum gegangen, das Machtverhältnis zwischen zwei möglichen Nachfolgern ins Gleichgewicht zu bringen. "Sie haben aus dem Nichts lauter Superminister geschaffen", sagte er. "Das ist faktisch wie an der Tankstelle. Da gibt's auch nur noch Super. Das Auto ist das Gleiche, und das Auto fährt auch nicht besser deswegen."
Seehofer lässt die Kritik kalt. Kurz nachdem ihn der Landtag mit 100 von 176 Stimmen erneut zum Ministerpräsidenten gewählt hatte, rief er der Opposition die politische Ausgangslage nochmals in Erinnerung: "Die Bevölkerung hat uns in hohem Maße, der CSU und mir persönlich, Vertrauen ausgesprochen." Und mit Blick auf die Attacken von SPD und Grünen mahnte er: "Wenn man nach einer Wahl so weitermacht wie vorher, ohne Rücksicht auf das Wählervotum, liegt da möglicherweise schon der Keim für eine weitere Wahlniederlage."